Geplante Intersex-Leitlinie: Deutsche Kinderurologen, -Endokrinologen und -Chirurgen wollen neu erst "kurz vor der Pubertät" verstümmeln

UK Aachen, 30.05.2011: Protest gegen "Ethik"-Vortrag von Susanne Krege (Pfeil)

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)

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In einer >>> Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Urologie (DGU) vom 13.05.2014 erklärt Kinderchirurgin Susanne Krege, "Mitkoordinatorin der neuen S2k Leitlinie zu Varianten der Geschlechtsentwicklung", kosmetische Genitaloperationen an Intersex-Kindern sollen in der künftigen AWMF-Leitlinie neu erst "kurz vor oder zu Beginn der Pubertät" empfohlen werden – nicht zuletzt aufgrund "massive[r] Proteste von Betroffenen":

„Auf keinen Fall sollte unmittelbar nach der Geburt an operative Maßnahmen zur Angleichung in die eine oder andere Richtung gedacht werden, da die Entwicklung des Kindes oft ganz anders verläuft, als von Eltern und Ärzten angenommen. Massive Proteste von Betroffenen gegen eine einst übliche frühzeitige Geschlechtsfestlegung auf dem OP-Tisch haben zu diesem Umdenken beigetragen“, sagt Prof. Dr. Susanne Krege, Fachärztin für Urologie.

Das seit 2012 angemeldete, ursprünglich auf Ende 2013 angekündigte
>>> AWMF-Leitlinienvorhaben 174/001 "Störungen der Geschlechtsentwicklung" unter Federführung der notorischen Genitalverstümmlerinnen Prof. Dr. Susanne Krege (Krefeld, DGU), Prof. Dr. Felicitas Eckoldt (Jena, Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie DGKCH) und PD Dr. Annette Richter-Unruh (Bochum, Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie DGKED) soll nun neu auf Ende dieses Jahres fertiggestellt werden.

„In der Medizin findet gegenwärtig ein Umdenken statt: Das Kind als betroffene Person steht im Mittelpunkt. Entscheidungen sollen nicht länger über ihre Köpfe hinweg getroffen werden, mit denen sie später nicht leben können oder wollen. Ganz wichtig ist es, zunächst die Eltern zu beruhigen, sie zu beraten und den Kontakt zu anderen Betroffenen in der Selbsthilfe oder in Peer Groups herzustellen. Außer bei notwendigen Eingriffen, wie etwa der Substitution von Cortisol gegen lebensgefährlichen Salzverlust bei AGS, soll bis zur Einsichtsfähigkeit der Betroffenen gewartet werden. Kinder sollen früh, aber altersentsprechend an ihre Diagnose herangeführt werden, um dann kurz vor oder zu Beginn der Pubertät möglichst selbst entscheiden zu können“, sagt die Chefärztin der Urologie und Kinderurologie [Krege]. [...]

Ein Kernpunkt der Leitlinie wird, laut Prof. Dr. Krege, eine Zurückhaltung mit irreversiblen, operativen Maßnahmen kurz nach der Geburt sein, sofern das Kindeswohl dies nicht unabweisbar erfordere. Der bisher häufig herbeigezogene Leitgedanke, dass neben Erziehung und Sozialisation besonders auch eine eindeutige Anatomie für die Entwicklung der geschlechtlichen Identität entscheidend sei, vernachlässige wichtige Aspekte wie zum Beispiel hormonelle Einflüsse. „Zwar gibt es auch aus medizinischer Sicht bei DSD weiter gute Gründe für frühzeitige Eingriffe, aber mit Ausnahme der zwingend notwendigen sollen sie künftig den Bedürfnissen und der Selbstbestimmung Betroffener hintangestellt werden“, resümiert Leitlinien-Mitautorin Prof. Dr. Krege.

Grundsätzlich appellieren die Urologen zu mehr Toleranz gegenüber Menschen mit DSD. [...]

Meine 2 Cent: Dass endlich sogar die großen Deutschen GenitalabschneiderInnen-Standesgesellschaften DGE, DGU und DGKCH sich offenbar langsam zur Erkenntnis durchringen, dass frühkindliche Genitalverstümmelungen an Intersex-Kindern unhaltbar sind, ist unbestreitbarerweise eine gute Nachricht und ein schöner Etappensieg.

Dass sie aber anscheinend immer noch propagieren, ein 10 oder 12-jähriges Kind könne angeblich eine informierte Entscheidung treffen über einen kosmetischen Eingriff mit dem bekannten Risiko der Verminderung oder des Verlusts der sexuellen Empfindungsfähigkeit sowie auch des Verlusts der Fertilität – d.h. in einem Alter, in dem die Kinder ihr Lustorgans noch gar nie ausprobieren konnten und so gar nicht wissen können, was sie aufs Spiel setzen, und in einem Alter, in dem der Gesetzgeber Kastrationen und Sterilisationen klar verbietet –, zeigt leider, dass die MedizynerInnen in Sachen Grund- und Menschenrechte immer noch eine ganze Menge dazuzulernen haben.

Dass die MedizynerInnen laut Krege den Verzicht auf menschenrechtswidrige Genitalverstümmelungen obendrein abhängig machen wollen von einem vorgängigen gesellschaftlichen Wandel, namentlich "Abkehr von überkommenen Moralvorstellungen" a.k.a. Loslösung "von einem binären Denken in rein männlich und rein weiblich", wird zwar manche GenderenthusiastInnen allenthalben ins Frohlocken bringen, zeigt jedoch wiederum schmerzlich auf, was die GenitalabschneiderInnen (wie auch manche GenderenthusiastInnen) offensichtlich immer noch nicht kapiert haben wollen: Elementare Grund-, Menschen- und Kinderrechte (wie z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung und das Recht auf Freiheit von Folter und uneingewilligten Menschenversuchen) sind in Deutschland längst in Kraft.

Dass Krege nicht zuletzt tatsachenwidrig behauptet, medizinisch nicht notwendige, kosmetische Genitaloperationen und andere irreversible unnötige Eingriffe an Kindern mit "Varianten der Geschlechtsdifferenzierung" seien in Deutschland angeblich bereits seit "Jahren" gar nicht mehr "Praxis", während tatsächlich weiterhin immer noch täglich Kinder an ihren "atypischen" Genitalien kosmetisch genitalverstümmelt werden, unterstreicht unmissverständlich, dass es noch einiges an öffentlichem und politischem Druck inkl. gewaltfreien Protesten brauchen wird, bis die MedizynerInnen endlich einsehen werden, dass sämtliche Grund- und Menschenrechte auch für alle Kinder mit Variationen körperlicher Geschlechtmerkmale uneingeschränkt gelten – inkl. dem Recht auf Zugang zu Justiz und Wiedergutmachung für Überlebende! 

Es ist noch ein weiter Weg ...

Siehe auch:
- Leitlinien-Interview mit Susanne Krege auf rbb-Kulturradio (16.05.2014)
- Leitlinien-Interview mit Susanne Krege im Spiegel 22/2014 

Intersex Genital Mutilations
Human Rights Violations Of Children With Variations Of Sex Anatomy

2014 NGO Report to the UN Committee on the Rights of the Child (CRC)
>>> Download PDF (3.65 MB)     >>> Table of Contents 

>>> Intersex-Genitalverstümmelungen (IGMs): Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGMs – eine Genealogie der TäterInnen

Comments

1. On Tuesday, June 24 2014, 23:09 by Sabrina

Zitat oben:
"Dass die MedizynerInnen laut Krege den Verzicht auf menschenrechtswidrige Genitalverstümmelungen obendrein abhängig machen wollen von einem vorgängigen gesellschaftlichen Wandel, namentlich "Abkehr von überkommenen Moralvorstellungen" a.k.a. Loslösung "von einem binären Denken in rein männlich und rein weiblich", wird zwar GenderenthusiastInnen allenthalben ins Frohlocken bringen, zeigt jedoch wiederum schmerzlich auf, dass die GenitalabscheniderInnen (wie auch die GenderenthusiastInnen) offensichtlich immer noch nicht kapiert haben wollen, dass elementare Grund-, Menschen- und Kinderrechte (wie z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung und das Recht auf Freiheit von Folter und uneingewilligten Menschenversuchen) in Deutschland längst in Kraft sind."

Es zeigt auch, dass sich die Medizin als Institution begreift, mittels Körperverletzung Menschen politischen Vorstellungen zu unterwerfen - sprich - medizinische Techniken für nichtmedizinische Zwecke eingesetzt werden.

Ich halte das schlicht für Kriminalität. Das ist jedenfalls meine persönliche bescheidene Meinung.