Operiertes Kind als Beispiel für eine "offene und tolerable Erziehung"? - Vereinnahmende Sichtweisen im Ethikrat-Diskurs bei Michael Wunder (II) - Daniela "Nella" Truffer, 5.7.11
By nella on Tuesday, July 5 2011, 15:00 - Forderungen - Permalink
>>> Mein Kommentar im Ethikrat-Online-Diskurs zur Antwort von Michael Wunder auf meinen vorherigen Kommentar:
Ich finde es bedenklich, dass mir hier “Feindseligkeit” vorgeworfen wird, anstatt dass auf meine begründete Vereinnahmungskritik inhaltlich eingegangen wird. Und somit meine sachliche Kritik auf eine persönliche Ebene reduziert wird. Obwohl ich auch mit einem Beispiel dargelegt habe, dass diese sachliche Kritik alles andere als neu ist, und auch von selbstkritischen Schwulen bekräftigt wird.Dass das “operierte Kind” im obigen Text nicht “hervorgehoben”, sondern vielmehr unsichtbar gemacht und negiert wurde, war und ist ja genau das Unerträgliche:
Ein Kind, das seines Rechts auf körperliche Unversehrtheit beraubt wurde, als Beispiel für einen “offenen und tolerablen Erziehungsstil” zu benutzen, und das in einem Diskurs, der das Unrecht an Zwittern zu beleuchten versucht, ist für mich unhaltbar. Und diesen Fauxpas dann nochmals zu legitimieren zu versuchen durch einen persönlichen Vorwurf, finde ich gelinde gesagt verletzend.
Von Ihnen als Leiter der Arbeitsgruppe Intersexualität des Ethikrates würde ich erwarten, dass Sie begründete Kritik einerseits nachvollziehen und andererseits inhaltlich etwas dazu beitragen können.
Ich will in einer Gesellschaft leben, in der Menschen mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen weder verstümmelt noch vereinnahmt werden, und zwar unabhängig von der Art ihrer Besonderheit und auch unabhängig davon, wie sie sich selbst geschlechtlich verorten, eine Gesellschaft, in der Zwitter so leben dürfen, wie sie wollen, in der ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit und Würde unantastbar ist wie bei allen anderen Menschen auch, und in der sie nach mehr als 60 Jahren endlich nicht mehr als “Demonstrationsobjekte” für irgendwelche (Geschlechter-)Politiken herhalten müssen, ganz egal in welche Richtung.
Oder um es mit Emi Koyama und Lisa Weasel zu sagen (“Von der sozialen Konstruktion zur sozialen Gerechtigkeit”, in: Die Philosophin 28, 2003, S. 79-89, hier S. 87-88):
“Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es nicht in den Verantwortungsbereich der Intersexuellen fällt, d[as] binäre Sex Gender-System auseinanderzunehmen und dass Intersexuelle keine Meerschweinchen sind, an denen die aktuellsten Gender-Theorien getestet werden. Seien Sie nicht enttäuscht, dass viele Intersexuelle nicht daran interessiert sind, Mitglieder des Dritten Geschlechtes zu werden oder die Sexkategorien zu verwerfen, obwohl wir die Leute unterstützen sollten, die an diesen Dingen interessiert sind, ungeachtet dessen, ob sie intersexuell sind oder nicht.”
Über eine inhaltliche Antwort auf die angesprochenen Punkte würde ich mich freuen.
>>> Operiertes Kind als Idealfall? - Nella zu Vereinnahmung im Ethikrat-Diskurs (I)
>>> Trauma, Opferrolle, Befreiung
>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter
>>> Übersichtsseite zur laufenden Ethikrat-Anhörung 2011
Unzensierte Version: Draufklicken (PDF, 3.3 MB)
>>> Flugblatt zur Anhörung (PDF, 3.3 MB)
WARNUNG: 2. Seite enthält Operationsfotos!
>>> "Um den heißen Brei geredet" - Video-Statement
>>> Statement Forum 1: "Medizinische Behandlung – Indikation – Einwilligung"
>>> Statement Forum 2: "Lebensqualität Betroffener und Perspektiven"
>>> Aufforderung um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Dezember 2008
>>> Erneute Anfrage um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Mai 2009
>>> Forum Bioethik des Deutschen Ethikrates zu "Intersexualität" 23.6.2010
>>> Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat
Siehe auch:
- Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Offener Brief an das "3rd EuroDSD Symposium", Lübeck 21.5.2011
- 9. Menschenrechtsbericht: Bundesregierung deckt medizinische Verbrechen
- Zwitter-Genitalverstümmelungen: Ethikrat gefordert
- "Ethik als Freifahrtschein für operieren auf Teufel komm raus" - Claudia Wiesemann
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Zwangsoperationen an Zwittern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag (I)
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?