Thursday, July 30 2009

"Intersexualität: Betroffene extrem belastet" - Hamburger Abendblatt 30.7.09

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> Weiterer gelungener Artikel im Hamburger Abendblatt über Elisabeth "Hermaphrodit Müller, bitte, ich bin keine Fau!" von Angela Grosse mit dem vollständigen Titel "Intersexualität: Betroffene extrem belastet - Ein Leben zwischen den Geschlechtern". Einziges Manko: Einmal mehr wird von den Zwangsoperationen quasi nur in der Vergangenheit gesprochen, als wären sie heute scheints nicht mehr üblich – schön wär's!

Eine Woche nach "Ich wurde belogen und verstümmelt" redet Zwitter Eli im Abendblatt erneut Klartext. Auch Hertha Richter-Appelt steuert klare Statements bei über die "Hamburger Studie". Danke!

Monday, July 27 2009

Teilrezension zu "Bodies in Doubt" von Elizabeth Reis

>>>   hier --> Nachtrag

Thursday, July 23 2009

"Ich wurde belogen und verstümmelt" - Hamburger Abendblatt 23.7.09

Gratuliere, es ist sein Zwitter!

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> Gelungenes Portrait von Hermaphrodit Elisabeth Müller plus >>> Infokasten aus der Feder von Rainer Burmeister mit dem vollständigen Titel: "Kirchenmusikerin wurde als Zwitter geboren: 'Ich wurde belogen und verstümmelt'". Zwitter Eli redet einmal mehr Klartext.

Aus der Sicht dieses Blogs weiter positiv zu vermerken, dass die von der Zwitter Medien Offensive seit Beginn geforderte Tendenz nach "eindeutigen" und "griffigen" Titeln, die von Anfang an unmissverständlich auf die menschenrechtswidrige Unterdrückung und Schädigung der Zwitter hinweisen, einmal mehr markant fortgeführt wird.

Einziger Wermutstropfen: Es fehlt noch der kleinste Hinweis, dass die meisten Zwitter schon als Kleinkinder auch an ihren Genitalien zwangsoperiert bzw. verstümmelt werden, mit allen bekannten Folgen, und nicht erst nach der Pubertät "nur" zwangskastriert wie u.a. Elisabeth Müller. Doch ansonsten Gratulation und Danke an Eli wie auch an den Autor!

>>> http://www.abendblatt.de/region/pinneberg/article1107250/Ich-wurde-belogen-und-verstuemmelt.html

>>> http://www.abendblatt.de/region/pinneberg/article1107251/Zwangsoperationen-verletzen-die-Menschenrechte.html

Thursday, July 16 2009

"Wie Zwitter um Anerkennung kämpfen" @ Stern-TV 15.7.09 22:15

Kann ein Zwitter Sünde sein?

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Leider erst allzu spät machten die Protagonist_innen auf diese Sendung aufmerksam mit dem vollständigen Titel: "Weder Mann noch Frau: Wie Zwitter um Anerkennung kämpfen".

Laut dem >>> Eintrag zur Sendung auf der Stern-TV Homepage (>>> alte Version) inkl. einem Glossar ist die Sendung gelungen – abgesehen von kleinen Schnitzern, z.B. "Jedes Jahr kommen in Deutschland rund 120 Zwitterkinder zur Welt" (noch Netzwerk-Chef Olaf Hiort geht laut der Hamburger Anhörung von mindestens 160 aus, vgl. Protokoll S. 18 – s. a. Die grosse "Intersex"-Statistiklüge). Auch diese Sendung bedeutet einmal mehr klar schlechte Nachrichten für alle Zwangsoperateure und wird weitere Menschen auf die Menschenrechtsverletzungen durch die genitalen Zwangsoperationen aufmerksam machen! Hipp, Hipp!! 

Tuesday, July 7 2009

Neuerscheinung: "Between XX and XY: Intersexuality and the Myth of the two Sexes" von Gerald N. Callahan

Englische Sachbücher zum Thema jagen sich aktuell: Weniger als einen Monat nach "Bodies in Doubt" folgt nun eine Veröffentlichung des Immunologen Gerard N. Callahan. Zwar zielt der Titel einmal mehr klar in Richtung "Genderkacke", wonach zwangsoperierte Zwitter regelmässig lediglich zur Dekonstruktion missbraucht werden, und einmal mehr werden auch im Innern die gravierenden Menschenrechtsverletzungen durch die genitalen Zwangsoperatioenen und sonstigen Zwangseingriffe anscheinend nicht als solche konkret angesprochen.

Trotzdem bedeutet auch dieses Buch allem Anschein nach letztlich einmal mehr schlechte Nachrichten für alle Zwangsoperateure.

Laut einer interessanten englischen Rezi samt Interview auf salon.com beginnt das Buch programmatisch und effektvoll mit dem Bericht über einen (statistisch häufigen) Suizid eines belogenen und zwangsoperierten Zwitters. Anlass für Gerald Callahan, sich mit dem Thema zu beschäftigen, war das Zwittertabu rsp. die Feststellung, dass es viel mehr Zwitter gibt, als er jemals gedacht hätte oder auch die Anzahl wissenschaftlicher Publikationen vermuten liessen, und er sich zu wundern begann, warum er vorher nie davon gehört hatte.

Callahan befragte auch Zwitter für das Buch. In seinem Statement zur "Behandlung" im Interview bleibt zwar Peer Support einmal mehr unerwähnt und es werden einmal mehr "ideale Situationen" beschworen, in denen der betroffene Mensch "direkt an Entscheidungen zu irreversiblen Eingriffen mitbeteiligt wird", statt dass Klartext geredet würde über die systematischen medizinischen Verbrechen an Zwittern. Doch immerhin wird (anders als aktuell z.B. durch das "Netzwerk DSD") das durch Zwangsoperationen verursachte schwere Leid mehrfach konkret benannt.

Auch diese Veröffentlichung wird somit dazu beitragen, das Zwittertabu weiter zu bekämpfen und es den Zwangsoperateuren und ihren Helfershelfern und Brötchengebern erschweren, unerkannt weiter Zwitter zu verstümmeln und zu traumatisieren.

Eine "wissenschaftlichen" Online-Besprechung von New Scientist schafft es trotzdem prompt, das Problem der Zwangsoperationen kurzerhand "auszulassen". Demgegenüber redet eine Online-Besprechung des oben verlinkten Salon-Interviews durch den "Transgender-Redakteur" des Denver Examiner Klartext und beweist, dass auch aus dieser Perspektive locker ohne Vereinahmung berichtet und aufgeklärt werden kann ...

Nachtrag: Besprechung & Interview in der Los Angeles Times vom 21.8.09.

Siehe auch:
- "Unseres Wissens zufolge unternehmen 80% der Intersexen Suizidversuche, hiervon 25% erfolgreich" - AGGPG 1998   

Friday, June 26 2009

Neuerscheinung: "Bodies in Doubt: An American History of Intersex" von Elizabeth Reis

Allem Anschein nach eine weitere Veröffentlichung primär aus der Gender Studies Perspektive, diesmal aus dem Verlag der Johns Hopkins University (der Heim-Uni von John Money & Co. sowie Ort der ersten Professur von Judith Butler). Elizabeth Reis war bisher vor allem bekannt dür ihren Vorschlag, das "Disorder" in DSD durch "Divergence" zu ersetzen (englisches PDF).

Die bisher zugänglichen Infos zum Buch lassen die Befürchtung aufkommen, die Geschichte der Kritik der Betroffenen an den Zwangsoperationen bleibe einmal mehr aussen vor. Mensch darf gespannt sein, ob der Abschnitt "OPs in den Zwanzigern und Dreissigern" die längst überfällige kritische Aufarbeitung der medizinischen Verbrechen von Prof. Dr. Hugh "Schnipp, Schnapp!" Hampton Young bringt, der an der Johns Hopkins University das Zwangsoperieren salonfähig machte und so die chirurgischen Voraussetzungen für John Money schuf (der allzuoft als Alleinschuldiger an den Menschenrechtsverbrechen an Zwittern geschildert wird).

Erster Eindruck: Punkto Menschenrechte und Ethik wird es das Buch wohl schwer haben, an das exzellente "Surgically Shaping Children" (Hrsg. Erik Parens) heranzukommen aus dem gleichen Verlag (in Zusammenarbeit mit dem Hastings Center).

>>> Vorabinfo Oregon University

Inhaltsverzeichnis (laut OpenLibrary.org):

  1. Hermaphrodites, monstrous births, and same-sex intimacy in early America 
  2. From monsters to deceivers : early 19th century          
  3. The conflation of hermaphrodites and sexual perverts at the turn of the century
  4. Cutting the gordian knot : gonads, marriage, and surgery 1920s and 1930s
  5. Psychology, john money, and the gender of rearing 1940s, 1950s, 1960s

Nachtrag zum 4. Kapitel (OPs während der 20er und 30er):

Leider entpuppt sich das Buch einmal mehr als die übliche Zwangsoperateur-Verharmlosung. Zwar gibt es einen Abschnitt "Soziale Rechtfertigung für die Operationen" (hier wie im folgenden handelt es sich jeweils um meine Übersetzungen), wo belegt wird, dass die "primäre Motivation" für die Chirurgen "eher sozialer Art" seien als "strikt medizinisch" (S. 86). Dass es (mit der einzigen Ausnahme von Verschlüssen oder Behinderungen im harnableitenden System, die aber nicht erwähnt werden) schlichtwegs keinerlei medizinische Begründung für die Genitaloperationen überhaupt gibt, wird hingegen vornehm ausgelassen.

Absolut enttäuschend auch der Abschnitt "Ethik der Operationen" – ethische Erwägungen bleiben dort nämlich ebenfalls schlicht aussen vor. Zwar wird einmal kurz festgehalten, "Chirurgen selbst" hätten später "bestürzt auf diese Periode zurück[ge]blickt", die einzige angeführte Belegstelle nimmt aber nicht einmal konkret auf Genitaloperationen an Zwittern Bezug, sondern es geht um das Anlegen künstlicher Dickdarmausgänge (S. 91). Zwar räumt die Autorin an einer Stelle ein, "Männer, Frauen und Kinder kamen zu den Ärzten auf der Suche nach Hilfe, und verliessen sie oft in einem schlechteren Zustand, körperlich und seelisch, als sie sie aufsuchten" (S. 91), aber genauer will sie es offenbar lieber nicht wissen.

Die kritischste Aussage, zu der sich Elizabeth Reis durchzuringen vermag, lautet: "In den 20ern und 30ern, offen gesagt, experimentierten die Ärzte mit den Körpern all ihrer PatientInnen" (S. 91), sowie folgende Passage, die wohl allen heutzutage zwangsoperierten Zwittern als der pure Hohn vorkommen wird: "Wir können vernünftigerweise nicht von der Vergangenheit diejenigen Standards verlangen, die wir heute erwarten, aber wir können kritisch sein gegenüber allzu optimistischen Berichten, welche die Mediziner über ihre chirurgischen Praktiken veröffentlichten. Heute verlangen PatientInnen und ÄrztInnen [!!!!!] [...] evidenzbasierte Behandlungen." (S. 92)

Dementsprechend kommt auch Hugh Hampton Young, der unselige Wegbereiter John Moneys, der die Zwangsoperationen in unsäglicher "Fleischlego-Manier" im Johns Hopkins Universitätsspital zur Serienreife brachte, ohne jegliche ethische oder gar menschenrechtliche Kritik weg – kritisert wird er einzig dafür, dass er zu sehr in den damaligen Ideen vom "falschen" und dem "richtigen Geschlecht" verhaftet gewesen sei.

(Wenigstens geht Elizabeth Reis damit nicht soweit wie Anne Fausto-Sterling, die in ihrem Buch "Sexing the Body" für Dr. "Schnipp, Schnapp" Young ausschliesslich Lob übrig hat [!!!], und sich gar zur Behauptung versteigt, Young habe nie Zwitter "zur Behandlung zwingen wollen", siehe dort S. 42 – peinlicherweise bringt Fausto-Sterling auf S. 92 selbst ein Beispiel, das das Gegenteil belegt ...)

Ein rarer Lichtblick, auf S. 113 räumt Elizabeth Reis immerhin ein, es sei leicht zu verstehen, wie die Medizyner darauf verfielen, die verhängnisvollen GenitalOPs möglichst früh an Kleinkindern zu praktizieren (die können sich nämlich nicht wehren, und auch Eltern sind im ersten Schock am leichtesten herumzukriegen).

Fazit, auch bei Elizabeth Reis' "Bodies in Doubt" geht einmal mehr weniger um Ethik und Menschenrechte auch für Zwitter, sondern um "Gender"(Theorie). Trotzdem bietet das Buch einen ergreifenden historischen Überblick über die Behandlungsmethoden an Zwittern, wenn auch eine Tendenz zur allgmeinen Schönfärbung und zur Verklärung der "aufgeklärten" Gegenwart im Speziellen unübersehbar sind.

Wednesday, June 17 2009

Erste Antwort auf die neuen kleinen Anfragen – Bundesregierung deckt ZwangsOPs wie üblich ... (16/13269)

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!Die Antworten auf die erste der 2 kleinen Anfragen von DIE LINKE liegen vor (Drucksache 16/13269).

Die Bundesregierung etabliert sich weiter als Mittäterin bei den Zwangseingriffen und deckt die Zwangsoperateure nach der üblichen Doppelmoral: Rechtliche Schritte gegen Zwangsops sind "nicht erforderlich", "[s]olange keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen" – für das fortgesetzte Dulden und Propagieren der Zwangsoperationen brauchts allerdings keine "gesicherten Erkenntnisse" ...

Die übliche Heuchelei auch, wie die Bundesregierung unter "Festlegung des Geschlechts" mutwillig Personenstand und menschenrechtswidrige ZwangsOPs vermischt ...

Ebenfalls typisch: In der Pressmitteilung ist einzig vom Personenstandsrecht die Rede ...  

>>> Pressemeldung 17.6.09    >>> Antworten 16/13269 (PDF)

Siehe auch:
- Antwort der Bundesregierung zur 2. Kleinen Anfrage – Leugnen, Wegschauen, Schweigen wie gehabt ... (16/13270)
- DIE LINKE: 2 neue Kleine Anfragen "Zur Situation intersexueller Menschen" im Bundestag! (16/12769 + 16/12769) 
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Faule Eier für "die Bundesregierung"!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Tuesday, June 16 2009

Neue Rezis zu "Intersex – Geschlechtsanpassung zum Wohl des Kindes?"

Das empfehlenswerte, von Kathrin Zehnder und Michael Groneberg herausgegebene Buch schlägt weiter Wellen, wie akteuelle Besprechungen in  "Schweizerische Ärztezeitung" und im CH-JuristInnenfachblatt "Plädoyer" belegen. Dies ist umso erfreulicher, da insbesondere die juristische Debatte auch in der Schweiz immer noch ganz am Anfang steht.

In der SÄZ 23/2009 wird das Buch von der Theologin Heike Walz besprochen. Schon der Haupttitel "Für ein menschenwürdiges Dasein «intersexueller» Personen" sowie einzelne Zwischentitel wie "Die Stimme von Betroffenen hören" oder "Die Einzigartigkeit und das «Dazwischen» von «Intersex» respektieren" deuten die insgesamt erfreuliche Tendenz zu Klartext an, ebenso folgende drei Ausschnitte:

Auch wenn der Band kein Patentrezept geben will, ist eine gemeinsame Richtung erkennbar: Ein «menschenwürdiges Dasein für Intersexuelle» (Groneberg, S. 141) auf der Basis der Menschenrechte bzw. dem Recht des Kindes auf Selbstbestimmung. Die Würde der Betroffenen zu respektieren, Informationen vollumfänglich zugänglich zu machen, «Intersex» zu enttabuisieren und die Normen hinsichtlich des Geschlechts zu erweitern [...].

Während beispielsweise das mittelalterliche kanonische Recht vorsah, dass Intersexuelle als Erwachsene ihr Geschlecht wählen, setzt im 18. Jahrhundert die Medizin ein «wahres Geschlecht» fest. Angesichts der Vielfalt der Kriterien zur Feststellung des Geschlechts zeigt [Michael Groneberg], dass die Anato-
mie nicht ausreicht.

Mirjam Werlen zeigt auf, dass das schweizerische Recht in Übereinstimmung mit der Kinderrechtskonvention (KRK) dem Grundsatz folgt: «Im Zweifel für die Kindesinteressen.» Steht das Recht auf Selbstbestimmung über die eigene Geschlechtsidentität im Zentrum, müssen ihrer Meinung nach chirurgische Eingriffe medizinisch zwingend indiziert sein, während kosmetische Operationen die Urteilsfähigkeit des Kindes (ab dem dritten bis sechsten Lebensjahr) abwarten sollten. [...] Das Geschlecht eines intersexuellen Kindes sollte im Zivilstandsregister unter Vorbehalt einer späteren Ergänzung eingetragen werden können.

Kommentar: Auch wenn zu befürchten ist, dass es primär noch massiv mehr handfesten politischen und juristischen Druck braucht, bis die in der Regel unverbesserlichen Zwangsoperateure einst widerwillig von ihrem menschenverachtenden Tun ablassen werden, setzt die Besprechung doch schon mal ein positives Signal.

>>> Die ganze Besprechung als PDF

Die Rezension in "Plädoyer" 3/09 ist im Vergleich sehr kurz und bringt kaum Klartext, ist aber immerhin ein Anfang:

Jedes Jahr werden in der Schweiz schätzungsweise rund dreissig Babys geboren, deren Geschlecht nicht eindeutig ist. Medizinisch gilt Intersexualität – nicht zu verwechseln mit Transsexualität – als zu korrigierende Störung. Oft erfolgt eine Operation weniger aus medizinischen Gründen, sondern zwecks eindeutiger Zuordnung, in Zweifelsfall zum weiblichen Geschlecht. Im interdisziplinären Band beleuchtet die Juristin Mirjam Werlen den Stellenwert der körperlichen und psychischen Unversehrtheit der betroffenen Kinder, etwa im Zusammenhang mit der Kinderrechtskonvention, der Bundesverfassung oder den zivilrechtlichen Regelungen zur Einwilligungsfähigkeit. 

Bewertung: Guter Überblick zum Thema, dank umfangreichem Glossar auch ohne Vorkenntnisse zugänglich. (tom)

Siehe auch:
- Besprechung bei Kitty     
- "Who killed David Reimer?"
- Zürich: Habilitation untersucht rechtliche Schlechterstellung der Zwitter seit der Moderne
- Zwitter: Akzeptieren statt zwangsoperieren! – Oliver Tolmein (2002)

Monday, June 15 2009

Medien: Warnung vor (weiblichen) Genitaloperationen

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Wie ein Artikel "Baustelle Intimbereich" im aktuellen "Wissen"-Bund der SonntagsZeitung aufzeigt, ist Kritik an kosmetischen VaginalOPs mittlerweile Bestandteil der medialen Saure-Gurken-Recyclings-Schleife – während gleichzeitig immer mehr Frauen in solche OPs einwilligen, "um auch «unten herum» vermeintlich normaler oder schöner zu werden. [...] Die kleine Abweichung von der Norm wird schnell als störend empfunden, auch wenn es sich dabei meist um eine Variante der Natur handelt."

Einmal mehr sind die berechtigten Kritikpunkte schlechte bzw. mangelnde Aufklärung, schlechte Ergebnisse sowie mangelnde Qualitätskontrolle bzw. keine gesichterten Erkenntnisse über positive Effekte – bekanntlich die Dauerbrenner auch wenns um (ungleich schwerwiegendere, weil nicht-eingewilligte und meist auch das Lustorgan direkt betreffende) genitale Zwangsoperationen an Zwittern geht. Diese werden jedoch, wie in Mainstreammedien und Medizinerfachzeitschriften obligat, einmal mehr stillschweigend ausgelassen.

Ein kleiner Medien-Überblick:

Bereits 1998 hatte Michel Reiter "Genitale 'Korrekturen' an Frauen als Schönheitsmaßnahme" kritisiert (und Parallelen sowie Unterschiede zur weiblichen Beschneidung und genitalen Zwangsoperationen an Zwittern aufgezeigt).

2005 konnte Stern.de in gleich 2 (bei vordergründiger Verdammung der 'perversen Amerikaner' eher marktschreierischen) Artikeln "Intimchirurgie: Delikate Operation" und "Dr. Frauenglück" trotz angeblich heissem Bemühn nichts objektiv Negatives ausfindig machen – lediglich das "Ethik-Komitee der Amerikanischen Vereinigung der Gynäkologen und Geburtshelfer" sei "beunruhigt" und "die Feministinnen" würden sich "empören".

Erst 2007 fand das Thema 'weibliche' kosmetische Genitaloperationen, ausgehend von einem im gleichen Jahr publizierten Artikel von Lih Mei Liao und Sarah M. Creighton im "British Medical Journal" (Extract), in deutschsprachigen Medien zunehmend kritische Beachtung, so z.B. auf 20min.ch: "Die perfekte Vagina", Spiegel.de: "Warnung vor dem Schnitt im Schritt".

Anfang 2008 folgte ein Bericht in Frauenheilkunde-aktuell.ch (PDF): "Designer Vagina" (mit einem Fallbericht, der auch in der SonntagsZeitung als aktuell rezykliert wird, sowie einem Überblick über die verschiedenen OP-Methoden).

Detail am Rande: Laut 20min wird laut dem BMJ-Artikel von Frauen, die eine operative Verkleinerung der inneren Schamlippen wollen, übrigens sinngemäss das gleiche "Argument" vorgebracht, wie 2008 in Kiel von der Delegation der "AGS Eltern und Patienteninitiative" für Zwangsoperationen ("Klitorisreduktion") an Zwitterkindern: Weil's sonst "beim Radfahren Probleme" gäbe.  

2009 folgten bisher Ärtzteblatt.de: "Intimchirurgie: Ein gefährlicher Trend" , die FaZ: "Schönheitschirurgie: Riskante Manipulationen" sowie die eingangs erwähnte SonntagsZeitung.

Wann wird das Zwitter-Tabu und sämtliche damit verbundene Doppelmoral in der Öffentlichkeit endlich ein Ende haben und Zwittern endlich öffentlich und praktisch die gleichen Menschenrechte zugestanden wie Frauen und Männern auch?

Siehe auch:
- "Genitalverstümmelung ein afrikanisches Problem?"   

Sunday, June 7 2009

Zürich: Habilitation untersucht rechtliche Schlechterstellung der Zwitter seit der Moderne

Kann ein Zwitter Sünde sein?

Das Habilitationsprojekt "Der menschliche Körper im Spiegel des Rechts. Konstruktionen von Körper und Geschlecht durch Recht" von Birgit Christensen am Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich thematisert u.a. einmal mehr, dass Zwitter (im Gegensatz zu praktisch allen anderen Minderheiten) es während des gesamten Mittelalters besser hatten als heute, weil sie dazumals unversehrt aufwachsen durften:

Ältere Rechtsordnungen hatten dagegen noch eine viel liberalere Haltung zur Frage der Intersexualität. Im legendären Allgemeinen Preussischen Landrecht von 1794 fand sich beispielsweise eine Norm, die es Intersexuellen ermöglichte, nach vollendetem 18. Lebensjahr selbst zu entscheiden, welchem Geschlecht sie zugehören wollten – eine Freiheit, die heute angesichts des geltenden Personenstandsrechts undenkbar ist. Warum diese Freiheit abhanden kam, ist eine der Fragen, die Birgit Christensen untersuchen möchte.

Was im oben zitierten Artikel zur Habil allerdings äusserst negativ auffällt: Einmal mehr wird von den Zwangsoperationen ausschliesslich in der Vergangenheitsform gesprochen ... Hingucken ja, aber doch lieber nicht zu genau?

Quellen:
- Der Körper im Spiegel des Rechts: Wo fängt der Körper an, und wo endet er?
- Rechtswissenschaftliches Institut: Laufende Dissertationen und Habilitationen (--> Birgit Christensen)

Zwitter: Akzeptieren statt zwangsoperieren! – Oliver Tolmein (2002)

Menschenrechte auch für Zwitter!

Die Zwitter Medien Offensive™ war schon da!

Oliver Tolmein:

Hermaphroditen: Akzeptieren statt therapieren

Dr. med. Mabuse 137, 2002

>>> http://www.tolmein.de/bioethik,recht,82,hermaphroditen.html

Gelungener, leider beklemmend aktuell gebliebener Artikel ... Oliver Tolmein ist Anwalt, Journalist, FAZ-Blogger und Co-Regisseur von "Das verordnete Geschlecht" (2001) und gehörte mit der Rechtsprofessorin Konstanze Plett zu den ersten Nicht-Zwittern, die öffentlich konkrete gesetzliche Massnahmen zum Schutz der Menschenrechte inkl. körperliche Unversehrtheit auch der Zwitter forderten. Durch die verstärkten Zwitter-Lobbyoffensiven der letzen 2 Jahre, das zuvor nie dagewesene Medienecho und die Rüge des UN-Ausschusses CEDAW erhält diese langjährige, wichtige Forderung aktuell neuen Aufwind (vgl. z.B. die Beiträge der beiden an der parlamentarischen Anhörung in Hamburg). Einige Ausschnitte aus dem Artikel (meine Hervorhebungen):

[...] Der Diskurs um die Behandlung von Zwittern gewinnt vielmehr gerade im Kontext der bioethischen Debatte, in deren Zentrum die Frage nach dem Verständnis von Mensch-Sein und die Akzeptanz von Differenzen steht, an Bedeutung. [...] Anders nämlich als viele menschliche Abweichungen vom Normalbild, die als Behinderungen qualifiziert werden, lässt sich Zwittertum unsichtbar machen und, nach den Vorstellungen zumindest der Medizin und der Jurisprudenz, heilen. [...]

Der fehlende Bedarf steht in krassem Gegensatz zur Invasivität der Eingriffe, die von den Betroffenen oft genug als Verstümmelung wahrgenommen werden: Die Verkleinerung der Klitoris oder gar deren Amputation, das Einsetzen einer Neovagina, die Entfernung von Hoden oder die Verlegung der Harnröhre. Da die Eingriffe im Kleinkindalter vorgenommen werden, können die Patienten in diese irreversiblen und folgenreichen Behandlungen nicht selbst einwilligen. Rechtsgrundlage für die folgenreichen Eingriffe, die meist mit Hormontherapien kombiniert werden, die Vermännlichung oder Verweiblichung verhindern sollen, ist deswegen das elterliche Sorgerecht aus § 1626 BGB. Das Sorgerecht ist allerdings nicht Ausdruck der elterlichen Macht über das Kind, sondern soll dem Bedürfnis der Kinder nach Schutz und Hilfe Rechnung tragen und ihnen helfen, sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln. Folglich findet das elterliche Sorgerecht seine Grenzen dort, wo es zweifelhaft erscheint, ob es dem Kind nützt. Für medizinische Maßnahmen gibt es beispielsweise § 1631c BGB als Ausnahme, der die Sterilisation des Kindes verbietet, weil sich, wie aus den Gesetzgebungsunterlagen hervorgeht, die Erforderlichkeit und die Auswirkungen der Sterilisation bei Minderjährigen schwer beurteilen lassen (BT-Drucksache 11/4528)

Bislang sind in der deutschen juristischen und medizinischen Fachliteratur die im Zuge der Geschlechtszuweisung vorgenommenen Eingriffe nicht grundlegend problematisiert worden. [...] Selbst die Einschränkung der ärztlichen Aufklärungspflicht über den Anlaß und das Ausmaß der Behandlung gegenüber älteren, zumindest teilweise einsichtsfähigen Kindern oder Jugendlichen wie sie sich in der medizinischen Literatur findet, wird von Juristen kommentarlos akzeptiert: "Es wäre verfehlt sie (Patienten mit sog. testikulärer Feminisierung, Anm. O.T.) über die Art ihrer Anomalie aufzuklären, weil man dann aus einem gesunden Menschen einen kranken, von Zweifeln gequälten machen würde. Sie ist lediglich über ihre ... unwiderrufliche Sterilität zu unterrichten, welche man am besten mit dem Fehlen des Uterus begründen kan. Damit finden sie sich meist ab." (Kern, Gynäkologie)

Angesichts der Schwere und der Irreversibilität der Eingriffe im Zuge der Geschlechtszuweisung ist diese Zurückhaltung schwer verständlich: Wenn bei Kindern die Sterilisation, die zwar folgenreich, die aber zugleich ein vergleichsweise leicht durchzuführender, einmaliger Eingriff ist, verboten wird, ist nicht einzusehen, wieso die vollständige oder teilweise Entfernung der Klitoris, oder die mit zahlreichen, psychisch erheblich belastenden Folgeeingriffen verbundene Einsetzung einer künstlichen Vagina erlaubt sein soll, wenn nur die Eltern zustimmen. [...] Das Urteil des Amtsgerichts München, das sich mit Michel Reiters Antrag auf Zuerkennung des Geschlechts "Zwitter" beschäftigt hat, zeigte sich über die medizinische Behandlungspraxis ebenfalls besorgt und plädierte in einer für die Entscheidung von Reiters Antrags allerdings nicht unmittelbar bedeutsamen, Passage für ein Verbot der geschlechtszuweisenden Eingriffe im Kleinkindalter analog dem Sterilisationsverbot des § 1631c BGB. Dieser Weg wird auch in anderen Rechtskulturen beschritten. [...]

Möglicherweise als Reaktion auf diese Ansätze, das Thema verstärkt auf politischem und rechtlichem Terrain zu diskutieren, macht sich nun künftig auch die Wissenschaft verstärkt Gedanken über Zwitter. [...] Professor Olaf Hiort, der Sprecher der Forschergruppe ["Netzwerk DSD / Intersexualität"], will herausfinden, wie die Genitalentwicklung im Detail abläuft [...]. Dass sich durch eine gesellschaftliche Anerkennung von Zwittern auch die Situation für die Medizin grundsätzlich verändern könnte, dass aus Patienten dann Menschen ohne Behandlungsbedarf würden, kann sich Hiort nicht vorstellen.

[...] [M]anche Zwitter [stehen] dem Interesse der Wissenschaft an ihnen skeptisch gegenüber. Denn die Forschung, die sich darauf konzentriert die hormonellen und genetischen Mechanismen im Detail zu erkunden, kann für eine auf Anerkennung und gegen Diskriminierung gerichtete Strategie durchaus kontraproduktiv sein. [...]

Aber der Diskurs über Zwitter gerät nicht nur in Konflikt mit einem medizinischen Diskurs, der Abweichungen schnell als Krankheit begreift, die behandelt werden muß. Auch mit anderen Debatten beispielsweise um Transsexualität oder die Konstruktion von Geschlechtern, wie sie im Gender-Bereich heute gängig sind, läuft das Engagement von Zwittern um ihre Anerkennung nicht selbstverständlich parallel: Sie beharren ja nicht nur darauf, dass die herrschenden Vorstellungen von Geschlecht hinterfragt werden müssen, für sie ist Geschlecht gleichzeitig nicht nur eine Frage von Konstruktionen, sondern durchaus auch eine biologische Wirklichkeit, die allerdings nicht in das strikt duale Schema paßt, in die sie derzeit gerastert wird. Werden Zwitter also als dereinst als Zwitter anerkannt, müssen wahrscheinlich nicht nur die Bewahrer konservativer Vorstellungen von Mann und Frau umdenken, sondern auch etliche ihrer Kritiker.

>>> http://www.tolmein.de/bioethik,recht,82,hermaphroditen.html

Siehe auch:
- Sonja Rothärmel: "Rechtsfragen der medizinischen Intervention bei Intersexualität" (PDF)   

Tuesday, June 2 2009

Interview mit "Both"-Regisseurin Lisset Barcellos - lespress 11/05

(Bild: lespress)

Die Zwitter Medien Offensive™ war schon da!

Auch ich war davon ausgegangen, "XXY" (2007) sei der wohl erste Spielfilm über Zwitter. Aufgrund von Hinweisen und Empfehlungen von Michel Reiter (--> 06.05.2009) musste ich mich aber eines Besseren belehren lassen: Diese Ehre gebürt "Both" (2005) der peruanisch-amerikanischen Filmemacherin Lisset Barcellos!

"Both" erzählt die Geschichte der Stuntfrau Rebecca Duarte und wie sie aus dem Netz aus Lügen ihrer Kindheit ausbricht und die Wahrheit über sich selbst herausfindet. 
>>>
Rezi auf Filmsuche.de
>>>
englische Zusammenfassung auf intersexinitiative.org
>>>
englischer Thread auf "Bodies like ours" 

Lisset Barcellos ist selber zwischengeschlechtlich und engagiert. U.a. schrieb sie einen Beitrag zur Eingabe von ISNA an das kolumbianische Bundesgericht in jenem historischen Fall, der dazu führte, dass Kolumbien als erstes Land der Erde genitale Zwangsoperationen an Zwitterkindern zumindest einschränkte. In Ihrem Bericht beschrieb sie "vermindertes sexuelles Empfinden, chronische Reizungen und Blutungen und abnormales optisches Aussehen" ihres Genitales nach der Zwangsoperation im Alter von 12 Jahren.

In der >>> Novemberausgabe 2005 der Zeitschrift lespress (Downloadübersicht) findet sich ein Interview mit Lisset Barcellos, in dem sie Klartext redet über "Lügen" und genitale "Zwangsoperationen":

Die Erfahrungen, die man als Intersexuelle macht, hinterlassen viele Wunden. Wenn man entdeckt, was einem passiert ist, und man entdeckt, dass die Eltern einen angelogen haben, dass die Ärzte gelogen haben, dass man in einer Welt voller Schamgefühle und Geheimnisse aufgewachsen ist, einem Leben mit ungewollter Operation zur Geschlechtsangleichung, hormoneller und psychologischer Behandlung, ist man sehr wütend. Man ist enttäuscht von den Leuten, die einen eigentlich beschützen sollten. Wenn deine Eltern und deine Ärzte dich in der Kindheit nicht beschützen, wen hat man denn sonst, dem man vertrauen kann? Das ist eine Erfahrung, die viele Intersexuelle teilen und die nicht alle verwinden können. Ich kenne viele intersexuelle Menschen, die Selbstmord begangen haben oder mit schweren Depressionen leben. [...]

Meine Geschichte ist aber nicht die des Films. Ich hatte eine andere medizinische Indikationen und auch die Konsequenzen der Operation waren für mich nicht so gravierend wie bei der Filmfigur. Bei mir haben sie Teile meiner Geschlechtsorgane intakt gelassen und ich kann einen Orgasmus haben. Aber definitiv ist die Intensität der Gefühle verringert und sie haben die Form der Genitalien verändert, was total überflüssig war. [...]

Für mich ist es im Moment am Wichtigsten, dabei zu helfen, die erzwungenen Geschlechtsangleichungen zu stoppen. Mein Ziel ist es, Zwangsoperationen zu illegalisieren, zu verhindern, das Krankenkassen diese Operationen bezahlen und den Patienten das Recht zu geben, die Ärzte, die ohne ihre Einwilligung operieren, zu verklagen, was wir in Kolumbien gerade erreicht haben. In Kolumbien zählt es zu den Menschrechten, dass keine Zwangs-Geschlechtsangleichungen an Kindern mehr vorgenommen werden dürfen, es sei denn, ihr Leben wäre akut bedroht. Und das Aussehen der Genitalien zu ändern zählt nicht dazu, Leben zu retten.

>>> Das ganze Interwiew als PDF (S. 32-34)

>>> Die ganze lespress 11/2005 als PDF

Saturday, May 23 2009

Zwangskastrationen an Zwittern: "Wir wollen doch keine Mutanten züchten"

Die Zwitter Medien Offensive™ war schon da!

Christiane Völling bezeichnet sich öffentlich als "Zwangskastrierte Intersexuelle". Zwangskastrationen an Zwittern wurden und werden (nicht nur) in Deutschland systematisch durchgeführt.

Die "Logik" dahinter: Da "das Geschlecht" eines Kleinkindes laut John Moneys Pseudo"standard" beliebig formbar ist, ist es nicht so wichtig, welches Geschlecht einem Zwitter zwangszugewiesen wird – Hauptsache, "uneindeutige" (neudeutsch: "gestörte") Geschlechtsorgane werden früh genug zwangsoperiert (Medizynerdeutsch: "vereindeutigt" bzw. "korrigiert"), sowie anschliessend eisern an der Zuweisung feshalten und der "Patient" über seine wahre Diagnose im Unklaren gelassen. Die zwangszugewiesene Pubertät wird nach Möglichkeit künstlich durch äussere Hormone eingeleitet. Gonaden, die dem zugewiesenen Geschlecht nicht entsprechen ("unerwünschte Hormonwirkung" / "unerwünschter Effekt"), werden umgehend entfernt unter dem Vorwand, sie seien "missgebildet" und "entartet". Tausende und Abertausende Zwitter wurden und werden nach diesem Schema unnötig zwangskastriert ("rechtzeitig gonadektomiert").

Wie weit Moneys Theorie dabei konkret (auch) von eugenischen Herrenrasse-Prinzipien geprägt war, entzieht sich meiner Kenntnis. Was ich hingegen weiss, ist, dass Christiane lange nicht die erste war, die versuchte, einen zwangskastrierenden Chirurgen vor Gericht zu bringen. Sowie, dass einzelne (nicht nur) deutsche Medizyner auch im 21. Jahrhundert nach wie vor ungebrochen mit peinlichsten Nazisprüchen operieren. Beides beweist u.a. folgendes Interview aus der Sendung "Eindeutig Zweideutig" von Ilka Franzmann (Arte, 4.7.2003), hier zitiert nach dem Transkript im Buch "Intersexualität. Menschen zwischen den Geschlechtern" von Claudia Lang (S. 247):

Mutter: »[...] Nach dem operativen Befund befand sich in der linken Seite ein Ovar mit Tube und uterusähnlichem Gebilde. Das bedeutete ganz einfach, dass da ein Eierstock existiert mit einem Eileiter und einer Gebärmutter. Dies wurde operativ komplett entfernt. Die Geschlechtszuordnung ist [...] somit erfolgt – also als männlich. Es wurde innerhalb einer ganz normalen U-Untersuchung festgestellt, es fehlt ein Hoden, und das müsse man beobachten. Das wurde auch gemacht. Bis ungefähr, als Wesley 8 Monate alt war, dann hieß es, man müsse eine OP machen, um nachzugucken, ob der Hoden sich in der Bauchhöhle befindet. Da das für uns ganz normal war, haben wir dem auch zugestimmt und haben die Operation machen lassen. Der Wesley kam aus der Operation raus, wurde in ein separates Zimmer gefahren, ganz normales Krankenzimmer und der Arzt sagte dann auch ganz direkt, völlig klar und kalt, emotionslos heraus, die OP wäre gut verlaufen, man hätte allerdings einen Eierstock gefunden und ein uterusähnliches Gebilde. Das hätte man entfernt, weil das gehörte nicht in den Körper eines Jungen. Dann ist er gegangen.«

Vater: »Man wusste auch nicht, ob man jetzt heulen oder lachen sollte, weil man hat sich angeguckt: Ja, was kommt jetzt?«

Mutter: «[...] Als ich herausfinden wollte, was genau mit Wesley passiert ist, habe ich eine Ärztin um Hilfe gebeten und diese Ärztin hat es so begründet, dass man in Deutschland keine Mutanten züchten wolle, deswegen hätte man so gehandelt.«

Die Eltern haben versucht, gegen die behandelnden Ärzte zu klagen, haben dann aber ihre Klage zurückgezogen, weil kein Medizinrechtler sie unterstützte.

Siehe auch:
- Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen
- Weiße Kittel mit braunen Krägen, reloaded
-
- "Intersex Infant - Surgical Abuse" - Video
- Von Zwangsoperateur "schuldhaft in Selbstbestimmungsrecht verletzt" - Zwitterprozess OLG 4.9.08
- Hiort, Holterhus, Sinnecker, Kruse (Ärzteblatt 1999):
   Aufzählung, bei welchen "Syndromen" / Zuweisungen wann zwangskastriert werden muss
 

Thursday, May 21 2009

Zwitterprozess: Erste Medienberichte zum 3. Prozesstag

Kann ein Zwitter Sünde sein?

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> Kölnische Rundschau

>>> Aachener Zeitung (dpa)

>>> Kölner Stadtanzeiger

"Schmerzensgeld-Prozess" - Sat1 NRW 19.5.09

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Menschenrechte auch für Zwitter!

>>> http://www.sat1nrw.de/Aktuell/Schmerzensgeld-Prozess/42d299/

>>> Transkript der Sendung von kwhal

>>> Diskussion auf dem früheren Hermaphrodit-Forum

Einige Ausschnitte:

Christiane Völling:
Da gesehen Verbrechen im Namen der Medizin, und alle schauen weg, und alles, alle sagen, och, das ist alles richtig gemacht worden, was will der überhaupt oder die, was soll denn das jetzt, ist doch gar kein Schaden entstanden, ja tickt der noch ganz sauber? Das kann doch wohl nicht wahr sein, ne?

Hintergrundstimme:
Erst seit wenigen Jahren lebt Christiane bewußt als Frau. Jahrzehntelang im falschen Körper. Der Ärztepfusch wird vertuscht, wie dieses Schreiben der Kölner Klinik beweist. Die Diagnosen dürfen ihm auf keinen Fall mitgeteilt werden. Jetzt aber muß der beschuldigte Chirurg dafür zahlen. Wieviel entscheidet ab morgen ein neuer Prozeß. Mit ihrem Anwalt Groth fordert sie 100.000 Euro. Die Krankenpflegerin bricht mit ihrer Offenheit ein jahrelanges Tabuthema.

Dr. Herbert Karpienski Anwalt für Arzthaftungsrecht:
Das ist, finde ich schon, einen richtigen Schritt, den die Klägerin hier geht, in die Öffentlichkeit und auch sehr mutig, um da ihre Rechte zu wahren, und vor allen Dingen auch mal klarzumachen, daß hier so ein medizinisches und menschliches Problem bestehen kann.

Hintergrundstimme:
Anderen Betroffenen will Christiane Völling neue Hoffnung geben. Rund 800.000 intersexuelle Menschen sollen in Deutschland leben, und bei denen ist eigentlich gar keine Op nötig.

>>> Diskussion auf dem Hermaphrodit-Forum  

Tuesday, May 19 2009

"Medizin vor Gericht" - Rosige Zeiten 115 (2008)

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Die Zwitter Medien Offensive™  greift um sich!

Aus aktuellem Anlass: >>> Interessanter Artikel von Heinz-Jürgen Voß in der April-Mai-Nummer des "regionalen Magazin[s] aus Oldenburg für Lesben und Schwule".

Mal abgesehen davon, dass im letzten Abschnitt die Beendigung der Zwangsoperationen wieder mal in der üblichen gottgegebenen Reihenfolge dem "gesellschaftlichen Konsens hin zu Offenheit gegenüber vielfältigen Geschlechtern zu ändern" hinten angestellt wird, dass einmal mehr der Kampf gegen "Diskriminierung" als besonders erfolgversprechender Ausgangspunkt verkauft wird, obwohl nicht nur für Zwitter in der realen Welt mit dieser Taktik das Gegenteil erwartetdie ganz zum Schluss benannten Rechtsmittel treffen voll ins Schwarze: 

"rechtliche[...] Regelungen, die medizinische Maßnahmen früher Geschlechtszuweisung ohnehin stark beschränken sollten (GG §2 [körperliche Unversehrtheit], BGB §1631c, §1904-1906 [enge Grenzen zur Einwilligung in Sterilisation] und StGB §90 Abs. 3 [Nicht-Einwilligungsfähigkeit in die Verletzung der Genitalien]), [werden] neu zu interpretieren sein, so dass Menschen in einem zustimmungsfähigen Alter, und nur falls sie selbst es wollen, operative und hormonelle Maßnahmen selbst einleiten können."

Soweit wird es m.E. ohne zusätzliche neu zu schaffende Rechtsmittel gegen Zwangsoperationen an Zwittern allerdings nicht so schnell kommen – geschweige denn schnell genug! Der aktuelle Wahlprüfstein des LSVD gefällt mir da schon besser ...

>>> http://www.schwule-seite.de/politics_intersexuality.htm

Monday, May 18 2009

Di 19.5.09 ca. 17:20h SAT1: Vorabbericht zum Zwitterprozess!

Menschenrechte auch für Zwitter!

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Wie Christiane mitteilt, finden heute Dreharbeiten statt für einen Vorabbericht zum 3. Prozesstag am Mittwoch 20.5. (Demo 14h vor dem Landgericht Köln!), der tags zuvor am Di 19.5. ausgestrahlt wird!
(Nachtrag: ca. 17:20h - Kurznachrichten vor der 2. Folge von "Niedrig und Kuhnt", die um 17:30h beginnt.) Wir sind gespannt ...

Nachtrag 2: Haben die Sendung leider verpasst, hat sie wer gesehen und weiss mehr?

>>> Der Beitrag ist inzwischen online zum angucken!

>>> Siehe auch Thread im Hermaphroditforum! Danke!

Sunday, May 17 2009

Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Kann ein Zwitter Sünde sein?Abschlussbericht des Forschungsprojektes "Diskriminierung im Alltag: Wahrnehmung von Diskriminierung und Antidiskriminierungspolitik in unserer Gesellschaft".
Soviel vorweg: Intersexuelle kommen kein einziges Mal drin vor.

Downloadlink und eine gelungene Zusammenfassung

>>> auf Lukas' Transmission-Blog  (Danke!)

Unseres Wissens nach hat die Antidiskriminierungsstelle noch nie was für Zwitter getan, obwohl sie mehrmals um Hilfe angegangen wurde.

Aller schönen Versprechungen zum Trotz: „Die Bundesregierung weist zudem darauf hin, dass auch im rechtlichen Rahmen die Existenz intersexueller Menschen vorgesehen ist. So gilt der Diskriminierungsschutz des am 18. August 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auch für zwischengeschlechtliche Menschen.“ (16/4786)

Saturday, May 16 2009

"Ein Intersexueller klagt seinen ehemaligen Arzt an" - Tages-Anzeiger 5.2.08

Menschenrechte auch für Zwitter!

Die Zwitter Medien Offensive™ ging weiter!

Aus aktuellem Anlass: Gelungener Artikel in der 2. grössten Tageszeitung der Schweiz zu Christianes 2. Prozesstag, sinnigerweise in der Rubrik "Medizin". Die Rechtsprofessorin Andrea Büchler stellt klar, dass genitale Zwangsoperationen an Zwitter auch in der Schweiz klar strafbar sind:

«Ein medizinischer Eingriff braucht die Zustimmung der betroffenen Person. In der Regel können die Eltern für ihr Kind zustimmen. Geschlechtszuweisende Operationen aber tangieren die höchstpersönlichen Rechte und dürfen nicht ohne Zustimmung des betroffenen Kindes vorgenommen werden – ausser es ist medizinisch notwendig.»

(Dass sämtliche an Zwittern immer noch systematisch vorgenommenen genitalen Zwangsoperationen medizinisch nicht notwendig sind, gibt mittlerweile ja auch "Netzwerk DSD"- sowie "Euro-DSD"-Chef z.B. an der parlamentarischen Anhörung in Hamburg öffentlich zu.)

Dass einzig empfindlicher Geldbussen oder sonstige konkrete Sanktionen die Medizyner von ihrem menschenrechtswidrigen Tun abhalten wird, macht der wohl unverbesserliche Zwangsoperateur Dr. Schwöbel deutlich:

«Sollte der Chirurg in Köln für den Eingriff, den er vor 30 Jahren durchführte, verurteilt werden, oder setzt sich die Auffassung von Rechtsprofessorin Büchler durch, müsste die Indikation zu geschlechtsanpassenden Eingriffen neu überdacht werden», sagt Schwöbel.

Wie meist, wenn die CH-Zwangsoperateure zu Wort kommen, darf auch Prof. Mullis nicht fehlen, der einmal mehr unwidersprochen behaupten darf, "dass es durchaus Arten von Geschlechtsstörungen gebe, die operationswürdig seien". (Mittlerweile ist in der Öffentlichkeit auch Mullis umgeschwenkt und behauptet frech, in der Schweiz gäbe es "keine Zwangsoperationen" mehr, entlarvt sich im selben Interview aber gleich selber als Lügner.)

>>> http://sc.tagesanzeiger.ch/dyn/wissen/medizin/838834.html

(Zusammen mit diesem Artikel erschien auch ein gelungenes Interview mit Karin Plattner von der CH-Elternselbsthilfe.)

Siehe auch:
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- "Medicine goes Gender"
- Kosmetische Genitaloperationen an Kindern: Gesetzgeber gefordert  
- "EuroDSD"-Zwangsoperateure: transsexuell = intersexuell??! 

Tuesday, May 12 2009

"Zwitter greifen an!" - nachdenklich 5.2.09

Die Zwitter Medien Offensive™ schlägt zurück!

>>> http://nachdenklich.blogsport.de/2009/02/05/zwitter-greifen-an/

Da lacht der Kampfzwitter, und auch der solidarische "Normal"-XY schmunzelt ... und sagt Danke!!!

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