Protokoll 2. Ausschusssitzung Hamburg: Laut Senat für Zwitter Geschlechtseintrag "Nicht bekannt" jetzt schon möglich
By seelenlos on Thursday, July 9 2009, 15:55 - Die Mediziner - Permalink
Das >>> Protokoll zur 2. Sitzung (PDF) des Ausschusses für Gesundheit und Verbraucherschutz zum Thema "Politischer Handlungsbedarf bei der Regelung für ärztliche Behandlungen von Hermaphroditen" vom 2. Juni 2009 ist jetzt erhältlich. Es handelt sich um die Nachfolgesitzung der Anhörung vom 29. April 2009 zum selben Thema. Schwerpunkt waren diesmal Stellungnahmen des Senats zu den Ergebnissen der Anhörung.
Die Bombe war zweifellos, nach Auffassung des Senats sehe
das Personenstandsgesetz in Deutschland [...] aktuell keine Verpflichtung vor, bei der Anmeldung des Kindes nach der Geburt auch das Geschlecht festzulegen. Wenn das Geschlecht zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt sei, könne dies auch so eingetragen werden. Es werde derzeit eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz diskutiert, nach der auch der Eintrag beim Standesamt, dass das Geschlecht nicht festgestellt sei, zulässig sei. Es werde danach keine Frist gesetzt, innerhalb der das Geschlecht festgelegt werden müsse. (S. 3)
Sieht fast so aus, als würde der seinerzeitige Prozess von Michel Reiter um Anerkennung eines 3. Geschlechtseintrags "zwittrig" doch noch späte Früchte tragen, obwohl er seinerzeit in 2 Instanzen unterlag ...
Nachtrag: >>> Thread dazu im Hermaphroditforum
Nach wie vor zu keinen konkreten Stellungnahmen durchringen kann sich der Senat auch betreffend der von RechtsexpertInnen und EthikerInnen weitgehend unbestrittenen Widerrechtlichkeit der genitalen Zwangsoperationen und Zwangskastrationen an Zwittern (vgl. auch seine wirklich beschämenden Antworten auf die Grossen Anfragen).
Einmal mehr versteckt er sich hinter den nicht minder beschämenden Ausreden der Bundesregierung und führt weiter insbesondere die auf diesem Blog bereits eingehend kritisierte, nebulöse aktuelle AWMF-Leitline mehrfach ins Feld, die aus durchsichtigen Gründen u.a. behauptet, eine klare Trennung von "kosmetische" vs. medizinisch indizierte Operationen sei angeblich nicht möglich (AWMF-Leitlinie, "Chirurgische Therapie"). Tatsache ist demgegenüber, dass die weitaus häufigsten Eingriffe, die sog. "Klitorisreduktionen" und "Penisaufrichtungen" klar ausschliesslich kosmetisch sind, während lediglich Operationen medizinisch indiziert sind, wenn es z.B. darum geht, einen blockierten Harnabfluss zu ermöglichen, oder bestehende (und nicht medizynerseits eingebildete!) Tumore zu entfernen.
Auf die Stichworte "Menschenrechtsverträge" und "UNO" waschen sich die Delegierten des Senats die Hände wie gehabt in Unschuld rsp. in der altbewährte Zauberformel "sei ihnen nicht bekannt", garniert mit den üblichen schönen Ankündigungen: "Es müsse überprüft werden, ob es Auswirkungen auf deutsche Regelungen gebe." (S. 5)
Empörend auch, wie der Senat ohne Belege behauptet, "Die Einschätzung der Mediziner dazu [= Notwendigkeit medizinischer Eingriffe] habe sich in den letzten Jahren dramatisch verändert." (S. 2) Tatsache ist, noch die frisierte Version der "Lübecker Studie" belegt, dass nach wie vor 87% der Kinder zwischen 4 und 12 Jahren genital zwangsoperiert sind, über ein Viertel davon hat 3 und mehr Zwangsoperationen hinter sich! (Zum Vergleich: Von den heute Erwachsenen sind 90% genital zwangsoperiert, davon ebenfalls über ein Viertel mindestens 3 mal.) (Tabelle "Operationen nach Altersgruppen", S. 4)
Einmal mehr verbreitet der Senat ungehemmt das Medizynermärchen, Zwangskastrationen an Intersexuellen seien gar keine Kastrationen und würden deshalb nicht unter das "Kastrationsgesetz" fallen (S. 6). Tatsache ist, die Medizyner selbst sprechen oft genug von "Castratio", und auch die heute eher favorisierte Umschreibung "Gonadektomie" bedeutet dasselbe.
Auch in Sachen Statistiklüge hält es der Senat strikt mit den Medizynern, indem er ungeniert widersprüchliche Angaben zur Häufigkeit von Zwittern von sich gibt und ansonsten alles lieber weiterhin im Ungewissen belässt rsp. auf die strikt "individuelle Betrachtung des Einzelfalls" beschränkt haben will (S. 2), statt der Sache endlich auf den Grund zu gehen und verlässliche Zahlen zu beschaffen sowohl zum Vorkommen wie auch der "Behandlung" der Zwitter, sowie auch zum Verhältnis kosmetische vs. wirklich medizinisch notwendige Eingriffe.
Bezeichnend auch, wie der Senat pauschal weiter behauptet, "Formalrechtlich könnten Eltern ihre Einwilligung zu Operationen jeder Art geben", sowie, "es gebe nur einen Eingriff, nämlich die Sterilisation, zu dem die Eltern ihre Einwilligung nicht erteilen könnten" (die dann bei den Zwittern laut Senat ja gar keine Sterilisation bzw. Kastration ist, siehe oben). Ähm, schon mal was von übergeordneten Menschenrechten gehört, oder vom Grundgesetz auf körperliche Unversehrtheit?! Für den Senat offensichtlich alles "nicht bekannt[e]" Fremdwörter, bzw. auf Zwitter anscheinend nicht anwendbar.
Fazit: Es ist noch ein weiter Weg für die Urforderung dieses Blogs "Menschenrechte auch für Zwitter!", und ohne massiven zusätzlichen politischen, öffentlichen und juristischen Druck bleibt das wohl schlicht eine Fata Morgana bzw. ein frommer Wunschtraum.
Siehe auch:
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Hamburg: Ausschuss-Protokoll + Nachfolgesitzung 2.6.09
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"Netzwerk DSD"-Chef Olaf Hiort: "keine Qualitätskontrolle" bei
Zwangsoperationen an Zwittern
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Hamburger Senat reiht sich ein unter die MittäterInnen
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Antwort der Bundesregierung zur 2. Kleinen Anfrage – Leugnen, Wegschauen,
Schweigen wie gehabt ...
Comments
Der Weg nach Auschwitz:
Im Dritten Reich konnten Eltern nach Ansicht von Ärzten und Regierung ihr "behindertes Kind" selbstverständlich auch auf eigenen Wunsch zum Töten bringen lassen und damit der Euthanasie zuführen. Alles von ihrer Einwilligung gedeckt! Trotzdem gab es dann rein zufällig sieben hingerichtete Heilkundler, fünf lebenslängliche Verurteilungen, von denen die meisten, wenn nicht alle, viel zu früh wieder draußen waren und noch einige sehr lange Zuchthausstrafen, die auch sehr schnell in vorzeitige Entlassungen und rausgeworfenen Milliarden an Steuergeldern für die armen, armen KZ-Ärzte, die ja so unter ihrer Verurteilung und vor allem ihre Rentenansprüche gelitten hatte, weil sie ja durch die Verurteilungen ihre Posten und Positionen verloren hatten. (Beitrag: Steuermilliarden für Naziverbrecher). Kein Wort für das Leid der Opfer!
Die systematische Vernichtungsforschung mit Genitalamputationen und Zwangskastrationen an Zwittern liegt in der BRD in der Zeit, als die ganzen alten Naziverbrecher wieder in Amt und Würden saßen und die rechtlich völlig unverbindliche und deshalb auch für das deutsche Recht bedeutungslose Deklaration von Helsinki für die Forschungsbegehrlichkeiten von Ärzten geschaffen wurde. Wissenschaftler, die sagen, sie hätten sich mit ihren IS-Studien an die Deklaration von Helsinki gehalten und damit Qualität nachweisen wollen, die haben wesentliche Fakten übersehen: "Unrecht wird nicht dadurch zu Recht, daß es hundert oder tausendfach durch gesellschaftlich priviliegierte Gruppierungen eingeübte Bestialitäten und Abartigkeiten an Kindern gibt, sondern ausschließlich dadurch, wenn eine humane Zivilgesellschaft diese Vorgehensweisen zuvor rechtsstaatlich legitimiert hat.
Im Klartext würde ich die Aussage des Senates dahingend interpretieren: Eltern, die ihr Kind aufgrund einer gesetzlich niemals vorgesehenen Norm von Heilkundlern zuweisen lassen haben, sind eben selber Schuld, ihrem Kind das Leben zerstört zu haben, an dem die Kronprinzen von Auschwitz Milliarden verdient haben.
Hier nun einmal ein abgekürzter Beitrag von einem Arzt, der, ebenso wie die Ärzte für das Leben, nichts mit dem vom IS-Netzwerk und den von der Politik begangenen Verbrechen an unschuldigen Kindern zu tun hat, sondern Anstand und Moral verbreitet und gewissenlosen Medizynern und anderen Forschern den Spiegel vors Gesicht hält:
Jachertz, Norbert
Nürnberger Kodex: Zehn Gebote für die Forschung
THEMEN DER ZEIT: Kommentar
Der Nürnberger Ärzteprozess, der vor sechzig Jahren, am 20. August 1947 zu Ende gegangen ist, schloss mit sieben Todesurteilen, fünf Verurteilungen zu lebenslänglicher und vier zu langjähriger Haft sowie sieben Freisprüchen – und schließlich mit dem Nuremberg Code. Mit ihm formulierte der US-Militärgerichtshof unter dem Eindruck der in 140 Verhandlungstagen nachgewiesenen Medizinverbrechen zehn Grundätze für „Permissible Medical Experiments“. Der Nürnberger Ärzteprozess betraf Experimente mit KZ-Gefangenen sowie Euthanasiemorde, durchgeführt zum Teil mit wissenschaftlicher Methodik oder zumindest wissenschaftlicher Bemäntelung, immer aber ohne Rücksicht auf Leben und Gesundheit der unfreiwilligen Probanden.
Der Nürnberger Kodex wirkt bis heute nach. Vor allem die ethischen Erklärungen des Weltärztebundes nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch noch die Bioethikkonvention des Europarats aus dem Jahr 1999 haben sich damit auseinandergesetzt. Beschränken wir uns auf den Weltärztebund. Das Genfer Ärztegelöbnis von 1948, der Internationale Kodex medizinischer Ethik von 1949 und schließlich die Deklaration von Helsinki aus dem Jahr 1964 stimmen in der Intention mit dem Nürnberger Kodex weitgehend überein. Dessen beherrschende Grundsätze sind: Maßgeblich für die medizinische Forschung ist der Nutzen für den Patienten. Jeder Patient/Proband muss vom beteiligten Arzt umfassend aufgeklärt werden. Es darf keine unnötige oder gar willkürliche Forschung am Menschen geben.
Auffallend sind nicht nur die Gemeinsamkeiten, sondern auch die Abweichungen, die sich im Laufe der Zeit eingeschlichen haben. Denn die Grundsätze von Nürnberg erwiesen sich für manchen Forscher offenbar als zu streng und für manche Forschungsabsicht als hinderlich. Und so hat sich vor allem die Deklaration von Helsinki erheblich gewandelt, ja in der aktuellen Version von 2004 ist die Ursprungsfassung von 1964 kaum noch zu erkennen. Manches wurde verbessert. So wurden die Rolle der Ethikkommissionen stärker – einige Kritiker sagen: zu stark – betont oder Interessenkonflikte von Forschern thematisiert. Vieles ist aber, nein, sagen wir nicht verschlechtert, sagen wir, dem Zeitgeist geopfert worden. Leider traf dieser wesentliche Punkte. Drei Beispiele:
- Ursprünglich stand der Nutzen für den individuellen Patienten obenan, jetzt rangiert der wissenschaftliche oder gesellschaftliche Nutzen gleich, wenn nicht schon höher. Ein kundiger Zeitzeuge sprach davon, offenbar kündige sich „der bisher schon zu beobachtende weitgehende Wandel vom individuellen Nutzen zum ,sozialen Benefit‘ als ausschließlicher Rechtfertigungsgrund für jede Forschung an“ (Elmar Doppelfeld).
- In Nürnberg war noch uneingeschränkt von der Einwilligung des umfassend aufgeklärten Patienten die Rede. Das hat schon 1964 der Weltärztebund etwas weniger streng gesehen und auch die hilfsweise Einwilligung des gesetzlichen Vertreters akzeptiert. Neuerdings soll auch Forschung ohne jegliche Einwilligung zulässig sein, „wenn der physische oder psychische Zustand, der der wirksamen Einwilligung nach Aufklärung entgegensteht, ein notwendiges Charakteristikum der fraglichen Versuchsgruppe ist“.
- Erleichtern möchte der Weltärztebund auch den placebokontrollierten Versuch. Der soll erlaubt sein, selbst wenn es eine erprobte Therapie gibt (gegen die getestet werden könnte), „wenn seine Verwendung aus zwingenden wissenschaftlich begründeten methodischen Gründen erforderlich ist“. So steht es zwar (noch) nicht in der Deklaration von Helsinki, doch der Vorstand der Ärzteorganisation verbreitet eine solche „Klarstellung“.
Die Interessenlagen, die sich hinter solchen Erleichterungen zugunsten der Forschung (und zulasten der individuellen Patienten/Probanden) verbergen, sind nicht immer leicht auszumachen. Ist es das reine Forschungsinteresse von Wissenschaftlern, die die Hände nicht zu eng gebunden wissen wollen? Steckt die US-Ärzteorganisation dahinter, wie einige Kritiker argwöhnen, oder sind die Ärzteschaften junger Mitgliedsländer des Weltärztebundes großzügiger als die im alten Europa? Ist es die forschende Industrie, für die strikte Auflagen zu teuer sind?
Solche Fragen dürften alsbald wieder auftreten, wenn sich der Weltärztebund daran macht, Forschung mit menschlichen Stammzellen ethisch zu begleiten. Einen zarten Hinweis dazu findet man an unerwarteter Stelle: Im Genfer Ärztegelöbnis hieß es ursprünglich, der Arzt gelobe, das menschliche Leben „von der Empfängnis an“ zu achten (from the time of conception). Gemäß der derzeitigen deutschen Fassung verspricht er immerhin, jedem Menschenleben „von seinem Beginn an“ Ehrfurcht entgegenzubringen. Im englischen Original ist nur mehr die Rede von „respect for human life“. Punktum.
Mag sein, dass in Deutschland solche Fragen kritischer gesehen werden als anderswo, wie unlängst der Generalsekretär des Weltärztebundes, Otmar Kloiber, meinte: „Das hängt natürlich auch mit unserer Geschichte, der medizinischen Forschung während der Nazizeit zusammen.“ Eben. Deshalb kam es ja zu dem Nürnberger Kodex.
Bei allem Respekt und bei aller Unterstützung für den Kampf um Gleichberechtigung und -stellung aller Geschlechter: NS-Vergleiche sind mehr als unangebracht, weil sie das Menschheitsverbrecher verharmlosen! Es wurden keine 6 Millionen Zwitter vergast und es fielen nicht 60 Millionen Zwitter durch einen Angriffskrieg. (Das Zwittern gegenüber brutale Verbrechen begangen werden, stelle ich nicht im Frage.)
hi vögel87, danke für deinen kommentar! ich gehe mit dir einig, das verharmlosende vergleiche/gleichstellungen mit ns-verbrechen nicht drinliegen.
dies wurde m.e. oben auch nirgends so behauptet.
es handelt sich beim kampf der zwitter auch weniger um einen "Kampf um Gleichberechtigung und -stellung", sondern um die durchsetzung elementarer menscherechte wie z.b. schutz vor verstümmelung bzw. durchsetzung des rechts auf körperliche unversehrtheit.
war werden zwitter, die unter den nazis als "unwertes leben" das schicksal von "juden", "zigeunern", "behinderten" etc. teilten, heutzutage nicht mehr direkt umgebracht, sondern nur noch "umoperiert", um sie als spezies vom erdball zu tilgen. ein verbrechen gegen die menschlichkeit ist das m.e. trotzdem. auch waren exponenten ner ns-medizin nach dem krieg an der "behandlung" der zwitter massgeblich mitbeteiligt, ebenso an der "grundlagenforschung" einschlägiger "behandlungsmethoden". (wie die "forschung" an zwittern auch anderswo seit jeher alles andere als ethisch einwandfrei oder nur schon menschrechtskonform war und ist.)
mich würde interessieren, wo du hier die problematik konkret siehst, und wie solche zusammenhänge deiner meinung nach allenfalls besser thematisiert werden könnten?