Ein bisschen Zensur auf dem Ethikrat-Online-Diskurs "Intersexualität"
By seelenlos on Saturday, July 9 2011, 00:37 - Forderungen - Permalink
>>> Nachtrag
Was bisher geschah: Auf die Ankündigung der Ethikrat-Redaktion vom 7.7.11 hin, einer ungenannt bleibenden Nutzer_innengruppe – bzw. soweit bisher bekannt ausschliesslich ETEKAR – das Recht auf direktes Kommentieren zu entziehen, bat Daniela "Nella" Truffer gleichentags um mehr Transparenz.
In einer Antwort der Ethikrat-Redaktion vom 8.7.11 monierte diese lediglich erneut pauschal, es sei "wiederholt gegen die Nutzungsbedingungen verstoßen" worden, und versprach: "Keiner wird unbegründet vom Online-Diskurs Intersexualität ausgeschlossen."
Nellas Rückantwort dazu vom 9.7.11 (siehe unten) blieb – warum auch immer – prompt ebenfalls in der Moderationsschlaufe hängen – ihr darauf Bezug nehmendes PS ironischerweise jedoch nicht (sämtliche Links innerhalb des 1. Kommentars nachträglich hinzugefügt durch Zwischengeschlecht.info):
Daniela Truffer sagt:
Dein Kommentar muss noch moderiert werden.
9. Juli 2011 um 00:03Ich möchte hierzu festhalten:
ETEKAR wird als kritischer Betroffener nicht erlaubt, nach bestem Wissen und Gewissen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen NS-Medizinverbrechern und den Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken zu postulieren und mit Literaturstellen zu belegen zu versuchen. Weil dies nach Auffassung der Redaktion diskriminierend und beleidigend sei und somit gegen die Nutzungsbedingungen verstosse, ebenso weitere Aussagen ETEKARs (und unbenannter weiterer Benutzer), welche die Redaktion bisher im Einzelnen nicht benennen konnte.
Der Redaktion ist es hingegen erlaubt, “jüdische Sexualwissenschaftler” aus dem “Institut für Sexualwissenschaft in Berlin” pauschal für die Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken mitverantwortlich zu erklären mit der Begründung, Ludwig Levy-Lenz hätte 1931 die “erste vollständige Operation dieser Art” durchgeführt. Eine offensichtlich tatsachenwidrige Behauptung, welche die Redaktion notabene nirgends konkret zu belegen vermag. Als ETEKAR im Nachgang diesbezüglich sachliche Fragen stellte, blieb ihr die Redaktion bisher jede Antwort schuldig.
Michael Wunder ist es hingegen erlaubt, meine begründete Kritik an seinen Äusserungen pauschal als “feindseelig” abzuqualifizieren. Auf sachliche Fragen dazu blieb auch hier bisher jegliche Antwort aus.
Diversen “Experten” [Hans Christian Wilms + Sonja Rothärmel, vgl. z.B. Simultanmitschrift (PDF) S. 65] ist es hingegen erlaubt, Betroffene zu verletzen und zu beleidigen, indem sie behaupten dürfen, das uns Angetane sei kein Unrecht und “kunstgerechte” Verstümmelungen an wehrlosen Kindern ohne Evidenz seien im Gegenteil das gute Recht von Eltern und Genitalabschneidern, was impliziert, dass trotz allem dokumentierten Leid der Betroffenen auch künftig ungehemmt weiterverstümmelt werden soll.
Mit Verlaub, mich dünkt dies eine reichlich parteiische und einseitige Auffassung davon, was beleidigende und diskriminierende Äusserungen seien und was nicht.
Ich möchte die Redaktion deshalb nochmals bitten, konkret offenzulegen, welche Benutzer wo überall gegen die Nutzungsbestimmungen verstossen haben sollen, und dies auch hinreichend sachlich zu begründen.
Andernfalls bitte ich die Redaktion, mich aus Solidarität mit ETEKAR ebenfalls in die Gruppe der unmündig gemachten Benutzer zweiter Klasse einzuteilen, da ich mich ansonsten nicht mehr in der Lage sehe, zu diesem Diskurs mit gutem Gewissen noch etwas beizutragen.
Meine 2 Cent:
Was auch immer die Kriterien der Ethikrat-Redaktion sein mögen, direktes Kommentieren zuzulassen oder eben nicht, 2 Dinge scheinen dabei klar: Transparent und offen sind diese Regeln 1. nicht, und 2. anders als in den Nutzungsbedingungen angegeben (dort ist als Ausnahme einzig erwähnt, dass "Kommentare, die HTML-Links enthalten, aus Sicherheitsgründen nicht sofort veröffentlicht werden, sondern zunächst in eine Warteschleife gelangen").
Selbstverständlich steht es dem Ethikrat frei, auf seinem Online-Diskurs-Blog Moderationskritierien nach eigenem Gutdünken festzulegen und durchzusetzen. Nur sollten diese Regeln a) transparent und b) für alle Nutzer dieselben sein. Ausserdem sollten sie c) nicht nur die ureigenen Bedürfnisse und die speziellen Anliegen der (Mit-)TäterInnen inkl. GehilfInnen und RechtsnachfolgerInnen berücksichtigen, sondern ebenso diejenigen ihrer Opfer.
Von allen diesen drei Bedingungen für einen fairen Diskurs, in dem die Betroffenen von Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken nicht einfach ein weiteres Mal zum Opfer gemacht werden, ist der Ethikrat derzeit wohl noch ein gutes Stückchen entfernt ...
Nachtrag: Auch der 1. Kommentar wurde inzwischen freigeschaltet, laut Redaktion war er "versehentlich vom System in die Warteschleife geschoben" worden. Antworten auf die sachlichen Fragen gibt's immer noch keine. – Hmmm, in welchem Zusammenhang bloss ist mir sowas neulich schon mal begegnet ...?
>>> Zensur 2.0 - Ethikrat löscht Kommentar von ETEKAR (II)
>>> Meinungsäusserung à la Ethikrat: Verstümmeln akzeptieren oder Maulkorb (III)
>>> Dokumentation der Zensur auf dem Ethikrat-Online-"Diskurs" (IV)
>>> Pressemitteilung Zwischengeschlecht.org 19.7.11 >>> Dementi Deutscher Ethikrat
>>> Prof. Hans Naujoks – "seit 1934 rassistische Operationen an Intersexuellen" (V)
>>> Deutscher Ethikrat: Privilegien für Genitalverstümmler, Zensur für Opfer
>>> Übersichtsseite zur laufenden Ethikrat-Anhörung 2011
>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter
Unzensierte Version: Draufklicken (PDF, 3.3 MB)
>>> Flugblatt zur Anhörung (PDF, 3.3 MB)
WARNUNG: 2. Seite enthält Operationsfotos!
>>> "Um den heißen Brei geredet" - Video-Statement
>>> Statement Forum 1: "Medizinische Behandlung – Indikation – Einwilligung"
>>> Statement Forum 2: "Lebensqualität Betroffener und Perspektiven"
>>> Aufforderung um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Dezember 2008
>>> Erneute Anfrage um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Mai 2009
>>> Forum Bioethik des Deutschen Ethikrates zu "Intersexualität" 23.6.2010
>>> Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat
Siehe auch:
- Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Offener Brief an das "3rd EuroDSD Symposium", Lübeck 21.5.2011
- 9. Menschenrechtsbericht: Bundesregierung deckt medizinische Verbrechen
- Zwitter-Genitalverstümmelungen: Ethikrat gefordert
- "Ethik als Freifahrtschein für operieren auf Teufel komm raus" - Claudia Wiesemann
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Zwangsoperationen an Zwittern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag (I)
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?
PS: Offenbar wurde meiner Bitte um Einteilung in die Gruppe der unmündig gemachten Benutzer zweiter Klasse bereits vorauseilend entsprochen, und ich wurde ungefragt und ohne Vorwarnung vom direkten Kommentieren gesperrt.
PS2: Auch ich wünsche nicht ungefragt geduzt zu werden, danke!