Friday, October 5 2007
Fear of the Dragon I
By nella on Friday, October 5 2007, 09:26 - Intersex Art
Friday, October 5 2007
By nella on Friday, October 5 2007, 09:26 - Intersex Art
Tuesday, October 2 2007
By nella on Tuesday, October 2 2007, 21:05 - Ich
durch die geheimhaltung, die offensichtlichen lügen oder halbwahrheiten gerätst du in einen zustand der permanenten verunsicherung. du weiss nie, woran du bist. weil es nicht fassbar ist, wird es umso bedrohlicher. du bist immer unter einem gewissen druck, irgendwas stimmt nicht, aber niemand redet klartext mit dir. sie schauen sorgenvoll und gehen zugleich auf abstand. als würden sie eines tages mit dir in den wald spazieren, um dir eine kugel in den kopf zu jagen.
By nella on Tuesday, October 2 2007, 12:10 - Ich
in der primarschule, ich weiss es noch genau, weil es auf dem grossen
pausenplatz war, und dieser gehörte zur primarschule, stand ich, ich kann mich
noch gut erinnern, verliebt in martin und dachte: das geht nicht, das ist nicht
möglich für mich. sonst weiss ich nicht mehr viel über das, was ich als kind
dachte.
meine mutter meinte immer wieder, die ärzte hätten an mir herumgepfuscht, es
wäre nicht nötig gewesen, meine eierstöcke rauszunehmen, die hätten an mir
herumexperimentiert. als ich wieder einmal bei unserem hausarzt war, ich war
etwa vierzehn, habe ich mein sprüchlein aufgesagt, das meine mutter mir
aufgetragen hat, von wegen, dass es nicht nötig gewesen wäre, meine eierstöcke
zu entfernen. unser hausarzt reagierte gereizt, stand auf, verwarf die hände
und rief aus: das waren doch gar keine eierstöcke, das waren hoden. ich blieb
sitzen, erschlagen, verletzt, beschämt, aus verschiedenen gründen: dass ich
dummerchen da aufsage, was meine mutter mir aufgetragen, unfähig, selbständig
zu handeln und zu fragen, ich unwissende und naive; die reaktion des arztes,
wie eine ohrfeige, einerseits wie er es sagte, ach, diese dummen arbeiterleute
begreifen doch auch gar nichts, andererseits was er sagte: hoden. und statt mir
dann endlich zu erklären, warum denn hoden, liess er mich allein im
sprechzimmer zurück.
so dumm und so klein und nichtig bin ich aber nicht, ich dachte, oha, jetzt
oder nie, wenn er schon nichts sagt, muss ich wohl selber zu meinen infos
kommen, und warf einen raschen blick in meine krankenakte: zuoberst stand
'pseudohermaphroditismus masculinus'. was? pseudo heisst pseudo, also nicht
wirklich etwas, hermaphroditismus kommt von hermaphrodit, das ist doch so ein
komisches fabelwesen, halb mann, halb frau, und masculinus ... als tochter
einer italienischen mutter und daselbst sehr sprachgewandte person war auch das
ziemlich klar. war ich geschockt? schon, aber so wie immer, eher gelähmt, aber
nichts anmerken lassen, so tun, als wäre alles in ordnung. war wieder mal eine
seelische ohrfeige mehr, war wieder mal ein konsterniertes, reaktionsloses
sitzenbleiben und abwarten, im kopf lief’s aber rund. aber eigentlich war es
klar, war ich nicht wirklich überrascht. das elend war, dass ich auf diesem
wege rausfand, was mir vorenthalten wurde. ich hatte nun einen vorsprung, von
dem weder mein arzt noch meine eltern wussten. aber ich war allein damit. dann
kam der arzt zurück, ich weiss nicht mehr, was wir besprochen haben, aber
sicher nichts mehr über hoden. er hat so getan, als wäre das vorhin gar nicht
geschehen.
irgendwann mit sechzehn oder so habe ich begonnen, mich selbst zu befriedigen,
ich schloss mich dafür im badezimmer ein. ich schämte mich nicht und hatte
keine schuldgefühle, ich kann mich noch gut erinnern, dass ich irgendwie ein
triumphgefühl hatte, ha, was für gefühle ich da entfesseln kann, was für starke
gefühle ich da habe. als hätte ich angenommen, dass das nicht möglich sei oder
so. das konnten sie mir nicht wegnehmen! und es war ganz allein meines und die
anderen wussten nicht, dass es da war. die hatten ja mit allen mitteln
versucht, mir meine sexualität auszutreiben, aber sie war trotzdem da! das war
mein triumphgefühl. es sah etwas anders aus da unten, das habe ich wohl schon
früh gemerkt, meine klitoris war grösser als normal, nach der operation blieb
so ein schrumpeliges ding zurück, wahrscheinlich die vorhaut meines
mikropenisses, und meine scheide so ein vernarbtes gewebe. obwohl es nicht so
schön aussah und wohl auch nicht normal war oder sogar ziemlich abartig, weil
ja die ärzte immer wieder hinschauten und darüber redeten und mich so behutsam,
als wäre ich ganz eine arme sau, behandelten, und meine mutter so komisch
schaute und auswich mit von einem nervösen lächeln begleiteten erklärungen,
trotzdem kann ich solche gefühle haben, wenn ich meinen fantasien freien lauf
lassen. wie diese aussahen, weiss ich nicht mehr, aber im fernsehen gab es
manchmal so sexszenen.
als ich nach der vaginaloperation zu hause tag und nacht diese plastikprothese
tragen musste, es schmerzte und manchmal blutete es, stakste ich vor meinem
vater, meiner mutter und meinen schwestern in der wohnung herum und schämte
mich so sehr. es wussten ja alle, warum ich so komisch herumlaufe, aber es
wurde nicht darüber geredet. diese zur schau gestellte geschlechtlichkeit oder
konstruierte geschlechtlichkeit. in dieser zeit hatte ich immer so eine art
turnschuhe an aus mausgrauem stoff, ich freute mich so sehr über diese schuhe,
hatte sie gekauft, obwohl sie etwas schräg aussahen, vielleicht etwas vom
ersten, was ich selbständig, ohne von meiner mutter sekundiert zu werden,
kaufte. es war die zeit der engen hosen und depeche mode. ich konzentrierte
mich auf diese schuhe, lief oder eben stakste mit ihnen herum, trug sie immer,
nannte sie mausschuhe. meine mutter neckte mich und lachte, die mit ihren
mausschuhen, und ich schaute die schuhe immer an, wenn ich herumlief. diese
schuhe waren irgendwie wie freiheit für mich, ich klammerte mich an dieses
bild. trotz dieser erniedrigenden situation, dieser wunde zwischen den beinen
und dann noch so ein plastikstöpsel habe ich coole schuhe an. schade, dass ich
sie nicht mehr habe, sie waren am schluss regelrecht zerschlissen und wurden
wohl weggeworfen.
ich kann mich noch genau an den abschiedsbesuch bei meinem arzt erinnern. wir
standen am fenster und schauten ins grüne hinaus. mein arzt stand links von
mir. er sah mich von der seite an und sagte dann mit seiner ruhigen und sanften
art: weißt du, nella, du hast eben xy-chromosomen, aber es ist besser, wenn du
es deinem freund nicht sagst, der würde das nicht verstehen. ich schaute weiter
aus dem fenster, er auch, ich konnte nicht mehr denken. xy? ich sagte nichts
dazu, er auch nicht viel mehr, es gab keine erklärungen oder erläuterungen. ich
glaube, ich habe dann gefragt, ob es noch andere wie mich gibt oder so. dann
haben wir uns bald einmal voneinander verabschiedet, ich ging allein mit diesem
xy im kopf in mein leben zurück. weiss nicht mehr, wie lange ich es mit mir
herumtrug, bevor ich es meinem freund sagte. er hat's verstanden.
Tuesday, September 18 2007
By nella on Tuesday, September 18 2007, 19:28 - Die Mediziner
Als im Januar 2004 das Netzwerk Intersexualität (mittlerweile: Netzwerk DSD) ins Leben gerufen wurde, schien endlich ein konkreter Schritt hin zur Verbesserung der Situation von intersexuellen Menschen getan zu sein. Hier eine Kurzbeschreibung über Sinn und Zweck des Netzwerks:
''Das «Netzwerk Intersexualität» (Start Januar 2004) befasst sich mit Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung (Disorders of Sex Development - DSD). (...)
In Zusammenarbeit mit den Selbsthilfeinitiativen und den medizinischen Kooperationspartnern wollen wir die Diagnostik & Therapie, die medizinische & psychosoziale Versorgung für Betroffene und ihre Familien verbessern, sowie Aufklärung und respektvolle Kommunikation unterstützen. (...)'' >>> mehr
Ende August fand ein Netzwerktreffen in Bochum statt, an dem einige intersexuelle Menschen als Vertreter dabei waren.
Was sie berichten, stimmt nicht gerade zuversichtlich: Nach Berlin 2000 reagierten Mediziner auf die berechtigten Anliegen und Einwände der Zwitter einmal mehr einzig mit tumultartigem Verlassen des Saals.
So entsteht vielmehr der Eindruck, als wäre die Beteiligung von Intersexuellen am Netzwerk eine Alibiübung, ein wirklicher Dialog findet nicht statt.
Hier zur Information die beiden offenen Briefe an das Netzwerk Intersexualität:
>>> Offener
Brief von Lucie Veith an das Netzwerk Intersexualität
>>> Offener Brief von Claudia Kreuzer an das Netzwerk Intersexualität
Siehe auch:
-
"Medizinische Intervention als Folter" - Michel Reiter 30.6.2000
-
Wie das "Netzwerk Intersexualität/DSD" seine Versprechen bricht
-
Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln
aufgefordert
-
5. Treffen Netzwerk Intersexualität Kiel 6.9.2008
By nella on Tuesday, September 18 2007, 19:23 - Die Mediziner
Sehr geehrte Frau Prof. Dr. Thyen,
Ein offener Brief an den Vorstand des Netzwerkes- IS, den Vorstand und die Netzwerkmitglieder, die Selbsthilfegruppen und Vereine und Interessierte.
Seit mehr als 3 Jahre bin ich Mitglied des Netzwerkes –IS, ein förderndes Mitglied. Als intergeschlechtlicher Mensch habe ich mich dem Netzwerk angeschlossen, weil ich in den Zielen des Vereines die Interessen der intergeschlechtlichen Menschen zu finden glaubte, die mir und meine intergeschlechtlichen Freunde das Leben erleichtern und verbessern könnten.
Das Netzwerk-IS – Jahresversammlung fand im Endokrinologikum Ruhr in Bochum statt. Die Tagungspräsidentin hatte alles Organisatorische zur besten Zufriedenheit geregelt.
Die Versammlung begann um 10.00 Uhr und die Teilnehmer wurden von der Tagungspräsidentin und den Netzwerksprechern begrüßt. Nach Feststellung der Formalien, Genehmigung des Protokolls und der Tagesordnung wurde der 2. Vorsitzende in seinem Amt bestätigt. Der neue Tagungspräsident 2008 wurde gewählt. Das nächste Treffen wird in Kiel stattfinden.
Im Rechenschaftsbericht wurden die Fördergelder und die Verwendung erläutert. Weitere Fördergelder werden bei der EU eingeworben. Auch hier geht es einzig und allein um Molekularforschung.
Der Mensch, die Beratung, Behandlung, Versorgung und Selbstversorgung kommen nicht vor. Der Bericht, welche Projekte gefördert wurden, u.a. ein Tandemmassenspektrometer, das in sehr kurzer Zeit Analysen erstellt, die vorher viel Zeit und Geld verschlungen hätten, verwunderte mich sehr. Kein Geld für Versorgung, kein Geld für weitere Beratung, statt dessen ein ernsthafter Aufruf für eine € 5.000-Spende um die Technik zur Übersetzung der kanadischen Seite „Sick-Kids“ zu finanzieren. Das rief sogar Entrüstung und Befremden bei Vollmitgliedern hervor, die nicht unbedingt der „aufklärenden Ärzteschaft“ angehören. Das sich eine Geschäftsführerin mit solch blamablem Auftritt selbst diskreditiert, ist für mich unfassbar.
Als Gast wurde dann Frau Mirjam Mann vom der Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen (ACHSE) begrüßt. Frau Mann stellte ihre Organisation vor und informierte über die Aktivitäten und berichtete über das Glück, Frau Köhler, die Ehefrau des Bundespräsidenten als Pate gewonnen zu haben.
Als Mitglied des Vereins „Intersexuelle Menschen e.V.“ war mir bekannt, dass ein Antrag auf Aufnahme bei der Achse vorliegt (Die Antragstellung hatte lange Diskussionen bei den Betroffenen ausgelöst weg. des Begriffes „Erkrankungen“. Schweren Herzens und mit der Hoffnung auf eine Verbesserung der Versorgung und die Hoffnung auf eine breitere gesellschaftliche Akzeptanz wurde dann diese Kröte geschluckt.)
Und so stellte ich in der Versammlung nach kurzer Vorstellung die Frage, ob sie, Frau Mann, vielleicht eine gute Nachricht für den Verein IS e.V. im Gepäck hätte und wir nun Mitglieder der Achse geworden sind. Leider kannte sie weder den Antrag des Vereins „Intersexuelle Menschen e.V.“ noch die SHG XY-Frauen. Es seinen zu viele Anträge die dort eingehen und da wären noch andere Bearbeiter, die sie offenbar nicht informiert hatten.
Was mir bitter aufstieß, war die Tatsache, dass das Netzwerk – IS, speziell die Geschäftsführung es nicht für nötig hielt, die eingeladenen Vertreter einer Patientenorganisation über die ihr angeschlossenen Vereine und Selbsthilfeorganisationen der Fachgesellschaften zu informieren. Auch kam weder vom Vorstand, noch aus der Versammlung Unterstützung, um die Aufnahme zu fördern oder zu begünstigen.
Das Projekt „Klinische Evaluationsstudie“ geht in die Auswertung. Bis zum 1.12.07 müssen die Interviews zur Klinische Evaluationsstudie( Medizinische und chirurgische Behandlungsergebnisse, psychosexuelle Entwicklung und gesundheitsbezogene Lebensqualität bei Patienten mit Störungen der Geschlechtsentwicklung) abgewickelt sein. Danach wird ausgewertet. Die Ergebnisse werden online veröffentlicht. Wissenschaftler und Doktoranten können sich bewerben, Auswertungen vorzunehmen. Sie werden Zugang zu den Daten bekommen. Uns, den Patientenselbsthilfegruppen und unseren wissenschaftlichen Arbeitsgruppen wird der Zugang verwährt! Es besteht kein Mitspracherecht für die Betroffenen.
Mit Verlaub, das verstehe wer will, ich nicht: Jeder Wissenschaftler kann ein Projekt anmelden und erhält Zugriff zu unseren Daten!? Bislang haben wir nur einem Datentransfer/-abgleich mit dem der Studie des Instituts für Sexualforschung in Hamburg zugestimmt.
Als Teilnehmer der Studien protestiere ich gegen eine offene Verwendung und die ungenehmigte Weitergabe und untersage Ihnen ausdrücklich, die Daten an Personen oder Institutionen weiter zu geben, die sich außerhalb ihres Institutes befinden. Wie bitte, wollen sie die Datensicherung und den Datenschutz sicherstellen? Wo bleiben die Daten? Wie lange bleiben sie bestehen? Wohin wandern die Daten nach Ablauf der Studie? Wer prüft das?
Sind Sie nicht an Zusagen an die Befragten gebunden?
Warum werden die intergeschlechtlichen Menschen und ihre Familien wieder mal als wissenschaftliche Laborratten ohne Rechte behandelt?
Wie ist dies Vorgehen mit dem Ziel des Vereines:
Pkt. 2 Zweck des Netzwerk-IS ist es, das Verständnis für die Ursachen und Verläufe somatosexueller Differenzierungsstörungen zu vertiefen, die Diagnose zu optimieren, Therapien zu deren effektiver Behandlung zu entwickeln und einen Beitrag für einen respektvollen gesellschaftlichen Umgang mit den Betroffenen zu leisten.
Pkt. 3 Das Netzwerk-IS ist selbstlos; es verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke...
Überschreiten Sie nicht auch hier jede moralisch vertretbare Grenze?
Nach zwei sehr interessanten Fachvorträgen zur Klinischen Auswirkung und molekularen Grundlagenforschung und den Problemen bei der Beurteilung übernahm Frances Kreuzer den Part im Zeitfenster für die Selbsthilfegruppen. Herbei wurden lediglich Auszüge aus einem neuen Buch eines Patientenanwaltes zitiert. Eine ruhige, nicht anklagende Präsentation bundesrepublikanischen Rechtes. Dieser Vortrag führte zu tumultähnlichen Szenen des sowieso halbleeren Saals. Ein bekannter Mediziner und ordentliches Mitglied des Vereins, der nach eigenem Bekunden mehr als 25 Jahre intergeschlechtliche Genitale operiert hat, geriet außer Fassung und verließ pöbelnder weise mit Gefolge den Saal, ein sonst ruhiger Psychologe und ordentliches Mitglied des Netzwerk-IS, der für Projekte des Netzwerk-IS arbeitet fährt mit Getöse Betroffenen ins Wort und will ihnen das Wort abschneiden. Es kommt zu Wortgefechten, die nicht unterbunden werden. So der Kommentar: Ob den Betroffenen nicht klar ist, dass solche Vorträge diejenigen, die helfen wollen, demotivieren. Auch ich bin aus der Haut gefahren, jedoch aus ganz anderem Grund:
Was kann gestandene Wissenschaftler und Ärzte, die mit dem Grundgesetz, dem Bestimmungsrecht und dem Arzneimittelgesetz konfrontiert werden so außer der Fassung bringen, dass sie flüchten?
Ist das Recht nicht Grundlage der Arbeit?
Gelten die Gesetze nicht für intergeschlechtliche Menschen?
Ist nicht das Netzwerk-IS die Gelegenheit, sich ein richtiges Bild zu machen?
Will man am Ende gar keine Änderung der gängigen Praxis?
Ist die Beteiligung der Betroffenen nicht gewollter Bestandteil der vom Forschungsministerium geforderten Auflagen?
Ist es nicht legitim, dass intergeschlechtliche Menschen für ihre Rechte und deren Durchsetzung einstehen?
Ist die Tatsache, dass ein intergeschlechtlicher Mensch um seine Würde und seine Daseinsberechtigung kämpft so unakzeptabel für einen Arzt oder Wissenschaftler?
Welche Ängste löst die Anwesenheit von intergeschlechtlichen Menschen aus?
Warum unterstützen Mediziner, die helfen wollen, den intergeschlechtlichen Menschen nicht bei der Durchsetzung seiner Überlebensforderungen.
Behindert die Angst vor möglichen Konsequenzen einen Neuanfang?
Die Zeit wird knapp, die Forschungsgelder wie die Projekte laufen aus. Ich bitte Sie inständig nachzudenken und die Änderungen, die notwendig sind einzuleiten.
Ich spreche niemanden den guten Willen ab, helfen zu wollen. Doch wenn am Ende der Behandlung ein gebrochener Mensch steht, ist über das Verfahren nachzudenken.
Vergessen Sie bitte, was sie während Ihrer Ausbildung über Zwitter gelesen haben. Wir sind keine Sonderlinge, die man verstecken muss, sondern Menschen mit einer sehr verletzlichen Seele.
Ich bitte Sie alle, nein ich fordere Sie auf, den Wandel jetzt einzuleiten. Sollte uns gemeinsam der Wandel nicht gelingen wird es am Ende heißen: Das Projekt ist beendet, das Geld verbraten, ein paar Wissenschaftler haben ein neues Spielzeug, ein Beschäftigungsprogramm für Psychologen geht zu Ende, die Betroffenen haben das Nachsehen.
Bei mir hat das Verhalten der Netzwerkteilnehmer großes Unverständnis ausgelöst. Ich frage mich, wer hier der Patient ist.
Wir bedürfen der Solidarität eines jeden Einzelnen.
Ich bitte sie weiter, das Forum auf der Internetseite zu löschen. Die Tatsache, dass intergeschlechtlichen Menschen keine Antworten gegeben wird und offenbar kein Moderator in der Lage ist, das „Krisenmanagement“ zu bewältigen, ist beschämend und eines Netzwerk-IS unwürdig.
Ich werde diesen offenen Brief über cc an andere Interessierte wie Selbsthilfegruppenmitglieder und Unterstützer weitergeben und bitte auch um Zustimmung, dass ich Ihre Vereinsantwort an diesen Kreis weiterleiten darf.
Mit freundlichen Grüssen
Lucie Veith
Intergeschlechtlicher Mensch
Förderndes Mitglied im Netzwerk-IS
Siehe auch:
-
Netzwerk Intersexualität und wir Intersexuellen - Mitsprache geht
anders
-
Offener Brief von Claudia Kreuzer an das Netzwerk Intersexualität
By nella on Tuesday, September 18 2007, 19:21 - Die Mediziner
Querkreuzer (Claudia & Frances Kreuzer)
Trier den 4. September 2007
Sehr geehrte Damen,
sehr geehrte Herren des „Netzwerk Intersexualität“
Lassen Sie mich bei den letzten Minuten des letzten Treffens vor der Tür
beginnen.
Dort kündigte ich Frau Prof. Dr. med Thyen meinen baldigen Austritt aus dem
Netzwerk an. Ich denke das wird kein großer Verlust für mich wie auch für Sie,
möglicherweise jedoch Einer für die Betroffenen sein. Ich erlaube mir, mir
deshalb noch etwas Bedenkzeit für meinen Austritt zu lassen. Andere Betroffene
möchten noch vorher darüber mit mir sprechen.
Aber vielleicht brauche ich dies, nach den folgenden Worten, ja noch nicht
einmal mehr selbst zu tun.
Ich möchte Ihnen, im Vorfeld meiner anstehenden Entscheidung, noch ein paar sehr persönliche Zeilen aus meinem Erleben des Netzwerkes, der beteiligten Personen und des Themas unterbreiten.
Am Freitag Abend hatte ich wieder mal eine „freundschaftliche Diskussion“
mit Wissenschaftlern des Netzwerkes über die persönliche Anrede untereinander.
Das Ergebnis war, dass von Seiten der an der Diskussion beteiligten Mediziner
der Vorschlag kam „ ...dass es das einfachste wäre sich mit „Du“ und Vornamen
anzureden“.
Diese Diskussion hatte ich, wie gesagt, schon mehrfach mit verschiedenen
Personen des Netzwerks, aber „Sorry“, ich kann einfach nicht über meinen
Schatten springen und Sie, verehrte Damen und Herren mit „Du“ anreden. Obwohl
ich doch die überwiegende Zahl anderer Mediziner, die ich seit Jahren und
Jahrzehnten aus anderen Zusammenhängen kenne, „Duze“.
Vielleicht liegt dies an meiner frühen Kindheitsgeschichte, nehme ich doch
wahr, dass es Ihre beruflichen Vorgängergenerationen waren, die sich berufen
fühlten an mir und meinesgleichen Korrekturen vorzunehmen.
Wie dem auch immer sei, ich habe es bisher generell vermieden, mit Ausnahme von
Meinesgleichen, irgend jemanden im Netzwerk zu Duzen.
Mit gutem Grund, wie sich am Samstag, im Verlaufe des Vortrages von Frau Prof. Dr. med Thyen zu den Ergebnissen der Studie und während des Vortrages von Frances zeigte. Sie verzeihen mir Frau Prof. Thyen, ich habe ein ganz schlechtes Gefühl für die Betroffenen dabei. Aber davon später.
Was mich emotional am meisten aufregte war jedoch der Tumult der während des
Vortrages von Frances entstand.
Sie denken nun sicher das Falsche. Es war sicher weniger das Verhalten und die
Reaktionen von Herrn Prof. Dr. med. Westenfelder. Sie werden es kaum glauben,
ich schätze seine und Frau PD Dr. med. Kreges Fähigkeiten, hinsichtlich ihrer
Operationstechniken, sehr hoch ein. Das nicht zuletzt aufgrund der Vorträge von
Herrn Prof. Dr. med. Westenfelder und Frau PD Dr. med. Krege, zuletzt in
Hamburg mit einem glänzenden Vortrag. Für die, - die operiert werden wollen-,
sicher eine gute Wahl.
Zudem bin ich Herrn Prof. Dr. med. Westenfelder sogar ein wenig dankbar für
seine gezeigte Reaktion. Sie war überhaupt die erste öffentliche Reaktion eines
Mediziners aus dem Netzwerk auf Aktivitäten Betroffener. Den einzigen Vorwurf
den man ihm, wie aber auch allen übrigen Teilnehmern, machen könnte wäre der,
dass sich, in dem entstehenden Tumult und seinen ausufernden, aus unserer Sicht
unbegründeten, Spekulationen, niemand mehr dafür interessierte, warum wir die
Sammlung von Rechtsgrundlagen so schnell und kommentarlos abspulten.
Es ist halt immer – chronisch- sehr wenig Zeit für die Betroffenen, um die es
ja eigentlich geht. Es wäre für Sie und Ihre Arbeit im Hinblick auf die Studie
sicher interessant gewesen, die Konsequenzen dieser Rechtstexte, unser nicht
zum Zuge gekommenes Resümee, auf die soziale Lebenssituation und damit auf die
–zukünftige- „Zufriedenheit“ der Betroffenen, kennen zu lernen.
Aber das fand ja leider nicht mehr statt.
Aber der Tumult hatte auch, zumindest für mich, eine positive Erkenntnis,
die an zwei, drei Stellen des Tumultes, - deutlich hörbar- von Medizinern des
Netzwerks geäußert wurde:
Das war sinngemäß jener Satz: „... wir sollten doch nicht die wenigen Mediziner
die auf unserer Seite seien und sich um uns bemühten mit solchen Sachen
verschrecken..., ...dann ginge nachher gar nichts mehr!“ Vor etwa zwei, drei
Jahren hat mir ein Mediziner, auf meinen Film mit Arte hin, ein ähnliches E-
Mail geschickt, in welchem er behauptete, dass solche Aktivitäten der
Betroffenen in der Öffentlichkeit letztlich nur dafür sorgten, dass die
Abtreibungsraten intersexueller Kinder in die Höhe gingen......
Ich fasse die Inhalte beider Äußerungen als Drohung gegen das Leben und die
Gesundheit von mir und meinesgleichen auf. Ich kann aus meiner zutiefst
empfundenen Achtung vor dem Leben nur hoffen, dass sich, für die Medizin, die
Mediziner und die Betroffenen, Äußerungen dieser Qualität nicht eines Tages
gegen Sie selbst wenden.
Niemand von Seiten der Ärzteschaft und auch sonst Niemand hat das Recht uns mit
möglichem Hilfe- und damit Behandlungsentzug zu drohen.
Nicht wir haben diese Situation geschaffen in der wir uns befinden, sondern die
Medizin hat dies, in maßloser Selbstüberschätzung, verursacht.
Sie und diese Gesellschaft haben daher, für jeden Einzelnen von uns,
- die Verpflichtung-
alles Erdenkliche zu tun, damit die Behandlungsfehler der Vergangenheit in der
Zukunft keine Fortsetzung finden und die bereits von Fehlbehandlung Betroffenen
die erforderliche Hilfe bekommen.
Es kann nicht sein, dass ein „Netzwerk- IS“ unter der Überschrift „Betroffenen
helfen zu wollen“, im letzten Jahr des monetär- staatlich geförderten Bestehens
dieses Netzwerkes, zu dem Schluss kommt, dass sich bisher so gut wie keine
Erwachsenen- Mediziner an der Problembehebung beteiligen.
Ich darf, in aller Bescheidenheit und sicher im Namen aller Betroffenen die
u.A. hoffnungsvoll an Ihrer Studie teilnahmen, Sie, meine Damen und Herrn
Wissenschaftler des „Netzwerkes- IS“ fragen:
Welche Probleme haben Sie hinsichtlich der Therapien von erwachsenen
Intersexuellen erkannt und welche medizinischen Lösungen haben Sie dafür?
Ich bin mir sicher, dass ich darauf keine Antwort erhalten werde.
Das Einzige was sich sicher durch die bloße Existenz des Netzwerkes geändert
hat, ist dass es erwiesen ist, dass die Verträglichkeit einer
Hormonersatztherapie mit Testosteronen für XY- chromosomale IS erheblich
verträglicher ist als eine Östrogentherapie. Und das ist zudem noch eine
Erkenntnis die, die Betroffenen, ohne Zugriff auf „große“ millionenschwere
Analysegeräte zu haben, selbst erarbeitet haben. Und sogar noch Einiges darüber
hinaus.
Das lehrt uns Betroffene zudem, dass der „Erfolg“ nicht immer von der „Größe“
und dem „Vorhandensein“ des „Gerätes“ abhängig ist.
Sie dürfen also weiter gespannt sein.
Täuschen Sie sich jedoch nicht, dass wir so blauäugig sind und den Spruch „...
wir wissen über IS zu wenig...“, für „bare Münze“ nehmen. Ich glaube, dass das
was wir allenthalben als „neu“ „ zum Besten“ gaben, bei Ihnen schon längst
bekannt ist.
Und ich persönlich befürchte, nach den Offenbarungen von Frau Prof. Thyen
hinsichtlich der Modalitäten zur Auswertung der Studiendaten, dass wir auch
dort wieder Interpretationen ausgeliefert sein werden.
Übrigens, so ganz nebenbei, Ihre Zahlen der Studie, wiedersprechen ganz
eklatant den dem Zahlenwerk das der Bundestag neulich unter Bezugnahme auf das
„Netzwerk-IS“ und Sie Frau Prof. Thyen veröffentlichte.
Ich stellte in diesem Bericht zudem fest, dass ich offensichtlich zur Gruppe
derer gehöre die wohl medizingeschlechtzuweisungskonform sind.
War doch da die Rede von Betroffenen, die sich –sogar- mit eigenen Beiträgen am
„Netzwerk-IS“ beteiligen und den –Anderen- „offensichtlich eine kleine
Minderheit Unzufriedener“ die sich beschweren. So habe ich meine Bemühungen und
die anderer Betroffener im Netzwerk bisher aber nicht aufgefasst.
Hätt` man mich doch mal gefragt!
Ich denke an dieser Stelle, dass ich mich nicht weiter, z.B. über Diagnosen der
„kompletten testikulären Feminisierung“ und deren Behandlung mit
Androgenrezeptorblockern o.ä. auslassen muss, um die Behandlungsqualität und
damit die Gründe der Unzufriedenheit zu dokumentieren.
Vielleicht erklärt das aber u.A. auch, die gegenüber den Unmündigen erheblich
geringeren Teilnehmerzahlen an Erwachsenen bei Ihrer Studie. Vielleicht ist es
aber auch gerade der große Überhang der Unmündigen, der den, möglicherweise
erwünschten, Spielraum der Interpretation der Studie erweitert.
Aus meiner Sicht sind es,
neben den teilweise katastrophalen Therapiefolgen,
der begründeten Angst vor möglichen Behandlungsnachteilen,
der durch die Medizin suggerierten Angst vor sozialer Ausgrenzung,
dem Bewusstsein wider besseres medizinisches Wissen zum Hormon- Junkie gemacht
worden zu sein,
und der Erkenntnis der Ohnmacht gegenüber dem Kollektiv der Medizin,
die in eine physische und psychische Resignation mündet, die dafür sorgt, dass
erwachsene Betroffene alles was mit Medizin zu tun hat möglichst meiden.
Auch Ihre Studie.
Aus meiner Gesprächserfahrung glauben viele Betroffene Ihnen daher auch
einfach nicht, dass Sie was ändern wollen. Was hat sich denn für die
erwachsenen Betroffenen seit „Netzwerk-IS“ welches sich nun bereits seinem
letzten Existenz- Jahr nähert geändert? Das Netzwerk war wirklich vielleicht
mal eine Chance, aber die wurde aus meiner Sicht vertan.
Lassen Sie mich Ihnen, kurz vor Schluss, in diesem Zusammenhang noch eine
Begebenheit mitteilen:
So habe ich mit einer Mutter mit IS- Kind, nach ihrer Teilnahme an der Studie,
ein Telefonat geführt, bei welchem Sie mir ganz stolz und in dieser Reihenfolge
berichtete, dass es ihr doch wohl ganz gut gelungen sei zu vermitteln, dass der
behandelnde Arzt Ihres Kindes gut sei und es dem Kind dementsprechend auch gut
ginge.
Ich bin jetzt etwas müde und möchte auch, um Ihre kostbare „klinische Zeit“ nicht über Gebühr in Anspruch zu nehmen, zum Schluss kommen.
Wissen Sie, egal welche Inhalte oder Fakten wir, als Betroffene, Ihnen, als
Mediziner, unterbreiten würden, alles wäre als ein Affront gegen Sie und Ihre
Tätigkeit an uns auslegbar.
Und wissen Sie was, solange die Medizin sich Ihre selbstgeschaffenen virtuellen
Realitäten in den Rang eines Naturgesetztes erhebt, wird es dem Grunde nach
auch für uns oder andere Menschen die auf die Hilfe der Medizin angewiesen
sind, unüberwindbar immer so bleiben.
Die Medizin hat sicher vielen Menschen sehr viel Leid erspart und gelindert,
aber daraus lässt sich nicht der ultimative Anspruch der therapeutischen
Unfehlbarkeit ableiten.
Bei uns liegt es daran, dass die Medizin sich, bereits meist am ersten Tag
unseres Lebens, über unsere Rechte, die Gesetze und die Natur hinweg setzt und
damit diesen Widerspruch in unsere physische und psychische Existenz
implementiert.
Das wird z.B. auch sicher nicht dadurch geheilt, dass man IS in TS umdeklariert
und damit eine medizinisch falsch getroffene Entscheidung, wiederum zu Lasten
der Betroffenen, nun als psychische Erkrankung (so das BSG) verkauft. Oder dass
man sogar ein Recht auf „Nichtwissen“ u.a.m. bemüht um die Betroffenen in die
Fremdentscheidung zu zwingen.
Wir sind die Karnickel eines Freilandversuches. Nicht mehr und nicht
weniger.
Wir sind, wenn nötig, das schmückende Beiwerk, auf das die staatlichen Mittel
sprudeln.
Nicht mehr und nicht weniger
Unsere Existenz ist überflüssig, wenn das Ergebnis bekannt ist.
Nicht mehr und nicht weniger
Ist das Ergebnis bekannt, müssen die Karnickel selbst sehen, wie es
weitergeht.
War halt ein Versuch und wir sind nur Kollateralschäden .............
Nicht mehr und nicht weniger
Ich wünsche mir an dieser Stelle, dass der Hinduismus oder Buddhismus mit
seinen Theorien über die, aus den im Vorleben resultierende Qualität der
folgenden Wiedergeburt, zutrifft.
Vielleicht finden Sie dann, wenn Sie es mal selbst erlebt haben, auch die
Erleuchtung.
So wie bisher geht es jedenfalls nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Claudia Kreuzer
Ein maßlos enttäuschtes Karnickel
Siehe auch:
-
Netzwerk Intersexualität und wir Intersexuellen - Mitsprache geht
anders
- Offener
Brief von Lucie Veith an das Netzwerk Intersexualität
Saturday, September 15 2007
By nella on Saturday, September 15 2007, 02:30 - Die Medien
In der Ausgabe Nr. 36/2007 der Samstagsbeilage DAS MAGAZIN unter dem Titel Die Frau, die nie ein Mann war vom 8.9.2007 ist ein Artikel von Christoph Keller über das Leben der Intersexuellen Laura Armani erschienen.
HIER FRISCH VON DER LEBER WEG EINIGE GEDANKEN:
Obwohl Laura Armani in anderen Publikationen als transsexuell beschrieben wird und sich selbst auch als solche bezeichnet – bei Google findet man gerade mal einen Eintrag zu „Laura + Armani + Intersex“, eben denjenigen zu diesem Artikel – ist sie offensichtlich intersexuell. (Nachtrag: Wenn denn die im Artikel erwähnten Fotos eines intersexuellen Genitals (Mikropenis und Leistenhoden) wirklich von Frau Armani stammen. Nirgends erwähnt werden zudem Operationen oder Untersuchungen in der Kindheit, etwas, was sozusagen jede(r) von uns über sich ergehen lassen musste. Frau Armanis Intesexualität muss diversen Ärzten entgangen sein. Wenn's stimmt: Gott sei Dank!)
Leider trägt sie mit ihren Aussagen dazu bei, dass die geneigte Leserin und der geneigte Leser (die im Durchschnitt über Intersexualität überhaupt nichts wissen) verwirrt sind, wenn sie beispielsweise sagt, dass sie „schon von Geburt an transsexuell (sei) mit einem schon immer femininen und grazilen Körperbau, aber mit leider einem äusseren massiv unterentwickelten und nicht funktionellen männlichen Genitale mit Leistenhoden seit der Kindheit“. Sie beschreibt einen intersexuellen Körper und setzt ihn mit transsexuell gleich. Andernorts ist von „transsexuellen Leiden“ die Rede, zugleich hat es noch detailliertere Beschreibung des intersexuellen Körpers. Eine Medizinerin, die ‚transsexuell’ und ‚intersexuell’ in einem Atemzug nennt, stimmt nachdenklich.
Wieso bezeichnet Frau Armani sich in den Medien als transsexuell, wo sie doch als Ärztin den Unterschied kennen sollte? Benutzt sie 'transsexuell' aufgrund ihres Erlebens, wie es beispielsweise auch Homosexuelle gibt, die sich als 'psychisch intersexuell' bezeichnen? Ist Frau Armani genetisch männlich (XY-Chromosomen) oder genetisch weiblich (XX-Chromosomen)? Was war bei ihr die Ursache der Intersexualität? Androgenresistenz? Enzymdefekt?
Und: "sie schafften es, zwei Kinder zu zeugen, die einzige Lösung waren artifizielle Hilfsmittel". Was sind das für "artifizielle Hilfsmittel"? Sind Intersexuelle zeugungsfähig?
Der Laie wird hier wohl kaum den Durchblick kriegen.
Immerhin spricht der Titel des Artikels Klartext und bringt den Unterschied zwischen Intersexualität und Transsexualität auf den Punkt: „Die Frau, die nie ein Mann war“ ist intersexuell geboren. Wäre von einer Transsexuellen die Rede, müsste der Titel heissen: Die Frau, die ein Mann war. Aber ob der Laie diesen Unterschied bemerken und diesem „nie“ die ihm zustehende Bedeutung zukommen lassen wird?
Es ist verständlich, dass Frau Armani sich als transsexuell bezeichnet, weil ihr Werdegang demjenigen eines Transsexuellen ähnelt. Auch handelt es sich bei der Geschlechtszuweisung von intersexuellen Kindern genau genommen um eine Zwangstranssexualisierung: ein intersexueller Mensch wird OHNE SEINE PERSÖNLICHE ZUSTIMMUNG entweder dem weiblichen (in den meisten Fällen) oder dem männlichen Geschlecht zugewiesen.
Dennoch ist es etwas ganz anderes, intersexuell zu sein. Das Hauptmerkmal habe ich oben erläutert: uns hat niemand gefragt, ob wir zu einer ‚Frau’ oder einem ‚Mann’ gemacht werden wollen. Über unsere Körper wurde bestimmt, ohne uns zu fragen.
Was Herr Prof. Mullis sagt, ist bezeichnend für die Situation, die auch heute noch herrscht:
Zwar sei das 'dritte Geschlecht' immer noch Utopie, aber "immerhin" "wächst unter den Ärzten die Bereitschaft, ein unbestimmtes Geschlecht auch einmal sein zu lassen, wenn es sich medizinisch vertreten lässt" ... „auch einmal sein zu lassen“ - das erinnert mich irgendwie an meine Kindheit, als ich vor dem Mittagessen auch schon mal etwas Süsses naschen durfte, obwohl es sonst verboten war. Glücklich also diejenigen, bei denen die Mediziner grosszügigerweise ein Auge zudrücken und die "auch einmal" mit einem unoperierten Genital alt werden dürfen! Das ist dann wie ein Sechser im Lotto – und wohl auch entsprechend selten.
Bei diesem Tempo im Umdenken werden noch viele Intersexuelle 'daran glauben' müssen. Dabei wäre es doch so einfach: Geschlechtszuweisende Operationen dürfen nur im Einverständnis der intersexuellen Person durchgeführt werden! Es geht um Menschenrechte, um Kinderrechte: das Recht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit, auf Selbstbestimmung und Würde.
Ärzte haben nur die Macht, die ihnen zugestanden wird. Ich appelliere an die Eltern! Durch geschlechtsangleichende Operationen soll das Kind davor geschützt werden, sozial ausgegrenzt zu werden und unglücklich zu sein. Aber gerade durch diese Operationen wird dieses Gefühl umso grösser! Ich habe es am eigenen Leib erfahren. Ich kann mich noch so gut an diese grosse Angst erinnern, die in mir war, ein grosses, schwarzes, kaltes Loch, eine Art Vakuum, und ich dachte: ich darf diese Angst nicht zeigen, ich darf nicht schreien und weinen, wenn ich das tue, dann klappt meine Mutter vollends zusammen.
Es ist nicht einfach, ein intersexuelles Kind grosszuziehen bis zu dem Moment, wo es selber entscheiden kann. Aber der Mensch geht nicht an der Wahrheit zugrunde, sondern weil sie ihm vorenthalten wird.
Fortsetzung:By nella on Saturday, September 15 2007, 02:00 - Ich
Schon praktisch, wenn die eigene Lebensgeschichte als Artikel in einer Zeitschrift veröffentlicht wurde (siehe unten). Man kann dann darauf verweisen und muss nicht lange überlegen, was man jetzt erzählen will und wo man beginnen soll.
Ansonsten:
Die ersten Beiträge in meinem Blog sind selbstredend. Es geht nicht um mich, sondern um die Sache. Aber ich werde auch manchmal etwas von mir erzählen.
>>> Aktion & Offener Brief Kinderspital Zürich, 6.7.08 (Bild: Ärger)
Artikel in der Annabelle 9/06 vom 10. Mai 2006:
(Ja, die Zwitter Medien Offensive™ gabs schon damals!)
>>> Artikel als PDF
Sie ist ein Hermaphrodit, ein Zwitter mit Merkmalen beider Geschlechter.
Über drei Jahrzehnte war ihr Dasein geprägt von Schweigen, Scham und den
Schmerzen von Operationen, in denen die Ärzte sie äusserlich zur Frau formten.
Dann endlich zerrte sie das Tabu ihres Lebens ans Tageslicht.
Text: Claudia Senn
Was sagt man als Arzt zu den Eltern, wenn ein Kind wie Nella zur Welt kommt? An
dem alles dran ist, aber eben auch ein Zipfelchen zu viel: fünf Zehen an jedem
Fuss, fünf Finger an jeder Hand, eine Klitoris, die grösser ist als normal,
viel grösser. Sagt man: Gratuliere, Sie haben ein halbes Mädchen? Einen halben
Jungen? Ein Bubenmeiteli?
Gleich nach der Geburt stellten die Ärzte fest, dass Nella keine Gebärmutter hatte und keine Eierstöcke, dafür Hodenanlagen im Inneren des Körpers. Ihre Vagina war sehr kurz, wie zugewachsen. Und ein Test ergab, dass sie xy-Chromosomen hatte, genetisch also ein Junge war. «Nennen Sie sie doch einfach Andrea», riet eine Krankenschwester den verstörten Eltern. «Das können Sie notfalls leicht in Andreas umwandeln.»
Nellas Eltern dachten wohl, sie hätten eine Art Monstrum geboren. Eine Missgeburt, so selten wie ein Kalb mit zwei Köpfen. Keiner sagte ihnen, dass so was häufiger vorkommt, als man denkt. Zwar gibt es keine genauen Zahlen, doch schätzen die Ärzte, dass etwa eines von 2000 bis eines von 5000 Kindern intersexuell ist, also Merkmale beider Geschlechter hat.
Meist weisen die Ärzte einem solchen Baby innert weniger Tage ein Geschlecht zu. Bei Nella fassten sie den Entschluss, dass aus ihr ein Mädchen werden sollte, auch wenn sie männliche Chromosomen hat. Denn es gibt eine einfache Regel in der plastischen Chirurgie: «It’s easier to make a hole than to built a pole» – es ist einfacher, eine Vagina herzustellen als einen Penis.
Vorerst entfernten sie dem Säugling jedoch nur die Hodenanlagen. Orchiektomie nennen die Ärzte diese Operation. «Ich nenne sie Kastration», sagt Nella.
Als das kleine Mädchen, das auch noch einen schweren Herzfehler hatte, nach drei Monaten Klinik endlich nach Hause entlassen wurde, litt es unter Hospitalismus. So nennt man das, wenn ein Kind nach langem Spitalaufenthalt aus Mangel an Liebe und Zuwendung vollkommen erloschen und verkümmert ist.
Heute ist Nella 38. Niemand, der es nicht weiss, käme auf die Idee, dass sie ein Hermaphrodit ist. Sie ist der sportliche Typ Frau, trägt Jeans und Kapuzenshirts, ist ungeschminkt, mit kurzen braunen Haaren.
Natürlich hat sie in Wirklichkeit einen anderen Namen. Sie zieht ein Pseudonym vor, weil sie keine Lust hat, nach der Publikation dieses Artikels Anrufe von sensationsgeilen Medien zu kriegen. Auch in ihrem Umfeld weiss längst nicht jeder, was mit ihr los ist. Immerhin hat sie es nach fünf harten Jahren Therapie geschafft, den engsten Freundeskreis einzuweihen. Das ist schon viel, wenn man sich ein Leben lang für abartig gehalten hat.
Wann beginnt ein intersexuelles Kind zu ahnen, dass es anders ist als die anderen? «Ich spürte es von Anfang an», sagt Nella. Schon als kleines Kind weiss sie instinktiv, dass mit ihren Genitalien etwas nicht stimmt. «Immer schauten die Erwachsenen da hin. Dauernd fummelten sie da unten rum. Ständig musste ich zum Arzt, der Nadeln und Katheter in mich hineinstach.» Niemals wird Nella von jemand anderem als den Eltern gehütet, denn ein Fremder könnte ja beim Wickeln ihre vergrösserte Klitoris entdecken. Andere Kinder kommen kaum zu Besuch, denn die könnten Doktor spielen wollen. Nella wird von allen abgeschirmt. Die Familie deckt ihr grösstes Geheimnis mit Stillschweigen zu. Manchmal betrachtet sich das kleine Mädchen nackt im Spiegel und rätselt: Was ist es nur, was mit mir nicht stimmt?
Instinktiv spürt Nella auch, dass es nicht ratsam ist, Fragen zu stellen. Sie denkt, dass mit ihr etwas sehr Schlimmes los sein muss, so schlimm, dass man es niemals aussprechen darf, weil sonst etwas Furchtbares geschieht. Früh lernt sie, «einfach nicht vorhanden» zu sein, wenn wieder ein Arzt, der nur die medizinische Sensation vor sich sieht und nicht das kleine Kind, zwischen ihren Beinen fuhrwerkt. Das Bild, das sie von sich selbst aus jener Zeit vor Augen hat, ist «ein mageres kleines Mädchen mit vor Angst weit aufgerissenen Augen, das niemals weint, niemals protestiert, stumm alles über sich ergehen lässt. Das bei allen ärztlichen Torturen verzweifelt versucht, sich auf den einen Gedanken zu konzentrieren: Es ist gleich vorbei.»
Als sie sieben ist, wird ihr kaputtes Herz operiert und bald darauf eine Genitalkorrektur vorgenommen. Es ist ein riskanter Eingriff. Die Ärzte nehmen dabei in Kauf, Nellas sexuelle Empfindungsfähigkeit für immer zu beeinträchtigen oder gar zu zerstören, wenn sie die für die Lust wichtigen Nervenbahnen verletzen.
Immer haben die Eltern Angst, dass über ihre Tochter getuschelt wird – wie in Nellas ersten Lebensjahren, als die Familie noch in einem engen katholischen Dorf lebte. «Die ist nicht normal», flüsterten da einmal Kinder, als die junge Mutter mit Nella im Kinderwagen an ihnen vorbeiging. Jetzt, wo die Familie in einer anonymeren Kleinstadt lebt, bleibt sie von solchen Gerüchten verschont. Nur einmal, als Nellas Mutter Streit mit der einzigen Verwandten hat, die in das Familiengeheimnis eingeweiht ist, droht die, öffentlich zu machen, «was Nella für eine ist». Nella steht daneben, stumm wie ein Möbelstück, und denkt: Aha, ich bin also abartig. Wenn die anderen das rausfinden, spucken sie mich an.
Sie ist ein wildes Kind zu dieser Zeit, fast ein wenig bubenhaft. Prügelt sich mit Jungs und erschreckt Mädchen mit langbeinigen Spinnen. Mit zehn ist sie zum ersten Mal in einen Jungen verliebt. Ganz allein steht sie auf dem Pausenplatz und denkt: Verliebt sein, nein, das geht bei mir nicht. So wie ich bin, kann ich niemals mit einem Bub zusammen sein.
Als sie zwölf ist, erklärt ihr der Arzt, dass man ihr als Baby die Eierstöcke habe entfernen müssen, weil die «bösartig» gewesen seien, und dass sie deshalb keine Kinder bekommen könne. Dass es in Wirklichkeit Hodenanlagen waren, wissen zu dieser Zeit nicht einmal die Eltern. Nella muss nun weibliche Hormone schlucken, ein Leben lang. «Sonst wäre ich irgendwie Kind geblieben, ein Neutrum.» Wie geplant wachsen ihr nun Brüste und runden sich die Hüften. Nella empfindet darüber überwältigende Scham. Später verringern die Ärzte einmal ihre Dosis, da leidet die junge Frau unter Wallungen, als wäre sie bereits in den Wechseljahren.
Als die Mutter die erste Menstruation der um ein Jahr jüngeren Schwester feiert, steht sie daneben, stumm. «Jetzt bist du eine richtige Frau», sagt die Mutter zu ihrer Schwester. Ich nicht, denkt Nella da zum ersten Mal, ich bin keine richtige Frau.
Sie zieht sich völlig zurück, ist immer allein und liest, in ihrer Ecke des Zimmers, das sie mit ihrer Schwester teilt. Freundschaften geht sie aus dem Weg, «aus Angst vor diesen ganz normalen Mädchenfragen wie: Nimmst du Tampons oder Binden?»
Eines Tages sollen Schreibtische für das Zimmer der Schwestern angeschafft werden. Platz gibt es jedoch nicht für zwei, sondern nur für einen einzigen. «Den darf Nella haben», beschliesst der Vater, «Nella wird ja später sowieso nicht ausziehen.» Nella steht daneben, wie immer stumm, und fühlt sich, als habe der Vater ihr soeben eine Ohrfeige verpasst. Ich bin also nicht nur keine richtige Frau, denkt sie, sondern ich habe auch keine Zukunft.
Doch dann bekommt sie endlich einen ersten konkreten Hinweis darauf, was mit ihr nicht stimmt. Die Mutter trägt ihr auf, den Hausarzt zu fragen, warum man ihr denn die Eierstöcke entfernt habe. Das sei doch bestimmt gar nicht notwendig gewesen. «Das waren gar keine Eierstöcke, das waren Hoden!», blafft der verärgerte Arzt und verlässt das Zimmer. Nella, 15 Jahre alt, bleibt allein zurück, geschockt, ratlos, aber nicht wirklich überrascht. Vor sich auf dem Tisch sieht sie ihre Krankenakte liegen. Sie wirft einen verstohlenen Blick hinein und liest zum ersten Mal, welchen Namen ihre «Krankheit» hat: Pseudohermaphroditismus masculinus. Daneben steht der Vermerk: «Die Diagnose ist der Patientin auf keinen Fall mitzuteilen.»
Dann kommt der Arzt zurück und sagt – nichts. Nella geht nach Hause und erzählt – nichts. In ihrem Kopf beginnt es zu rattern wie verrückt. Heimlich sucht sie überall nach Informationen, bezieht Dinge auf sich, die nichts mit ihrem Krankheitsbild zu tun haben, und hat bald «ein Riesengetto» im Kopf, das alles nur noch schlimmer macht. Nachts liegt sie wach, starr vor – unbegründeter – Angst, dass ihr demnächst ein Penis wachsen könnte.
Wenn Nella von ihrer Kindheit erzählt, wird spürbar, was für eine Wut sich in ihr angestaut hat. Auf die Ärzte, die ihr all die Jahre nicht die Wahrheit sagten, sondern nur ein absurdes Gemisch aus Lügen, Andeutungen und Halbwahrheiten. Auf die Eltern, die aus Scham und Hilflosigkeit striktes Stillschweigen breiteten über Nellas Andersartigkeit und damit ihre Tochter in die Isolation trieben. Auf sich selbst, weil sie in ihrer Not alle Gefühle und Bedürfnisse von sich abspaltete und stumm war wie ein Möbelstück.
Und doch war da etwas, was ihr ein Gefühl physischen Lebendigseins gab. Mit 17 entdeckt Nella, die nun die Handelsschule besucht, dass sie sich selbst befriedigen kann. Ein überwältigender Triumph! Ihr habt gemeint, ihr könnt mich kaputtmachen mit eurem Rumgeschnippel, denkt sie glücklich, aber es geht doch! Genau wie bei den anderen! Das konntet ihr mir nicht nehmen! Doch ist das, was ihr allein so viel Freude macht, auch mit einem Partner möglich? In einem Buch informiert sie sich über Penisgrössen und erfährt: Mit ihrer verkürzten Scheide «geht das nie und nimmer». Auch die Ärzte sagen, dass sie «so» nie einen Freund haben könne, und raten zu einer weiteren Operation.
Es ist ein traumatischer Eingriff. Obwohl sie die Operation so schnell wie möglich aus ihrem Bewusstsein zu löschen versucht, hat sie noch Jahre später Alpträume, in denen ihr Unterkörper brutal abgetrennt und verkehrt herum wieder angeschraubt wird. Nach dem Eingriff muss sie Tag und Nacht eine Art Dildo tragen, damit ihre blutende, mit einem Stück Gesässhaut ausgekleidete Scheide nicht wieder zuwächst. «Das Ziel dieser Operation ist es, eine Penetration möglich zu machen», sagt Nella. «Die Resultate sind jedoch oft unbefriedigend. Viele haben furchtbare Schmerzen. Die Scheide kann sich nach einiger Zeit wieder zusammenziehen. Man leidet unter Vernarbungen.» In der Selbsthilfegruppe, in der sie sich viele Jahre später mit Leidensgefährtinnen austauscht, nennen sie die Operation zynisch «fickfertig machen».
Doch damals, als sie aus dem Spital kommt, denkt sie erst, dass nun endlich alles gut ist. Endlich hat sie ihre Vagina. Endlich kann sie mit einem Mann schlafen. Endlich kann ihr keiner mehr vorwerfen, sie sei keine richtige Frau.
Während eines Sprachaufenthalts in Paris lernt sie ihren Freund kennen, mit dem sie noch heute zusammenlebt. Nach dem ersten Sex ist sie wahnsinnig erleichtert. Es funktioniert! Sie funktioniert!
Doch bleibt Sex für sie etwas Mechanisches. Rein, raus, eruptiv, wild im besten Fall. Sie kann Lust erleben, aber nicht diesen entspannten zweisamen Rausch, für den man sich ganz fallen lassen muss. «Ich möchte ja gern», sagt sie. «Ich würde mich so gern öffnen, erlöst werden von einem anderen aus der Einsamkeit. Doch ich kriege immer gleich solche Angst, wenn jemand zärtlich zu mir ist.» Zu lange hat sie ihren geschundenen Körper gehasst, als dass ihn jetzt plötzlich jemand lieben dürfte. «Ich möchte ihn einfach niemandem zumuten», sagt sie. Nie im Leben würde sie ihren Körper nackt in einer Sauna zeigen oder ihm sogar eine Massage gönnen.
Ihrem Freund hat sie lange vorgeworfen, er zeige zu wenig Gefühl, sei zu distanziert. «Doch mit einem Mann, der ständig mit mir ins Bett will oder kuscheln, hätte ich gar nicht umgehen können. Der hätte ja das, was ich die ganze Zeit zu verdrängen versuchte, heraufholen wollen.» Am Anfang der Beziehung klärt sie ihn kurz darüber auf, dass sie intersexuell ist, keine Kinder kriegen kann und mehrere Operationen hatte. Danach spricht sie nur noch selten darüber.
Mit 20 zieht Nella von zu Hause aus und folgt ihrem Freund nach Zürich. Kaum der beklemmenden Familienatmosphäre entronnen, macht sie eine für sie ganz und gar überraschende Entdeckung: Sie ist intelligent. Auf dem zweiten Bildungsweg holt sie die Matura nach und schliesst als Beste ihres Jahrgangs ab. Danach schreibt sie sich an der Uni für Geschichte ein. Sie ist die Erste in ihrer Familie, die studiert. Ausgerechnet sie, der Zwitter!
An der Uni merkt sie, dass sie der Stoff fasziniert. Das ist genau mein Ding!, denkt sie. Doch neben ihrer Begeisterung lauert immer auch die Angst, enttarnt zu werden. Ist eine intellektuelle Frau nicht verdächtig? Eine Frau, die Karriere machen will wie ein Mann? Die, mit anderen Worten, gar keine richtige Frau ist?
Nella beobachtet sich sowieso schon täglich im Spiegel. Ihre Augenbrauen, die über der Nasenwurzel zusammenwachsen wie bei einem Mann. Die Schultern, die ihr zu breit vorkommen. Den Bizeps, der ihr zu kräftig erscheint. Aus der Angst heraus, nicht genug Frau zu sein, schmeisst sie schliesslich ihr Studium hin und nimmt einen Teilzeitjob an. Den Rest der Zeit ist sie Hausfrau, putzt, bügelt, bereitet aufwändige Abendessen. «Im Grunde genommen habe ich mich als graue Maus inszeniert, als die Karikatur einer Frau.»
Doch die verdrängten Gefühle bahnen sich ihren Weg an die Oberfläche in Form von massiven Zwangsgedanken. Wenn ich diesen Putzlappen nicht zehnmal auswasche, geschieht ein Unglück, denkt Nella. Sie ist erschöpft, fühlt sich «so wertlos wie ein Stück Scheisse». Wenn sie überhaupt noch aus dem Bett kommt, trinkt und raucht sie ohne Limit. Gleichzeitig ist sie so aggressiv, dass sie Angst hat, Amok zu laufen. Einmal steht ihr im Tram jemand einen Moment lang im Weg, da möchte sie ihm am liebsten die Faust in die Fresse rammen. «Ich fühlte mich wie eine Zeitbombe, die jeden Moment hochgehen kann.»
Mit 33 Jahren zieht Nella die Notbremse und beginnt eine Therapie. Fünf Jahre kämpft sie dreimal die Woche dagegen, stumm zu sein wie ein Möbelstück. Als sie das grosse Tabu ihres Lebens Stück für Stück ans Licht zerrt, kommt ihr das erst vor wie ein gigantischer Verrat. Etwa zur selben Zeit tut sie etwas, was sie schon lang hätte tun können, wenn sie es nur gewagt hätte: Sie gibt bei Google den Begriff ein, den sie in ihrer Krankenakte gelesen hat: Pseudohermaphroditismus masculinus. Da tut sich eine ganze Welt auf! Selbsthilfegruppen, Intersexuellen-Netzwerke, Informationsforen. Es gibt noch mehr Menschen wie sie! Allein in der Schweiz müssen es Hunderte sein! «Ich war unglaublich aufgewühlt.»
Niemals wird sie den Moment vergessen, als sie ihr erstes E-Mail an eine Selbsthilfegruppe abschickt. Die Freude und auch die rasende Angst, durch einen einzigen Mausklick aus einem Leben voller Schweigen und Verdrängung hinauszutreten!
Es ändert alles. Es ist, als käme sie nach lebenslangem Umherirren endlich heim. Beim ersten Treffen sitzt sie mit ihren Leidensgefährten im Restaurant und könnte platzen vor Glück. Sie ist nicht mehr allein, alle haben Ähnliches erlebt wie sie. Dieselben Schmerzen, dieselben Lügen über «bösartige» Eierstöcke, derselbe Vermerk in der Krankenakte: «Die Diagnose ist der Patientin auf keinen Fall mitzuteilen.»
Manche haben einen trotzigen Humor bewahrt. Wenn sie aufs Klo gehen, sagen sie: «Ich muss mal für kleine Zwitter.» Das findet Nella wahnsinnig befreiend. Es ist, als würden sie der Gesellschaft ein Schnippchen schlagen: Ätsch, ihr habt uns nicht kleingekriegt. Selbst nach den schlimmsten Erfahrungen kann man noch lachen.
Mit einigen ihrer neuen Freunde chattet sie nun jeden Tag. Das macht der Isolation ein Ende. Aber es löst nicht die Verwirrung. Sie fühlt sich nicht mehr als «Mogelpackung». Aber was ist sie dann? «Völlig weibliche psycho-sexuelle Identität» steht in ihrer Krankenakte. Nella geht in die Luft, wenn sie das liest. «Diese Anmassung der Ärzte, was wissen die schon!» Sie weiss zurzeit nicht mal, ob sie Männer oder Frauen liebt. Sie fühlt nicht wie eine Frau. Sie fühlt auch nicht wie ein Mann. «Ich bin etwas Drittes. Ich bin ein Hermaphrodit.» Das würde sie am liebsten allen sagen, nur ist die Gesellschaft leider nicht bereit dafür. Die Gesellschaft sieht Intersexualität als Krankheit, nicht als Variation der Natur. Was hätten ihre Eltern denn tun sollen? Sie nicht operieren lassen? «Ich weiss es nicht», sagt Nella. Auch ohne Operation wäre es in der Pubertät vielleicht schwierig geworden, falls das in ihren Hoden gebildete Testosteron zu Bartwuchs und Stimmbruch geführt hätte.
Aus ihrer Gruppe kennt sie ein Kind, dessen Eltern mit seiner Intersexualität völlig offen umgehen und es keiner medizinischen Behandlung aussetzen. «Du bist ein ungewöhnliches Mädchen», haben sie zu ihm gesagt, «du hast manches von einem Jungen. Wenn du grösser bist, kannst du dir aussuchen, ob du ein Mädchen oder ein Junge sein willst.» Nella findet das sehr mutig. Doch auch dieses Kind wird es schwer haben, wenn seine Schulkameraden eines Tages beim Duschen sagen: Hey, was hast du denn da zwischen den Beinen?
«Wahrscheinlich gibt es für das Problem, das die Gesellschaft mit uns hat, keine schnelle Lösung», sagt Nella.
Sie wünscht sich, die Gesellschaft könnte es ertragen, Menschen wie sie einfach in Ruhe zu lassen. Dann müsste sie keine Hormone schlucken. Dann hätte sie keine Narben. Dann fehlte ihr nicht so sehr das Fundament für eine stabile Identität. «Stattdessen hätte ich dieses Gefühl, ich wäre ganz. Ich wäre ich selbst. Alles wäre da.»
Es fühlt sich so gut an in ihrer Fantasie.
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Das diktierte Geschlecht
Ob aus einem Embryo ein Mädchen oder ein Junge wird, steuert ein komplexes genetisches Programm, das in bestimmten Entwicklungsphasen die Ausschüttung von Hormonen anregt. Geht dabei etwas schief, kann der Embryo Merkmale beider Geschlechter entwickeln.
Zu den häufigsten Formender Intersexualität gehört die partielle Androgenresistenz (PAIS) wie bei Nella. Sie hat xy-Chromosomen, ist also genetisch männlich. Gleichzeitig sind die Zellen ihres Körpers aber teilweise resistent gegen männliche Hormone, sodass diese im Mutterleib nicht richtig «wirken» konnten. Eine Folge davon ist ein nicht eindeutiges Genital.
Die Praxis, intersexuelle Kinder so früh wie möglich einem Geschlecht zuzuordnen und zu operieren, geht auf eine – heute widerlegte – Theorie des US-Sexualforschers John Money zurück. Money glaubte, die geschlechtliche Identität sei das Ergebnis sozialer Prägung. Der Mensch komme sozusagen als Neutrum zur Welt und lerne erst von seinen Eltern, sich als Mädchen oder Junge zu fühlen. Damit die Eltern ihm eine eindeutige Geschlechtsidentität vermitteln könnten, müsse ein nicht eindeutiges Genital so schnell wie möglich operiert werden – und das Kind dürfe anschliessend auf keinen Fall davon erfahren.
Viele Geschlechtszuweisungen erweisen sich jedoch als falsch, und die Betroffenen leiden ein Leben lang physisch und psychisch darunter. Obwohl die Mikrochirurgie grosse Fortschritte gemacht hat, haben Genitalkorrekturen auch heute noch häufig zur Folge, dass das sexuelle Lustempfinden verloren geht oder dass sexuelle Erregung als schmerzhaft wahrgenommen wird. Und die körperfremden Hormone, die viele Intersexuelle nach einer Kastration lebenslänglich einnehmen müssen, haben schwere Nebenwirkungen zur Folge.
Fortschrittliche Ärzte sprechen sich heute dafür aus, einem intersexuellen
Kind ein vorläufiges Geschlecht zuzuweisen, dieses aber nicht vor der Pubertät
mit Operationen festzulegen, sodass das Kind selbst entscheiden kann, ob es als
Mann oder Frau (oder weiter als Hermaphrodit) leben will.
Mehr Informationen www.infointersex.ch:
Die Website ist noch im Aufbau, enthält aber hervorragende Links mit Adressen
von Selbsthilfegruppen und Forschungsnetzwerken sowie Literaturtipps.
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