Zwitter-Genitalverstümmelungen: Diskriminierung oder Verbrechen?
Aktion von Zwischengeschlecht.org, 6.2.2011 (Bild: NZZ Format)
PRESSEMITTEILUNG von Zwischengeschlecht.org vom 30.06.2011:
INHALT:
1. Jeden Tag wird in einer Kinderklinik ein
wehrloses Kind verstümmelt
2. Hunde besser vor Verstümmelung und Kastration
geschützt als Kinder
3. "fundamentaler Verstoß gegen körperliche
Unversehrtheit"
4. Politische Instrumentalisierung durch Schwule
und Lesben
5. Deutscher Ethikrat ist gefordert
Jeden Tag wird in Deutschland in einer Kinderklinik
mindestens ein wehrloses Kind irreversibel genitalverstümmelt.
Die Mediziner nennen es "korrigierende" oder "angleichende Eingriffe".
Überlebende Betroffene sprechen ihrerseits von Genitalverstümmelung, uneingewilligten Zwangsoperationen und Zwangskastrationen und von medizinischer Folter.
Allein in
Hamburg haben 2011 mindestens 5 Kinderkliniken medizinisch nicht
notwendige, kosmetische Genitaloperationen im Angebot für Kleinkinder
"mit zu großer Klitoris" oder sonstwie "auffälligen Geschlechtsorganen".
Bundesweit sollen es über 100 Kinderchirurgien sein, darunter auch zahlreiche
kleine bis Kleinst-Anbieter.
Das florierende kosmetisch-chirurgische Angebot umfasst u.a.
"Klitorisverkleinerungen", "Peniskorrekturen", "Anlegen einer Neovagina",
"Verlegung der Harnröhre", Kastrationen, Gebärmutterentfernungen, usw. usf.
Kosmetische Genitaloperationen an Kleinkindern werden von Kliniken und
anderen Anbietern aggressiv vermarktet unter Dutzenden von verschiedenen
"Diagnosen" wie "Hypospadie", "AGS/CAH", "Pseudohermaphroditismus",
"Intersexualität", "Epispadie", "AIS", "Disorders of Sex Development (DSD)",
"Gonadendysgenesie", "Swyer", "Turner" etc.
Diese Operationen erfolgen seit
Jahrzehnten als unkontrollierte Menschenexperimente ohne ethische
Überwachung. Die angebliche Wirksamkeit der medizinisch nicht
notwendigen, irreversiblen Eingriffe wurde bis heute nie klinisch bewiesen. Die
einschlägigen
AMWF-Leitlinien stehen alle heute noch unverändert auf der
niedrigsten Evidenzstufe S1.
Hunde besser vor Verstümmelung und Kastration geschützt als Kinder
Seit 15 Jahren klagen zwangsoperierte Zwitter in Deutschland die Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken öffentlich an und fordern die Medizyner zum Aufhören und die Politik zum Handeln auf – bisher vergeblich.
Die Bundesregierung gab wiederholt zu Protokoll, von unzufriedenen Zwangsoperierten nichts zu wissen (Drucks. 14/5627), und sah keinen Handlungsbedarf (Drucks. 16/13269).
Aktuell sind in Deutschland Haustiere besser geschützt als Kinder: Während z.B. Hunde ohne medizinische Notwendigkeit weder kupiert noch kastriert werden dürfen, wird in den Kinderkliniken ungehindert weiter kosmetisch verstümmelt und kastriert.
Laut neuesten BMBF-Studien sind ab 3 Jahren nach wie vor 90% aller bedrohten Kinder durchschnittlich mehrfach kosmetisch operiert.
Ähnlich wie bei Betroffenen von sexualisierter Gewalt ("Kindesmissbrauch")
ist der Rechtsweg für Überlebende ein Alptraum und eine Farce.
Da die Verstümmelungen in der Regel vor dem 2. Lebensjahr erfolgen, haben
Überlebende in der Regel keine Chance, vor Ablauf der Verjährung zu klagen. Die
meisten leiden zudem an mit den Eingriffen verbundenen, schweren
Traumatisierungen.
"fundamentaler Verstoß gegen körperliche
Unversehrtheit"
Seit 1997 werden kosmetischen Genitaloperationen an Kindern nebst von
erwachsenen Betroffenen auch von namhaften
Bioethikern,
Juristen und
Kulturwissenschaftlern öffentlich öffentlich kritisiert.
Seit 2004 beurteilen Menschenrechtsorganisationen wie Terre des Femmes und Amnesty Deutschland kosmetische Genitaloperationen an Kindern als "schwere Menschenrechtsverletzung" und "fundamentaler Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit", und unterstreichen die Parallelen zur weiblichen Genitalverstümmelung in Afrika.
2007 gelang es der Betroffenen Christiane Völling, die als Ausnahme erst im Alter von 18 Jahren operiert wurde, als erster und bisher immer noch einziger, ihren ehemaligen Chirurgen zu verklagen, unmittelbar vor Eintritt der absoluten Verjährung. 2008 erkannte das OLG Köln letztinstanzlich "Selbstbestimmungsrecht [...] in ganz erheblichem Maße verletzt" (5 U 51/08).
2009 rügte das von Betroffenen angerufene UN-Komitee CEDAW die Bundesregierung wegen mangelnden "wirksamen Maßnahmen zum Schutz ihrer Menschenrechte" (CEDAW/C/DEU/CO/6).
Auf Ende 2011 erarbeitet aktuell der Deutschen Ethikrat im Auftrag der
Bundesregierung eine Stellungnahme. In einer ersten
Einschätzung vom 15. Juni hielt der Deutsche Ethikrat u.a. fest: "Ein
zentraler Punkt ist das Recht der Betroffenen auf körperliche Unversehrtheit.
[...] Hier findet das Elternrecht seine Grenzen und auch dies spricht dafür,
mit solchen Eingriffen so lange wie möglich zu warten, damit die betroffenen
Intersexuellen selbst entscheiden können."
Politische Instrumentalisierung durch Schwule und Lesben
Vermehrt Erwähnung in der politischen Debatte finden Zwitter und damit Betroffene von Genitalverstümmelung in Kinderkliniken vor allem durch dritte Interessensgruppen, als Kanonenfutter im "Kampf gegen das Zweigeschlechtersystem" oder für "Schutz von sexuellen Minderheiten vor Diskriminierung", in aktuellen Debatten etwa um "Personenstand" und "Sexuelle Identität".
Diese politischen Interessensgruppen richten ihren Blick in der Regel nicht auf die realen, zwangsoperierten Zwitterkörper, sondern auf ein fiktives unversehrtes Ideal, das ihre eigenen Wunschvorstellungen verkörpert. Dabei setzen sie unhinterfragt voraus, dass alle Zwitter auf Grund ihrer quasi "körpergewordenen Aufhebung des Zweigeschlechtersystems" ihre Ziele teilen würden, adoptieren "Intersexuelle" ungefragt als eine Unterabteilung ihrer eigenen Gruppe und hängen sie als Schlusslicht bei sich hinten an (z.B. "LGBTQI"). Sofern diese dritten Interessensgruppen die Leiden der Betroffenen von Genitalverstümmelungen überhaupt behandeln, propagieren sie als Heilmittel wiederum einzig ihr eigenes Anliegen, z.B. die Abschaffung der Geschlechter, oder benutzen die Verstümmelungen als wissenschaftliches Rohmaterial für Geschlechtertheorien.
Entsprechend mehren sich in letzter Zeit auf Länderebene politische Vorstöße, in denen vorgeblich etwas zur Verbesserung der Lage "Intersexueller" unternommen werden soll. Tatsächlich wurden aber die täglichen Genitalverstümmelungen vor der eigenen Haustüre entweder glatt geleugnet, z.B. vom Berliner Senat (Drucks. 16/14436) oder in der Bremischen Bürgerschaft (taz, 25.02.2011). Oder die Genitalverstümmelungen werden in konkreten Maßnahmen stillschweigend ausgeklammert, vgl. Hamburgische Bürgerschaft (Drucks. 19/4095).
2009 und 2010 wurden "Intersexuelle" auch im Bundestag immer wieder
Dutzende Male in offiziellen Dokumenten erwähnt –
kein einziges Mal ging es dabei konkret um die Beendingung der täglichen
Verstümmelungen.
Deutscher Ethikrat ist gefordert
Kosmetische Genitaloperationen an Kindern sind ein schwerer Verstoß gegen das Grund- und Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung (GG Art. 2 Abs. 2). Durch die hohe Zahl der Opfer, das systematische Vorgehen, die Schwere und das Ausmaß der körperlichen und seelischen Schäden und durch die Jahrzehnte lange Dauer sind die Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken wohl eine der gravierendsten Menschenrechtsverletzungen in den westlichen Demokratien seit dem 2. Weltkrieg.
Die Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken müssen so schnell wie
möglich gestoppt werden, "eines der dunkelsten Kapitel der
Medizingeschichte" (Apotheken
Umschau, 01.06.2011) muss beendet und öffentlich aufgearbeitet, das
Unrecht der Medizinversuche muss gesellschaftlich anerkannt und so weit wie
noch möglich
ausgesöhnt werden.
Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von
kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen sowie
"Menschenrechte auch für Zwitter!". Betroffene sollen später selber darüber
entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.
Freundliche Grüße
n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Schweizerische Selbsthilfegruppe Intersex.ch
Mitglied Intersexuelle Menschen e.V.
Mitglied XY-Frauen
Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse_at_zwischengeschlecht.info
http://zwischengeschlecht.org
Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info
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Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre
Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
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Friedlicher Protest & Offener Brief "3rd EuroDSD" 2011
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Friedlicher Protest & Offener Brief DGE 2011
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Friedlicher Protest & Offener Brief DGKJ-DGKCH 2010
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Friedlicher Protest & Offener Brief APE-AGPD 2010
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Friedlicher Protest & Offener Brief 11th EMBL/EMBO 2010
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Aktion & Offener Brief Ostschweizer Kinderspital St. Gallen 2011
>>>
Aktion & Offener Brief Kinderspital Luzern 2010
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Aktion & Offener Brief Inselspital Bern 2009
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Aktion & Offener Brief Kinderspital Zürich 2008
Siehe auch:
-
Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
-
Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
-
"Die Macht der Tabus" - Konstanze Plett über Genitalverstümmelung
-
Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der
TäterInnen
-
"Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
-
Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
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Das Medizynermärchen von den "früheren Behandlungsmaßstäben"
-
"EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller
chirurgischen Genitalverstümmelungen in deutschen
Kinderkliniken
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"Genitalkorrekturen in Deutschland in der Regel im ersten Lebensjahr"
(DGKJ/APE/DGE)
-
"Netzwerk DSD/Intersexualität": Ethik-Empfehlungen als Feigenblatt für
Zwangsoperateure
-
Amnesty Deutschland: "fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte"
-
Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher
Genitalverstümmelung
-
Genitale Verstümmelung & Folgeschäden - AGGPG 1998
-
Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg
-
Lübeck: Klinikdirektor propagiert genitale Zwangsoperationen an
Kindern
-
Hamburg, Ort von Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken
-
Göttingen / Lübeck: Direktor und Oberarzt propagieren
Genitalverstümmelung
- Anliegen
von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat 2010
-
Zwangsoperationen an Zwittern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art.
2
-
Chirurgische Genitalverstümmelungen: UNO mahnt Bundesregierung
-
Schweiz: Terre des Femmes und Amnesty gegen Zwangsoperationen an
Zwittern
-
Die grosse "Intersex"-Statistik-Lüge
- Wer
sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?
Published on Thursday, June 30 2011 by nella