Berichte zum Deutschlandstart von "XXY"

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Heute startet der Film "XXY" offiziell in deutschen Kinos. Zu diesem erfreulichen Anlass gab's in den Medien Besprechungen in Hülle und Fülle: Einige wenige, die dem Film und den darin Portraitierten in jeder Hinsicht gerecht werden. Dann das Soso-lala-Mittelfeld, das nicht ganz alles kapierte, aber doch zumindest das eine oder andere. Und die zahlenmässig leider ziemlich grosse Menge der hoffnungslosen Fälle, die absolut keine Ahnung haben und das noch für eine Tugend halten. Ein kurzer Überblick:

1. Prädikat: Empfehlenswert

"Die Zeit" macht's vor mit einem exzellenten Glossar zum Film, das (Nachtrag: mit Ausnahme der obligaten "Störungen der Geschlechtsentwicklung") m.E. kaum Wünsche offen lässt. Würden sich bloss die übrigen Medien daran ein Beispiel nehmen ... Dazu in der heutigen Ausgabe ein ausführlicher Artikel mit Interviews u.a. mit Katrin Ann Kunze, Gründungsmitlied der Selbsthilfegruppe XY-Frauen und Vorstandsmitglied von Intersexuelle Menschen e.V. (Weitere Interviews mit Katrin Ann Kunze in "Freitag" und "Deutschlandradio".)

In der heutigen FAZ ein Artikel zum Film von Oliver Tolmein, der erwartungsgemäss ebenfalls Klartext spricht (siehe in diesem Thread des Hermaphrodit-Forums) Nachtrag: Und auf Oliver Tolmeins Homepage.

Positiv auch, wie in der ddp-Agenturmeldung die aktuellen Kämpfe der Zwischengeschlechtlichen vor Gericht, in Politik und Öffentlichkeit gleich zu Beginn der Rezension hervorgehoben werden.

Bereits in diesem Blog besprochen wurden die ebenfalls sehr empfehlenswerten Beiträge auf movieman.de, in "Aspekte" und "Kulturzeit" sowie der (mit einem einzigen -- allerdings superpeinlichen -- Schnitzer behaftete) in "Intro".


2. Prädikat: Soso-lala

Im Mittelfeld tummeln sich Besprechungen, die i.d.R. immerhin die Problematik der Zwangsoperationen zumindest antönen und "nur" die scheinbar obligaten kleineren Schnitzer enthalten --  z.B. der Unterschied zwischen (falsch) Zwei- und (richtig) Zwischengeschlechtlichkeit scheint nach wie vor für die meisten JournalistInnen einen unnüberwindbaren Knackpunkt darzustellen. Ausserdem kommen in diesen Besprechungen weder Zwitter selbst zu Wort noch wird der problematische Filmtitel hinterfragt. Aber immerhin kommen sie nicht irgendwie oberpeinlich daher oder haben sonst kapitale Böcke auf dem Gewissen. Siehe z.B.: Bayerischer Rundfunk 1, Märkische Allgemeine, taz, Tagesspiegel, Zitty, Frankfurter Rundschau, dpa-Agenturmeldung.


3. Prädikat: 6, nachsitzen, setzen!

Angesichts der intensiven Öffentlichkeitsarbeit der Selbsthilfegruppen (die von den schweizerischen und deutschen Verleihern aufgenommen und unterstützt wurde, wofür ihnen einmal mehr ein fettes Dankeschön gebührt!) erschreckend hoch bleibt die Anzahl der Besprechungen, deren VerfasserInnen aus Faulheit oder Dummheit nach wie vor u.a. die Mär vom "abnormalen Chromosomensatz" verbreiten und den betroffenen Menschen damit erhebliches ideelles und materielles Leid zufügen (mehr dazu hier auf diesem Blog und im Hermaphroditforum). "Zufällig" handelt es sich dabei oft auch um SchreiberInnen, die schlicht unfähig scheinen, einmal kurz ihre trendy "Gender-Brille" abzulegen -- und so nach dem typischen Trans*-Vereinnahmungs-Muster den Kern des Themas "Intersexualität" (die körperliche Besonderheit bzw. die uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmale) prompt ausblenden und stattdessen ausschliesslich von "sexueller Identität", "komplexer Gender-Problematik", "sexueller Selbsrbestimmung" usw. faseln. Siehe z.B.: Deutschlandradio, ARD, Hamburger Abendblatt, MDR, Junge Welt, Bayerischer Rundfunk 2, kino.de.

Bereits auf diesem Blog entsprechend gewürdigt wurden weitere journalistische Verbrechen anlässlich des Frauenfilmfestivals Köln und das unsägliche Vorgehen des schwullesbischen Filmfestivals "Pink Apple".


Nachtrag 5.7.08: Siehe auch die positive Besprechung von Nolderot im öffentlichen Teil des IS-Menschen-Forums. Und den Verriss auf dem Kitty ISt zu Hause-Blog. Und die Besprechung auf dem Kultur-Tagebuch-Blog, deren Verfasserin durch den Film überhaupt erst von der "Intersex"-Problematik erfuhr. Und die Stellungnahme der Deutsche Klinefelter-Syndrom Vereinigung e.V.


XXY auf zwischengeschlecht.info:      

XXY - Ein menschlicher Film über Zwitter

XXY - der Film: Schweizer Verleiher nimmt Problematik ernst

XXY - argentinischer Spielfilm über jungen zwischengeschlechtlichen Menschen

Schwullesbisches Filmfestival "Pink Apple" missbraucht Zwittersymbol

Einmal mehr: Kölner Frauenfilmfestival setzt "intersexuell" = transsexuell

Comments

1. On Friday, June 27 2008, 16:10 by seelenlos

hier noch ein nachtrag zur kategorie 3:
http://www.kino.de/kinofilm/xxy/inh...

ursprünglich hiess der eingangsabschnitt:

"Mindestens eines von 2000 Neugeborenen hat das XXY-Chromosom und entwickelt beide Geschlechter aus. Normalerweise wird dieser Entwicklung durch einen frühzeitigen medizinische Eingriff entgegen gewirkt. Die Eltern von Alex haben sich damals gegen diesen Eingriff entschieden und nun sieht sich die inzwischen 15jährige nicht nur allgemeinen Pubertätsproblemen sondern auch den ihr entgegengebrachten gesellschaftlichen Anfeindungen ausgesetzt."

nachdem die klinefelter-shg intervenierte, hats die redaktion nun tatsächlich geschafft, diesen durch einen NOCH BESCHEUERTEREN zu ersetzen ...

"Immer wieder kommt es vor, dass Embryonen zwei Geschlechter ausbilden. Normalerweise wird dieser Entwicklung durch einen frühzeitigen medizinische Eingriff entgegen gewirkt. Die Eltern von Alex (Inés Efron) haben sich damals gegen diesen Eingriff entschieden und nun sieht sich die inzwischen 15-Jährige nicht nur allgemeinen Pubertätsproblemen, sondern auch den ihr entgegengebrachten gesellschaftlichen Anfeindungen ausgesetzt."

wenn dummheit schreien würde ...