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Thursday, March 13 2008

Zwitter in aller Munde

Michel Reiter und Heike Bödeker waren 1996 der Urknall, Elisabeth Müller, Katrin Ann Kunze, Claudia Kreuzer-Clüsserath, Ins A. Kromminga, Alex Jürgen und viele andere trugen die Flamme unermüdlich weiter, und mit dem sensationellen Prozesserfolg von Christiane Völling wurde 2008 aus dem Tabu-Thema "Zwitter und ihre unmenschliche 'Behandlung' durch die Gesellschaft und insbesondere die Mediziner-Zunft" endlich ein veritabler Flächenbrand (weiter angefacht auch durch diverse Pressemitteilungen dieses Blogs, *selbstschulterklopf*). Besser noch, die Zwitter-Öffentlichkeits-Offensive geht ungebrochen weiter und weiter ...

Noch eine positive Folge, "Intersexualität" bleibt weiterhin verschärft Gegenstand von Schul- und Semesterarbeiten etc. Ein weiteres Beispiel dieses Trends ging vor wenigen Tagen online.

Zwar wird darin nach wie vor m.E. zu sehr und nicht immer gerade super-kritisch auf Mediziner-Statements z.B. aus dem Netzwerk abgestellt, zur Behandlungsunzufriedenheit wird allein aus einer Studie (ausgerechnet) aus dem Johns Hopkins zitiert, während die aktuellere und einiges eindeutiger ausfallende Hamburger Netzwerkstudie anscheinend unterhalb des Radars blieb, ebenso die die Zusammenhänge zwischen Gendertheorie und Zwangsoperationen, in der Linkliste fungiert (ausgerechnet) die dgti einmal mehr vor dem Verein Intersexuelle Menschen e.V., es bleibt unerwähnt, dass Zwitter (theoretisch) ihr zwangszugewiesenes Geschlecht per Personenstandsgesetz ändern können (und lediglich Mediziner und Kassen-Beamte aus durchsichtigen Gründen regelmässig nichts unversucht lassen, sie stattdessen in die Trans*schiene zu zwingen) usw., doch alles in allem, die Tendenz würd ich doch mal als eindeutig positiv bezeichnen (ganz zu schweigen im Vergleich zu noch so manchem Medienprodudukt).

Dann hoffen wir doch, dass es auch künftig in diese Richtung weitergeht ... mit Zwitter-Power und solidarischem Echo überall!

Monday, March 10 2008

Zwitter @ Polylux Do 13.3.08 23:45h

Wie Kitty berichtet, wird die Zwitter Medien Offensive bereits am nächsten Donnerstag auf ARD fortgesetzt. Weitere TV-Beiträge sind übrigens schon in Vorbereitung, u.a. bei Spiegel-TV, Beckmann und 37° ... Sind also schon mal gespannt wie Flitzbögen -- und gratulieren allen Beteiligten ebenfalls für ihren Mut! Und sagen Danke!

Nachtrag 2: Mittlerweile ist auf der Polylux-Homepage der Beitrag online:

Thema: Intersexuelle – das dritte Geschlecht

Sie sind weder Mann noch Frau und haben damit kein Problem. Intersexuelle fordern ihren Platz in der Gesellschaft.

Klingt doch schon mal gut ... :-)

Friday, February 22 2008

Zwitter als Kampfflieger! Wenn das der Führer wüsste ...

Und auch als der Führer schon lange tot war, durfte es immer noch niemand erfahren, zahlte der 18-fache Luftkampfsieger Dietrich "Dieter" Weinitschke (1920-2008) lieber jahrelang einer Erpresserin Lösegeld, damit sein wahres Geschlecht nicht bekannt würde. Erst nach seinem Tod sollte es die Öffentlichkeit erfahren ...

Heisst's zumindest in diesem etwas schwammigen & reisserischen Tagesspiegel-Nachruf.

Typisch, wie im Tagesspiegel einmal mehr die Zwangsoperationsproblematik ausgelassen – und im Gegenteil suggeriert wird, mit der heutigen Medizin inkl. Zwangszuweisung wäre der ehemalige "Eismeerjäger" besser gefahren:

Damals kannte die Medizin noch keine Hormonbehandlung, und in ihren Lehrbüchern stand nichts über Intersexualität.

Typisch auch der Rückgriff auf die "zwittrige Seele", während die körperliche Befindlichkeit durch die Umschreibung "bei diesem Chromosomensatz" und "vom Knochenbau ein Mann, mit schönen Frauenbeinen, leichtem Brustansatz" lediglich vage angedeutet wird. Immerhin wird der Verstorbene auf die Frage, "ob er denn lieber eine Frau geworden wäre", wie folgt zitiert: „Ich bin beides!“

Schluck, was werden nun all seine Fliegerfreunde und Bewunderer sagen?! Geschweige denn ihm via Email-Link schreiben (anschliessend ins Foto klicken)? Oder die KollegInnen der Vereinigung Gartenbauschule Berlin e.V., wo er Vorsitzender und Ehrenmitglied war?

Fazit: Es gibt mehr Zwitter als du denkst! (Und: Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!)


Auf ebay vorgestern für Euro 42,50 versteigert: "Motiv: Jagdflieger Dieter Weinitschke. 19 bestätigte Abschüsse [sonst heisst's überall 18] vor seinem Jagdflugzeug! Flugzeugführerabzeichen, Frontflugspange und EK 1. Klasse sichtbar."

Nachtrag: Wie z.B. ein Kommentar des Verwandten Peter Weinitschke vom 24.02.2008 unter dem Tagespiegel-Nachruf zeigt, hätten wohl viele seiner Bekannten mit Dietrich Weinitschkes wirklichem Geschlecht gar keine Probleme gehabt ...

Wednesday, February 20 2008

XXY - der Film: Schweizer Verleiher nimmt Problematik ernst



In einem früheren Post haben wir über den Spielfilm "XXY" berichtet, der von einem jungen intersexuellen Menschen erzählt. Wir haben darauf hingewiesen, dass der Titel des Films höchst problematisch, da missverständlich und irreführend ist, weil XXY auf das Klinefelter-Syndrom hinweist, die Protagonistin im Film jedoch das Adrenogenitale Syndrom (AGS) hat. Wir haben diesbezüglich unter anderem mit dem Schweizer Verleiher Xenix Kontakt aufgenommen.

In der Zwischenzeit hat sich der Schweizer Verleiher wieder bei mir gemeldet und mir angeboten, für die Pressemappe zum Film ein kleines Glossar zu verfassen, das auf die Folgen einer Verwechslung der beiden Symptome hinweisen soll.

Untenstehend das nun der Pressemappe beigefügte Glossar, das ich in Koordination mit der Klinefelter-Selbsthilfe Schweiz und Deutschland verfasst habe:


"XXY": Medizinisch problematischer Filmtitel

Die Protagonistin im Film XXY wurde mit dem Adrenogenitalen Syndrom (AGS) geboren und nicht, wie der Filmtitel fälschlicherweise suggeriert, mit dem Klinefelter Syndrom.

Klinefelter Syndrom (XXY)
Bei Klinefelter kommt unter anderem der Chromosomensatz XXY vor. Kinder mit Klinefelter werden als Knaben geboren, sind jedoch aufgrund einer reduzierten Testosteronproduktion nicht zeugungsfähig. In der Pubertät wird der bestehende Hormonmangel durch die Gabe von Hormonpräparaten ausgeglichen. Bei Menschen mit Klinefelter liegen normale männliche Genitalien vor. Es werden somit keine genitalen Zwangsoperationen durchgeführt.

Adrenogenitales Syndrom (AGS)
Menschen mit AGS haben einen weiblichen Chromosomensatz (XX), Eierstöcke und Gebärmutter. Das äussere Genital vermännlicht jedoch bereits im Mutterleib aufgrund einer Überproduktion von Testosteron in der Nebennierenrinde. Kinder mit AGS werden in der Regel leider immer noch massiv an ihrem Genital zwangsoperiert, was auch im Film "XXY" thematisiert wird.

Diese beiden real existierenden Diagnosen unterscheiden sich also gravierend. Bei Klinefelter kann definitionsgemäss nicht einmal von Intersexualität gesprochen werden. Eine Verwechslung kann sich für Betroffene fatal auswirken: werdende Eltern eines 'XXY'-Kindes könnten den Eindruck gewinnen, dass ihr Kind die im Film dargestellten Syndrome entwickeln wird, was zu Verunsicherung und schwerwiegenden Fehlentscheidungen führen könnte.

Weitere Informationen:
http://zwischengeschlecht.info
http://klinefelter.ch
Daniela Truffer (kontakt_at_intersex.ch)

Betroffene und ihre Organisationen appellieren an die Medien, ihre Verantwortung wahrzunehmen und auf obige Fakten hinzuweisen.


Und – wie schon im ursprünglichen Post nachgetragen: Auf der Xenix-Homepage steht nun erfreulicherweise auch nicht mehr der fragwürdige Satz:

Alex ist fünfzehn – und aufgrund des seltenen Chromosomensatzes XXY ist sie beides: Junge und Mädchen.

Dieser wurde abgeändert zu:

Alex ist fünfzehn – und trägt ein grosses Geheimnis in sich.
Aufgrund einer seltenen Laune der Natur ist sie beides: Junge und Mädchen.

Ein herzliches Dankeschön dem Schweizer Verleih Xenix!

Bleibt zu hoffen, dass der auch angeschriebene Deutsche Verleih ebenfalls einsichtig reagiert ...

Nachtrag: Kool Film hat inzwischen ebenfalls den geänderte Werbetext übernommen, und sogar noch einen Link auf die Selbsthilfegruppe zwischengeschlecht.org. Dazu gibt es eine weitere Seite "Background", welche die Unterschiede zwischen AGS und dem Klinefelter Syndrom erklärt, inkl. Links auf (mehrheitlich) "intersexuelle" Selbsthilfegruppen.

Dafür ebenfalls schon mal herzlichen Dank an den Deutschen Verleiher Kool Film!


XXY auf zwischengeschlecht.info:      

XXY - Ein menschlicher Film über Zwitter

XXY - argentinischer Spielfilm über jungen zwischengeschlechtlichen Menschen

Berichte zum Deutschlandstart von "XXY"

Schwullesbisches Filmfestival "Pink Apple" missbraucht Zwittersymbol

Einmal mehr: Kölner Frauenfilmfestival setzt "intersexuell" = transsexuell

Sunday, February 17 2008

"Genitalverstümmelung ein afrikanisches Problem?"

Seit 1996 protestierte Michel Reiter immer wieder dagegen, dass Initiativen gegen rituelle Genitalverstümmelungen an Frauen wie zum Beipiel "Terre des Femmes" seltsamerweise Zwangsoperationen an Zwischengeschlechtlichen stets kategorisch ausklammerten -- aus offensichtlichen Gründen.

"Die Zusammenarbeit mit Anti-FGM-Aktivisten ist schlechter als mit allen anderen Gruppen, sogar schlechter als mit Ärzten." (pers. Mitteilung von Cheryl Chase, GründerIn der Intersex Society of North America ISNA an Michel Reiter)

Heute noch ist dieses Thema ein 'blinder Fleck' bei FeministInnen. Einzige Ausnahme dieser beschämenden Regel war Antke Engel, die sich 1997 in einem Artikel mit Michels Anliegen solidarisierte -- ihre Kritik verhallte bezeichnenderweise ungehört:

Deutlich ist jedenfalls, dass sich feministische Medien für Genitalverstümmelungen als alltäglicher medizinischer Praxis in modernen westlichen Gesellschaften nicht interessieren, während - häufig rassistisch gefärbte - Beiträge über "unzivilisierte" Praktiken der Klitorisbeschneidung und Verstümmelung in einigen afrikanischen Staaten durchaus zum bewährten Repertoire zählen.

Nachträge: 2003 schloss immerhin die internationale "Beschneidungs-Expertin" Hanny Lightfoot-Klein in ihrer 3. Buchveröffentlichung "Der Beschneidungsskandal" nebst weiteren, von der Frauenbewegung oft ausgeklammerten Formen von Beschneidung, auch genitale Zwangsoperationen an Zwittern mit ein (Rezension bei Querelles / Doppelrezension auch über Marion Hulverscheidts Buch über 'medizinische Beschneidungen' an Frauen in Europa im 19. Jahrhundert). In der Zeitschrift von Terre des Femmes "Menschenrechte für die Frau" 3/4 (2004) erschien ebenfalls von Marion Hulverschmidt ein Artikel "Genitalverstümmelung bei afrikanischen Frauen und Intersexuellen".

Nachträge (Forts.): Im Amnesty-Journal 03/2008 kritisierte Konstanze Plett beiläufig das Schweigen der westlichen BeschneidungskritikerInnen zum Thema "Genitalverstümmelung intersexuell geborener Kinder" vor der eigenen Haustüre (für Amnesty International selbst nach wie vor kein Thema). Frühjahr 2009 nahmen die Schweizer Sektionen von Terre des Femmes und Amnesty International anlässlich einer Vernehmlassung zu einer parlamentarischen Initiative gegen "weibliche Genitalverstümmelung" zum ersten Mal Stellung gegen das Auslassen Zwangsoperationen an Zwittern, Amnesty allerdings mit vereinnahmenden Untertönen (als Organisationen haben beide weiterhin keine offizielle Position zum Thema, jedoch streben sie eine solche seit 2010 immerhin aktiv an).

Schon 1998 hatte Michel Reiter rituelle Genitalverstümmelungen und genitale Zwangsoperationen gemeinsam mit "Genitale[n] 'Korrekturen' an Frauen als Schönheitsmaßnahme" (-> gleichnamiger Abschnitt) in einen weiteren Zusammenhang gestellt.

Nachträge: Im ZgT Bulletin 28 (2005, via archive.org) wurde diese Sichtweise von Vanessa Nino-Kern wieder aufgegriffen im Beitrag "Unversehrte Genitalien sind keine Selbstverständlichkeit" (PDF-Download). Ab 2005 werden diese OPs auch in Mainstreamedien zunehmend kritisiert – allerdings ohne einen Zusammenhang mit den Zwangsoperationen an Zwittern herzustellen.

Auch heute noch haben Blog-Artikel von Nicht-Zwischengeschlechtlichen, die solche Zusammenhänge thematisieren, Seltenheitswert. Umso schöner, auf eine weitere Ausnahme zu stossen (aus der auch der Titel dieses Posts stammt):

http://michas-ernährungsinfo.de/index.php?/archives/37-Verstuemmelnde-Operationen.html
(Link kopieren und oben in Browser einfügen, sonst klappt's leider nicht!)

Danke!

Siehe auch:
- Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung (Lightfoot-Klein: "Der Beschneidungsskandal")
- Bundesärztekammer gegen genitale "Zwangsoperationen" – natürlich nur bei "Mädchen und Frauen" ... 
- Internationaler Tag gegen Mädchenbeschneidung (aber die Zwitter operiert nur ruhig weiter, sind ja keine Frauen, äh, Menschen ...)
- Schweiz: Terre des Femmes und Amnesty gegen Zwangsoperationen an Zwittern 
- Zwitter und Patriarchat aus feministischer Perspektive    
 

Thursday, February 7 2008

Antke Engel: "Ene mene meck ..." - Hamburger Frauenzeitung (1997)

Antke Engel

ene mene meck und du bist weg.
über die gewaltsame herstellung der zweigeschlechtlichkeit.

Hamburger Frauen Zeitung, No. 53, Herbst 1997, S. 26-28

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Seit geraumer Zeit bemühen sich Intersexuelle, als Menschen, deren Geschlecht nicht in einer Eindeutigkeit von entweder "männlich" oder "weiblich" aufgeht, Öffentlichkeit für ihre Erfahrungen mit familiären und gesellschaftlichen Tabus, Normalisierungszwängen und gewaltsamen medizinischen Praktiken herzustellen. Die bis ins 20. Jahrhundert hinein als Hermaphroditen oder entwertend als Zwitter kategorisierten, werden infolge des sogenannten medizinischen Fortschritts nicht nur pathologisiert, sondern zunehmend "wegtherapiert"(1). Heute eignen sie sich den Namen "Intersexuelle" als politische Kategorie an, nachdem sie oft lange Jahre unter einer erzwungenen Geschlechtszuweisung gelebt haben.

Die Infragestellung der rigiden binären und zwangsheterosexuellen Geschlechterordnung durch lesbischwule und feministische Theorie und Praxis hat zumindest einen begrenzten Rahmen für Sicht- und Existenzweisen geschaffen, die den geschlechtlichen und sexuellen Normen nicht gerecht werden wollen. Trotzdem existiert bislang so gut wie keinerlei Wahrnehmung, Wissen oder gar bestätigende Aufmerksamkeit für diejenigen, die eingespielte, dominante "Wirklichkeiten" und Wahrnehmungsraster verwirren.

Grenzen der Wahrnehmung

Die Verweigerung von Stimme und Sichtbarkeit in den Medien oder in Buchpubikationen verdoppelt die gesellschaftliche Ignoranz, die Intersexuelle gegenüber ihren Lebensrealitäten erfahren. Wie ist es zu erklären, dass die Medien diesem Thema mit derartiger Abwehr begegnen? Ist es deshalb so schwierig Öffentlichkeit herzustellen, weil es nicht nur darum geht, Akzeptanz für eine angebliche "Andersheit" zu erlangen , sondern weil Intersexuelle die "Normalität des Normalen" fragwürdig machen? Auch in feministischen Kontexten besteht nur begrenzt die Bereitschaft, die eigenen normativen Standards zu reflektieren, und Intersexuelle als mögliche TeillnehmerInnen feministischer Politik und Bewegungen anzuerkennen. Zwar werden inzwischen weitgehend einhellig Machtdifferenzen und Heterogenität unter Frauen betont - und damit auf eine vereinheitlichte Kategorie "Frau" verzichtet. Wer aber "Nicht-Frau" ist, scheint weiterhin klar zu sein. Eine Verwischung der Grenze stellt nicht nur für diejenigen Ansätze, die Politik im Namen von Frauen zu machen gedenken, sondern auch für diejenigen, deren Analyse und Perspektive in einer Geschlechterdifferenz gründen, eine Provokation dar. Doch selbst queerfeministische Kontexte, denen zwangsheterosexuelle oder sonstwie normierende Geschlechter- und Sexualitätskonstrukte ein Dorn im Auge sind, verstehen sich nicht unbedingt als Forum für die Anliegen Intersexueller.

Deutlich ist jedenfalls, dass sich feministische Medien für Genitalverstümmelungen als alltäglicher medizinischer Praxis in modernen westlichen Gesellschaften nicht interessieren, während - häufig rassistisch gefärbte - Beiträge über "unzivilisierte" Praktiken der Klitorisbeschneidung und Verstümmelung in einigen afrikanischen Staaten durchaus zum bewährten Repertoire zählen. Dabei ließe die Aufmerksamkeit für gewaltsame Geschlechtsvereindeutigungen im Rahmen westlicher Medizin sowohl diese ethnographischen Diskurse in anderem Licht erscheinen, wie sie auch die Diskussionen über sexuelle Misshandlungen von Kindern um einen bedeutsamen Aspekt erweiterte.

Allerdings scheint der Blick auf die Gewaltförmigkeit der Geschlechterverhältnisse augenblicklich sowieso nicht gerade hoch im Kurs zu stehen. Auch in feministischen Kreisen werden die Thesen zur Konstruiertheit und historischen Veränderung von Geschlecht häufig so interpretiert, dass eine Zufälligkeit, Freiwilligkeit und individuelle Definitionsmacht hinsichtlich der Geschlechtsidentitäten zu bestehen scheint. Geschlecht wird nicht selten verhandelt als eine Frage von Geschmack und Stil, die in veränderlichen Inszenierungen auf der Gesellschaftlichen Bühne zur Aufführung kommt. Einzig mangelnde finanzielle und kulturelle Ressourcen werden als (individuell) beschränkende Faktoren anerkannt, während die psychischen und körperlichen Spuren einer Lebensgeschichte oder soziale bzw. materielle Sanktionierungen bestimmter Existenzweisen scheinbar zu vernachlässigen sind. Demgegenüber lässt der Blick auf die medizinischen und sozialen Gewaltmechanismen, mittels derer Intersexuellen eine geschlechtliche Eindeutigkeit im Rahmen der Binären Ordnung aufgezwungen wird, die Rede von Freiwilligkeit, Wahl und spielerischer Veränderung zynisch erscheinen. Möglicherweise liegt einer der Gründe für die fortdauernde Ignoranz genau darin, dass die Zurkenntnisnahme der gesellschftlichen Praktiken gegenüber Intersexuellen, das befreiende Versprechen einer weniger schicksalshaften Bindung an die eigene Geschlechtlichkeit sehr fragwürdig machen würde.(2)

Eigentlich ist es absurd, dass aus queer-feministischer Perspektive fortwährend postuliert wird, dass Zweigeschlechtlichkeit weder naturgegeben noch notwendig sei, und doch diejenigen, die die gesellschftlichen Methoden zur Herstellung geschlechtlicher Eindeutigkeit am eigenen Leib erfahren, übersehen werden. Die Auseinandersetzung mit Intersexualität ermöglicht es aufzuzeigen, wie mühselig es ist, die scheinbar selbstverständliche Auffassung, es gäbe zwei, genau zwei Geschlechter und es sei "natürlich" entweder "Mann" oder "Frau" zu sein, mittels sozialer Technologien immer wieder abzusichern. Daß nur wenige die rigide geschlechtliche Norm tatsächlich erfüllen, bleibt ohne Bedeutung, denn es existiert ein breites Spektrum an Interventionen, begonnen bei selektiver Wahrnehmung bis hin zu gewaltsamen medizinischen Praktiken, die die Zweiheit als kulturelle Selbstverständlichkeit sicherstellen. Deutlich wird, dass Geschlecht nicht allein diskursiv oder psycho-sozial hervorgebracht wird, sondern gleichermaßen im direkten Zugriff auf die Körper.

Das Heilungsgebot

Imposed medical cures

Die Pathologisierung von Intersexuellen ist die Kehrseite der Medaille, dass welche in der Illusion schwelgen, geschlechtlich eindeutig zu sein und dem Normalitätsideal zu entsprechen. Die Pathologisierung kann somit als rhetorisch-praktischer Mechanismus verstanden werden, der verhindert, dass die binäre geschlechtliche Ordnung in Frage gestellt wird. Indem das Phänomen in den Begriffen von Krankheit und Fehlentwicklung formuliert wird, bestätigt sich indirekt die "Normalität", die via "Heilung" angeblich zu erreichen sei. Führt eine sich vor Augen, welch immense soziale Ausgrenzungseffekte auch die Krankheitszuschreibung und die Unterwerfung unter das Heilungsgebot beinhalten, so stellt sich die Frage, ob es nicht einfacher wäre, Kinder Erwachsene würden lernen, mit geschlechtlicher Uneindeutigkeit zu leben. Insofern dies noch nicht einmal als Denkmöglichkeit zugelassen ist, drängt sich der Eindruck auf, dass es bei den geschlechtlichen Regulierungen keineswegs um die Interessen der Beteiligten geht, sondern darum, die hierarchischen Geschlechterverhältnisse abzusichern, indem deren Verunsicherung verhindert wird.

Im Zuge der politischen Organisierung Intersexueller und der Kämpfe gegen rigide Geschlechter- und Sexualitätsnormen entstehen Sichtweisen, die das historisch und kulturell veränderliche und gleichzeitig doch zwanghafte Funktionieren von Geschlecht und Sexualität als soziale Konstruktion erklären. Das heißt auch, dass sich Interpretationsraster hinsichtlich dessen, wie Intersexualität verstanden wird, berändern. Statt als Pathologie, als eine krankhafte Abweichung, die in die Zuständigkeit der Medizin fällt, wird Intersexualität zu einem gesellschaftlichen und politischen Phänomen: einer Existenzweise, die mittels der binären Geschlechternorm zugleich hervorgebracht und "verboten" wird.

Welche Denk- und Lebensmöglichkeiten eröffnen sich, wenn eine davon ausgeht, dass Zweigeschlechtlichkeit ein gesellschaftliches "Ideal" darstellt, das sowieso nur wenige erfüllen, und dessen "Notwendigkeit" gesellschaftlich definiert ist? Was heißt das im Hinblick auf Möglichkeiten und Grenzen von Veränderung der Geschlechterverhältnisse und politische Strategien, die sich nicht auf Parodie und Maskerade, aber auch nicht auf eine toleranz-pluralistische Anerkennung des "Anderen" beschränken?

Akzeptanz oder Destabilisierung

Was Öffentlichkeitsstrategien betrifft, so lassen sich zwei Herangehensweisen unterscheiden: diejenige, die im Sinne einer sogenannten Minderheitenpolitik Anerkennung für Intersexuelle als einer "eigenen", somit wie auch immer bestimmbaren, gesellschaftlich unterdrückten Gruppe fordert, und diejenige, die die Aufmerksamkeit auf die Uneindeutigkeit, Veränderlichkeit und Widersprüchlichkeit geschlechtlicher und sexueller "Normalität" zu lenken und die Idealkonstruktionen zu destabilisieren versucht. Zwischen beiden Strategien besteht eine Spannung und eine gewisse Unvereinbarkeit, insofern erstere wiederum eine Identitätskategorie produziert, die zweitere als unhaltbare Vereinheitlichung kritisiert. Trotzdem macht es meiner Ansicht nach Sinn, beide im öffentlichen Raum nebeneinander zu inszenieren, statt sich um eine Entscheidung oder eine Synthese zu bemühen. Zumindest dann, wenn eine kein Interesse daran hat, der Illusion einer "politischen Wahrheit" hinterherzuhechten, sondern Politik als fortwährende Auseinandersetzungen versteht. Wohl aber ist es angebracht darüber nachzudenken, welche unterschiedlichen Effekte diese beiden Strategien erzielen, welchen Interessen sie genügen, wen sie ansprechen - um deren Differenz und Spannung verständlich und nutzbar zu machen.

Die medizinisch-wissenschaftliche Aufspaltung dessen, was zuvor als Hermaphroditismus benannt wurde, in etliche verschiedene Syndrome (vgl. Artikel von Birgit-Michel Reiter in diesem Heft), löst Intersexuelle als eigenständige Gruppe auf. Gemäß dem Prinzip des "teile und herrsche" verflüchtigen sich damit die Möglichkeiten, die gemeinsamen Unterdrückungs- bzw. Gewalterfahrungen und deren Systematik wahrzunehmen. Demgegenüber macht das identitätspolitische Agieren unter einem gemeinsamen Namen eine "soziale Gruppe" überhaupt sichtbar und lässt sprechende Subjekte, statt medizinischer Objekte, im Feld gesellschaftlicher Machtverhältnisse auftauchen. Dann wiederum aber greift eine Politik, die Intersexuelle als eigene Gruppe meint abgrenzen zu können, die Definition über die dominanzgesellschaftlich Abnormitätszuschreibung auf und setzt Intersexualität als "das Besondere". Es liegt allerdings ein Unterschied darin, ob dies in form einer Selbstermächtigung geschieht, die sich herausnimmt, Rechte zu fordern, oder in Form einer Fremdzuschreibung, die die Macht beansprucht, Rechte wahlweise zu verweigern oder zu gewähren. Ein Recht auf gesellschaftliche Anerkennung, auf Integrität und Identität zu fordern bzw. anders herum formuliert, Verletzung und Gewalt anzuklagen, wie dies aus marginalisierter Position heraus geschieht, bedeutet nicht, dass diese Forderungen universell, ahistorisch oder kontextlos seien. Sie können durchaus - und d.h. aus (relativ) dominanter Perspektive - unterstützt werden, ohne gleichwohl davon auszugehen, dass damit alle sich diese Konzepte von Anerkennung, Integrität und Identität zu eigen machen müssten.

Das Privileg der Normalität

Wie lässt sich aber darüber hinaus gleichzeitig ein kritischer und veränderungswilliger Blick auf die Funktionsweise der sogenannten Normalität richten, statt sie als Instanz zu bestätigen, die Recht gewährt und an die Forderungen zu richten sind? Die gesellschaftliche Ignoranz gegenüber Intersexuellen verweist auf anderes las nur Verlegenheit oder Verunsicherung gegenüber der/dem "Anderen", denn das andere als "Anderes" lässt sich mittels eines Toleranzkonzepts durchaus integrieren, ohne die bestehende Ordnung ernsthaft zu verwirren. Was aber ist, wenn deutlich wird, dass die "Sicherheit" der eigenen Identität auf der Ausgrenzung anderer Identitäten beruht? Die Konfrontation mit Intersexualität stellt die Stabilität der eigenen binär verorteten Identität in frage und rückt den Zwang zur geschlechtlichen Vereindeutigung als Mittel zur Aufrechterhaltung hierarchischer Geschlechterverhältnisse in den Blick. Genau darin liegt die Bedrohung für die Dominanzkultur. Vielleicht aber auch die Chance, das Privileg der Normalität zu problematisieren. Erst dann kann über Koalitionsmöglichkeiten (und Interessendifferenzen!) verhandelt werden, die zwischen denjenigen, die sich selbst mehr oder minder ungebrochen in der binären Geschlechterdifferenz verorten können und denjenigen, denen dies nicht gelingt, bestehen. Intersexualität als Produkt einer rigiden binären Geschlechterordnung zu verstehen und es gleichwohl in seiner konkreten, je spezifischen, je individuellen Gelebtheit und als eine historische Existenzwiese anzuerkennen, bietet Anlaß für eine Infragestellung und Widerständigkeit gegen die normative Zweigeschlechtlichkeit.

Antke Engel

Anmerkungen:

(*) Ich danke Birgit-Michel Reiter für ihren/seinen Artikel sowie die Gespräch, die wir per Telefon und e-mail geführt haben. Ohne diese Anregungen, Entgegnungen und kommunikativen wie intellektuellen Verwicklungen wäre ich nicht dazu gekommen, mich der Auseinandersetzung mit Intersexualität zu stellen, noch hätte ich diesen Artikel schreiben können. Viele meiner Gedanken knüpfen direkt an Birgit-Michels Text an bzw. greifen ihn wieder auf, weshalb es sich empfiehlt, ihn vorweg zu lesen. Obwohl ich mich seit mehreren Jahren denkend und schreibend um eine Denaturalisierung und Destabilisierung der rigiden Zweigeschlechterordnung bemühe, hat sich etwas in mir geweigert, mich mit der Gewaltförmigkeit der Definitionsmacht und der medizinischen Praktiken zu konfrontieren, die diejenigen erfahren, deren deren zweigeschlechtliche Kategorisierung nicht mit der üblichen unhinterfragten Selbstverständlichkeit erfolgt ist. Über die Veränderung meines Blicks freu ich mich !

(1) Geht eine von den juristischen Gegebenheiten aus, so gibt es heutzutage schlichtweg keine Hermaphroditen mehr. Eine geschlechtliche Eindeutigkeit ist im Rahmen der bürgerlichen Gesellschaftsordnungen zwingend notwendig: mensch ist entweder Frau oder Mann - kein Entkommen.

(2) Was in ähnlicher Weise vielleicht auch für das gegenwärtige Desinteresse an Vergewaltigung, sexueller Mißhandlung von Kindern, Pornographie oder der zunehmend offeneren Gewalt gegen Lesben und Schwule gilt, deren Bedeutung für die Konstituierung von Geschlechtern und Sexualitäten kaum diskutiert wird.

Siehe auch:
- "Genitalverstümmelung ein afrikanisches Problem?"
- Internationaler Tag gegen Mädchenbeschneidung (aber die Zwitter operiert nur ruhig weiter, sind ja keine Frauen, äh, Menschen ...)

Sieg für Christiane Völling!!!



Christiane und ihr Anwalt Georg Groth, 6.2.08

Strahlende Gesichter, klingelnde Handys, endlose Interviews -- ein grosser Tag für alle Zwischengeschlechtlichen! Erst recht für Christiane Völling und die wenigen Unentwegten, die sich gestern früh im Landgericht Köln eingefunden hatten, ihr solidarisch beizustehen. Und immer wieder ungläubiges Staunen, Es-gar-noch-nicht-richtig-fassen-können.


Die Kamerateams beginnen Christiane und die UnterstützerInnen zu umschwärmen.

Auch wenn die Höhe des zu zahlenden Schmerzensgeldes noch in einem Schlussurteil festgelegt wird, das Wesentliche hielt Richter Dietmar Reiprich gleich zu Beginn fest: "Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt." (>> vollständiges Gerichtsurteil)

JA!

Weniger Spass hatte der Anwalt der Gegenseite, der erst verspätet in den Saal platzte, als die Urteilsverkündung bereits in vollem Gange war. Kein Spass auch für all die unbeirrbaren Mediziner, die hofften, nach dem Prozess nach ihrem (für sie) "bewährten" Schema F einfach weiterschnibbeln zu können: Zwitter? Na, dann erstmal die inneren Geschlechtsorgane raus! Ganz egal, ob diese gesund sind oder krank, männlich, weiblich oder gemischtgeschlechtlich, Hauptsache raus + Zwangsgeschlechtszuweisung, nach unserem Gusto selbstverständlich, Punkt, der/die/das Nächste. Bleibt zu hoffen, dass der selbstherrliche Chirurg (seine Mittäter konnten aus Verjährungsgründen leider nicht mehr mitbelangt werden) empfindlich tief in die Tasche greifen muss, was sich dann bei seinen Kollegen und Kolleginnen von selbst herumsprechen wird.

Dabei hatte die Gegenseite wenig unversucht gelassen, Christiane zu verunglimpfen, "therapeutische Gründe" vorzuschieben, die Verantwortung auf andere abzuschieben, Tatsachen zu verdrehen, und fand sich dabei tatkräftig unterstützt durch die (wie so oft) zu einem Grossteil "verloren gegangenen" bzw. "nicht mehr auffindbaren" medizinischen Akten -- im Gegensatz zu nachträglich erstellten, für sie (wie so oft) wesentlich günstigeren Dokumenten.


Die RichterInnen betreten den Saal. In der Mitte der Vorsitzende Dietmar Reipisch.

Doch das Gericht hatte offensichtlich seine Hausaufgaben gemacht, sich kompetent in die Materie eingearbeit und zerpflückte die vorgeschobenen Einwände souverän: "Der Kläger hat in die Operation durch den Beklagten nicht wirksam eingewilligt."

JA!

Dass der unbeirrbare Mediziner höchstwahrscheinlich in die Berufung gehen wird, tut dem ganzen keinen Abbruch: Ein wichtiger Nebenpunkt dieses Prozesses ist, dass dabei erstmals die Leiden und die unsägliche, an Greueltaten aus dem 3. Reich und anderen unmenschlichen Regimen gemahnende Situation nahezu aller Zwischengschlechtlichen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurden. Dabei kann jeder weitere Prozess nur weiterhelfen, auch eine etwaige Berufungsverhandlung, ebenso wie die hoffentlich noch folgenden Anklagen weiterer Zwischengeschlechtlicher.

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Pressespiegel zu Christianes Sieg

Hierzu ist positiv zu vermelden, dass zumindest in Deutschland nahezu alle Pressemeldungen berücksichtigten, dass es sich beim vorliegenden "Zwitter-Prozess" (Express) nicht bloss um einen individuellen Einzelfall, sondern um ein grundsätzliches Verfahren handelt. Am ausgewogensten und ausführlichsten war einmal mehr die Agenturmeldung der Associated Press, nachzulesen z.B. hier:

Des Zwitters Sieg (Stern)

Gleichzeitig ein Beispiel dafür, wie gewisse Medien den Unterschied zwischen (falsch) "Geschlechtsumwandlung" und (korrekt) "Geschlechtszwangszuweisung" immer noch nicht kapiert haben, und somit der Vertuschungstaktik der Mediziner in die Arme arbeiten. Bezeichnend auch, dass sich der letzte Satz der Agenturmeldung beim Stern nicht findet, im Gegensatz z.B. zur Basler Zeitung (die ebenfalls auf "Geschlechtsumwandlung im Titel nicht verzichten kann :-( ):

Die 48-Jährige selbst hat in den nächsten Monaten noch viel vor: Seit 18 Monaten versucht sie nach eigenem Bekunden bereits ihren männlichen Vornamen auch offiziell in Christiane umzuwandeln. «Noch bin ich gegen verschlossene Türen gerannt, aber ich gebe nicht auf - jetzt erst recht nicht.»

Sehr erfreulich auch, dass das Urteil jetzt schon politische Konsequenzen zu zeigen beginnt, wie z.B. in der folgen Pressemeldung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen:

Umgang mit Intersexuellen prüfen

Sehr guter Bericht auch vom WDR:

Klägerin siegt im "Zwitterprozess"-- "Das tut so gut für die Seele" (WDR-Panorama)

Dito im Kölner Stadt-Anzeiger:

Etappensieg auf langem Leidensweg
(Kölner Stadt-Anzeiger)

Im direkten Vergleich mit der ap-Meldung und zu WDR und KStA abfallend die KollegInnen von der Deutschen Depeschenagentur und vom Deutschen Depeschendienst (nachfolgender erster Titel ein Beispiel für eine weitere beliebte Ablenkungsschiene: es wird versucht, den Konflikt scheinbar auf eine Auseinandersetzung innerhalb der Medizinerhierarchie zu reduzieren nach dem Motto "Untergebene gegen Chef", obwohl Christiane als Patientin und Zwischengeschlechtliche klagt und nicht als "Kankenpflegerin". :-( ):

Kölner "Zwitterprozess": Krankenpflegerin siegt gegen Chirurgen (Der Westen)

Nachtrag: Der Westen legte zudem einen Artikel nach, der ein sehr zwiespältiges Gefühl hinterlässt. Einmal mehr wird offensichtlich versucht, den Unterschied zwischen Trans*menschen und Zwischengeschlechtlichen zu verwischen:

Nicht Fisch, nicht Fleisch ... (Der Westen)

Dass es titelmässig auch korrekt geht, demonstriert die FAZ, deren Artikel ebenfalls auf der dpa-Meldung basiert :-) :

Intersexualität: Chirurg muss für Entfernung von Geschlechtsorganen zahlen (Frankfurter Allgemeine Zeitung)

Beim Titel der folgenden ddp-Meldung hattens die zuständigen RedaktorInnen ebenfalls gerafft. :-) :

Intersexuelle Frau mit Schmerzensgeldklage erfolgreich  (PR inside)

Noch n besserer Titel der selben ddp-Meldung auf koeln.de (na bitte, geht doch :-) ):

Intersexuelle Frau bekommt Schmerzensgeld nach Entfernung ihrer Geschlechtsteile (koeln.de)

Ein weiterer Artikel aus der lokalen Zeitung Express (etwas abfallend im Vergleich zu den Artikeln im selben Blatt vor -- eins / zwei -- und nach dem 1. Prozesstag):

Kölner Zwitterprozess: Christiane/Thomas kriegt Schmerzensgeld (Express)

In einigen Blättern gabs übrigens schon tags zuvor eine Ankündigung:

Intersexuelle Christiane will Gerechtigkeit (Aachener Zeitung)

Dito bereits 3 Tage vor dem Prozess (einmla mehr mit der Spital-Hierarchie-Ablenkungs-Schiene :-( ):

Pflegerin verklagt Chirurg: Urteil im «Zwitterprozess» möglich (Aachener Zeitung)

[Dass ein adäquater Titel keine Hexerei wäre, machte demgegenüber z.B. die HAZ schon nach dem ersten Prozesstag klar:

Intersexuelle Frau klagt wegen Entfernung ihrer Geschlechtsorgane
(Hannoversche Allgemeine Zeitung)]

Auch die Agentur Agence France-Presse machte eine kurze Meldung über den 2. Prozesstag, die jedoch der Tragweite des Urteils kaum gerecht wird (immerhin ist hier der Titel korrekt):

Intersexuelle setzt sich mit Zivilklage gegen Chirurg durch (afp.google.com)

war  nachtrag: Offensichtlich war die afp-meldung bei google stark gekürzt! (Wie auch die ap-meldung z.B. bei Stern, siehe oben.) In "Die Welt" fand ich nun eine längere Version, da sieht's (abgesehen vom irreführenden Titel, Variante "Geschlechtsumwandlung" :-( ) doch schon wesentlich besser aus. Besonders gefallen hatte uns latürnich der bei afp.google weggekürzte, u.a. in der Welt aber enthaltene letzte Satz:

Am Rande des Prozesses forderte eine kleine Gruppe von Demonstranten mehr Rechte für Intersexuelle. Sie trugen T-Shirts mit der Aufschrift "Menschenrechte auch für Zwitter".

Arzt machte Frau illegal zum Mann (Die Welt)

Dieselbe Agenturmeldung ebenfalls ungekürzt und mit adäquatem Titel :-) :

Intersexuelle setzt sich mit Zivilklage gegen Chirurg durch
(123recht.net)

Eher sosolala ein Artikel in der Auslandzeitung Amerika-Woche (inkl. unpassendem Titel :-( ):

Krankenplegerin siegte im "Zwitterprozess" gegen Chirurgen
(Amerika Woche)

Dito von der Bild-Zeitung (einmal mehr auf der Umwandlungs-Schiene sowie unter Ausklammerung der prinzipiellen Problematik :-( ):

Klinik-Pfusch: Arzt machte SIE zum MANN (Bild)

Auch weniger toll der Glossar-Kasten zum Artikel. Einmal mehr wird als Anlaufstelle für Betroffene allein (ausgerechnet) die dgti genannt, Selbsthilfeorganisationen von Betroffenen hingegen vornehm verschwiegen. Typisch! :-(

Das sind Intersexuelle (Bild)

In der Süddeutschen hinterlässt die Berichterstattung einen sehr zwiespältigen Eindruck: Während der Artikel nicht schlecht gemacht ist, ist der Titel definitiv unter aller Sau, wenn nicht das Schlusslicht überhaupt. :-( Nix kapiert, sechs, nachsitzen, setzen!

Erzwungenes Leben in der falschen Haut: Gerichtsprozess um Transsexualität (Süddeutsche Zeitung)

Das Schlusslicht unter den Agenturmeldungen bildet klar die Schweizerische Depeschenagentur: Hier wird immer noch versucht, den Prozess als individuellen Einzelfall darzustellen, die eigentliche Tragweite wird konsequent zu leugnen versucht Immerhin stimmt in folgendem Beispiel der Titel, doch ansonsten: Pfui, nachsitzen, setzen!

Intersexuelle klagt erfolgreich gegen Chirurg (nachrichten.ch)

Dass nicht nur viele RedaktorInnen, sondern auch "Otto NormalverbraucherInnen" nach wie vor ein riesiges Informationsdefizit betreffend Zwangsoperationen usw. haben, illustrieren die teilweise sehr "geistreichen" Kommentare hier:

Sieg für Kläger(in) im Kölner Zwitterprozess  (shortnews.de)

Speziell gefreut haben wir uns hingegen über folgenden Link (und das ist nicht ironisch gemeint):

Intersexuelle gewinnt Prozess (gay.ch)

Auch The Gay Dissenter bloggte über Christianes Sieg:

Der Kölner Zwitterfall


Allen Bemühungen z.B. von sda und SZ zum Trotz: Das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen! 2008 wird in die Geschichte eingehen als das Jahr, in dem Zwischengeschlechtliche -- nach Jahrzente währendem, zunächst erfolglosem Kampf -- endlich erfolgreich begannen, ihre Menschenrechte einzuklagen!

Danke, Christiane!

Nella & Seelenlos

Christiane Völling: »Ich war Mann und Frau. Mein Leben als Intersexuelle.« Fackelträger Verlag, erscheint 25.08.2010

Inzwischen hat Christiane ihre bewegende Geschichte auch in Buchform veröffentlicht.

Buchbesprechung von Nella: Christiane Völling: "Wie beginnt man den Rest seines Lebens?" Die Biografie einer Überlebenden


Christianes Prozess auf diesem Blog:
- Christiane Völlings Geschichte
- 1. Pressemitteilung
- Demoaufruf 1. Prozesstag
- Zwitterprozess: Bericht 1. Prozesstag
- Zwitter-Demo in der "Rundschau" und auf "Planetopia" 
- Pressespiegel 1. Prozesstag
- Warum Christiane Völling zur Transsexuellen gemacht werden soll
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- Bericht und Pressespiegel 2. Prozesstag
- Christiane: Der Kampf geht weiter
- Bericht provisorischer Entscheid OLG
- Bericht definitiver Entscheid OLG
- Pressespiegel definitiver Sieg vor OLG
- Zwitterprozess: Verurteilter Chirurg will nicht zahlen!  
- Merkel & Co: Einladung zum Zwitterprozess!
- Zwitterprozess: Verurteilter Chirurg als Gutachter für Behandlungsfehler   
- "Schmerzensgeld-Prozess" - Sat1 NRW 19.5.09
- 3. Prozesstag 20.5.09: "Netzwerk DSD" fällt Chirurgen in den Rücken
- Zwitterprozess: 100'000 Euro plus Zinsen Entschädigung für genitale Zwangsoperation
- Zwangsoperateur gibt sich geschlagen – 100'000 Euro Schmerzensgeld für Zwangskastration! 
> Pressemeldungen zum "Zwitterprozess"
> Internationale Artikelübersicht auf OII   

Tuesday, February 5 2008

Wegen Zwitter-Prozess: Druck auf Ärzte wächst

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Pünktlich zur Fortführung im "Zwitterprozess" am 6.2. gegen den Chirurgen, der Christiane Völling verstümmelte, erscheint im schweizer Tages-Anzeiger vom 5. Februar 2008 nebst einem Artikel zum Prozess ein Interview mit Karin Plattner, der Mutter eines zwischengeschlechtlichen Kindes und Präsidentin der schweizerischen Eltern-Selbsthilfegruppe. Darin schildert sie, wie es Eltern und Kind nach der Geburt erging:

Nach drei Wochen sagten uns die Ärzte, von den Chromosomen her sei es ein Knabe, aus dem eher weiblichen Genitale könne man aber nie einen Buben machen. Darum sei eine Geschlechtsanpassung zum Mädchen angesagt.

Als erstes "entnahmen" die Mediziner "einen Monat nach Geburt die Geschlechtsdrüsen [...], die für die Hormonproduktion im Körper verantwortlich sind, weil es hiess, sie sei entartungsgefährdet". Ausser in Ausnahmefällen zwar nicht mit höherer Wahrscheinlichkeit als z.B. Prostata und Brüste bei normalen Männern und Frauen auch. Bloss kriegen das Eltern und Betroffene von Chirurgen nach gängiger Praxis nie gesagt.

das Verrückte war, dass uns die Ärzte lieb zuredeten, das sei operativ kein Problem, man könne da gut ein Mädchen daraus machen, und mit der entsprechenden Erziehung werde alles gut.

So schon mal halb weichgeklopft, sollen die Eltern als nächstes der Zwangszuweisung zustimmen. Doch für einmal kam es anders:

Kurz danach sagte man uns, bald folge der nächste Eingriff am Genitale, um ein richtiges Mädchen aus dem Kind zu machen. Da begann ich Fragen zu stellen. Was heisst das? Gibt es vergleichbare Fälle?

Als ich herausfand, dass es nach der Operation des äusseren Genitales vielleicht nie Gefühle oder Lust empfinden kann, sagte ich, ja hallo, das geht zu weit. Wenn alles nur eine kosmetische Sache ist, kann ich nicht dahinter stehen. Dann soll mein Kind bleiben, wie es ist. Medizinisch ist das in unserem Fall absolut problemlos. Und später kann es selber entscheiden, ob es eine Geschlechtsanpassung machen lassen will oder nicht. [...] Hauptsache, sie fühlt sich wohl!

Auch heute noch haben neugeborene Zwischengeschlechtliche meist weit weniger Glück, sprich werden nach wie vor möglichst rasch dem "gesamten Programm" unterzogen. Und wenn jemals, wie z.B. jetzt vor dem 2. Prozesstag in Köln, in der Öffentlichkeit die Kritik an Zwangsoperationen, Zwangskastrationen und Zwangszuweisungen an Zwischengeschlechtlichen etwas lauter wird, beeilen sich die Mediziner zu versichern, mittlerweile sei das "alles ganz anders", diese grausligen Praktiken längst Vergangenheit. Heute würden die Mediziner nämlich ausnahmsweise auch mal 5 gerade bzw. ein uneindeutiges Genital unoperiert stehen lassen.

Noch ist man von der Anerkennung eines «dritten Geschlechts» weit entfernt. Aber immerhin, sagt der Endokrinologe Primus Mullis, «wächst unter den Ärzten die Bereitschaft, ein unbestimmtes Geschlecht auch einmal sein zu lassen, wenn es sich medizinisch vertreten lässt». Das Magazin 36/2007

Sprich gerade mal dann und nur dann, wenn ausserdem die Elten sich absolut quer und noch dazu auf den Kopf stellen. Und sonst nicht. Menschenrechte? Auch für solche? Wäre ja gelacht!

Kinderpsychiater Dieter Bürgin: «Ein intersexuelles Kind erschreckt uns, weil es unser Weltbild in Frage stellt. Darum besteht das Bedürfnis, möglichst bald eine klare Situation zu schaffen.» Komme hinzu, dass Kinderärzte entsprechende Operationen «als chirurgische Herausforderung sehen».

Eine "Herausforderung", der offensichtlich noch so mancher Mediziner nur allzugern erliegt (sofern es sich nicht um sein eigenes Genital handelt, versteht sich). Immerhin, während Mediziner Schwöbel in der "Rundschau" noch fromm von der "Naturgewolltheit" der Zwangszuweisungen phantasierte, beginnt er mittlerweile verdächtig zurückhaltend zu formulieren -- auffallend eifrig drauf bedacht, den Schwarzen Peter sogleich weiterzureichen:

Marcus Schwöbel, Chefarzt der kinderchirurgischen Klinik Luzern, der bei rund 50 geschlechtszuweisenden Behandlungen beteiligt war, bestätigt dies. «Die Herausforderung ist aber nicht der chirurgische Akt an sich, sondern der Anspruch, für das Kind und seine Eltern den bestmöglichen Weg zu finden.» Es seien meist die Eltern, die dringend wünschten, das Kind einem Geschlecht zuzuordnen, er dränge niemals dazu.

Als ob Eltern generell befugt wären, ihren Kindern nach Belieben Körperteile ab- oder umschneiden zu lassen. "Hallo, Herr Doktor, ich hätte eigentlich lieber ein Kind ohne Arme und Stimmbänder!" -- "Kein Problem, erledigen wir sofort! Endlich mal wieder eine Herausforderung!"

Immerhin, den Pfusch an Christiane Völling finden auch Schweizer Mediziner krass:

Primus Mullis, Professor für Endokrinologie am Inselspital Bern begrüsst den Prozess in Köln: «Es ist eine Katastrophe, was diesem Menschen angetan wurde».

Hauptsache, nicht vor der eigenen Haustüre. Hauptsache, der Fall ist nur ein Einzelfall und es geht nicht ums Prinzip.

Dabei liegt die Menschrechtswidrigkeit der Zwangsoperationen klar auf der Hand und wird kaum zufällig von RechtsprofessorInnen und EthikerInnen seit Jahr und Tag immer wieder betont. Auch in der Schweiz. Die Zürcher Rechtsprofessorin Andrea Büchler, einmal mehr:

«Ein medizinischer Eingriff braucht die Zustimmung der betroffenen Person. In der Regel können die Eltern für ihr Kind zustimmen. Geschlechtszuweisende Operationen aber tangieren die höchstpersönlichen Rechte und dürfen nicht ohne Zustimmung des betroffenen Kindes vorgenommen werden – ausser es ist medizinisch notwendig.»

Der Abschaffung dieser menschenrechtswidrigen Zwangsoperationen könnte nun Christiane Völlings Prozess endlich zum Durchbruch verhelfen. Besonders Chirurgen mit 50, 100, oder gar 200 oder noch mehr Zwangskastrationen und Zwangszuweisungen auf ihrem Gewissen dürften sich im Geist die Rechnung schon mal gemacht haben, was sie ihre gesammelten Sünden in Franken und Euro vor Gericht so etwa kosten könnten ...

«Sollte der Chirurg in Köln für den Eingriff, den er vor 30 Jahren durchführte, verurteilt werden, oder setzt sich die Auffassung von Rechtsprofessorin Büchler durch, müsste die Indikation zu geschlechtsanpassenden Eingriffen neu überdacht werden», sagt Schwöbel.

Nämlich, wie Schwöbel schon in der "Rundschau" verriet, dann müsste er sich in Zukunft zwei mal überlegen, ob eine solche Operation an einem Kind auch wirklich 30 Jahre lang "wasserdicht" sei. D.h. bis die Verjährungsfrist abgelaufen ist.

Auf gut Deutsch: Erst, wenn die Mediziner damit rechnen müssen, dafür gerichtlich belangt und verurteilt zu werden, werden sie keine Zwangsoperationen, Zwangskastrationen und Zwangszuweisungen mehr durchführen. Vorher nicht. Dass die Verstümmelten meist ein Leben lang an den Zwangseingriffen leiden, kümmert sie in der Regel offensichtlich nicht -- oder zumindest zu wenig. In diesem Zusammenhang weiter auffällig, dass bei Zwangsoperationen die im Medizinerbetrieb sonst üblichen Nachuntersuchungen inkl. Erfassung der Sterblichkeit 5, 10, 20 Jahre usw. nach dem Eingriff traditionell ausbleiben. Anders wäre die "eklatant hohe" Behandlungsunzufriedenheit der Zwangsoperierten schon längst publik geworden.

Aktuell gibt es ein einziges Land auf der ganzen Welt, in dem Zwangoperationen für Zwischengeschlechtliche endgültig der Vergangenheit angehören. In Kolumbien beschloss 1998 das oberste Gericht, Zwangszuweisungen seien strafrechtlich zu verfolgen, mit dem Ziel, "Eltern zu zwingen, die Interessen ihrer Kinder über ihre eigenen Ängste und Sorgen um sexuelle Ambiguität zu stellen" (zit. n. Milton Diamond, unveröff. Manuskr., Forum 30.1.08).

Umso wichtiger wäre es, dass der Kölner Richter standhaft bleibt und dem Drängen der Mediziner-Lobby hinter den Kulissen nicht nachgibt. Auch wenn zu befürchten ist, dass er vor den Implikationen einer Verurteilung zurückschreckt und deshalb die Menschenrechte aller Zwangsoperierten auch der Zukunft einmal mehr mit Füssen tritt. Und so aus letztlich finanziellen Gründen ein kolossales Unrecht weiterbestehen lässt, das allein in Deutschland täglich ein weiteres Opfer fordert.

nachtrag:
--> Das ganze Interview jetzt online
--> "Intersexueller [sic!] klagt seinen ehemaligen Arzt an"

Christianes Prozess auf diesem Blog:
- Christiane Völlings Geschichte
- 1. Pressemitteilung
- Demoaufruf 1. Prozesstag
- Bericht 1. Prozesstag
- Pressespiegel 1. Prozesstag
- Warum Christiane Völling zur Transsexuellen gemacht werden soll
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- Bericht und Pressespiegel 2. Prozesstag
- Bericht provisorischer Entscheid OLG
- Bericht definitiver Entscheid OLG
- Pressespiegel definitiver Sieg vor OLG

Monday, February 4 2008

Neuer Artikel über Christiane und den Prozess ...

... in TERZ, der autonomen Stattzeitung für Politik und Kultur in Düsseldorf:

http://www.terz.org/texte/texte_0802/intersexualitaet.html

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Danke!

Thursday, January 17 2008

TV-Tipp: Zwitter Elisabeth Müller im MDR Fr 18.1. 22:45 h / So 20.1. 14:00

Elisabeth an der Zwitter-Demo, Köln 12.12.07 (Bild: Katrin Ann Kunze)

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Der Spiegel nannte sie "Hermaphrodit Müller", sie selber nennt sich auch Zwitter Eli. Sie ist aktives Mitglied im Verein Intersexuelle Menschen e.V., Gründungsmitglied bei den XY-Frauen und setzt sich seit langem für die Belange von zwischengeschlechtlichen Menschen ein. Zusammen mit Michel Reiter trat sie im Film "Das verordnete Geschlecht" auf. Sie ist heute noch eine eingagierte Kämpferin für ein optionales "Drittes Geschlecht" für Zwischengeschlechtliche.

Elisabeth Müller ist morgen Freitag von 22:45 bis 24:00 Uhr in der Sendung "Unter uns" zu Gast und erzählt darüber, wie es sich als Hermaphrodit lebt. Wiederholung So 14:00 bis 15:15.

>>> Podcast der gelungenen Sendung mit Elisabeth (mp3 15.1 MB)

Elisabeth im Deutschlandradio

Das verordnete Geschlecht

MDR Homepage zur Sendung: Seite über Elisabeth (leider inzwischen offline)

Monday, January 14 2008

Aufruf zur Mitarbeit

http://www.intersex-menschen-xyfrauen.de/phpBB2/viewtopic.php?p=987

[leider hatte ich nicht bedacht, dass der obige link nur für registrierte forenbenutzerInnen zugänglich ist. für alle, die aufgelaufen sind, sorry, war latürnich nicht die idee. der erste teil meines posts dort ist eine rekapitulation/einschätzung, wie es zu unserer wikipedia-kritik kam (eins), wie darauf eine diskussion darüber entstand (zwei / drei), die wiederum zu einer konkreten diskussion zum wikipedia-eintrag "drittes geschlecht" führte (vier, ab "Die Wikipedia kann nicht _nur_ euren Standpunkt einnehmen ...), gefolgt von folgenden neuen abschnitten:]

WORUM ES GEHT

betreffend der überfälligen änderung des wiki-eintrags "das dritte geschlecht" redet [wiki-mitarbeiter] franz sich damit heraus, dass die verwendung des begriffs durch schwule z.b. seit 1904 belegt ist, eine frühere verwendung als synonym für zwitter jedoch nicht (auch wenn er immerhin einräumt, dass "es logischer erscheint Intersexuelle als drittes Geschlecht zu bezeichnen").

es liegt also an uns, den beweis/beleg zu liefern. gelingt uns das, haben wir die änderung durch (obwohl dann noch um jedes detail zu streiten sein wird). bringen wir keinen beweis, bleibt abgesehen von ev. detailänderungen alles wies ist. ES LIEGT AN UNS!

sein standpunkt, ohne nachweis keine änderung, ist leider absolut legitim und nachvollziehbar. dass es an uns liegt ihm den nachweis zu erbringen, da wir die änderung wollen, ist leider ebenfalls legitim.

AUFRUF ZUR MITARBEIT!

leider fällt mir bisher keine belegstelle ein. vielleicht aber jemandem von euch? ev. aus dem umfeld preussisches landgesetz, aus der barbin-bio? bitte strengt eure grauen zellen an!

auch für mit bestimmtheit auf uns zukommende zig weitere ähnliche fälle wäre es prinzipiell wichtig, zu versuchen, zeugnisse zusammenzutragen, generell DIE EIGENE GESCHICHTE AUFZUARBEITEN UND DIE ERGEBNISSE ÖFFENTLICH ZUGÄNGLICH ZU MACHEN!

die unsichtbarmachung der zwischengeschlechtlichen in der öffentlichkeit konnte nur so lange aufrecht erhalten werden, weil die zwischengeschlechtlichen bisher in der öffentlichkeit schweigen. ich weiss, es ist für praktisch alle von euch aus naheliegenden gründen noch viel schwieriger, im rampenlicht zu stehen, als für die meisten "normalen". trotzdem, michel reiter war ein anfang, der prozess von christiane ist eine aktuelle chance, zwitter-anliegen zu transportieren.

doch dies darf nicht das ende sein! weitere prozesse/anklagen müssen folgen. für mich als relativ aussenstehenden ist es nur sehr schwer verständlich, dass es nicht längst klagen hagelt, wo konstanze plett doch schon 2001 festhielt, dass eltern zur einwilligung zur kastration gar nicht befugt sind und deshalb nach §1631c BGB JEDE KASTRATION VON MINDERJÄHRIGEN ILLEGAL WAR/IST!

natürlich weiss ich aus eigener erfahrung nur zu gut, dass prozesse gegen mächtige alles andere als einfach sind, dass blinder glaube an die gerechtigkeit der justiz höchst selten belohnt wird, im gegenteil. es braucht dehalb dringend unterstützung der prozesswilligen z.b. durch den verein, ideell, durch vermittlung von anwälten, aber auch finanziell. es braucht öffentlichkeitsarbeit, wir müssen eine schlagkräftige lobby bilden, es braucht politische vorstösse! kurz, die ganze heilige dreifaltigkeit: es braucht druck auf der strasse [und im alltag], es braucht druck in den medien, es braucht druck in der politik! nur so könnt ihr öffentlich respekt einklagen und auch kriegen! so scheisse es ist, in dieser welt ist nichts umsonst, von nix kommt nix!

ES LIEGT AN ALLEN! ES GIBT VIEL ZU TUN, PACKEN WIRS AN!

und wenn wir dabei sind: habt ihr alle schon für christiane gespendet?

nichts für ungut    seelenlos

Tuesday, January 8 2008

Transinter ... galaktisch?



Foto: Tele Züri

Frau Arma Laurani, äh, Laura Armani versetzt mich immer wieder in Erstaunen. So ein 'zwittriges' Wesen ist mir schon lange nicht mehr untergekommen. Einmal so und dann wieder so! Im wahrsten Sinne des Wortes nicht zu fassen ...

Drei Tage nach dem im Magazin erschienenen Artikel über ihr Leben sitzt die Gute dem Moderator Hugo Bigi in der Sendung Talktäglich auf Tele Züri, einem Schweizer Lokalsender, gegenüber. Bigi spricht einführend von einem Tabuthema, das in ähnlicher Form in der Sendung schon behandelt wurde, und meint damit - wen wundert's - den Auftritt von Nadia Brönimann, der bekanntesten Schweizer Transsexuellen (gemäss Leuten vom "Transensyndikat" Bigis Lieblingsthema).

"Ich bin als Hermaphroditin geboren" sagt Frau Armani zu Bigi, und zeitgleich wird "Laura Armani, Transsexuelle" eingeblendet. Huuuch! Bei dieser Synthese muss ja das Herz einer jeden Transsexuellen (von der Sorte, die auf diesem Blog schon gepostet haben) höher schlagen! Endlich! DIE Transsexuelle der Zukunft: man weiss nicht, ob sie ein Zwitter ist oder nur so tut. Das Vorbild aller "Frauen, die mit einem Penis geboren wurden"!

Wie in der Folge des Interviews zum Ausdruck kommt, scheint Frau Armani immer wieder mal massgebliche Details ihrer Geschichte zu verändern (die beispielsweise dazu dienen würden festzustellen, ob sie nun eine Transsexuelle, sprich als 'normaler' Mann geboren, oder wirklich eine Intersexuelle ist). Nachdem ein Foto eingeblendet wird, auf dem Laura Armani (noch in der Männerrolle) mit zwei Kindern zu sehen ist, entspinnt sich nämlich folgender Dialog:

Bigi: "Das ist, da sind zwei Kinder. Sind das deine Kinder?"
Armani: "Ja, also, äh, von meinem Herzen her sind es meine und ich habe sie sehr, sehr gerne."
Bigi: "Ja, aber es sind die Kinder deiner Exfrau."
Armani: "Ja, sie sind von meiner Exfrau, richtig, sie sind von meiner Exfrau, ihre leiblichen Kinder. (...) Ich habe sie einfach mit der Erziehung unterstützt. (...) Auch wenn es nicht, äh, man kann sich vorstellen, wieso sie nicht meine leiblichen Kinder sein können."
Bigi: "Das hast du vorher erklärt."
Armani: "Ja, mit den Hoden, die im Bauch sind, aber es sind trotzdem meine Kinder.

Wie bitte? Im Magazin sprach Frau Armani nämlich noch von den gemeinsamen Kindern mit ihrer damaligen Ehefrau: "Sie schafften es, zwei Kinder zu zeugen, die einzige Lösung waren artifizielle Hilfsmittel, und die Familie im weit entfernten Basel war zufrieden." Was mich schon damals stutzig gemacht hat, sind doch Zwitter unfruchtbar (was Frau Armani als Ärztin doch wissen müsste).

Sehr, sehr eigenartig. Aber das ist offenbar kein Problem, denn weder scheint es den Verfasser des Magazin-Artikels zu stören, noch hat Herr Bigi Frau Armani gefragt, warum sie denn im Magazin noch zeugungsfähig war. Wahrscheinlich hat er das Magazin nicht einmal gelesen oder einfach nicht begriffen, um was es geht, was ja irgendwie verständlich ist bei dem Durcheinander, das die gute Frau Armani da veranstaltet. Glaubwürdiger wird diese Story dadurch sicher nicht. Aber das interessiert die Medien heutzutage eh nicht.

To be continued ...

(Nella 'privat': Dass Frau Armani ihre Kinder - ob nun leibliche oder von Herzen - nicht mehr sehen darf, ist sehr traurig und tut mir leid. Für die Kinder ist es sicher auch sehr schwer, ihre zweite Mutter/ihren Papi nicht mehr zu haben.)

Friday, January 4 2008

XXY - argentinischer Spielfilm über jungen zwischengeschlechtlichen Menschen



XXY, der erste Spielfilm der argentinischen Regisseurin Lucía Puenzo erzählt die Geschichte der fünfzehnjährigen Alex (dargestellt von der Schauspielerin Inés Efron), die anscheinend mit der Diagnose AGS geboren wurde (und nicht mit dem Klinefelter-Syndrom, wie der Filmtitel vermuten lässt und auch wir zuerst irrtümlich angenommen hatten, siehe unten Nachträge). Ihre Eltern haben sich bisher dem Druck zur geschlechtsangleichenden Operation nicht gebeugt. Alex verliebt sich ausgerechnet in den Sohn des Chirurgen, der sie operieren will. Der Film hat in Cannes einen Preis gewonnen und ist in Frankreich, Italien und Spanien bereits letztes Jahr angelaufen. Am 9. Januar 2008 läuft er in der französischsprachigen Schweiz an, am 20. März 2008 (neu: 31. Juli) in der deutschsprachigen Schweiz und am 10. Juli 2008 in Deutschland, wo er schon im November 2007 in Münster am Queerstreifen-Festival lief und im Juni 2008 zudem am Filmfest München zu sehen sein wird.

Wir sind schon mal gespannt auf den Film. Bleibt zu hoffen, dass das Thema "Intersexualität" und die damit verbundenen Anliegen durch diesen Film im öffentlichen Bewusstsein an Bedeutung gewinnen, bzw. dass wir nicht stattdessen dauernd wieder nur Dinge lesen müssen wie "[die Regisseurin] nimmt es dabei aber zum Glück medizinisch nicht allzu genau": "Es geht um Gender"

Trailer mit deutschen Untertiteln

Filmkritiken von SchülerInnen

Homepage der Regisseurin

XXY - der Film: Schweizer Verleiher nimmt Problematik ernst

XXY - Ein menschlicher Film über Zwitter

Schwullesbisches Filmfestival "Pink Apple" missbraucht Zwittersymbol

Einmal mehr: Kölner Frauenfilmfestival setzt "intersexuell" = transsexuell

Nella & Seelenlos


Nachträge: Wie eingangs ergänzt, fielen auch wir prompt auf den irreführenden Titel herein und gingen zunächst davon aus, der Film handle von einem Menschen mit dem Chromosomensatz XXY (Klinefelter Syndrom). Deshalb zuerst unser Erstaunen, da Menschen mit Klinefelter in der Regel als Jungen erzogen werden, sprich Operationen sind kaum ein Thema, im Gegensatz zu den im Film ebenfalls angesprochenen Hormonverschreibungen.

Beim Klinefelter-Syndrom handelt es sich gemäss medizinischer Definition nicht um eine Form der Intersexualität, "da keine Diskrepanz zwischen dem Erscheinungsbild der Genitalien und dem (männlichen) Chromosomensatz besteht", siehe http://www.intersex-forschung.de/glossar.html. (Obwohl ich persönlich mehrere Menschen mit Klinefelter kenne, die sich selbst sehr wohl als intersexuell verstehen.)

Des Rätsels Lösung:

Auf der Homepage der Regisseurin steht im spanischen und französischen Teil (nicht aber im englischen) der offensichtlich erst nachträglich angebrachte Hinweis, Alex' Diagnose sei AGS. (Danke an skywalker für den Hinweis.) Wie eine Internet-Recherche xxy+puenzo+klinefelter zeigt, ein Irrtum, dem noch einige andere mehr ebenfalls aufsitzen ...

Prompt wurde die Titelwahl bereits von der italienischen Klinefelter-SHG Unione Italiana Sindrome di Klinefelter (Unitask) in einer Stellungnahme als irreführend kritisiert, auch wenn Unitask generell die Botschaft des Filmes gutheisst (Teil-Übersetzung aus dem Italienischen):

UNITASK teilt die Botschaft des Films, der sich gegen jegliche Form von sexueller Diskriminierung oder Vorurteile wendet. Obwohl das wissenschaftliche Komitee hervorhebt, dass Puenzo mit grosser Sensibilität die Probleme beschreibt, die für einen Hermaphroditen und dessen Familien entstehen können, ist das wissenschaftliche Komitee der Ansicht, dass der Titel "XXY, Männer, Frauen oder beides?" total irreführend sei und eine schwerwiegende Verzerrung der medizinischen Realität von Klinefelter-Menschen darstelle, in dem der Film einen Kausalzusammenhang zwischen zwei Syndromen herstellt, der auf der biologischen Ebene absolut nicht existiert und auf der psychologischen Ebene für Patienten, ihre Familien und vor allem die Jugendlichen und Schwangeren mit Pränataldiagnose XXY sehr gefährlich ist.

Die obigen kurzen wissenschaftlichen Betrachtungen erlauben es, die komplette Widersprüchlichkeit dessen aufzuzeigen, die durch den Film suggeriert wird. Umso schlimmer und schädigender für die Würde und die Charakterisierung einer Person mit Klinefelter, zumal die Regisseurin sich in den Interviews auf eine medizinisch-wissenschaftliche Dokumentation bezieht, die besagt, dass "Intersexualität (worunter das Klinefelter-Syndrom bekannt ist) eine mutmassliche genetische Anomalie ist, bei der männliche Gene (XY) und weibliche Gene (XX) sich verbinden, was dazu führt, dass es zu einer gleichzeitigen Bildung von männlichen und weiblichen äusseren Geschlechtsorganen bei derselben Person kommt ...".

Offenbar hat die Regisseurin trotz guter Absichten zum Teil ihre Hausaufgaben nicht oder nur mangelhaft gemacht. Auch auf deutschsprachigen IS-Foren heissts:

Wie im anderen Forum schon gesagt, ist der Titel missverständlich. Er versucht wohl auf provokante Weise die Symbole XX=Frau/XY=Mann zu verbinden und meint nicht das Klinefeltersyndrom. (claudia auf dem xy-forum)

Es wäre daher wünschenswert, dass die deutschsprachigen Vertriebe des Films in ihrer Pressearbeit zum Filmstart auf diese Diskrepanzen hinweisen bzw. sie richtig stellen, damit Betroffene keinen Schaden erleiden und die offenbar an sich positive Botschaft des Films wirklich zum Tragen kommt.

Bisher siehts damit jedoch mau aus. Auf der Website des deutsch-CH-Vertriebs trotz Hinweis etwa heisst's nach wie vor (Stand 10.1.08):

Alex ist fünfzehn – und aufgrund des seltenen Chromosomensatzes XXY ist sie beides: Junge und Mädchen.

Aua. Höchste Zeit, dass die Verleiher und Medien allerorts ihre Verantwortung wahrnehmen. Bevor einmal mehr Betroffene leiden müssen -- für einen Werbegag. Bitte nicht. Marketing auf Kosten Betroffener liegt nicht drin. Auch wenn der Film selber gute Intentionen und Anliegen hat. Noch ist es nicht zu spät.

Nachtrag: Wir haben unterdessen die Verleiher in der Deutschschweiz und in D angeschrieben (siehe Kommentare unten). Die Zuständigen sind aber aktuell unterwegs oder waren in den Ferien und hatten noch keine Zeit ... Ebenso deutschsprachige Klinenfelter-Syndrom- und AGS-Selbsthilfegruppen. Die Deutsche Klinefelter-Syndrom Vereinigung e.V. hat sich bereits mit dem deutschen Verleiher in Verbindung gesetzt, wie der 1. Vorsitzende in einer E-Mail vom 20.1.2008 schreibt. Auch der Verein Klinefelter-Syndrom Schweiz hat sich des Problems angenommen: http://www.klinefelter.ch/aktuell_.html. Desgleichen die österreichische SHG: http://klinefelter.at/aktuell.htm. Wir beiben in Kontakt.


XXY auf zwischengeschlecht.info:
      

XXY - Ein menschlicher Film über Zwitter

XXY - der Film: Schweizer Verleiher nimmt Problematik ernst

Berichte zum Deutschlandstart von "XXY"

Schwullesbisches Filmfestival "Pink Apple" missbraucht Zwittersymbol

Einmal mehr: Kölner Frauenfilmfestival setzt "intersexuell" = transsexuell



Nachtrag 10.2.08: Der CH-Verleih Xenix-Film hat inzwischen reagiert und den oben zitierten fragwürdigen Text auf der Homepage abgeändert zu:

Alex ist fünfzehn – und trägt ein grosses Geheimnis in sich.
Aufgrund einer seltenen Laune der Natur ist sie beides: Junge und Mädchen.

Zudem erstellten wir in Koordination mit den Klinefelter-SHGs ein Glossar, das die Diskrepanzen des Filmtitels erläutert und richtig stellt, dieses ist nun Bestandteil der Pressemappe (mehr dazu im Update hier). Danke!

Nachtrag 29.2.08: Nachdem der CH-Filmstart in der Zwischenzeit auf den 10. April 2008 verschoben wurde, ist er nun erneut verschoben worden, und zwar auf den 31. Juli 2008.

--> Fortsetzung ...


Wednesday, January 2 2008

Rundschau: Unsichtbarmachung von Zwischengeschlechtlichen wie gehabt

Die Zwitter Medien Offensive™ wird trotzdem siegen!

Video angucken: Beitrag "Weder Mann noch Frau"


Der Beitrag der Schweizer Rundschau vom 19. Dezember 2007 über das Thema "Intersexualität" zeichnet sich durch eine Berichterstattung aus, die ohne reisserische Elemente über "Intersexualität" informiert. Durch den Einbezug der Perspektive nicht nur von Zwischengeschlechtlichen, sondern auch von Eltern mit einem "intersexuellen" Kind sowie Medizinern und Juristinnen wurde der gesellschaftlichen und insbesondere der ethischen Relevanz der Thematik Rechnung getragen.

Dennoch trägt dieser Beitrag letztendlich einmal mehr zur Unsichtbarmachung von uns Zwischengeschlechtlichen bei, da das zentrale Element, nämlich Hinweise auf die Selbsthilfegruppen und Organisationen der Betroffenen,  (bewusst?) ausgeklammert wurden. Obwohl die Journalistin mir mündlich versprochen hatte, dass dies wichtiger Bestandteil des Beitrags sein werde.

Konkret:

Trotz mündlicher Vereinbarung mit der Rundschau wurde keinerlei Hinweis (weder gesprochen noch als Aufnahme) auf meine seit Jahren bestehende Internetpräsenz und Anlaufstelle für intersexuelle Menschen in der Schweiz intersex.ch gemacht, was es interessierten Menschen ermöglicht hätte, sich zu informieren und in Kontakt zu treten.

Unerwähnt blieb auch die Tatsache, dass die im Beitrag auftretenden zwischengeschlechtlichen Menschen seit mehreren Jahren in Selbsthilfegruppen organisiert sind (xy-frauen.de, intersex.ch, intersex.at) und dass vor einigen Jahren als Dachverband der Verein Intersexuelle Menschen e.V. gegründet wurde, dem auch ich angehöre.

Es wurde zwar die Demonstration vom 12.12.2007 vor dem Landgericht Köln gefilmt. Dass ich die Demo im Namen des Vereins Intersexuelle Menschen e.V. organisiert habe, wurde jedoch nicht erwähnt. (Auch "Planetopia" auf Sat1 verschwieg übrigens den Verein als Organisatorin der Demo. Immerhin steht auf der Homepage ein Link zur AGS-Selbsthilfegruppe - bezeichnenderweise an letzter Stelle nach der Hamburger Intersex-Forschergruppe und der Deutschen Gesellschaft für Transsexualität und äh Intersexualität DGTI e.V.)

Der Auslöser der ganzen Geschichte bzw. der Anlass für die Rundschau, überhaupt mit mir Kontakt aufzunehmen, war notabene eine Pressemitteilung, die ich im Namen der Selbsthilfegruppe intersex.ch und als Mitglied von Intersexuelle Menschen e.V. und XY-Frauen an die Medien versandt hatte.

Speziell hintergangen fühle ich mich durch die Tatsache, dass das Interesse an der Darstellung meiner Öffentlichkeitsarbeit und an den Selbsthilfegruppen durch wiederholte Aufnahmen davon während des Drehs suggeriert und durch Versprechungen bekräftigt wurde, letztendlich jedoch absolut nichts von diesem Material Bestandteil des Beitrages war. Dabei hatte ich meinerseits verschiedentlich Zugeständnisse gemacht und mich ihren Wünschen angepasst, z.B. Kindheitsfotos, Nennung meines vollen Namens.

(Auch meine Mitstreiterin Nadja outete sich lediglich mit vollem Namen, weil sie ebenfalls davon ausging, dass unsere Organisationen und Selbsthilfegruppen genannt werden, und fühlt sich deshalb auch hintergangen.)

Auch meine Bitte, diese Organisationen wenigstens nachträglich auf der Rundschau-Homepage zur Reportage zu erwähnen, wurde abschlägig beurteilt.

Ich frage mich, ob dieser "Lapsus" auch passiert wäre, wenn die Demo von der Schweizerischen Schwulenorganisation PINK CROSS, einer Gewerkschaft, Feministinnen oder der Schweizerischen Multiple Sklerose Gesellschaft organisiert worden wäre ... aber eben ...

Tuesday, December 25 2007

Etwas Solidarität mit Intersexuellen, bitte ...


[das ist das erste posting, das von meinem freund seelenlos unter eigenem autorenkonto hier erscheint. wir haben schon vorher gemeinsame postings verfasst. seelenlos ist ein "normaler" XY und hat mich bei der entstehung dieses blogs und auch mit der vorbereitung der demo für christiane sehr unterstützt. ohne ihn hätte ich das alles wohl nicht geschafft. danke und willkommen! - nella]



einmal mehr wird auf indymedia ein artikel über zwitter von transexuellen dazu benutzt, werbung in eigener sache zu betreiben, auch mittels diffamierender vorwürfe ("halbwahrheiten"), während andrerseits auf das auch allerkleinste zeichen von solidarität mit der alles andere als einfachen situation z.b. zwangsoperierter intersexueller (bewusst?) verzichtet wird.

die meisten zwischengeschlechtlichen menschen haben ein starkes und legitimes bedürfnis, sich gegen transsexuelle abzugrenzen. die individuellen begründungen sind so vielfältig wie die "intersexuellen" selbst und ihre erfahrungen mit menschen, die sich als "transsexuell" bezeichnen, aber alles andere als pauschal und unreflektiert. nachfolgend einige auszüge mit links zu den vollständigen texten:


Was ist der Unterschied zu „Transsexualität“?
 
Menschen mit nicht eindeutigem Geschlecht dürfen nicht mit Transsexuellen verwechselt werden, die biologisch eindeutig Mann oder Frau sind. Transsexuelle leiden darunter, dass ihr körperliches Geschlecht nicht mit ihrer Geschlechtsidentität übereinstimmt.
 
Presseheft "Tintenfischalarm"



Intersexuelle Menschen? DSD ? Freigeschlecht? Zwischengeschlechtlich?

[...] Ich lehne den Begriff "Intersexualität" schon deshalb ab, weil er in der deutschen Sprache mit SEX bei Unaufgeklärten falsche Assoziation auslöst. Mit Sex (und es ist mir bewußt, dass das im Englischen " Geschlecht" ist) hat der Zustand der Zwischengeschlechtlichkeit nichts zu tun.

Der Gipfel medizinischer Pathologisierung mündet im Begriff DSD. Die Disorder zeigt die Absicht. Es wird zwar behauptet, es wäre die Besonderheit gemeint, es wird aber als Störung definiert. [...]

Um die Paralleldiskussion zur Transsexualität auf zu nehmen.... Auch zu dieser Gruppe sind wir nicht dazugehörig. Viele intergeschlechtliche Menschen wurden aus Beweggründen die in der Pathologisierung der Besonderheit und aus ideologichen Gründen, die ihre Ursprünge im nationalsozialistischem Gedankensumpf ihren Ursprung haben, transsexualisiert, verschnitten und kastriert. Schon aus Gründen der Gewalt, die diese Gruppe zulassen muss, führen für mich zur Ablehnung. Ich lehne diese Menschen nicht ab, dass dies klar ist, aber ich fühle mich der Gruppe nicht zugehörig.

Ich bin auch kein "Freigeschlecht", denn ich habe keine Wahl, ich bin schon.

Ich fühle mich wohl in der großen Gemeinde der inter- und zwischengeschlechtlichen Menschen. Das tut mir nicht weh, zwischengeschlechtlich geboren zu sein, das läßt mir Luft für meine eigene sexuelle Orientierung, meine Identität. Intergeschlechtlicher Mensch als Teil der Spezies Mensch....

nolderot auf http://zwitter.twoday.net/stories/4304666/



Revision "Problem Zwischengeschlechtlickeit"
Diese Grafik ist meine persönliche Hypothese. Ich stelle keinen Anspruch auf Gültigkeit meiner kleinen persönlichen Meinung. Sie spiegelt eben die Meinung eines Biozwitters wieder. [...]

Ja, es ist sehr unschön, wenn ein Mensch, der mit eindeutigen Genitalien geboren wurde, sich aber durch chemische Wundermittelchen in einen Zustand von Zwittrigkeit katapultiert hat, behauptet, dass er mehr intersexuell ist als ein AIS Mensch, der sich als Frau fühlt und auch also solche lebt. Immerhin liegen zwischen den Erfahrungen, seien es im medizinischen, psychischen wie auch familiären Bereich Welten.
Heute gehe ich von der Grundannahme an, dass auf psychologischer Ebene jedes Kind als intersexuell zur Welt kommt. Was einen zum Mann oder zur Frau macht sind viele Faktoren. Zum Beispiel genetische und hormonelle Faktoren, jedoch genauso die Identifikation mit dem eigenen Geschlecht, die missbrauchte Kinder jedoch oft nicht machen, gesellschaftliche Faktoren, die sich auf die Umwelt, die Erziehung und die geschlechtliche Prägung des Kindes auswirken und so schlußendlich einen Menschen Formen, der seine Geschlechtlichkeit lebt bzw. auslebt. Vieles kann dazu Beitragen, dass sich jemand nicht mit seinem körperlichen Geschlecht identifizieren kann und sich so zum trassexuellen Menschen entwickelt.

[...]

Ist das nun alles eine Frage der eigenen Emazipation und Toleranz? Sind transsexuelle Frauen die besseren Feministinen? Sind 'Pseudointersexuelle' die besseren Intersexuellen? Sind Transmänner die männlicheren Männer? Reden Transfrauen mit normalen Frauen über ihre in der fantasie existierende Menstruation?
Ja, 'pseudohermaphroditismus masculins bzw. feminus', eine unschöne Bezeichnung für keine 'echten Hermaphroditen' wie ich laut altem Lehrbuch auch einer bin.
Vielleicht finden wir ja doch noch eine neue Verwendung für diesen lateinischen Begriff um uns erneut von anderen abzugrenzen.

Heute weiß ich woraus mein Transsexuellenhass resultiert.
Es ist wohl doch ein Mix aus Angst vor dem Fremden und etwas Neid gewesen der mich vor über einem Jahr dazu veranlasste diesen Beitrag zu schreiben.
Vielleicht würde ich heute das Gespräch suchen, wenn sich wieder jemand als 'psychisch intersexuell' bezeichnend Anschluss sucht. Vielleicht würde ich klarer herausarbeiten was Intersexualtät ist und um was es geht und dass es doch eigentlich etwas ist, von dem ein Fünkchen wohl in jedem Menschen steckt, doch nur wenige werden auch mit körperlich uneindeutigen Geschlechtsorganen geboren und erleben so ihre Intersexualtät anders und intensiver als jemand, der meint, dass er sich auch als Zwitter fühlt.

interlife auf http://livingintersex.twoday.net/20060826/



Intersex-Aktivismus, Transgender und die Koalitionsfrage

[...] Da der Begriff Transgender einmal als Umbrella-Term für all jene, die ihre Geschlechtszuweisung bei der Geburt als nicht bindend empfinden, gebraucht wird, aber eben auch als identitäre Selbstbeschreibung für nicht-binäre Geschlechter, kommt es selbst innerhalb der Queer Community oft zu Verwechslungen, indem Transgender mit Transidentität oder Transsexualität gleichgesetzt wird.
Dies ist falsch: Transsexuelle oder Transidente werden zwar unter dem Oberbegriff Transgender gefasst, allerdings wollen diese von einem Geschlecht in ‚das andere’ hinüberwechseln. Dazu gibt es in Deutschland auch rechtlich mit dem Transsexuellengesetz (TSG) die Möglichkeit. Transgender (als Identitätsbegriff) bezeichnet Menschen, die sich jenseits von oder zwischen männlich/weiblich verorten. Einige wollen ihren Körper mittels Hormonen oder Operationen verändern, andere nicht.

Intersex kommt hier erst einmal gar nicht vor, da die Problematik eine ganz andere ist. Einmal handelt es sich meistens um Kleinkinder oder Jugendliche, die ungefragt und von Außen einem Geschlecht zugewiesen werden. Erwachsene Intersexuelle sehen oft auch keinen Zusammenhang mit Trans, teils aus einer bewussten Abgrenzung heraus, da es eben zu den genannten Verwechslungen kommt, aber auch, um die eigene Erfahrung sichtbar zu machen. [...]

Wenn bei Transidenten Intersexualität festgestellt wird, vereinfacht sich der Weg des TSG, da die Gutachterpraxis wegfällt. Also ist aus der Sicht von Psychologen und Medizinern ein ‚biologischer Grund’ die ‚bessere’ Rechtfertigung für die Entscheidung eines Menschen, sein Geschlecht zu ändern. Vielleicht aus einem ähnlichen Grund wird in Transkreisen immer häufiger von Trans als psychischer Intersexualität und durch Hormongaben und Operationen „gemachten" Intersexkörpern gesprochen.
Dies ist aus Transgendersicht vielleicht verständlich [...]. Doch aus der Sicht von zurechtoperierten Zwittern ist eine Aneignung von medizinischen Labels eher fragwürdig bis kontraproduktiv [...]. Ebenso entstehen dadurch in der Öffentlichkeit weitere Missverständnisse und Vorurteile. [...]

Die Eingliederung des „I“ in LGBTQ

In den USA wird diskutiert, welche Probleme die Eingliederung von Intersex in Queer/Homo/Trans-Politiken mit sich bringt. Da es meist die Eltern sind, die sich mit dem Geschlecht ihres Kindes auseinandersetzen müssen, besteht die Gefahr in der Vorstellung, Intersexualität hätte etwas mit Homo- oder Transsexualität zu tun, so dass diese (homophoben und transphoben) Eltern umso schneller ihr Kind „normalisieren" lassen wollen und sich für chirurgische Eingriffe entscheiden.
Ein weiterer Einwand ist, dass eine Eingliederung von Intersex in LGBT noch nicht garantiert, die besonderen Probleme um Intersex auch zu thematisieren und Ressourcen für Hermaphroditen zu schaffen. Insbesondere die grundsätzlichen Fragen der Menschenrechte um die körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung könnten in den allgemeineren Forderungen der LGBT zu Antidiskriminierung und Homo-Ehe eher untergehen. [...]

Natürlich gibt es auch Gemeinsamkeiten: [...] Allein aus diesem Grund wäre eine gemeinsame Politik (zumindest an diesen Schnittstellen) von Homo/Queer/Trans/Inter und weiteren marginalisierten Gruppen wünschenswert und notwendig.

ins a kromminga auf http://www.genderfreenation.de/gfnneu/texts.html >>> im menü links auf "TRANS-INTER-KOALITIONEN?" klicken.



Kommentar bei "Die Rede von der psychischen Intersexualität"

Der Beitrag von Tina tut weh, zeigt jedoch die Problematik genau auf: Auf der einen Seite werden körperliche Veränderungen herbei gewünscht und werden mit allen Mitteln erkämpft, auf der anderen Seite kämpfen wir zwischengeschlechtlichen Menschen für die körperliche Unversehrtheit. Uns könnte der Kampf um Würde und Selbstbestimmung verbinden. Aber...
Claudia Langs Buch als Schwachsinn zu bezeichnen zeugt allerdings von provokanter Streitsucht. Und von einem Niveau, auf das ich mich als Zwischengeschlechtlicher nicht herunter begeben werde. Mit Beiträgen, die dem von Tina ähneln, erstickt man jede Annäherung. Und wenn nichts mehr hilft, wird auch noch die Praktik der Nazis beschwörend herbei zitiert. Tina, du hast den Knall nicht gehört: Zwitter wurden auch im 1000jährigem Reich vernichtet... Da hat keine Gruppe ein Exklusivrecht drauf.

Also : gehe jeder seiner Wege und setzte seinen Kampf fort. Einen weiteren Kontrollverlust wird kein denkender traumatisierter zwischengeschlechtlicher Mensch zulassen.

lucie auf https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2007/12/11/Die-Rede-von-der-psychischen-Intersexualitat#c5993074


diese abgrenzung zwischengeschlechtlicher menschen gegen transsexuelle geschieht (wie auch in den oben verlinkten texten beschrieben) aus zwei gründen:

1. viele transsexuelle werfen (zwangsoperierten!!!) zwischengeschlechtlichen vor, sie hätten's ja eigentlich gut, da sie nicht um operationen zu kämpfen brauchten -- auch hier auf diesem blog (!!!): "Ist ja auch kein Problem, wenn man selbst als Intersexuelle/r anerkannt ist und nicht um medizinische Maßnahmen kämpfen muss." ein vorwurf, den auch die regelmässig hier kommentierende kim (die zwischendurch auch als "anja" unterzeichnet) "als selbst Betroffene, tatsächlich nachvollziehen" kann ( trotz der "ersteinmal sehr heftigen äusseren Form").

ähem,  es gibt dinge, die sind wohl mehr als nur "sehr heftig", sondern schlicht jenseits. einem genital zwangsoperierten menschen (noch dazu auf einem IS-blog) zu sagen, eigentlich müsse sie froh sein, dass sie problemlos zwangsoperiert und -kastriert wurde, gehört definitiv dazu, auch für mich als "normaler" XY. kein wunder, halten sich zwischengeschlechtliche menschen vorzugsweise in geschlossenen foren auf.

2. praktisch allen zwischengeschlechtlichen menschen stösst es sauer auf, dass sie in den medien und in der öffentlichkeit regelmässig mit transsexuellen "verwechselt" werden. nicht zuletzt, weil viele transsexuelle das label "intersexuell" kurzerhand für sich selbst beanspruchen, desgleichen auch das zwittersymbol. wie z.b. kim nebst auf indymedia u.a. auch in einem artikel in der taz über lucie (unten auf "kommentare klicken) und last but not least regelmässig auch hier auf diesem blog. zum zwittersymbol vgl. z.b. das logo von kims transsexuellen-homepage. (nachtrag 28.2.08: das logo wurde inzwischen geändert. danke!)

deshalb: wie wärs zur abwechslung mal mit etwas einfühlungsvermögen in die anliegen intersexueller, hier und auch anderswo? oder gar ein kleines zeichen von solidarität? bitte, nur ein kleines bisschen? danke.

(offensichtlich ein anliegen, das mitunter auf taube ohren stösst, wie in den kommentaren des erwähnten indymedia-artikels, wo die ursprüngliche fassung dieses texts zuerst stand, anschaulich verfolgt werden kann ...)



Saturday, December 22 2007

Teledoktor redet Klartext

Die Zwitter Medien Offensive™ war schon da!

Auf dem Hermaphroditforum entdeckt: Teledoktor Aart Gisolf erklärt anschaulich, was "Intersexualität" ist und gibt den Eltern vernünftige Tipps. Und das ist jetzt für einmal nicht ironisch gemeint. Der Beitrag ist streckenweise angestrengt didaktisch, aber die Botschaft (einziger Tiefpunkt: die "Fehlentwicklung") könnte sich so mancher Medizyner als Leitmotiv hinter die Ohren schreiben.


Sendung auf ARD Buffet vom 15.06.2007.

Hier auch als Text.

Thursday, December 20 2007

Pressespiegel 12.12.07

Bild: Die Linkszeitung

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Der Prozess und die Demo in Köln brachten eine noch nie dagewesene Resonanz in der Öffentlichkeit zum Thema genitale Zwangsoperationen an Zwittern. Bleibt zu hoffen, dass dies (nach dem Kampf von Michel Reiter um Anerkennung des Geschlechts "Zwitter" in München, der Ausstellung 101-intersex in Berlin und einigen Dok-Filmen aus D und A, z.B.  "Tintenfischlarm") lediglich der Anfang war ...

AUSGEWÄHLTE ARTIKEL PRINT / ONLINE:


Totaloperation ohne Einwilligung? Patientin verklagt Operateur

"Warum der Operateur Völlings Eierstöcke und Gebärmutter damals in 1977 in einer Kölner Klinik entfernte, anstatt die offensichtliche Fehldiagnose auf entartete Hoden in Frage zu stellen und Völling vom Fluch der irrtümlichen Zwangszuweisung zum männlichen Geschlecht zu befreien, ist unklar. Der Beklagte war beim Verhandlungstermin nicht anwesend. Laut seinem Anwalt kann er sich nicht mehr an den damaligen Vorgang erinnern, die Akte mit dem OP-Bericht ist verschwunden."

"Die fehlende Aufklärung und die folgerichtig ebenfalls fehlende schriftliche Einwilligung Völlings in die OP sind die zentralen Punkte der Klage, die Richter Reiprich nun beschäftigt, und die möglicherweise einen Präzendenzfall schafft."

"„Hier wurde ein Volljähriger ohne Wissen und ohne Aufklärung verstümmelt“, bringt er die Tatsachen auf den für die Gegenseite wunden Punkt, an dem es kein Vorbei gibt, und hebt den „entscheidenden Hinweis des Vorsitzenden Richters“ hervor, dass „schon die Verletzung der Aufklärungspflicht urteilsrelevant“ sei."

"Umso drängender fordern die Betroffenen, von denen einige am 12. Dezember vor dem Landgericht demonstrierten, dazu auf, mit der gängigen Praxis der zwanghaften, oft chirurgisch unterstützten Geschlechtszuweisung Schluss zu machen."

Die Linkszeitung, 16. Dezember 2007



Intersexuelle kämpft für Selbstbestimmung

"Für die Klägerin sowie für die schätzungsweise zwischen 80 000 und 100 000 in Deutschland lebenden Intersexuellen geht es jedoch darum, dass nicht andere, wie etwa Hebammen, Ärzte oder Eltern, die Entscheidung zwischen A und B fällen. Sondern dass Selbstbestimmtheit möglich wird, sofern es die gesundheitliche Situation zulässt; dass der Mensch selbst entscheidet, ob er Mann, Frau oder Zwitter sein möchte."

Der Westen, 12. Dezember 2007



Intersexualität - was heißt das?

"Nach Schätzungen leben in Deutschland bis zu 100000 Kinder, Jugendliche oder Erwachsene mit uneindeutigem Geschlecht oder abweichender Geschlechtsidentität. Mediziner und Selbsthilfegruppen sprechen von einem sehr komplexen Phänomen und einer Vielzahl von Varianten und Erscheinungsformen."

"Intersexualität hat nichts zu tun mit Transsexualität oder Transvestiten. Transsexuelle haben eindeutige Geschlechtsmerkmale, wollen aber ihr Geschlecht ändern. Transvestiten fühlen sich in der Kleidung des anderen Geschlechts wohl."

Ruhr Nachrichten, 12. Dezember 2007



Prozess ohne Beispiel

"Viele medizinische Fehler. Rechtsanwalt Georg Groth sagte, der beklagte Chirurg sei nicht der alleinVerantwortliche für das Schicksal seiner Mandantin. Von Geburt an habe es eine Reihe von medizinischen Fehlern gegeben. „Aber der Beklagte ist ein wesentliches Glied in der Kette und hat das gefährliche OP-Besteck geführt“, betonte Groth. Wegen der Verjährungsfristen könne nur noch der Chirurg belangt werden, der den Eingriff im Jahr 1977 vorgenommen habe."

"Es müsse geklärt werden, ob die damals 18-Jährige ausreichend aufgeklärt und über Alternativen zur OPinformiert worden sei. Ihr sei „bewusst verschwiegen worden“, dass sie vom Chromosomensatz her eindeutig weiblich sei."

Ruhr Nachrichten, 12. Dezember 2007

[Obige 2 Artikel basieren auf einer dpa-Pressemeldung, die in Dutzenden von Zeitungen abgedruckt wurde.]



Durch OP zum Mann gemacht: Krankenpflegerin verklagt Arzt

"Nach einem jahrelangen Leidensweg als Zwitter und einem unfreiwilligen Leben als Mann hat eine Krankenpflegerin einen Chirurgen in Köln verklagt. In dem bundesweit beispiellosen Fall verlangt die 48 Jahre alte Klägerin 100.000 Euro Schmerzensgeld, da der Arzt ihr vor 30 Jahren intakte Eierstöcke und Gebärmutter ohne vorherige Aufklärung entfernt habe. Das warf die Frau dem ehemaligen Mediziner einer Kölner Klinik zu Beginn des aufsehenerregenden Zivilprozesses vor dem Kölner Landgericht vor. Das Gericht sprach von einem besonders schwierigen und problematischen Fall."

n-tv, 12. Dezember 2007



Das verordnete Geschlecht  [ähm, eigentlich der Titel eines Dok-Films über Michel Reiter und Elisabeth Müller 2001]

"Sie wurde als Junge erzogen, und erst 17 Jahre später stellten die Ärzte fest, dass sie zwei X-Chromosomen hat, also weiblich ist. Trotzdem entnahm man ihr ein Jahr später Gebärmutter und Eierstöcke. Und man gab ihr Hormone, damit sie weiter zum Mann wurde."

"Selbsthilfegruppen sehen den Prozess nun als Präzedenzfall. Auch anderen wurde ein Geschlecht zugeteilt, das ihnen ein Leben lang fremd blieb."

Süddeutsche, 12. Dezember 2007



Ein Leben lang im falschen Körper

"Allerdings gibt es da noch einen Brief vom 5. Juni 1979, in dem der Chirurg sich an die Musterungsstelle der Bundeswehr wandte – mit der Bitte, Völling nicht einzuziehen, weil dieser "genotypisch weiblich ist". "Völling", so schrieb der Arzt damals weiter, "ist aber über das Ausmaß der Erkrankung noch nicht vollständig informiert worden". Die Diagnose solle dem Patienten deshalb "auf keinen Fall mitgeteilt werden"."

Wiener Zeitung, 12. Dezember 2007



Frau erwachte nach OP als Mann

"In einem Zivilprozess fordert eine 48-jährige Krankenpflegerin, die bei ihrer Geburt fälschlicherweise als Junge eingestuft wurde und auch so aufgewachsen war, von einem Chirurgen Schmerzensgeld in Höhe von 100 000 Euro. Der Mediziner hatte 1977 der damals 18-Jährigen Eierstöcke und Gebärmutter entfernt. Die Klägerin wirft ihm vor, sie nicht umfassend über die Folgen des Eingriffs und alternative Möglichkeiten aufgeklärt zu haben, wie Justizsprecher Dirk Esser mitteilte."

20minuten (Schweiz), 13. Dezember 2007

[Artikel basiert auf einer AP-Pressemeldung, die in mehreren Zeitungen abgedruckt wurde.]



FERNSEHEN / CLIPS:


"Weder Mann - noch Frau"
WDR, 12. Dezember 2007

"Zum Mann operiert"
Planetopia, Sat1, 16. Dezember 2007

"Das dritte Geschlecht: Intersexuelle klagen vor Gericht"
Rundschau, SF1, 19. Dezember 2007




RADIO:


WDR5 Leonardo




DIE ORIGINELLSTEN SCHLAGZEILEN:


Zwitter-Demo: „Schluss mit genitalen Zwangsoperationen“
Express

Kölner Prozess lenkt Blick auf Zwitter
Amerika Woche

Geschlecht: Fragezeichen
Focus

Zwitter-Prozess: Ärzte operierten mich gegen meinen Willen zum Mann
Bild



AUSLÄNDISCHE MEDIEN:


Spiegel-Bericht vom 19.11.2007 auf polnisch:
I Bóg stworzył trzecią płeć...
onet.pl [inzwischen offline] [Kopie hier]


Deutsche Welle Bericht vom 12.12.2007 auf englisch:
German Gender-Assignment Case Has Intersexuals Hopeful
Deutsche Welle


Bericht auf chinesisch:
德國雙性人打贏性別官司
chinesenewsnet.com



nella & seelenlos


Christianes Prozess auf diesem Blog:
- Christiane Völlings Geschichte
- 1. Pressemitteilung
- Demoaufruf 1. Prozesstag
- Bericht 1. Prozesstag
- Pressespiegel 1. Prozesstag
- Warum Christiane Völling zur Transsexuellen gemacht werden soll
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- Bericht und Pressespiegel 2. Prozesstag
- Bericht provisorischer Entscheid OLG
- Bericht definitiver Entscheid OLG
- Pressespiegel definitiver Sieg vor OLG

Tuesday, December 18 2007

Zwitter-Demo in der "Rundschau" und auf "Planetopia"

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Am Mittwoch, 19.12.2007 um 20:50 Uhr kommt in der Sendung "Rundschau" im Schweizer Fernsehen 1 ("Weder Mann noch Frau") (>>> Video: hier oder ins Bild klicken) eine ausführliche Reportage über den Prozess und die Demo am 12.12.2007 in Köln.

Nachtrag: Obwohl der Beitrag ohne reisserische Elemente und informativ daher kommt, wurde typischerweise jeder Hinweis auf Betroffenengruppen systematisch ausgeklammert, obwohl z.B. der Verein Intersexuelle Menschen e.V. die Demo organisiert hatte, und die Rundschau überhaupt erst auf Nella aufmerksam wurde durch eine von ihr unterzeichnete hochoffizielle Pressemitteilung. Auch für kommerzielle Medien gilt offensichtlich: Macht wird nicht gerne aus den Händen gegeben, schon gar nicht an Betroffene ... >>> mehr

Bereits am letzten Sonntag gab es in der Sendung Planetopia auf Sat1 einen Bericht. Die Sendung kann theoretisch online angeschaut werden (praktisch funktioniert's auf meinem Computer aber leider nicht?! Nachtrag: benötigt Windows Media Player Plug-in). Ausserdem gibt's den Film auch als Homepage zum Lesen.

Nachtrag:
Auch bei Planetopia kommen Betroffenenorganisationen – wenn überhaupt – dann an letzter Stelle. So ist unter "Internettipps" einzig die AGS-Selbsthilfegruppe aufgefürt, jedoch nicht Intersexuelle Menschen e.V., welche z.B. die Demo organisierten, und auch die AGS-Selbsthilfe bezeichnenderweise an allerletzter Stelle nach (ausgerechnet!) der Hamburger Intersex-Forschergruppe und der Deutschen Gesellschaft für Transsexualität und äh Intersexualität DGTI e.V. ...

Siehe auch:
- Rundschau: Unsichtbarmachung von Zwischengeschlechtlichen wie gehabt 

Christianes Prozess auf diesem Blog:
- Christiane Völlings Geschichte
- 1. Pressemitteilung
- Demoaufruf 1. Prozesstag
- Bericht 1. Prozesstag
- Pressespiegel 1. Prozesstag
- Warum Christiane Völling zur Transsexuellen gemacht werden soll
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- Bericht und Pressespiegel 2. Prozesstag
- Christiane: Der Kampf geht weiter
- Bericht provisorischer Entscheid OLG
- Bericht definitiver Entscheid OLG
- Pressespiegel definitiver Sieg vor OLG
- Zwitterprozess: Verurteilter Chirurg will nicht zahlen!  
- Merkel & Co: Einladung zum Zwitterprozess!
- Zwitterprozess: Verurteilter Chirurg als Gutachter für Behandlungsfehler   
- "Schmerzensgeld-Prozess" - Sat1 NRW 19.5.09
- 3. Prozesstag 20.5.09: "Netzwerk DSD" fällt Chirurgen in den Rücken
- Zwitterprozess: 100'000 Euro plus Zinsen Entschädigung für genitale Zwangsoperation
> Pressemeldungen zum "Zwitterprozess"
> Internationale Artikelübersicht auf OII   

Thursday, December 13 2007

«Menschenrechte auch für Zwitter!» - 1. Prozesstag Christiane Völling, Landgericht Köln 12.12.07

     
Bild: ddp / Ruhr Nachrichten

auf der fahrt zurück nach zürich ... v. und ich stossen mit einem bier auf den heutigen tag an.

christianes prozess und die kundgebung vor dem landgericht köln sind vorbei. ein dutzend leute waren dort, um ihre solidarität kundzutun. hätten etwas mehr sein können, aber dass es nicht viele sein würden, war zu erwarten: mittwoch morgen, kalt und grau, menschenrechte für – zwitter ... ? zumindest noch amnesty international köln hätte uns solidarisch zur seite stehen können, zumal am 10.12. gar menschenrechtstag war. immerhin war tanguy pinxteren von amnesty international belgien vor ort.

die medienpräsenz war gross. unsere kleine gruppe war permanent damit beschäftigt, in mikrophone zu sprechen. wir werden also sehr viele menschen mit unserer botschaft erreichen.

die heutigen nachrichten haben die meisten von uns wohl verpasst. aber am sonntag um 22:30 uhr wird auf SAT1 die sendung PLANETOPIA ausgestrahlt.

der prozess dauerte ungefähr eine halbe stunde. der gerichtssaal war voll. die besucherplätze waren alle besetzt. zu beginn durfte die medien kurz reinkommen, christiane sass mit ihrem anwalt an einem tisch. die blitzlichter regneten auf sie ein, etwa sieben bis acht leute mit kamera.

der prozess verlief nicht so, wie man sich einen prozess vorstellt. keine zeugenaussagen, kein urteil (das wird erst im februar verkündet). der richter zeigte zwar verständnis, fasste den sachverhalt gut zusammen und wies zum beispiel darauf hin, dass die mediziner bei christiane die informationspflicht unterlassen haben: die patientin/der patient muss vor der operation über die risiken und folgen derselben informiert werden.

befremden kam auf, als er darüber sprach, dass ein experte hinzugezogen werden müsse. er habe diesbezüglich im internet recherchiert und einen älteren pädiater gefunden. ich kann mir schon lebhaft vorstellen, was dieser "ältere pädiater" für eine einstellung haben wird. und der anwalt des beklagten meinte zuletzt, dass es heutzutage noch leute gebe, die sich einer geschlechtsumwandlung unterziehen wollen und meinte damit offensichtlich transsexuelle. ungläubiges kopfschütteln, lachen und murmeln im publikum.

als der richter zum schlusswort ansetzte, standen wir alle auf, mit einem klebstreifen auf der brust "wessen körper ist das?" und standen bis zum schluss der verhandlung solidarisch mit christiane.

nach der verhandlung wiederum mikrophone, kameras, blitzlichter, interviews. und draussen standen wir dann noch fast eine stunde mit dem transparent "menscherechte auch für zwitter", verteilten flyer, wurden fotografiert und befragt.


bild: WDR

kurz vor dem erfrieren ging's dann ins café ecco, essen, trinken, abschiedsrunde. umarmungen, küsse, ein paar tränen, dann zurück ins hotel gepäck holen und auf den zug.

was für ein grosser tag für uns zwischengeschlechtliche! christiane hat mit ihrem mut eine bresche geschlagen. wir sind mitgegangen und nun gilt es, diese zu nutzen, bevor alles wieder zugeschüttet wird!

kämpferische grüsse gegen die "allianz von messer und lüge" (plakat nadja) von

nella

>>> Pressespiegel zum 1. Prozesstag

Christianes Prozess auf diesem Blog:

- Christiane Völlings Geschichte
- 1. Pressemitteilung
- Demoaufruf 1. Prozesstag
- Zwitter-Demo in der "Rundschau" und auf "Planetopia" 
- Pressespiegel 1. Prozesstag
- Warum Christiane Völling zur Transsexuellen gemacht werden soll
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- Bericht und Pressespiegel 2. Prozesstag
- Bericht provisorischer Entscheid OLG
- Bericht definitiver Entscheid OLG
- Pressespiegel definitiver Sieg vor OLG

Tuesday, December 11 2007

48 Jahre im „falschen Leben“

Kann ein Zwitter Sünde sein?

Weiterer Zwitter Medien Offensive-Artikel zu Christiane Völling und dem Prozess im Kölner Stadt-Anzeiger:

http://www.ksta.de/html/artikel/1195816921913.shtml

Einmal mehr nicht schlecht recherchiert (ok, mit Ausnahme des "Schweizer Vorbilds"), bleibt zu hoffen, dass dem Operateur & co. auch vor Gericht eine steife Brise um die Ohren weht ...

>>> Christianes Geschichte in ihren eigenen Worten hier

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