Tuesday, December 11 2007

48 Jahre im „falschen Leben“

Kann ein Zwitter Sünde sein?

Weiterer Zwitter Medien Offensive-Artikel zu Christiane Völling und dem Prozess im Kölner Stadt-Anzeiger:

http://www.ksta.de/html/artikel/1195816921913.shtml

Einmal mehr nicht schlecht recherchiert (ok, mit Ausnahme des "Schweizer Vorbilds"), bleibt zu hoffen, dass dem Operateur & co. auch vor Gericht eine steife Brise um die Ohren weht ...

>>> Christianes Geschichte in ihren eigenen Worten hier

Artikel über Christiane und den Prozess in der Süddeutschen

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

"aus der Rubrik 'Sex'" (welche denn auch sonst?)

Das verordnete Geschlecht:
Wie eine Frau offenbar ohne ihr Wissen zum Mann operiert wurde

http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/411358

Christianes Geschichte in ihren eigenen Worten hier

Wednesday, December 5 2007

Spiegel unterschlägt Kritik an Thyen

Vielen Intersexen stiess das Zitat von Frau Thyen, Chefpsychologin des Netzwerkes Intersexualität, sauer auf:


Eltern [...] müssten es erst
mal fertigbringen, ein Kind ohne Ge-
schlechtszuschreibungen zu erziehen.
Die Eltern müssen es annehmen kön-
nen, sagt auch die Kinder- und Jugendärz-
tin Ute Thyen, eine der treibenden Kräfte
der Lübecker Netzwerk-Studie.
Die Eltern wickeln ihr Kind, viermal am
Tag. Sie sehen, was los ist, und müssen
damit leben können. Und ein Kind, das
körperlich so offensichtlich anders sei, be-
fürchten die Eltern, werde es nun mal
schwer haben, sagt Thyen, „sollen sie es
denn zum Testfall machen? Die Gesell-
schaft ist nicht so weit, aber mein Kind
geht schon mal voraus?“


Einmal mehr wird nur aus der Perspektive der Eltern und Ärzte argumentiert und unterschlagen, dass die geschlechtszuweisenden Operationen im Kindesalter ohne Einwilligung der Betroffenen grösseres Leid verursachen, als die immer wieder vorgebrachten Hänseleien in Kindergarten, Schule etc.

Mehrere Intersexe schrieben Leserbriefe an den Spiegel, in denen sie Frau Thyens Aussage kritisierten. Bezeichnenderweise wurden genau diese allesamt unterschlagen:

Mit großem Interesse habe ich ihren Artikel gelesen. Die Bemerkung von Frau Ute Thyen (Kinder und Jugendärztin), dass die Eltern das Kind mit dem uneindeutigen Geschlecht annehmen können müssen, klingt sehr überlegt. Bedauerlich sind ihre weiteren Schlussfolgerungen, denn die Problematik hat sich Frau Thyen doch offenbart. Die Eltern brauchen das Angebot einer Begleitung.

Und ich vermute, dass die angeblichen Befürchtungen der Eltern etwas aus der Luft gegriffen sind. Es klingt wie Polemik, so unkonkret.

Ich erinnerte mich an den Film der Contergan – Geschädigten. In der Szene, in der die junge Mutter ihr Kind zum ersten Mal sieht, ist alles offen und es siegt die Liebe der Mutter. (Etwas überspitzt theatralisch vielleicht, aber ok.) Ich bin der Meinung, dass die Gesellschaft die „Monster“ macht, eben durch so eine Totenstille auf die Frage nach dem Geschlecht im Kreißsaal.

Damit stellt sich für mich die gesellschaftliche Frage der Existenzberechtigung jeder (gottgewollten) Schöpfung und auch der Berechtigung jedes Individuums selbst darüber zu entscheiden. Wie kann es also sein, dass den Eltern anscheinend suggeriert wird, das Kind wäre nicht ok? Wenn die Eltern bei Bedarf nicht allein gelassen werden, und sie das Kind lieben, weshalb sollten sie das Kind nicht selbst über das eigene Leben mit entscheiden lassen.

Ich glaube daran, dass unsere Gesellschaft an diesem offenbarten natur gegebenen Anderssein wachsen wird. Genug Beispiele dafür gibt es ja.

(Clara07)



Der Spiegel ist längst nicht mehr so mutig wie vor 40 Jahren. Sie werden wohl einer Klage aus dem Wege gehen wollen. Das hatte ich auch übersehen, als ich schrieb:

"Dankenswerter Weise wird in dem Artikel das „Recht der preußischen Länder“ erwähnt, das eine pragmatische Regelung enthielt. Zwitter waren noch kein Behandlungsobjekt für die Medizin, die mit anderen Dingen voll beschäftigt war. Die Selbsterklärung per „Geschlechtseid“ konnte Lebenskatastrophen verhindern oder zumindest mildern. Nachdem die moderne Gesetzgebung (in Preußen das BGB) solche Regelungen „vergessen“ hatte, wurden Zwitter zur Nichtexistenz verdammt. Manche konnten auf sehr niedrigem Niveau überleben, indem sie sich auf Jahrmärkten als Fabelwesen ausstellen ließen, Andere landeten im Rotlichtmilieu als Objekte verirrter männlicher Triebe. Schon im 19 Jahrhundert begann die Chirurgie, sich der Genitalien anzunehmen. Ergänzt als „Vereindeutigeung wurde dies durch die pharmazeutischen Ergebnisse der Hormonforschung ab den 30er Jahren. Mit John Moneys Postulat, nicht ein wie auch immer definiertes „Kerngeschlecht“ solle Grundlage des eingetragenen Geschlechtes sein, sondern die hormonelle und chirurgische Machbarkeit, schienen Zwitter endgültig und für alle Zeiten vom Erdboden verschwunden zu sein. So schuf die Medizin „Ersatzlegalität“ für Menschen, die real im Gesetz nicht mehr vorkommen.

Die im Artikel zitierte Kinderärztin Ute Thyen hat viel Verständnis für Eltern, die ein im Gesetz nicht vorkommendes Kind nicht aushalten. Wie wir aktuell wieder erfahren haben, können Eltern, die ihr Kind nicht aushalten, es verhungern lassen. Ist angesichts dessen die Austreibung des Teufels „illegaler“ Körper“ mit dem Beelzbub der Frühanpassung nicht human? Interessanterweise wurde schon oft über die Möglichkeit geredet und geschrieben, ein ungeliebtes Kind zur Adoption freizugeben, auf dass es ein liebevolles Umfeld fände. Das Selbstverständliche gilt aber nicht für Zwitterkinder. Die sind auf Gedeih oder Verderb ihren Erzeugern ausgeliefert, auch wenn die meinen, ein Baby müsse in jedem Falle der Norm für baugleiche Serienprodukte entsprechen. Ich bin überzeugt, dass ein ungeliebtes Zwitterkind liebevolle Eltern finden kann, die ihm ein warmes Nest und gute Chancen zur Entwicklung von Selbstwertgefühl bieten können. Schließlich kenne ich selber Erwachsene, die den individuellen Wert des Menschen höher schätzen als die Norm.

Das Erleben der Entwertung des eigenen Körpers lässt sich nicht wegoperieren. Für den Aufbau eines gesunden Selbstwertgefühles ist es nicht wichtig, eine normgerechte Nase oder normgerechte Genitalien zu haben.
Unabdingbar ist es, in der nahen Umgebung sich geliebt und anerkannt fühlen zu können. Wer irgendwann erfährt, dass man medizinisch eingreifen „musste“, damit er/sie überhaupt ein akzeptabler Mensch wurde, kann das nur schwer verarbeiten. Zumal die Psychotherapie sich mit dieser Lebenssituation niemals auseinander gesetzt hat und bis auf den heutigen Tag mit „Identitätstheorien“ um den heißen Brei herumschleicht.

Wichtig ist es, dass alle Menschen, unabhängig von Eigenschaften wie „Junge“, „Mädchen“, „Zwitter“ oder „Neger“ ihre Fähigkeiten frei entfalten und einbringen dürfen und ein gesundes Leben führen können.

Ich frage mich, ob es ohne den Wegfall von Regelungen wie dem Geschlechtseid im „preußischen Landrecht“ überhaupt eine Kindergynäkologie/Kinderurologie gäbe. Medizin könnte sich dann auf ihre Aufgabe besinnen:

Den Menschen ein gesundes Leben in jedem Sinne zu ermöglichen. Für Christiane hätte dies bedeutet, dass ihr Salzverlust frühzeitig zur Kenntnis genommen und behandelt worden wäre. Und dass sie im richtigen Alter hätte entscheiden dürfen, ob sie ihre weiblichen Organe behalten will oder nicht.

Wenn allen Menschen ein würdiges Leben im Sinne des Grundgesetzes ermöglicht sein soll, muss die alte Regelung des preußischen Landrechtes wieder in Kraft treten. Sie würde Kinder vor irreversiblen Zwangsmaßnahmen schützen. Über Verbesserungen der Regel werden wir gerne dem Gesetzgeber reden. Zum Beispiel könnte die Eintragung eines Geschlechtes bei der Geburt auch ganz wegfallen, ohne dass die Welt Schaden nimmt. Die Geschlechter Mutter oder Vater zeigen selber, wenn es an der Zeit ist. Wer keines von Beiden hat, kann trotzdem ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft sein.

Der Umgang mit Zwitterkindern zeigt auf besonders drastische Weise, wie Erwachsenen ihre Unfähigkeit zur Gestaltung menschengerechter Lebensverhältnisse auf die Kinder abwälzen. Man kann die Lebenssituation von („Pseudo“-)Hermaphroditen seit dem Ende des „Geschlechtseides“ ungefähr vergleichen mit der Situation der Schwarzen in den USA bis in die 60er Jahre: Es gab ein reichhaltiges Kosmetikangebot zum Hautbleichen und Haareglätten. Bis einige Schwarze die Schande, schwarz zu sein, nicht mehr aushielten und zu der Erkenntnis gelangten: Nicht schwarz zu sein ist die Schande, sondern die sozialen Verhältnisse sind die Schande. Von da an gings bergauf...

Der letzte Satz im Artikel enthält übrigens eine Suggestion, die gesellschaftliche Vorurteile sehr schön darstellt: „Ihr passen nun Damenhosen, Größe 38“. Die Annahme, Christiane hätten als „Thomas“ irgend welche Herrengrößen besser gepasst, wie es durch das Komma und das Wörtchen „nun“ suggeriert wird, geht an der Realität des menschlichen Köpers vorbei."

(Claudia)



Liebe Spiegelredaktion,

zunächst danke ich Ihnen herzlich, dass Sie sich des Themas Zwischengeschlechtlichkeit angenommen haben. Es ist ein Thema mit vielen Fassetten und für einen Mann oder eine Frau schwer zu verstehen in dieser zweipoligen Welt.

Die fehlende Wertschätzung für die Menschenrechte und die Anwendung der Grundrechte dieses Staates im Bezug auf zwischengeschlechtliche Menschen wird auch in der Reportage sehr deutlich : Wie selbstverständlich eine Wissenschaftlerin und Kinderärztin wie Frau Prof.Dr.Thyen, die federführend über das Schicksal von zwischengeschlechtlichen Kindern entscheidet, berichtet : 'Die Eltern wickeln ihr Kind viermal am Tag. Sie sehen, was los ist,und müssen damit leben können. Und ein Kind das offensichtlich so anders sei, befürchten die Eltern, habe es nun mal schwer, sagt Thyen Sollen wir es zum Testfall machen?'

Fragen nach der Selbstbestimmung, nach dem Recht auf körperliche Unversehrtheit, eine eigene Sexualität, nach der Rechtmäßigkeit der Entfernung von gesunden Organen, die Spätfolgen, die fehlende Hormonersatztherapiemöglichkeiten und nicht zuletzt die Kosten, die der Solidargemeinschaft für Dauerrezepte nach unnötigen Kastrationen entstehen, und dem möglichen Leid, das ausgelöst wird, werden hier ausgeblendet.

Hauptsache, man merkt nichts.

Kein Staatsanwalt regt sich, keine Kinderschutzorganisation , kaum ein Politiker läuft Sturm. Oder doch?

Über wieviel % der Ablehnungen sprechen wir hier Frau Thyen? Ich kenne diese Eltern nicht. Wie viele Fälle sind Ihnen bekannt, möchte ich hier fragen. So viele Fälle wie sie bei entartenten Gonaden bei Menschen mit CAIS kennen ( o.9% Risiko bei einer Häufigkeit der Besonderheit CAIS von 1: 12.000 Geburten)?

Gerne wird hier mit k.o. - Argumenten laviert.

Ich wünsche mir, dass der Wahnsinn ein Ende hat, denn es ist nicht Geschichte, sondern Realität, das Heute, über das hier berichtet wird.

(Nolderot)



Einmal mehr stossen mir in einer Publikation über Intersexualität insbesondere die Aussagen der sogenannten ‚Experten’ bitter auf. Und nun auch noch Frau Thyens vorwurfsvolles und entnervtes „sollen sie es denn zum Testfall machen? Die Gesellschaft ist nicht so weit, aber mein Kind geht schon mal voraus?“ Und dies alles notabene nach der kürzlich erfolgten Veröffentlichung einer Studie des Instituts für Sexualforschung in Hamburg, die beweist, dass die meisten ‚behandelten’ Intersexuellen traumatisiert und unglücklich sind!
Und nur so nebenbei: Änderungen in der Gesellschaft kommen NUR dann zustande, wenn Menschen damit beginnen, schon mal vorausgehen! Kinder dabei zweifelsohne in Begleitung, aber diese Begleitung braucht Mut und Verantwortungsbewusstsein!

(Nella)

(Die abgedruckten Leserbriefe sind hier dokumentiert.)

Sunday, November 18 2007

Artikel über Intersexualität in DER SPIEGEL vom 19.11.2007

Menschenrechte auch für Zwitter!Die Zwitter Medien Offensive™ beginnt!

In der morgigen Ausgabe des Spiegels (Montag, 19. November 2007) erscheint ein Artikel über Intersexualität, der unter anderem auch Christiane Völlings Prozess behandelt. Nachtrag: Enthält zwar einige Schnitzer, auch werden z.T. menschenverachtende ExponentInnen aus Medizyn und Forschung einmal mehr als "neutrale ExperInnen" dargestellt, doch: Ein wichtiger Anfang ist gemacht!

Inzwischen ist der der Artikel auch (wieder) umsonst online!

Friday, November 9 2007

Laura Armani - intersexuell oder transsexuell? (Teil 2)

--> Laura Armani: "Die Frau, die nie ein Mann war" (Artikelbesprechung)
--> Teil 1: "Eine transsexuelle Medizinerin, ein homosexueller Moderator und ein Psychologe vom Mars"

Ich sinniere immer noch über Laura Armani, die auf mich im Übrigen einen überaus sympathischen Eindruck gemacht hat. Und hübsch ist sie auch noch. Ich habe ja nichts gegen Transsexuelle, aber umso mehr etwas gegen die Instrumentalisierung von Intersexuellen - durch welche Gruppierungen auch immer.

Auf der einen Seite stehen die Mediziner als selbsternannte Vertreter einer 'eindeutigen Geschlechtsidentität', auf der anderen Seite Randgruppen wie beispielsweise Transsexuelle oder Homosexuelle, die selber dazu beitragen, dass wir Intersexuellen als Randgruppe noch mehr an den Rand gedrängt und nicht in unserer ureigensten Seinsweise wahrgenommen werden.

Gerade mit einer lieben Geschlechtsgenossin geplaudert, die zu Recht findet: Für Frau Armani, die nichts mehr als Frau sein will, ist ihre Intersexualität ein Problem, denn diese impliziert eine männliche Seite, die Frau Armani sich rigoros abzuschminken versucht - im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn sie denn intersexuell ist.

Im Magazin 36/2007 vom 8. Sepember 2007 zeigt Laura Armani dem Journalisten Christoph Keller Fotografien, die ihr Genital vor der Geschlechtsumwandlung zeigen:

Ein versteckter Stummel, nicht wirklich ein Penis, aber auch keine Klitoris, etwas dazwischen, eine Art Erhöhung zwischen den Beinen, daraus schaut das sehr kurze Ding hervor, der Hodensack darunter leer.

Diese Beschreibung deutet auf ein intersexuelles Genitale hin. Allerdings kann die Einnahme von Östrogenen dazu führen, dass Penis und Hoden schrumpfen. Die weiblichen Östrogene führen nämlich zu einer Reduzierung und Entwicklungshemmung der männlichen Anteile, wie mir von Expertenseite bestätigt wurde. Und Frau Armani hat schon mit 22 Jahren begonnen, weibliche Hormone einzunehmen.

Wieso aber erzählt Frau Armani ein halbes Jahr zuvor in der Sendung Quer nichts davon? Weil sie nicht als intersexuell gelten will (siehe weiter oben)? Warum also das Geständnis im Magazin (obwohl dieses ja ziemlich zögerlich rüberkommt, wie ich schon dargelegt habe)? Oder ist sie transsexuell und bezeichnet sich aus welchen Gründen auch immer als Pseudohermaphrodit? Wem gehören dann die Genitalien auf den Fotos?

Fragen über Fragen ...


Siehe auch: Helma Katrin Alter – transsexuell oder intersexuell?

Eine transsexuelle Medizinerin, ein homosexueller Moderator und ein Psychologe vom Mars (Teil 1)

Immer wieder muss ich über Laura Armani sinnieren, frage mich nicht zum ersten Mal, ob Madame wirklich intersexuell ist, wie in Das Magazin 36/2007 dargestellt. Oder eben doch transsexuell. Und dann sind da noch diese Fotos ihres Genitales, die sie dem Verfasser des Magazin-Artikels unter die Nase hielt - "ich muss sie zeigen, damit Sie mir glauben".

Fragen über Fragen ...

Am 9. März 2007, also genau ein halbes Jahr vor obenerwähntem Artikel, trat Frau Armani in der Sendung Quer des Schweizer Fernsehen zum Thema 'Transsexualität' auf.

Ein einziges Mal fällt das Wort 'Pseudohermaphrodit' (bei Position 6:16): Im Interview kommentiert Frau Armani ein Foto, wo man das mit elf Jahren eingesetzende leichte Brustwachstum sehe und sagt in der Folge, dass sie nicht ganz klar männlich war, sondern eben auch noch ein bisschen eine Mischform, man nenne das Pseudohermaphroditismus. Ansonsten kein Piep, keine Erklärung.

Der Moderator Patrick Rohr reagiert nicht darauf. Nicht einmal der Psychologe, Professor Udo Rauchfleisch (Experte für Homosexualität und Transsexualität, Autor von Büchern mit Titeln wie "Gleich und doch anders"!) zuckt mit den Wimpern! Vielmehr sagt er: "zwei Dinge (...) die sind absolut sicher: dass es gibt Männer, es gibt Frauen. Menschen können lesbisch, schwul sein, heterosexuell sein, aber Männer, Frauen, klar. Und Transsexuelle stellen genau das auf den Kopf." (bei Position 24:10) Ach so. Und was machen dann Intersexuelle?!

Eine transsexuelle Medizinerin, ein homosexueller Moderator und ein auf Homosexuelle und Transsexuelle spezialisierter Professor und Psychologe, vereint in einer Sendung, wo einmal unkommentiert das Wort Pseudohermaphrodit fällt, die zu allem Übel noch Que[e]r heisst! Es ist ja beinahe schon zum Lachen, wenn's nicht so himmeltraurig wäre.

Gibt es ein besseres Beispiel für die Instrumentalisierung und Negierung von Intersexualität? Und für Scheuklappenjournalismus?!

Teil 2

Sunday, October 14 2007

„Man kann nicht sein, was man nicht ist.“ (David Reimer)

Wohl einer der differenziertesten Artikel über Intersexualität:

"Gender Mainstreaming" - Der kleine Unterschied
Von Volker Zastrow, F.A.Z., 07.09.2006, Nr. 208 / Seite 8

Kommentar folgt ...

Saturday, September 15 2007

Artikel über Intersexuelle in DAS MAGAZIN

In der Ausgabe Nr. 36/2007 der Samstagsbeilage DAS MAGAZIN unter dem Titel Die Frau, die nie ein Mann war vom 8.9.2007 ist ein Artikel von Christoph Keller über das Leben der Intersexuellen Laura Armani erschienen.

HIER FRISCH VON DER LEBER WEG EINIGE GEDANKEN:

Obwohl Laura Armani in anderen Publikationen als transsexuell beschrieben wird und sich selbst auch als solche bezeichnet – bei Google findet man gerade mal einen Eintrag zu „Laura + Armani + Intersex“, eben denjenigen zu diesem Artikel – ist sie offensichtlich intersexuell. (Nachtrag: Wenn denn die im Artikel erwähnten Fotos eines intersexuellen Genitals (Mikropenis und Leistenhoden) wirklich von Frau Armani stammen. Nirgends erwähnt werden zudem Operationen oder Untersuchungen in der Kindheit, etwas, was sozusagen jede(r) von uns über sich ergehen lassen musste. Frau Armanis Intesexualität muss diversen Ärzten entgangen sein. Wenn's stimmt: Gott sei Dank!)

Leider trägt sie mit ihren Aussagen dazu bei, dass die geneigte Leserin und der geneigte Leser (die im Durchschnitt über Intersexualität überhaupt nichts wissen) verwirrt sind, wenn sie beispielsweise sagt, dass sie „schon von Geburt an transsexuell (sei) mit einem schon immer femininen und grazilen Körperbau, aber mit leider einem äusseren massiv unterentwickelten und nicht funktionellen männlichen Genitale mit Leistenhoden seit der Kindheit“. Sie beschreibt einen intersexuellen Körper und setzt ihn mit transsexuell gleich. Andernorts ist von „transsexuellen Leiden“ die Rede, zugleich hat es noch detailliertere Beschreibung des intersexuellen Körpers. Eine Medizinerin, die ‚transsexuell’ und ‚intersexuell’ in einem Atemzug nennt, stimmt nachdenklich.

Wieso bezeichnet Frau Armani sich in den Medien als transsexuell, wo sie doch als Ärztin den Unterschied kennen sollte? Benutzt sie 'transsexuell' aufgrund ihres Erlebens, wie es beispielsweise auch Homosexuelle gibt, die sich als 'psychisch intersexuell' bezeichnen? Ist Frau Armani genetisch männlich (XY-Chromosomen) oder genetisch weiblich (XX-Chromosomen)? Was war bei ihr die Ursache der Intersexualität? Androgenresistenz? Enzymdefekt?

Und: "sie schafften es, zwei Kinder zu zeugen, die einzige Lösung waren artifizielle Hilfsmittel". Was sind das für "artifizielle Hilfsmittel"? Sind Intersexuelle zeugungsfähig?

Der Laie wird hier wohl kaum den Durchblick kriegen.

Immerhin spricht der Titel des Artikels Klartext und bringt den Unterschied zwischen Intersexualität und Transsexualität auf den Punkt: „Die Frau, die nie ein Mann war“ ist intersexuell geboren. Wäre von einer Transsexuellen die Rede, müsste der Titel heissen: Die Frau, die ein Mann war. Aber ob der Laie diesen Unterschied bemerken und diesem „nie“ die ihm zustehende Bedeutung zukommen lassen wird?

Es ist verständlich, dass Frau Armani sich als transsexuell bezeichnet, weil ihr Werdegang demjenigen eines Transsexuellen ähnelt. Auch handelt es sich bei der Geschlechtszuweisung von intersexuellen Kindern genau genommen um eine Zwangstranssexualisierung: ein intersexueller Mensch wird OHNE SEINE PERSÖNLICHE ZUSTIMMUNG entweder dem weiblichen (in den meisten Fällen) oder dem männlichen Geschlecht zugewiesen.

Dennoch ist es etwas ganz anderes, intersexuell zu sein. Das Hauptmerkmal habe ich oben erläutert: uns hat niemand gefragt, ob wir zu einer ‚Frau’ oder einem ‚Mann’ gemacht werden wollen. Über unsere Körper wurde bestimmt, ohne uns zu fragen.

Was Herr Prof. Mullis sagt, ist bezeichnend für die Situation, die auch heute noch herrscht:

Zwar sei das 'dritte Geschlecht' immer noch Utopie, aber "immerhin" "wächst unter den Ärzten die Bereitschaft, ein unbestimmtes Geschlecht auch einmal sein zu lassen, wenn es sich medizinisch vertreten lässt" ... „auch einmal sein zu lassen“ - das erinnert mich irgendwie an meine Kindheit, als ich vor dem Mittagessen auch schon mal etwas Süsses naschen durfte, obwohl es sonst verboten war. Glücklich also diejenigen, bei denen die Mediziner grosszügigerweise ein Auge zudrücken und die "auch einmal" mit einem unoperierten Genital alt werden dürfen! Das ist dann wie ein Sechser im Lotto – und wohl auch entsprechend selten.

Bei diesem Tempo im Umdenken werden noch viele Intersexuelle 'daran glauben' müssen. Dabei wäre es doch so einfach: Geschlechtszuweisende Operationen dürfen nur im Einverständnis der intersexuellen Person durchgeführt werden! Es geht um Menschenrechte, um Kinderrechte: das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit, auf Selbstbestimmung und Würde.

Ärzte haben nur die Macht, die ihnen zugestanden wird. Ich appelliere an die Eltern! Durch geschlechtsangleichende Operationen soll das Kind davor geschützt werden, sozial ausgegrenzt zu werden und unglücklich zu sein. Aber gerade durch diese Operationen wird dieses Gefühl umso grösser! Ich habe es am eigenen Leib erfahren. Ich kann mich noch so gut an diese grosse Angst erinnern, die in mir war, ein grosses, schwarzes, kaltes Loch, eine Art Vakuum, und ich dachte: ich darf diese Angst nicht zeigen, ich darf nicht schreien und weinen, wenn ich das tue, dann klappt meine Mutter vollends zusammen.

Es ist nicht einfach, ein intersexuelles Kind grosszuziehen bis zu dem Moment, wo es selber entscheiden kann. Aber der Mensch geht nicht an der Wahrheit zugrunde, sondern weil sie ihm vorenthalten wird.

Fortsetzung:
Eine transsexuelle Medizinerin, ein homosexueller Moderator und ein Psychologe vom Mars (Teil 1)
Laura Armani - intersexuell oder transsexuell? (Teil 2)
Helma Katrin Alter – transsexuell oder intersexuell?  

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