"Segregation" ist im englischen
ein schmutziges Wort für einen Zustand, dessen siegreiche Überwindung trotzdem
immer wieder gerne gedenkfeiert wird (und sei's auch nur, um vom heutigen
Weiterbestehen abzulenken).
"Rassentrennung"
hiess das mal auf deutsch (im heutigen öffentlichen Sprachgebrauch
bezeichnenderweise oft "Apartheid": Hauptsache weit
weg).
Modernere,
aktuell real existierende Formen von Segregation (und ihre Folgen) sind
global ein öffentliches Tabu. Ausnahmen bestätigen die Regel (und
unterlassen es
bezeichnenderweise meist, 'Feinheiten' wie z.B. unterschiedliche
Lebenserwartung konkret anzuprangern).
Segregation kann aber, sofern sie auf freiwilliger Basis erfolgt, auch
legitim sein
und sich
gar positiv
auswirken.
Wie bei den
"geschlechtsangleichenden
Operationen" usw. liegt das eigentliche Problem darin, dass auch
Segregation im wirklichen Leben meist unfreiwillig geschieht, aufgezwungen
wird, uneingewilligt durchgesetzt wird. Dass sie ebenfalls zusätzlich mit einem
öffentlichen Tabu belegt ist. Und dass den Täter_innen hier wie da meist jedes
Schuldbewusstsein zu fehlen scheint.
Alle diese Faktoren verstärken sich zudem gegenseitig. Gern wird auch
verdrängt, dass alle Menschen zumindest bis zu einem gewissen Grad täglich
nicht nur Opfer, sondern auch Täter in real existierenden Segregationssystemen
sind. Ganz nach dem allseits bewährten Motto, "Nu ja, mag ja schon was dran
sein (aber ich doch nicht!)"
Absolute Formen von Segregation, auch wenn sie freiwillig sind, finde ich
persönlich meist ebenfalls problematisch, weil dabei Menschen zwangsläufig
nicht an ihren individuellen Taten gemessen werden, sondern aufgrund irgend
einer "Gruppenzugehörigkeit".
Ein aktuelles Beispiel aus der
"Zwitter-Community": Automatische
Ausschlüsse und Löschungen von Trans*-Usern, wie sie
momentan auf dem
Hermaphrodit-Forum praktiziert werden. Ich habe volles Verständnis, wenn
nach einer Reihe unangenehmer Erfahrungen mit Usern, die nichts Konstruktives
beizutragen haben, ein Forum beschliesst: Nee, danke, nicht mehr. Dies an der
"Gruppenzugehörigkeit" der Trolle festzumachen statt am trolligen Verhalten
rührt aber m.E. an den Unterschied zwischen legitimer Abgrenzung und
problematischer Ausgrenzung. Und letztere ist m.E. (nicht nur) für Zwitter
prinzipiell schlecht. (Trotzdem halte ich die real existierende prinzipielle
Segregationspolitik des Hermaphrodit-Forums aktuell nicht für ein gravierendes
Problem -- zumindest solange die Entwicklung
weiter fallbezogen elastisch
bleibt und nicht versteinert.)
Statistisch gibt es 10x mehr Zwischengeschlechtliche als Transsexuelle.
Die Abbildung im öffentlichen Bewusstsein ist aber gerade
spiegelverkehrt.
Der fast schon singuläre Grad der systematischen
Menschenrechtsverletzungen und medizinischen Verbrechen an Zwittern in den
"westlichen Zivilisationen" ist klar eine andere Kategorie
"gesellschaftliche[r] und institutionelle[r] Gewalt" als etwa die (auch) von
QueerGrün Berlin oft und
gern beschworene "Diskriminierungsgefahr", der Transsexuelle u.a. auf
"Auslandsreisen" ausgesetzt sind -- bei wiederum spiegelverkehrter öffentlicher
Wahrnehmung.
Kein Wunder: Seit Jahr und Tag (Tendenz steigend) werden
"Intersexuelle" und ihre Anliegen (nicht nur) von
"Ohne Grün kein Queer"
Berlin
permanent, penetrant und öffentlichkeitswirksam zu blossen
Anhängseln der eigenen Trans* /
"Identitäts" / "Gender" Agenda reduziert (meist in der obligaten
scheinbar 'gottgegebenen' Reihenfolge als lediglich
'mitgemeintes' Schlusslicht). Selbstverständlich (einmal
mehr) "nur mit den besten Absichten".
Und die Zwitter -- schweigen dazu. Die nicht schon tot sind (mindestens
jeder 3. zwangsoperierte Zwitter bringt sich um) haben meist mit den
körperlichen und seelischen Folgen der traumatisierenden Zwangsoperationen,
"prophylaktischen" Kastrationen, ungesunden lebenslangen Hormonersatztherapien
usw. bereits alle Hände voll zu tun und keine Kraft, geschweige denn Ressourcen
für einen zusätzlichen Kampf gegen Windmühlen.
Dies alles muss sich dringend ändern, die genitalen Zwangsoperationen
an Zwittern müssen jetzt gestoppt werden, dies alles hat keine Zeit bis zur
allgemeinen Abschaffung der Geschlechter (würde dazu aber hilfreich
sein)!
Meine 2 Cents:
Es wäre nichts als billig, wenn alle Kräfte, die dauernd
behaupten, mit Zwittern solidarisch zu sein, endlich mal ernsthaft beginnen,
die Anliegen und
Forderungen
der Zwitter als eigenen, angemessenen Punkt der Agenda in die
öffentlichen Debatte mit einzubringen (und NICHT wieder bloss als 'Anhängsel'
zu Yogyakarta,
TSG,
usw.).
Wer das nicht begreifen kann oder will, ist m.E. (nicht
nur) nicht solidarisch mit Zwischengeschlechtlichen, sondern
instrumentalisiert sie (auch) .
PS: Dieses Posting wurde von einer Moderatorin des
Hermaphrodit-Forums sogleich
aufgegriffen und öffentlich
zur Diskussion gestellt (m.E. schon mal ein weiteres gutes Zeiten).
PS2: Um Missverständnisse auszuschliessen, nochmals: Ich empfinde die
aktuelle Politik des Hermaphrodit-Forums NICHT als "rassistisch" und verstehe
sie auch NICHT als Segregation im Sinne einer (erzwungenen) "Rassentrennung".
Zwitter haben m.E. ein
legitimes
Bedürfnis, sich abzugrenzen, erst recht angesichts der
bald 150 Jahre
andauernden Vereinnahmungen durch LGBT &
Church of Sexology (siehe auch
hier
und
hier).
(Trotzdem finde ich es wichtig, auch vor der eigenen Tür und im eigenen Lager
immer wieder kritisch zu reflektieren, wo legitime Abgrenzung aufhört und
problematische Ausgrenzung anfängt.)