Wednesday, March 26 2008

Doch menschlich

vor einigen tagen überkam mich wieder einmal diese rasende wut, als müsste ich zerspringen, und plötzlich war da dieses bild, nein, mehr ein gefühl: sie halten mich fest, ich kann mich nicht bewegen, sie sind zu stark. ich habe keine chance, bin starr vor angst, wehre mich aber nicht. ich habe mich nie gewehrt.

mit zweieinhalb monaten haben sie mich kastriert und nahmen dabei in kauf, dass ich aufgrund meines lebensbedrohenden herzfehlers die narkose und die operation nicht überleben würde.

mit sieben haben sie meinen mikropenis auseinandergesäbelt und banden mir eine woche lang nacht für nacht die hände, damit ich nicht an meinem verletzten, mit hämatomen verzierten geschlecht rummache.

mit sechzehn standen sie zu dritt um mich herum, eine neovagina war in planung, und einer meinte mit entnervtem kopfschütteln: das geht nicht, das ist viel zu eng, das kann man nicht operieren! ich sehe seinen blick noch vor mir: kein funken mitgefühl. ich schämte mich so sehr, hätte beinahe gesagt: bitte entschuldigen sie die umstände!

mit siebzehn rammte mir der chirurg bei der voruntersuchung ohne ein wort seinen finger in meine nicht-vagina-harnröhren-öffnung, um zu testen, wie weit es reingeht. ich hab keinen ton von mir gegeben, war ganz starr. danach durfte ich vor eine gekachelte wand stehen.

mit achtzehn stakste ich mit einem plastikstöpsel in der blutenden neovagina in meinem elternhaus herum und schämte mich. diese zur schau getragene geschlechtlichkeit. niemand sagte etwas und ich sagte auch nichts.

ich hab mich nie gewehrt. hab nie geschrien, geweint, mich beschwert – nichts. ich habe starr alles über mich ergehen lassen. nur nicht noch mehr auffallen. lange habe ich mir das vorgeworfen, auch heute noch ist es nicht ganz weg: du bist schuld. meine strategie war der totale rückzug. um diese ohnmacht ertragen zu können, habe ich mir eine fantasiewelt konstruiert, in der ich allmächtig war: ich bin nicht schwach, ich fühle keinen schmerz, ich brauche keine liebe, ich stehe über allem. kalt und hart. ich habe nur verachtung für diejenigen übrig, die so schwach sind, so menschlich. ich bin nicht menschlich.

es war meine rettung. aber der preis war verdammt hoch. ich zahle heute noch. denn ich bin doch menschlich.

nella

Tuesday, March 25 2008

PRESSEMITTEILUNG - Christiane: Der Kampf geht weiter


Christiane in einem von vielen Interviews nach dem Urteil im Langericht Köln, 6.2.08

Die zwischengeschlechtliche Christiane Völling, die ihren ehemaligen Chirurgen wegen schwerer Körperverletzung anzeigte und am 6. Februar 2008 den "Zwitterprozess" in erster Instanz gewann, muss weiter kämpfen: der fehlbare Chirurg weigert sich, das Schmerzensgeld zu zahlen, und geht in Berufung.

Der Prozess, der am 12. Dezember 2007 am Landgericht Köln in die erste Runde ging, und die vom Verein Inters**uelle Menschen e.V. organisierte Demo brachten eine noch nie da gewesene Resonanz in der Öffentlichkeit zum Thema der genitalen Zwangsoperationen an Zwittern – und für die langjährigen Forderungen Zwischengeschlechtlicher: Recht auf körperliche Integrität, optionalen 3. Geschlechtseintrag, Entschädigungen für Zwangsoperierte sowie generell "Menschenrechte auch für Zwitter". Christiane Völling klagte ihren damaligen Operateur an: dieser hatte der damals 18-Jährigen ohne ihre Einwilligung die gesunden inneren weiblichen Fortpflanzungsorgane entfernt.

Knapp zwei Monate später kam es am Landgericht Köln zur Urteilsverkündung: Christiane Völling siegte in erster Instanz gegen den Mediziner. Der 6. Februar 2008 wurde zum historischen Tag für Zwischengeschlechtliche und ihren Kampf um körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde. Das Urteil wird als Präzedenzfall in die Geschichte der Bewegung zwischengeschlechtlicher Menschen in Europa eingehen.

Wie zu erwarten war, geht der Beklagte nun in Berufung. Dazu Christiane Völling:

"Der Prozess geht also in die nächste Runde - wie ich mir bereits gedacht habe, denn welcher Mediziner gesteht schon gerne Fehler ein. (...) Erneuter Presserummel usw., weitere Aufmerksamkeit für uns, aber für mich ein weiterer Gang durch die seelische Hölle."

In der Tat muss Christiane Völling, nachdem ein gewissenloser Mediziner ihr Leben zerstört hat, nun auf dem Rechtsweg mit weiteren jahrelangen Schikanen rechnen. Der Beklagte hält an seinen in der Urteilsurkunde festgehaltenen Behauptungen fest: Christiane Völlings Organe seien "hochgradig verkümmert" gewesen und er habe sich "als Chirurg auf die Diagnose der vorbehandelnden Fachärzte der Medizinischen Klinik" verlassen dürfen. Tatsache ist, dass bei der Operation "eine normale weibliche Anatomie mit präpuberalem Uterus, normal grossen Ovarien" aufgefunden wurde. Zudem war Christiane Völlings weiblicher Chromosomensatz bekannt. Trotzdem schreckte der Chirurg vor diesem irreversiblen Eingriff nicht zurück und entfernte seiner nicht aufgeklärten Patientin kurzerhand sämtliche inneren weiblichen Geschlechtsorgane.

Unwürdig behandelt wird Christiane Völling auch beim Amtsgericht Kleve, das versucht, sie zu einer Personenstandsänderung nach dem Transs**uellengesetz zu drängen. Dieselbe Taktik verfolgt auch der Gutachter des MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) Köln, der ebenfalls mit allen Mitteln versucht, Christiane entgegen allen Fakten Völling Transs**ualität - die offiziell als "psychische Störung" gilt - unterzuschieben, um Schmerzensgeldforderungen infolge einer Fehlbehandlung zu verhindern und den Ärtztepfusch zu vertuschen.

Christiane Völlings Schicksal ist kein Einzelfall. Allein in Deutschland leben mehr als 100'000 Zwischengeschlechtliche, mit wenigen Ausnahmen alle zwangsoperiert. Der beklagte Mediziner erreicht mit seinem Vorgehen genau das, was auch seine Berufskollegen begrüssen: weitere Zwitter davor abschrecken, Christiane Völlings Beispiel zu folgen. Denn ein sich über Jahre hinweg ziehender Prozess wäre wohl für die meisten traumatisierten Zwitter ein unwürdiger und Kräfte zehrender Zustand. Es ist längst überfällig, sämtliche Zwangsoperierten für das ihnen zugefügte Leid kollektiv zu entschädigen -- wie dies Zwischengeschlechtliche schon seit Jahr und Tag fordern (siehe z.B. hier unter "Agenda", 3. oder hier unter "Forderungen": "Opferentschädigungszahlungen").

Christianes Kampf um Gerechtigkeit ist noch lange nicht ausgefochten. Die Menschenrechte von Zwischengeschlechtlichen werden nach wie vor mit Füssen getreten. Wir werden zusammen mit Christiane weiterhin für die Rechte eines jeden zwischengeschlechtlichen Menschen auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde kämpfen!

Christianes Prozess auf diesem Blog:
- Christiane Völlings Geschichte
- 1. Pressemitteilung
- Demoaufruf 1. Prozesstag
- Bericht 1. Prozesstag
- Pressespiegel 1. Prozesstag
- Warum Christiane Völling zur Transsexuellen gemacht werden soll
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- Bericht und Pressespiegel 2. Prozesstag
- Christiane: Der kampf geht weiter
- Bericht provisorischer Entscheid OLG
- Bericht definitiver Entscheid OLG
- Pressespiegel definitiver Sieg vor OLG
- Internationale Artikelübersicht auf OII


Saturday, March 22 2008

Faule Eier für "die Bundesregierung"!

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!Bisher sieben mal hat sich meines Wissens nach "die Bundesregierung", gezwungen durch Anfragen und Anträge, mit dem Thema "Intersexualität" auseinandergesetzt (bzw. so getan als ob).

Dem Antrag 3 (PFD) entsprangen m.E. auch die Gelder für und damit das "Netzwerk" überhaupt. Ebenso liegt darin die Begründung für die Verpflichtung, das "Netzwerk" müsse mit den Betroffenen zusammenarbeiten (naja, zumindest theoretisch ... zur nur zu oft gängigen Praxis siehe hier eins / zwei / drei).

Dass es überhaupt zu irgendwelchen Anfragen kam, geht m.E. klar auf die Aktivitäten von Michel Reiter zurück (dessen Engagement für die Belange aller Zwischengeschlechtlichen m.E. leider bis heute nicht einmal durch die Betroffenen selbst entsprechend gewürdigt wird, da viele durch die Zwangsoperationen etc. zu sehr traumatisiert sind, um sich damit überhaupt auseinander zu setzen).

Die Antworten "der Bundesregierung" zu allen Anfragen sind derart beschämend und ignorant, dass es ein reichlich dickes Fell braucht, sie bis zum Schluss durchzulesen (was trotzdem bzw. gerade deshalb wichtig ist).

Einige Müsterchen:

Der Bundesregierung ist nicht bekannt, dass eine Vielzahl von Intersexuellen im Erwachsenenalter die an ihnen vorgenommenen Eingriffe kritisiert.  Antwort 2 (PFD)

Die Bundesregierung hat keine Kenntnisse von derartigen Schadensersatzforderungen. [...] Die Bundesregierung plant keine Entschädigung Intersexueller, da ein staatliches Handeln, das Anknüpfungspunkt für eine Entschädigung durch den Staat sein könnte, nicht gegeben ist.  Antwort 2 (PFD)

"Intersexualität" muss nach Auffassung der Bundesregierung als eine Abweichung von der Norm betrachtet werden, unter der die Betroffenen schon wegen ihres "Andersseins" leiden. [...] Bei Intersexualität, dem Fehlen dieser eindeutigen Unterscheidung, sei in der Regel eine normale Funktion in den Bereichen Sexualität und Fortpflanzung ausgeschlossen. Sie müsse somit als "krankhafte Störung" angesehen werden. Pressemitteilung 2b

In Deutschland leben etwa 8.000 bis 10.000 Intersexuelle - Menschen mit den körperlichen Merkmalen beider Geschlechter. Pressemitteilung 5b  [Anmerkung: "Die Bundesregierung" beschränkt sich hier aus leicht durchschaubaren Gründen auf "schwerwiegendere Abweichungen", vgl. Anfrage 5 (PDF). Tatsächlich beträgt die Zahl Zwischengeschlechtlicher in Deutschland das 10-fache, nämlich 100'000! Siehe z.B. hier, hier, hier und hier. Nachtrag: Siehe auch: Die grosse "Intersex"-Statistik-Lüge]

Erfahrungen hätten gezeigt, dass die Mehrzahl der betroffenen Menschen, bei denen in der Kindheit eine operative "Vereindeutigung ihres Genitalbefundes" stattgefunden hätte, dies für richtig befunden hätte. In Anbetracht der Tradition der Zweigeschlechtlichkeit sei es für Eltern eine schwierige Entscheidung, keine Geschlechtszuweisung ihres Kindes vorzunehmen und es in einem "Zwischenraum der Geschlechter" aufwachsen zu lassen. Pressemitteilung 5b [Anmerkung: Tasächlich ist die "Behandlungsunzufriedenheit [...] eklatant hoch", wie dies Betroffene seit Jahrzehnten klarstellen und es wie jüngst auch in der Fachzeitschrift Gynälologische Endokrinologie zu lesen war: Über zwei Drittel der Befragten leiden meist massiv unter den Zwangseingriffen! Dabei wäre noch zu berücksichtigen, dass lediglich "mehr als die Hälfte" der Befragten zur Gruppe der Zwangsoperierten gehören ... Nachtrag: Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!]

Fazit: Manchmal kann mensch gar nicht so viel essen, wie mensch kotzen möchte ...

Wetten, wenn "die Bundesregierung" in dieser Angelegenheit öfters mal z.B. mit faulen Eiern beworfen worden wäre, würde sie wesentlich schneller kapieren?!

Obwohl, konkret wären ev. nicht mal faule Eier nötig, würde nur schon kontinuierliche Lobby- und Pressearbeit durch eine Organisation Zwischengeschlechtlicher wie z.B. der Verein Intersexuelle Menschen e.V. einiges ausrichten ...

Nachtrag: Das mit den faulen Eiern gilt auch für praktisch alle Bundestagsfraktionen – nach wie vor ist DIE LINKE die einzige Fraktion überhaupt, die bisher je konkrete Vorstösse zu Gunsten der Zwitter unternommen hat – obwohl inzwischen sämtliche Fraktionen wieder und wieder durch Zwischengeschlecht.org auf die Menschenrechtsverletzungen an Zwittern aufmerksam gemacht wurden ...

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Nachfolgend die Links zu den einzelnen Bundestags-Anfragen (PDF) und -Pressemitteilungen:

(Bei Anfragen sind jeweils die Antworten "der Bundesregierung" verlinkt, welche die Fragen mit enthalten. Die weiteren Links sind, soweit nicht anders vermerkt, Pressemitteilungen "der Bundesregierung".)

1) Kleine Anfrage von Christina Schenk und PDS vom 29.10.96: "Genitalanpassungen in der Bundesrepublik Deutschland" (Anfrage 13/5757, Antwort 13/5916)
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/13/059/1305916.pdf
(Presseerklärung dazu von Michel Reiter: http://www.nadir.org/nadir/initiativ/kombo/k_34ispm.htm)

2) Kleine Anfrage von Christina Schenk und PDS vom 01.03.01: "Intersexualität im Spannungsfeld zwischen tatsächlicher Existenz und rechtlicher Unmöglichkeit" (Anfrage 14/5425, Antwort 14/5627)
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/14/056/1405627.pdf
http://webarchiv.bundestag.de/archive/2005/1017/bic/hib/2001/2001_060/07.html
http://webarchiv.bundestag.de/archive/2006/0404/bic/hib/2001/2001_085/07.html 

3) Antrag von Christina Schenk, Dr. Ilja Seifert, Rosel Neuhäuser, Dr. Ruth Fuchs und PDS vom 12.06.01: "Forschungen zur Lebenssituation intersexueller Menschen" (Antrag 14/6259)
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/14/062/1406259.pdf
http://webarchiv.bundestag.de/archive/2006/0706/bp/2001/bp0107/0107078b.html 
http://webarchiv.bundestag.de/archive/2007/0108/aktuell/hib/2001/2001_182/08.html

Dazwischen gabs 2004 einen Artikel von Oliver Tolmein in der Zeitschrift Das Parlament. Anlass war wohl die 2. instanzliche Weigerung, Michel Reiter den Geschlechtseintrag "zwittrig" zuzulassen:
http://www.bundestag.de/dasparlament/2004/46/thema/016.html

4) Kleine Anfrage von Dr. Barbara Höll, Karin Binder, Katja Kipping, Kersten Naumann, Petra Pau, Dr. Kirsten Tackmann und DIE LINKE vom 30.1.07: "Rechtliche Situation Intersexueller in Deutschland" (Anfrage 16/4147, Antwort 16/4322)
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/043/1604322.pdf
http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2007/2007_039/19.html
http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2007/2007_052/05.html

5) Kleine Anfrage von Dr. Barbara Höll, Karin Binder, Katja Kipping,  Kersten Naumann, Dr. Kirsten Tackmann und DIE LINKE  vom 05.02.07: "Situation Intersexueller in Deutschland" (Anfrage 16/4287, Antwort 16/4786)
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/047/1604786.pdf 
http://www.bundestag.de/aktuell/hib/2007/2007_044/09.html  
http://www.bundestag.de/presse/hib/2007_06/2007_168/09.html

Nachtrag: 2009 gab's bisher 2 neue Anfragen "Zur Situation intersexueller Menschen in der Bundesrepublik Deutschland", wiederum von der Fraktion DIE LINKE, die beide auf eine Zuarbeit von Zwischengeschlecht.org zurückgehen:

6) Rechtliche und statistische Aspekte (Anfrage 16/12769, Antwort 16/13269)

7) Medizinische Aspekte und die Förderung Betroffener (Anfrage 16/12770, Antwort 16/13270)


PS:

Einige Infos zu Christian Schenk (vormals Christina), der die ersten 3 Eingaben/Anfragen im Bundestag einreichte:
http://www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2007/03/03/a0002
http://www.christina-schenk.de/index.html

Z.B. Trans*menschen werden übrigens von "der Bundesregierung" auch nicht besser behandelt (und auch dort schreibt sie ebenso kritiklos die Plädoyers der Mediziner in eigener Sache ab):
http://genderbefreit.blogspot.com/2008/03/die-reform-des-tsg_07.html

Suche in Bundestagsdokumenten nach "Intersexualität":
http://suche.bundestag.de/searchAction.do?queryAll=&queryOne=intersexuell+intersexuelle+intersex+intersexualit%E4t

Friday, March 21 2008

"Intersex" als legales 3. Geschlecht in Südafrika

Menschenrechte auch für Zwitter!Annette Brömdal:
Intersex – A Challenge for Human Rights and Citizenship Rights.
Political Science, Master’s Thesis Spring Session 2006, Södertörn University College

S. 65 (im pdf auf S. 73):

South Africa is the ‘only’ country in the world, at the time of writing, that has
included Intersex as a sex in its legal system.

http://www.diva-portal.org/diva/getDocument?urn_nbn_se_sh_diva-890-1__fulltext.pdf

Nachtrag: Siehe auch >>> Cape Times 1.12.04 (englisch), u.a. mit Statements der "South African Human Rights Commission" und von Sally Gross, Gründerin der "Intersex Society of South Africa".

Thursday, March 20 2008

"Gigi"-Editorial über Christiane und diesen Blog

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Gigi ist die einzige Zeitschrift, die zwischen 1999 und 2001 Michel Reiter kontinuierlich eine Plattform bot, um auf die unwürdige Situation Zwischengeschlechtlicher aufmerksam zu machen. Die Nummer 8 (siehe Bild) trug gar das Motto "Intersexualität – Überleben zwischen den Geschlechtern". Dies macht die vom wissenschaftlich-humanitären komitee whk herausgegebene Zeitschrift für sexuelle Emanzipation (so der Untertitel) zur sprichwörtlichen Ausnahme unter den (falls das Thema überhaupt angesprochen wird) sonst eher von der üblichen Zwitter-Vereinnahmung geprägten Veröffentlichungen aus der "lesbisch-schwulen Presselandschaft".

Umso mehr freut es, dass Gigi das Editorial der aktuellen Nr. 54 unter der Überschrift "Chirurgie" voll und ganz Christiane Völling und ihrem Prozess widmet und dabei m.e. trotz der gebotenen Kürze alle wichtigen Punkte anspricht. Und ja, Sätze wie der folgende gehen uns latürnich erst recht runter wie Honig:

Die Berichterstattung der Mainstream-Medien wäre sicher unscheinbarer ausgefallen, hätte Zwischengeschlecht.info den Prozeß in Kooperation mit der Klägerin nicht minutiös begleitet und dokumentiert.

Wir sagen Danke und hoffen, dass Gigi Christianes Kampf und andere Vorstösse von Zwischengeschlechtlichen um ein menschenwürdiges Dasein weiterhin solidarisch, wohlwollend und kritisch begleiten wird.

Tuesday, March 18 2008

Christiane: Chirurg geht in Berufung

Christiane Völling teilt mit:

Der Chirurg will nicht zahlen, da er der Meinung ist, er sei für  die Aufklärung nicht verantwortlich, da ich internistischer Patient war und meine Organe seien "hochgradig verkümmert" gewesen.

Er geht in Berufung vor dem OLG Köln.

Der Prozess geht also in die nächste Runde - wie ich mir bereits gedacht habe, denn welcher Mediziner gesteht schon gerne Fehler ein.

D.h.: Erneuter Presserummel usw., weitere Aufmerksamkeit für uns, aber für mich ein weiterer Gang durch die seelische Hölle.

Termin steht noch nicht fest.
Da das OLG nicht so zügig arbeitet wie das LG wird der nächste Prozess voraussichtlich im kommenden Jahr stattfinden.

Freundliche Grüße

C. Völling


Der Kampf geht also weiter ... Auch bei Christianes anderen zwei Verfahren, bei denen die zuständigen Beamten nach wie vor blocken und mauern wie gehabt ... Wir wünschen Christiane viel Kraft und Solidarität!

Jesus loves me!

ich kann mich noch gut an dieses gefühl erinnern, als ich mit weissem kleid, blumenkranz, schleier und kerze zur ersten kommunion gehen, den leib christi zu mir nehmen durfte. ich fühlte mich angenommen, beseelt, auch ich war es wert, jesus hatte mich lieb. ich war ganz aufgeregt und glücklich und stolz. es war wie eine bestätigung, dass ich doch auch dazu gehöre. obwohl ich abartig und nicht richtig war. das war wie eine absolution. dass ich nicht richtig war, hatte man mir ein jahr vorher unmissverständlich gezeigt, als man trotz lebensbedrohendem herzfehler mein zwittriges genital zurecht stutzte. der liebe gott nahm mich im gegensatz zu den menschen an, zumindest glaubte ich daran. ich war als kind sehr gläubig und dachte eine zeitlang sogar darüber nach, wie es wäre, nonne zu werden, in der abgeschiedenheit und im schutz der katholischen kirche zu leben. hab offenbar schon früh damit begonnen, meine optionen abzuwägen.

Monday, March 17 2008

"Zwitter-Neid": Zwischengeschlechtliche als (fiktives) Ideal

Es ist ein altes Lied, dass viele, vor allem Trans*menschen und "Gender"-EnthusiastInnen, "Bio-Zwitter" als (fiktives) Ideal verherrlichen -- während sie gleichzeitig die realen, zwangsoperierten Zwischengeschlechtlichen systematisch aus ihrer Wahrnehmung ausblenden bzw. für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren und damit deren berechtigte Anliegen mit Füssen treten. Im besten Fall sind solche Menschen wohl einfach naiv und wissen schlicht von nix (obwohl's schon komisch dünkt, wie mensch sich so wenig für etwas interessieren und davon wissen kann, das mensch dauernd im Mund führt und als "Beweis" für seine Theorien hinzuzieht).

Solche Menschen sagen dann oft, sie wären gerne Zwitter, oder sie würden Zwitter gar um ihr Schicksal beneiden. In einem neueren [inzwischen gelöschten] Kommentar von User supernovist zur Polylux-Sendung letzten Donnerstag hat's just mal wieder so ein Statement (zu den früheren Kommentare siehe unter PS):

Ich fände es eher einen Segen mit beiden geschlechtern ausgestattet zu sein. Und ich beneide, jene die dies Glück haben.

Wobei ich jetzt mal eher bezweifle, dass der Betreffende unbedingt zur zwangsoperationsgeilen Fraktion gehört (die "Intersexuelle" aus diesem Grund beneiden) ... Trotzdem, wie jemand als Kommentar zu einer Sendung, in der auch die Zwangsoperationsproblematik wiederholt angesprochen wurden, sowas rauslassen kann, werd ich wohl nie begreifen. Zum Glück hat Interlife in anderem Zusammenhang zu diesem Thema schon vor bald drei Jahren wohl alles wesentliche gesagt, so dass ich hier einfach mal ein Zitat daraus anfüge:

Wie kann sich ein transidenter Mensch wünschen intersexuell zu sein?
Läßt man sich den gerne befummeln, operieren und genitalverstümmeln? Nimmt man gerne sein Leben lang Medikamente? Macht es Spaß nicht fortpflanzunsfähig zu sein (Ok, es gibt Ausnahmen)?

Offensichtlich besteht grad in der "Gender"-Szene, die sich (wie z.B. supernovist) moralisch ja so meilenweit über den "blösen [sic!] Kleinbürger Hirn[en]" fühlt, ein erheblicher Aufklärungsnachholbedarf -- womöglich noch mehr als bei den SpiesserInnen-Normalos, die schlicht über gar keine Informationen zum Thema verfügen.

Und vom mangelnden Willen, sich mit den berechtigten Anliegen der Zwischengeschlechtlichen praktisch zu solidarisieren, fang ich heut wohl besser gar nicht erst an ...

Friday, March 14 2008

Zwitter @ Polylux -– jetzt zum anschaun! Yipyip!

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Ist ja voll cool geworden! Gratulation den beiden! Ganz schön frech & Nagel auf den Kopf! Yipyip!

Auch auf dem Genderfreeblog kommentiert Nikanj das Resultat zufrieden wie folgt:

Ganz schön geworden, etwas vereinfacht und leicht schräg dargestellt, aber bei der Kürze transportiert der Beitrag schon die richtige Message!

PS: Definitiv weniger doll sind hingegen die (bisher 2) Kommentare unten auf der Polylog-Page: Halt der Niederschlag der üblichen Mediziner-Lügen von wegen "heute sind wir schon längst nicht mehr so zwangsoperationsgeil (ab und zu, wenn die Eltern sich absolut quer stellen und mit dem Anwalt drohen, machen wir nämlich auch ne, öhm, Ausnahme)" + "innere Zwitter-Geschlechtsteile müssen sowieso in jedem Fall sofort raus wegen Krebsgefahr (wie übrigens jede Normalo-Prostata, Brust und Gebärmutter auch, bloss hindert uns hier bisher leider das Familienministerium dran)". Offensichtlich bleibt da noch ne Menge Öffentlichkeitsarbeit zu leisten ...

Zur Dokumentation hier noch der [ergänzte] Ankündigungs-Text von der Polylux-Homepage:

Sendung vom 13.03.2008

Thema: Intersexuelle - das dritte Geschlecht

Claudia Bäckmann
Christina Zoller
[mit Ins A. Kromminga und Anja Kumst (1. Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V.)]

Sie sind weder Mann noch Frau und haben damit kein Problem. Intersexuelle fordern ihren Platz in der Gesellschaft.

------------------------------------------------------------------------------------------------------

Vor vier Wochen machte europaweit ein einmaliger Prozess Schlagzeilen: Ein Arzt wurde verurteilt, weil er der 48jährigen Christiane Völling bei einer Blinddarmoperation Gebärmutter und Eierstöcke heraus operiert hatte. Ohne sie vorher zu fragen. Der Grund: Christiane Völling ist intersexuell, hat somit auch die männlichen Geschlechtsorgane. Der Arzt wollte mit seinem Eingriff also nur Ordnung schaffen, ein gängige Praxis in Deutschland. Denn es darf nur entweder oder geben. Mann oder Frau. Und damit Basta. Warum eigentlich?

Thursday, March 13 2008

Zwitter in aller Munde

Michel Reiter und Heike Bödeker waren 1996 der Urknall, Elisabeth Müller, Katrin Ann Kunze, Claudia Kreuzer-Clüsserath, Ins A. Kromminga, Alex Jürgen und viele andere trugen die Flamme unermüdlich weiter, und mit dem sensationellen Prozesserfolg von Christiane Völling wurde 2008 aus dem Tabu-Thema "Zwitter und ihre unmenschliche 'Behandlung' durch die Gesellschaft und insbesondere die Mediziner-Zunft" endlich ein veritabler Flächenbrand (weiter angefacht auch durch diverse Pressemitteilungen dieses Blogs, *selbstschulterklopf*). Besser noch, die Zwitter-Öffentlichkeits-Offensive geht ungebrochen weiter und weiter ...

Noch eine positive Folge, "Intersexualität" bleibt weiterhin verschärft Gegenstand von Schul- und Semesterarbeiten etc. Ein weiteres Beispiel dieses Trends ging vor wenigen Tagen online.

Zwar wird darin nach wie vor m.E. zu sehr und nicht immer gerade super-kritisch auf Mediziner-Statements z.B. aus dem Netzwerk abgestellt, zur Behandlungsunzufriedenheit wird allein aus einer Studie (ausgerechnet) aus dem Johns Hopkins zitiert, während die aktuellere und einiges eindeutiger ausfallende Hamburger Netzwerkstudie anscheinend unterhalb des Radars blieb, ebenso die die Zusammenhänge zwischen Gendertheorie und Zwangsoperationen, in der Linkliste fungiert (ausgerechnet) die dgti einmal mehr vor dem Verein Intersexuelle Menschen e.V., es bleibt unerwähnt, dass Zwitter (theoretisch) ihr zwangszugewiesenes Geschlecht per Personenstandsgesetz ändern können (und lediglich Mediziner und Kassen-Beamte aus durchsichtigen Gründen regelmässig nichts unversucht lassen, sie stattdessen in die Trans*schiene zu zwingen) usw., doch alles in allem, die Tendenz würd ich doch mal als eindeutig positiv bezeichnen (ganz zu schweigen im Vergleich zu noch so manchem Medienprodudukt).

Dann hoffen wir doch, dass es auch künftig in diese Richtung weitergeht ... mit Zwitter-Power und solidarischem Echo überall!

Wednesday, March 12 2008

drachenschwanz I

wenige tage vor meinem auftritt in der schweizer rundschau brauchte ich dringend eine tonerkassette für den druck des demo-flugblattes. die firma x hatte das teil nicht an lager. der sachbearbeiter wollte jedoch nachfragen und mich umgehend zurück rufen. er liess mich dann aber hängen und war auch bei meinem erneuten anruf zwei stunden später noch nicht weiter, er hätte noch anderes zu tun. da die zeit drängte, rief ich also bei einer anderen firma an und wurde dort fündig. der typ von der firma x hatte inzwischen die tonerkassette erhalten und war ziemlich sauer. ich liess mich aber nicht verunsichern, denn es war nicht meine schuld, was er schliesslich einsah.

kaum hatte ich aufgehängt, fuhr es mir durch den kopf: der sieht dich am mittwoch in der rundschau und wird denken: dieser blöde abartige zwitter hat mich verarscht! und weiter: der typ findet heraus, wo ich wohne, kommt vorbei, beschimpft und bespuckt mich, ist wütend, weil er jetzt auf einer teuren tonerkassette sitzen bleibt, die niemand kaufen will. er schlägt mich zusammen oder vergewaltigt mich. kein wunder, wenn ich schon so schamlos im fernsehen über meine genitalien rede! ich fantasiere weiter: er erschlägt meinen hund, der mich verteidigen will, das arme tier. der film in meinem kopf ist noch nicht zu ende: mein freund kommt rein und will mir helfen und der typ schlägt ihn spitalreif, vor meinen augen, mein baby verletzt, alles nur wegen mir! tod und verderben! und ich bin schuld, ich bin schuld! das kommt davon, weil ich abartiger zwitter nichts besseres zu tun habe, als ans fernsehen zu gehen, über meine genitalien zu reden und leute bloss zu stellen. ich habe das schweigegelübde gebrochen und das hab ich nun davon!

oder vor ein paar monaten, als ein anonymer zettel an meiner wohnungstüre klebte, dass meine hunde in den trockenraum der waschküche scheissen und so weiter (es war katzenkacke). und was geht mir als erstes durch den kopf? die haben mich in der rundschau gesehen und ekeln mich jetzt raus, weil die keinen abartigen zwitter im haus wollen.

ich schäme mich dafür, aber ich habe sogar schon fantasiert, dass ich mein patenkind nicht mehr umarmen darf, nachdem dessen mutter, eine liebe freundin, meine geschichte erfahren hatte. soweit haben die mich gebracht.

in solchen augenblicken wird mir bewusst, wie tief diese angst trotz all der befreiung der letzten jahre immer noch sitzt und dass sie immer ein teil von mir sein wird. die angst, die sie mir eingepflanzt haben, die ich selber genährt habe, die grösser und grösser geworden ist: die angst, sich zu zeigen. die angst vor dem eigenen körper. dieser dicke, obszöne drachenschwanz, den niemand sehen darf.

es macht mich unendlich traurig, wenn ich daran denke, dass diese angst mein ganzes bisheriges leben bestimmt hat: ich habe mich geduckt, versteckt, versucht, so unauffällig wie möglich zu sein. ich habe mich verleugnet, immer und immer wieder. aber ich habe daran geglaubt, wie ein kind halt daran glaubt, dass unter dem bett ein monster ist. und es tut weh, wenn man eines tages heraus findet, dass diese angst irrational ist, dass nichts so schreckliches geschieht. denn das schreckliche ist schon lange geschehen.

die meisten von uns sind gefangene dieser angst. sie lähmt uns, macht uns schwach und einsam. auch wenn die 'haftbedingungen' nicht mehr so schlimm sind und man sich austauschen kann: in seiner zelle sitzt jeder allein.

man kann aus diesem gefängnis heraus treten. ein gefängnis – so schlimm es auch ist – bedeutet jedoch auch schutz ...

nella

Monday, March 10 2008

Zwitter @ Polylux Do 13.3.08 23:45h

Wie Kitty berichtet, wird die Zwitter Medien Offensive bereits am nächsten Donnerstag auf ARD fortgesetzt. Weitere TV-Beiträge sind übrigens schon in Vorbereitung, u.a. bei Spiegel-TV, Beckmann und 37° ... Sind also schon mal gespannt wie Flitzbögen -- und gratulieren allen Beteiligten ebenfalls für ihren Mut! Und sagen Danke!

Nachtrag 2: Mittlerweile ist auf der Polylux-Homepage der Beitrag online:

Thema: Intersexuelle – das dritte Geschlecht

Sie sind weder Mann noch Frau und haben damit kein Problem. Intersexuelle fordern ihren Platz in der Gesellschaft.

Klingt doch schon mal gut ... :-)

Tuesday, March 4 2008

Weiße Kittel mit braunen Kragen, reloaded

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!1063 jahre lang nix gelernt ...

– oder wie das systematische verleugnen der naziverbrechen durch die mediziner-zunft mit ihrer heutigen ethischen inkompetenz zusammenhängt: 

>>> beweisstück 1    >>> beweisstück 2 
>>> beweisstück 3    >>> beweisstück 4 (PDF)

Ausgerechnet Medizinstudenten wissen wenig über das dunkelste Kapitel der deutschen Medizingeschichte: die Verbrechen von Ärzten im Nationalsozialismus. b1

Die Ergebnisse [einer Studie von 2001] lassen deutliche Defizite in der Ausbildung zu einem ethisch kompetenten Arzt erkennen. b2

Das liegt aber nicht am mangelnden Interesse der Medizinstudenten. b1

Von vielen einflussreichen Ärzten und Lehrenden wird dieses Thema bis heute totgeschwiegen. b1


Aktueller Bezug in der Ethikdebatte b1

Der Großteil der Ärzte, die in KZs, Kliniken und Heilanstalten Verbrechen gegen die Menschlichkeit beging, kam ohne adäquate Bestrafung davon. b1

Viele dieser Ärzte führten ihre Praxen bis in die Neunzigerjahre weiter oder setzten ihre Karriere ungebrochen fort. b1

Eine adäquate Aufarbeitung der medizinischen Verbrechen im Dritten Reich fand nicht statt. Die etablierte Ärzteschaft tat sich schwer mit einer offenen und ehrlichen Vergangenheitsbewältigung. b1

Drei Präsidenten der Bundesärztekammer nach 1945 waren Mitglieder in der SA oder SS gewesen. 1993 wollte sich einer von ihnen - Hans Joachim Sewering - zum Präsident des Weltärztebundes wählen lassen. Protest aus dem Ausland verhinderte jedoch seine Wahl, da er 1943 die Euthanasie-Ermordung eines 14-jährigen Mädchens mitverschuldet hatte. b1

Auch der Göttinger Rechtsmediziner Klaus-Steffen Saternus sieht großen Diskussions- und Aufklärungsbedarf: "Mit der Verwertbarkeit von Menschen rechtfertigten viele die KZ-Experimente", sagt Saternus. b1

[Dr. Peter Langkafel, Autor der erwähnten Studie an der der Humboldt-Universität Berlin:] "Dem Bedürfnis der Studierenden nach Auseinandersetzung mit medizinethischen Themen insgesamt wird die Fakultät in nur geringem Maße gerecht." b2

Interesse an der Verwendung des in Berlin erstellten Fragebogens bekundete nur eine einzige staatliche Stelle – eine israelische Universität. b1


Von Kollegen als Nestbeschmutzer diffamiert [& hinausgeworfen] b1

[Professor Wolfgang Eckart, Leiter des Instituts der Geschichte der Medizin, Heidelberg:] "Dass ein Medizinstudent im Zeitalter ständiger Ethikdebatten sein Studium absolvieren kann, ohne je mit den schlimmsten Auswüchsen medizinischer Forschung konfrontiert zu werden - das kann doch nicht sein!" b1

[Sein] Engagement auf dem Gebiet der Heidelberger Beteiligung in Euthanasieverbrechen und Menschenversuche löst immer wieder Anfeindungen aus. Selbst Kollegen wollen davon nichts mehr hören. Nestbeschmutzer könne man nicht brauchen. b1

Als der junge deutsche Arzt Hartmut Hanauske-Abel in der Fachzeitschrift ,The Lancet' 1986 Material über die Vergangenheit der deutschen Ärzte veröffentlichte, wurde er dafür vom höchsten deutschen Ärztefunktionär Karsten Vilmar persönlich angegriffen und verlor seine Arbeitsstelle.
b1  b3  b4 (PDF) 

"Deutsche Mediziner mochten die Forschungsmöglichkeiten nicht missen, die ihnen der Massenmord bot", kommentiert Dr. med. Hartmut Hanauske-Abel, 36, die Praxis der NS-Ärzte. "Die industrialisierte Menschenabschlachtung wurde medizinisch organisiert."

Diese unbestreitbare, schändliche Wahrheit publizierte der hessische Arzt 1986 im britischen Fachblatt "The Lancet", der weltweit angesehensten Medizinerzeitschrift. Seither lernt Hanauske-Abel, wie gefährlich es für einen deutschen Arzt sein kann, am bestgehüteten Tabu seines Standes zu rühren.

Der angehende Kinderarzt wurde im "Deutschen Ärzteblatt" - Auflage: 197 000 und jedem westdeutschen Arzt als "Pflichtblatt" ins Haus geschickt - als eine Art vaterlandsloser Geselle, als Nestbeschmutzer und Ignorant vorgeführt: in einem Interview, bei dem das Medizinerblatt über acht Seiten den Präsidenten der Bundesärztekammer, Karsten Vilmar, höchstpersönlich und untertänigst befragte. Die für Hanauske-Abel zuständige Bezirksärztekammer Rheinhessen strich den Kollegen umgehend aus ihrer Mitgliederliste. Ruck, zuck und in zeitlicher Koinzidenz verlor er auch die Berechtigung, am ärztlichen Notfalldienst teilzunehmen; Verdienstausfall bisher: rund 60 000 Mark.

Auf amtlichem Papier verbreitete der "Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer" über den jungen Forscher den unbelegten Satz: "Diverse Falschaussagen sind von ihm hinreichend bekannt." Die Verleumdung hat sich inzwischen bis in die USA verbreitet, wo der wahrheitsliebende Doktor seit kurzem an der Kinderklinik der Harvard Medical School in Boston arbeitet.   b3

(gefunden via Forum Privates Netzwerk Medizingeschädigter)

Siehe auch:
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- AWMF-Leitlinie: Ethik-Empfehlungen als Feigenblatt für Genitalverstümmler
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation"  – Dr. med. Jörg Woweries
- Das Medizynermärchen von den "früheren Behandlungsmaßstäben"
- Amnesty Deutschland: "fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte"
- Terre des Femmes: "vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung"
- "Ethik als Freifahrtschein" - Claudia Wiesemann, Forum Bioethik 23.6.10
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg
- Universitätsklinikum Heidelberg: Genitale Zwangsoperationen im Angebot 
- Lübeck: Klinikdirektor propagiert genitale Zwangsoperationen an Kindern
- Göttingen / Lübeck: Direktor und Oberarzt propagieren Verstümmelungen
- Deutsche Urologen fordern genitale Zwangsoperationen an Säuglingen! 
- Tagung RECHTE VON KINDERN IN MEDIZIN UND FORSCHUNG, Göttingen
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Genitale Zwangsoperationen: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit) 
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Monday, March 3 2008

"Trans* vs Inter*"

Interessanter Beitrag auf Lukas' Transmission-Blog.

Einmal mehr Danke & Respekt!

Saturday, March 1 2008

Für eine schlagkräftige Zwitter-Lobby JETZT!

selbsterklärender disclaimer: seelenlos ist ein "normaler" XY, meine freundin nella ist der zwitter. ich habe von "intersexualität" überhaupt erst durch sie erfahren und war gelinde gesagt etwas geschockt, obwohl ich mich schon länger z.b. mit polizeigewalt und zensur auseinandersetze, und möchte deshalb zwischengeschlechtliche anliegen und ihre durchsetzung möglichst unterstützen.

Ende März findet das jährliche Treffen in Bad Orb statt, inkl. Mitgliederversammlung des Vereins Intersexuelle Menschen e.V. Nach den durchaus positiven Entwicklungen der letzten Monate (Sieg in erster Instanz für Christiane und der damit verbundene wachsende Druck auf die Mediziner plus die noch nie dagewesene öffentliche Wahrnehmung der Anliegen Zwischengeschlechtlicher, die weiterhin anhält, den Erfolgen gegen die Vereinnahmung von Zwittern durch LGBT u.a. auf Wikipedia, die erfolgreiche Intervention bezüglich des problematischen Filmtitels "XXY", das Eingeständnis der "eklatant hohen Behandlungsunzufriedenheit" Zwangsoperierter in der Nezwerkstudie usw. usf.) höchste Zeit, ein paar Gänge zuzulegen und endlich ernst zu machen mit dem Aufbau einer schlagkräftigen Lobby auch im Sinne einer "Gewerkschaft der Zwangsoperierten"! 2008 kann das Jahr werden, in dem Zwischengeschlechtliche -- nach Jahrzehnte währendem, zunächst erfolglosem Kampf -- endlich erfolgreich begannen, ihre Menschenrechte einzufordern!

Nachfolgend ein paar konkrete Vorschläge, entstanden aus einem Kommentar-Ausschnitt zu einem GenderFreeNation-Blog-Post, der wiederum auf die nach wie vor aktuelle Instrumentalisierungs-Kritik hier auf diesem Blog zurückgeht. Die ersten Abschnitte behandeln Möglichkeiten und Grenzen der Zusammenarbeit mit anderen (Rand-)Gruppen, danach geht's um Strategievorschläge zur Organisierung:

[...] umgekehrt erwarte ich solche bereitschaft zur selbstkritik nun in bezug auf instrumentalisierung sinngemäss aber auch z.b. von allen trans* (und generell lgbt + feministinnen), mit denen ich kontinuierlichen kontakt oder gar punktuelle zusammenarbeit für sinnvoll halte. leider tun sich viele schwer damit, weshalb ich von trans* (und generell lgbt + feministinnen) als (organisierte) gruppen erstmal eine kritische aufarbeitung der vereinnahmungs-problematik verlange (im sinne der von auf dem gfn-blog andernorts angesprochenen "hausaufgaben", was ich ebenfalls für alle seiten befürworte), bevor ich eine zusammenarbeit als sinnvoll erachte. was einen austausch und punktuelle zusammenarbeit mit individuen oder zusammenschlüssen, die ihre hausaufgaben gemacht haben usw. durchaus nicht ausschliesst. unter uns, wenn sich an der situation zwischengeschlechtlicher dereinst grundsätzlich was ändern soll, so wird das kaum ohne solidarität und unterstützung z.b. durch die schwulen- und frauenlobbys gehen. aber: "unterstützung" durch diese als gruppen, ohne dass diese zuerst ihre hausaufgaben erledigen, wäre m.e. klar kontraproduktiv bzw. würde bloss wieder in weiterer vereinnahmung resultieren (ebenso wie z.b. die abschaffung jeglichen geschlechtseintrags zwitter nur noch einmal unsichtbarer macht, während ein optionales amtliches drittes geschlecht zwitter/intersexuelle/zwischengeschlechtliche o.ä. sowohl für zwitter gut wäre wie auch für die anti-gender-aktivistInnen durch die damit verbundene hinterfragung des bipolaren geschlechterbegriffs als erster schritt auf eine prinzipielle abschaffung des geschlechtereintrags hin -- aber wiederum: eines nach dem andern, keine falschen abkürzungen, die letztlich umwege sind). (betr. "3. geschlecht" vgl. auch diskussion am ende dieses und in den folgenden kommentaren.)

ich denke, "biozwitter" haben das recht und die notwendigkeit, allen anderen dieses prädikat zu verweigern, ohne sich deshalb irgendetwas vorwerfen lassen zu müssen -- auch nicht, sich deshalb unter die fittiche oder in den windschatten der mediziner zu begeben. es geht auch nicht darum, wer die "bessere störung" hat, sondern darum, dass m.e. das zentrale thema der "biozwitter" die mit diesem dasein verbundene problematik der zwangsoperationen ist, und dass "biozwitter" als einzige der erwähnten gruppen in dieser form (oder überhaupt) mit dieser problematik konfrontiert sind. alle andern kritisierten gruppen wie (lgb)trans* etc. haben m.e. -- genaugleich wie alle anderen nicht-"biozwitter" auch -- ebenfalls das privileg, von genitalen zwangsoperationen und zwangskastrationen verschont zu bleiben, sprich es ist für sie eine selbstverständlichkeit, mit intakten genitalien und keimdrüsen aufzuwachsen.

ev. würde es von dem her fast mehr sinn machen, generell von "zwangsoperierten" zu sprechen anstelle von "zwittern" (stimmt auch umgekehrt: leidet eine gruppe als solche nicht unter dem problem der operativen zwangszuweisungen, besteht sie mit sicherheit NICHT aus "biozwittern"). doch ist nun mal die geburt als "biozwitter" ursache für die zwangsoperationen, weshalb es m.e. unklug wäre das label "zwitter" wie auch das zwittersymbol anderen gruppen zu überlassen.

und eigentlich finde ich es komisch, dass mehrere der erwähnten gruppen dem nicht gerade neuen anliegen "schluss mit genitalen zwangsoperationen" so erschreckend gleichgültig oder gar hinderlich gegenüberstehen, statt ihm längst zum durchbruch verholfen haben (siehe oben schwulen- und frauenlobbys). leider haben es "biozwitter" aufgrund der traumata durch die zwangsoperationen doppelt und dreifach schwer, sich schlagkräftig zu organisieren, z.b. im sinne einer "gewerkschaft zwangsoperierter zwitter". (oder wie's auf indymedia ein kommentar von "transtante" (etwas hinunterscollen) so schön formulierte: "Leute, die sicxh ja auch nicht so recht als Interessengruppe formieren können, gell?") deshalb auch dieses vakuum, das dann z.b. trans* so mühelos (scheinbar) auffüllen können. was es den "biozwittern" wiederum erschwert, selbst etwas öffentliche wahrnehmung für ihre eigenen anliegen abzukriegen.

trotzdem hoffe ich, dass nach der jahrelangen arbeit von u.a. michel reiter usw. nunmehr durch den prozess von christiane (der hoffentlich nicht der einzige bleibt!) langsam etwas in bewegung kommt, sowohl in der öffentlichkeit wie auch unter den "biozwittern". und auch letzteres ist m.e. bitter nötig, auch im sinne des "alternativvorschlags" auf dem gfn-blog.

m.e. müssten aber erstmal

  • "biozwitter" als gruppe organisiert und z.b.
  • das zwangsoperationsproblem umfassend gelöst und
  • hormone  für zwangsoperierte problemlos auf kasse erhältlich sein;

und weitere forderungen wie z.b.

müssten zumindest (auch unter lgbt) breit verankert sein, bevor der allgemeine kampf gegen gesellschaftliche zuschreibungen und diskriminierungen gemeinsam mit anderen gruppen, die ebenfalls darunter leiden, sinnvoll in den vordergrund treten kann.

die natürliche kandidatin für eine organisation der "biozwitter" auch im sinne einer "gewerkschaft zwangsoperierter zwitter" wäre m.e. der Verein Intersexuelle Menschen e.V. -- mit einem verstärkten, aktiven vorstand könnte er m.e. rasch in diese erweiterte rolle hineinwachsen und konkrete erfolge erzielen, z.b. das netzwerk erfolgreich unter druck setzen betreffend des problems "kassen-wollen-testo-nicht-bezahlen-oder nur-über-die transschiene" (vgl. forum intersexueller menschen eins / zwei / drei / vier, hermaphroditforum und öffentliches netzwerkforum) und durch finanzielle absicherung des risikos und durch beratung weitere zwangsoperierte zu prozessen animieren.

am diesjährigen treffen ende märz in bad orb können dazu entscheidende weichen gestellt werden. 2008 könnte das jahr sein, in dem es mit den zwangsoperationen endgültig abwärts ging -- wenn genügend zwischengeschlechtliche mitziehen. es liegt auch an dir!

Seelenlos & Nella

Siehe auch:
- Beendigung der genitalen Zwangsoperationen an Zwittern JETZT!
- 2008: Eine neue Zwitterbewegung! (Jahresrückblick, Teil 1)
- Zwitter-Soli-Buttons für Deine Blogs und Homepages!

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!                              Menschenrechte auch für Zwitter!

Tuesday, February 26 2008

XXY - Ein menschlicher Film über Zwitter

Die Dorfjugend führt Ungutes im Schilde ...

Vor einer Woche wurde ich vom Schweizer Verleiher Xenix zur Pressevorführung des Spielfilms "XXY" der argentinischen Regisseurin Lucía Puenzo eingeladen. Seelenlos und Nadja, eine Geschlechtsgenossin, waren auch dabei.


Inhalt

Die fünfzehnjährige Alex ist 'intersexuell' und wohnt mit ihren Eltern inmitten der Natur, verbunden mit dem Meer, dem Sand, dem Wetter. Ihre Eltern sind aus Buenos Aires in den abgelegenen Ort an der Küste Uruguays gezogen, um Alex vor dem Geschwätz der Leute und dem Drängen der Mediziner zu schützen. Doch auch in diesem abgeschiedenen Paradies finden sie keine Ruhe, es kommt bald zu Gerüchten. Alex geht nicht mehr in die Schule, zieht sich mehr und mehr zurück.

Die besorgte Mutter wendet sich an einen befreundeten Chirurgen. Dieser soll helfen, soll Alex operieren, noch ist es nicht zu spät. Weder Alex noch ihr Vater sind vorerst eingeweiht. Mit der Ankunft des Chirurgen, der mit seiner Frau und seinem Sohn anreist, entspinnt sich ein Beziehungsgeflecht, dass durch eine beklemmende Atmosphäre bestimmt wird: Alex' Mutter bespricht sich mit dem Chirurgen, schiebt das Gespräch mit ihrem Mann und Alex jedoch vor sich hin. Der Chirurg beobachtet indessen Alex, die aber meistens draussen in der Natur ist - mit Alvaro, dem Sohn des Chirurgen, in den sie sich verliebt, was wiederum ihren Vater beunruhigt. Als Alex endlich den wahren Grund des Besuches erfährt und bald darauf von Jungen aus dem Dorf belästigt wird, bricht die ganze Kulisse aus Vedrängung und Verstecken auseinander. Zurück bleiben Menschen, die alle irgendwie erwachsener geworden sind (abgesehen vom Chirurgen und dessen Frau). Der Schluss lässt alles offen. Eines ist jedoch klar: Alex soll selber über ihren Körper und ihre Zukunft entscheiden. Der Chirurg reist unverrichteter Dinge wieder ab.


Bedrohte Natur

Der Film geht von Anfang an unter die Haut. Ob es einem Nicht-Zwitter auch so ergeht, kann ich nicht sagen. Ein beklemmendes Gefühl macht sich gleich zu Beginn breit, es ist dieses altbekannte Gefühl, etwas Bedrohliches liegt in der Luft, obwohl alles so harmlos aussieht - auf den ersten Blick. Alex' natürliches Paradies ist bedroht, denn in diese Welt kommt nun etwas, vor dem die Familie vor Jahren geflohen ist: die Definitionsmacht der Unnatur, Gender, sozusagen.

Ein dumpfes Gefühl macht sich in der Magengegend breit, wenn beispielsweise der Chirurg (ein gutaussehender schleimiger Typ mit hellen, arroganten Augen - wie gehabt) zu Beginn des Films auf der Überfahrt mit einem Buch und irgendwelchen Unterlagen über Alex beschäftigt ist. Verstohlen schiebt er ein Foto von Alex zurück zwischen die Unterlagen, als er den neugierigen Blick seines Sohnes bemerkt. Da kommt wohl jedem Zwitter die Galle hoch, falls ihn nicht das Grausen packt: Bevor der Chirurg den jungen Menschen Alex überhaupt kennengelernt hat, ist dieser schon fotografiert und dokumentiert: der zu behandelnde Zwitter. Dass ausser Alex' Mutter niemand den wahren Grund seines Besuches kennt, macht das Ganze noch perverser. Da hat jeder Begrüssungskuss zu Beginn des Films etwas Klebriges und Verlogenes an sich.


Verrat

Dieses Gefühl des Ausgeliefertseins drückt sich auch in einer Szene aus, als der Chirurg in der Küche steht und Fleisch in Scheiben schneidet. Alex kommt, nur mit Shirt und Slip bekleidet, in die Küche, fischt den Milchkarton aus dem Kühlschrank und trinkt daraus, ein Tropfen Milch rinnt ihr am Kinn runter. Alex nimmt sich ein Stück vom geschnittenen Fleisch, kaut es, fragt den Chirurgen herausfordernd, ob er gerne Körper aufschneide. Na ja, ziemlich klischeebeladen das Ganze, aber hinter jedem Klischee steckt ja bekanntlich mindestens ein Körnchen Wahrheit. Auch wenn oder vielleicht gerade weil Alex hier selbstbewusst und stark wirkt: Gefühle des Ekels und der Scham kommen bei dieser Szene in mir auf, denn es ist eine Missbrauchsszene, Alex ist das Opfer. Denn die wollen ihr ihre Stärke nehmen. Bestandteil praktisch jeder Zwitter-Biografie. Auf der einen Seite der Chirurg, der über Alex und ihren Körper Bescheid weiss und deshalb zu Besuch ist; auf der anderen Seite Alex, jung, verspielt, halb nackt und - ahnungslos.

Zwar bedient sich der Film so manchen Klischees und Lucía Puenzo nimmt es biologisch nicht so genau (und unterstützt damit diffuse Vorstellungen über 'Intersexualität', wie dies leider auch beim Filmtitel der Fall ist, was wir dank der Kooperation des Schweizers Verleihers Xenix jedoch wieder etwas 'ausbügeln' konnten). Dennoch ist es der Regisseurin gelungen, auf emotionaler Ebene umzusetzen, wie es einem zwischengeschlechtlichen Menschen ergeht, der belogen wird und Gefahr läuft, um seine Selbstbestimmung betrogen zu werden (endlich mal ein Film, wo ich mich so richtig mit der Hauptdarstellerin identifizieren kann und mich zusätzlich mit ihr freuen kann, dass sie davon kommt). Der Film löst schmerzliche Gefühle aus, die auch mein Leben massgebend beeinflusst haben. Andererseits erinnern mich Szenen im Film an andere Filmszenen: wenn beispielsweise jemand über einen anderen Macht hat, weil er mehr weiss über den anderen, als der andere über sich selber. Was macht also aus "XXY" einen Film über Zwitter? Der Zwitter, der den Film anschaut?


Vertrauen

Vielleicht ist es auch ein Film über Zwitter für alle: ein Film, der in einer einfachen Sprache zentrale menschliche Werte, die zwischengeschlechtliche Menschen in besonderem Masse vermissen mussten, in ruhige Bilder umsetzt: Respekt, Ehrlichkeit, Würde, Freiheit - und Selbstbestimmung: die zentrale Botschaft des Films. "XXY" ist letztendlich aber ein Film über die stille Kraft der bejahenden Liebe, über alle Hindernisse hinweg. Wenn Alex ihren Vater fragt, warum er ihr nicht gesagt habe, dass der Chirurg ihretwegen da sei, und der Vater ihr antwortet: Weil ich es nicht gewusst habe. Wenn sich darauf Alex' Gesicht verändert, als würde die Sonne darauf aufgehen. Dann kommen einem schon die Tränen, weil man das eigentlich auch immer gewollt hat: geliebt und akzeptiert werden als das, was man ist. Von den Eltern, von der Gesellschaft.

In einer weiteren, sehr bewegenden Szene erfährt Alex' Vater von einem anderen zwischengeschlechtlichen Menschen dessen Lebensgeschichte. Dieser hatte weniger Glück als Alex, musste als Kleinkind die ganzen unwürdigen medizinischen Begutachtungen und mehrere Zwangsoperationen wehrlos über sich ergehen lassen und fasst zusammen: "Das ist das Schlimmste: Dass sie einem als Kind Angst machen vor dem eigenen Körper."

Es ist zu hoffen, dass das Publikum und insbesondere (zukünftige) Eltern von zwischengeschlechtlichen Kindern diese Botschaft mit nach Hause nehmen und Menschlichkeit walten lassen.

Nella


Trailer mit deutschen Untertiteln

XXY - argentinischer Spielfilm über jungen zwischengeschlechtlichen Menschen

XXY - der Film: Schweizer Verleiher nimmt Problematik ernst 

Berichte zum Deutschlandstart von "XXY"

Schwullesbisches Filmfestival "Pink Apple" missbraucht Zwittersymbol

Einmal mehr: Kölner Frauenfilmfestival setzt "intersexuell" = transsexuell

Friday, February 22 2008

Zwitter als Kampfflieger! Wenn das der Führer wüsste ...

Und auch als der Führer schon lange tot war, durfte es immer noch niemand erfahren, zahlte der 18-fache Luftkampfsieger Dietrich "Dieter" Weinitschke (1920-2008) lieber jahrelang einer Erpresserin Lösegeld, damit sein wahres Geschlecht nicht bekannt würde. Erst nach seinem Tod sollte es die Öffentlichkeit erfahren ...

Heisst's zumindest in diesem etwas schwammigen & reisserischen Tagesspiegel-Nachruf.

Typisch, wie im Tagesspiegel einmal mehr die Zwangsoperationsproblematik ausgelassen – und im Gegenteil suggeriert wird, mit der heutigen Medizin inkl. Zwangszuweisung wäre der ehemalige "Eismeerjäger" besser gefahren:

Damals kannte die Medizin noch keine Hormonbehandlung, und in ihren Lehrbüchern stand nichts über Intersexualität.

Typisch auch der Rückgriff auf die "zwittrige Seele", während die körperliche Befindlichkeit durch die Umschreibung "bei diesem Chromosomensatz" und "vom Knochenbau ein Mann, mit schönen Frauenbeinen, leichtem Brustansatz" lediglich vage angedeutet wird. Immerhin wird der Verstorbene auf die Frage, "ob er denn lieber eine Frau geworden wäre", wie folgt zitiert: „Ich bin beides!“

Schluck, was werden nun all seine Fliegerfreunde und Bewunderer sagen?! Geschweige denn ihm via Email-Link schreiben (anschliessend ins Foto klicken)? Oder die KollegInnen der Vereinigung Gartenbauschule Berlin e.V., wo er Vorsitzender und Ehrenmitglied war?

Fazit: Es gibt mehr Zwitter als du denkst! (Und: Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!)


Auf ebay vorgestern für Euro 42,50 versteigert: "Motiv: Jagdflieger Dieter Weinitschke. 19 bestätigte Abschüsse [sonst heisst's überall 18] vor seinem Jagdflugzeug! Flugzeugführerabzeichen, Frontflugspange und EK 1. Klasse sichtbar."

Nachtrag: Wie z.B. ein Kommentar des Verwandten Peter Weinitschke vom 24.02.2008 unter dem Tagespiegel-Nachruf zeigt, hätten wohl viele seiner Bekannten mit Dietrich Weinitschkes wirklichem Geschlecht gar keine Probleme gehabt ...

Wednesday, February 20 2008

XXY - der Film: Schweizer Verleiher nimmt Problematik ernst



In einem früheren Post haben wir über den Spielfilm "XXY" berichtet, der von einem jungen intersexuellen Menschen erzählt. Wir haben darauf hingewiesen, dass der Titel des Films höchst problematisch, da missverständlich und irreführend ist, weil XXY auf das Klinefelter-Syndrom hinweist, die Protagonistin im Film jedoch das Adrenogenitale Syndrom (AGS) hat. Wir haben diesbezüglich unter anderem mit dem Schweizer Verleiher Xenix Kontakt aufgenommen.

In der Zwischenzeit hat sich der Schweizer Verleiher wieder bei mir gemeldet und mir angeboten, für die Pressemappe zum Film ein kleines Glossar zu verfassen, das auf die Folgen einer Verwechslung der beiden Symptome hinweisen soll.

Untenstehend das nun der Pressemappe beigefügte Glossar, das ich in Koordination mit der Klinefelter-Selbsthilfe Schweiz und Deutschland verfasst habe:


"XXY": Medizinisch problematischer Filmtitel

Die Protagonistin im Film XXY wurde mit dem Adrenogenitalen Syndrom (AGS) geboren und nicht, wie der Filmtitel fälschlicherweise suggeriert, mit dem Klinefelter Syndrom.

Klinefelter Syndrom (XXY)
Bei Klinefelter kommt unter anderem der Chromosomensatz XXY vor. Kinder mit Klinefelter werden als Knaben geboren, sind jedoch aufgrund einer reduzierten Testosteronproduktion nicht zeugungsfähig. In der Pubertät wird der bestehende Hormonmangel durch die Gabe von Hormonpräparaten ausgeglichen. Bei Menschen mit Klinefelter liegen normale männliche Genitalien vor. Es werden somit keine genitalen Zwangsoperationen durchgeführt.

Adrenogenitales Syndrom (AGS)
Menschen mit AGS haben einen weiblichen Chromosomensatz (XX), Eierstöcke und Gebärmutter. Das äussere Genital vermännlicht jedoch bereits im Mutterleib aufgrund einer Überproduktion von Testosteron in der Nebennierenrinde. Kinder mit AGS werden in der Regel leider immer noch massiv an ihrem Genital zwangsoperiert, was auch im Film "XXY" thematisiert wird.

Diese beiden real existierenden Diagnosen unterscheiden sich also gravierend. Bei Klinefelter kann definitionsgemäss nicht einmal von Intersexualität gesprochen werden. Eine Verwechslung kann sich für Betroffene fatal auswirken: werdende Eltern eines 'XXY'-Kindes könnten den Eindruck gewinnen, dass ihr Kind die im Film dargestellten Syndrome entwickeln wird, was zu Verunsicherung und schwerwiegenden Fehlentscheidungen führen könnte.

Weitere Informationen:
http://zwischengeschlecht.info
http://klinefelter.ch
Daniela Truffer (kontakt_at_intersex.ch)

Betroffene und ihre Organisationen appellieren an die Medien, ihre Verantwortung wahrzunehmen und auf obige Fakten hinzuweisen.


Und – wie schon im ursprünglichen Post nachgetragen: Auf der Xenix-Homepage steht nun erfreulicherweise auch nicht mehr der fragwürdige Satz:

Alex ist fünfzehn – und aufgrund des seltenen Chromosomensatzes XXY ist sie beides: Junge und Mädchen.

Dieser wurde abgeändert zu:

Alex ist fünfzehn – und trägt ein grosses Geheimnis in sich.
Aufgrund einer seltenen Laune der Natur ist sie beides: Junge und Mädchen.

Ein herzliches Dankeschön dem Schweizer Verleih Xenix!

Bleibt zu hoffen, dass der auch angeschriebene Deutsche Verleih ebenfalls einsichtig reagiert ...

Nachtrag: Kool Film hat inzwischen ebenfalls den geänderte Werbetext übernommen, und sogar noch einen Link auf die Selbsthilfegruppe zwischengeschlecht.org. Dazu gibt es eine weitere Seite "Background", welche die Unterschiede zwischen AGS und dem Klinefelter Syndrom erklärt, inkl. Links auf (mehrheitlich) "intersexuelle" Selbsthilfegruppen.

Dafür ebenfalls schon mal herzlichen Dank an den Deutschen Verleiher Kool Film!


XXY auf zwischengeschlecht.info:      

XXY - Ein menschlicher Film über Zwitter

XXY - argentinischer Spielfilm über jungen zwischengeschlechtlichen Menschen

Berichte zum Deutschlandstart von "XXY"

Schwullesbisches Filmfestival "Pink Apple" missbraucht Zwittersymbol

Einmal mehr: Kölner Frauenfilmfestival setzt "intersexuell" = transsexuell

Tuesday, February 19 2008

Universitätsklinikum Heidelberg: Genitale Zwangsoperationen im Angebot



Die 'Behandlung' von zwischengeschlechtlichen Menschen ist ein lukratives Geschäft, das sich die Medizyner nicht entgehen lassen wollen - und überdies eine "chirurgische Herausforderung", also mit Prestige verbunden. Was will man sich da also lange mit Ethik oder Selbstbestimmungsrecht aufhalten ... da kümmert man sich doch lieber um angemessene Produktewerbung.

Mit einem breit gefächerten professionellen Angebot wirbt beispielsweise die Abteilung Kinderchirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg. Unter dem vertrauenserweckenden Titel "Was wir für Ihre Kinder tun - Unser Spektrum" wird den lieben "Patienten, Eltern, Kollegen und Besucher" ein Einblick in "verschiedene exemplarisch ausgewählte Erkrankungen, deren Entstehung, Diagnostik und Behandlung" geboten. Unter diese fallen auch "Intersex und Adrenogenitales Syndrom":

Die Behandlung beim AGS besteht in einer lebenslangen Hormonsubstitution (Cortison, ggf. Fludrocortison).
Die Vermännlichung des weiblichen äußeren Genitale (Klitorisvergrößerung und verkleinerter Scheideneingang) korrigieren wir um das erste Lebensjahr herum, unter Erhaltung der Gefäß- und Nervenversorgung der Klitoris, operativ.
Für die optimale Betreuung besteht in der Universitätsklinik Heidelberg eine enge Zusammenarbeit zwischen den pädiatrischen Endokrinologen und unseren erfahrenen Operateuren, sowie eine begleitende psychologische Betreuung von Eltern und Kind.

Und gleich darunter wird auf die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Intersexualität hingewiesen:

Aufgrund der besonderen körperlichen, seelischen und sozialen Situation von betroffenen Kindern, Jugendlichen und Eltern sind wir an das das bundesweite Netzwerk Intersexualität angebunden. Es besteht eine enge Zusammenarbeit mit Selbsthilfegruppen und Elterninitiativen.

Unter "Intersex und Adrenogenitales Syndrom" sind wohl alle anderen 'genitalen Abweichungen' gleich mit gemeint, auch wenn nicht explizit erwähnt - und lassen sich also auch gleich mit behandeln!

Wohl nicht die einzige (Krankenhaus-)Homepage, die genitale Zwangsoperationen im Angebot hat respektive letztere als selbstverständlich propagiert (Homepage kinderchirurgie.ch. der schweizer Chirurgen Dr. Johannes Hirsig aus Embrach und Dr. Peter Sacher, Belegarzt am Merian Iselin Spital in Basel, beide Fachärzte für Kinderchirurgie FMH, European Board Certified Pediatric Surgeons, für die Gonadektomie bei CAIS lediglich eine "Frage des Zeitpunktes" ist, obwohl Studien das Entartungsrisiko als gering einstufen). Und wohl nicht das letzte Mal, dass das 'Label' Netzwerk Intersexualität der Legitimation von genitalen Zwangsoperationen dient, statt dazu, "die Diagnostik & Therapie, die medizinische & psychosoziale Versorgung für Betroffene und ihre Familien zu verbessern, sowie Aufklärung und respektvolle Kommunikation" zu unterstützen.

Sunday, February 17 2008

Neulich im OP ...

- page 64 of 68 -