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Sunday, May 31 2009

Zwitterprozess: 3. Prozesstag 20.5.09 – "Netzwerk DSD" fällt Chirurgen in den Rücken


Am 20.5.09 war der 3. Prozesstag von Christiane Völlings Klage um Schmerzensgeld gegen ihren Zwangsoperateur, der ihr 1977 (wie heute noch bei Zwittern üblich) ohne Aufklärung die inneren Geschlechtsorgane entfernt hatte. Vor dem Landgericht hatte sich ein gutes halbes Dutzend solidarische Zwitter und Nicht-Zwitter zur Demo versammelt. In der Sache war der Prozess mit dem Urteil des Oberlandesgerichts vom 3.9.08 definitiv entschieden worden, es ging nur noch um die Höhe des Schmerzensgeldes. Als Expertin war die "Netzwerk DSD"-Endokrinologin Anette Richter-Unruh geladen, die dem Zwangsoperateur mit ihren Aussagen arg in den Rücken fiel. Der gegnerische Anwalt versuchte einige wenige Finten, kam damit jedoch nicht weit. Das Gericht liess durchblicken, dass es Christianes Anliegen wohlgesonnen ist. Die Urteilsberatung wurde angesetzt auf Mittwoch, 12.8.09 (nichtöffentliche Beratung).

3. Zwitterdemo vor dem Landgericht

Ein gutes halbes Dutzend Unentwegter hatte sich zur Demo vor dem Prozess eingefunden. Wie schon bei den letzten beiden Kölner Demos waren nebst Geschlechtsgenoss_innen von Christiane auch solidarische Nicht-Zwitter gut vertreten. Die meisten waren zum Teil mehrere hundert Kilometer extra zum Prozess angereist. Die Stimmung war gut und die mitgebrachten Flugblätter gingen weg wie warme Semmeln – wie sich nach dem Prozess herausstellte, hatten wir damit auch das Gericht und die Sachverständige erreicht. Die Polizei war diesmal mit einem martialischen Aufgebot vertreten, das allerdings einem gleichzeitig stattfindenden Russen-Mafia-Prozess galt. Trotzdem hatte das verschärfte Sicherheitsaufgebot auch für uns Folgen: Kameras wurden diesmal nur noch nach vorheriger Anmeldung zugelassen (deshalb aktuell keine Bilder aus dem Gerichtssaal).

Christiane erzählt

Zu Beginn stellte Richter Dietmar Reiprich klar, dass der Prozess in der Sache abgeschlossen ist, nachdem auch das OLG die Zwangskastration an Christiane für klar widerrechtlich eingestuft hatte, es geht nunmehr "nur" noch um die Höhe des zu zahlenden Schmerzensgeldes.

Zunächst hatte Christiane das Wort und schilderte, von gelegentlichen Nachfragen unterbrochen, ungewöhnlich zurückhaltend ihre Leidensgeschichte und machte geltend, seit der Zwangskastration mittlerweile ständig Antibiotika nehmen zu müssen wegen wiederkehrenden, teilweise lebensgefährlichen Harnwegsinfektionen, auch sonst sei ihr Immunsystem dauernd geschwächt und ihr körperliches Temperaturempfinden beeinträchtigt.

Ausführlich gab sie auch Auskunft über psychische Beeinträchtigungen. Jahre lang sei sie "auf der Flucht" gewesen, habe sich in ihre Arbeit vergraben, öfters den Arbeitsort gewechselt, wollte alles hinter sich lassen, habe kein Zuhause und auch keine Freunde oder sonstige wirklichen persönlichen Kontakte, sondern lediglich ArbeitskollegInnen. Auf Nachfrage des Geichts führte sie weiter aus, sie hätte noch nie einen Sexualpartner gehabt, das könne sie sich auch heute noch nicht vorstellen. Nach einem Zusammenbruch, nachdem sie 2006 endlich die Wahrheit über sich selbst erfahren hatte, befinde sie sich in psychotherapeutischer Behandlung, nach wöchentlichen Kriseinterventionssitzungen beginne sie nun eine eigentliche Psychotherapie.

Christianes Anwalt Georg Groth reichte zudem einige Beweisstücke ein wie z.B. Fotos, die belegen, dass Christiane vor der Zwangskastration ein erfülltes Leben als Frau durchaus noch offengestanden hätte.

Zwangsoperatuer als Bauernopfer des "Netzwerk DSD"

Als nächstes war als Sachverständige die "Netzwerk DSD"-Endokrinologin Anette Richter-Unruh an der Reihe. Wie sie sagte, sei sie aktuell noch Privatdozentin, erhalte aber demnächst eine ordentliche Professur. Ihre Ausführungen führten insbesondere bei den anwesenden Zwittern wiederholt zu Kopfschütteln und ungläubigem Staunen.

Ungefragt behauptete sie etwa gleich zu Beginn, es sei auch vor 30 Jahren höchst ungewöhnlich gewesen, dass der verurteilte Chirurg die Operation nicht sofort unterbrochen und die Patientin vollumfänglich aufgeklärt habe, als er laut dem Narkosebericht eine nicht-entartete weibliche Anatomie feststellte (der eigentliche OP-Bericht war – wie bei Zwangsoperationen an Zwittern generell üblich – auch in Christianes Fall bequemerweise längst "nicht mehr auffindbar"). Entgegen dieser Behauptung ist mir für das laut Richter-Unruh schon vor 30 Jahren "normale Vorgehen" kein einziges Beispiel bekannt (sie selber führte auch keines an). Hingegen berichten alle mir bekannten Zwitter übereinstimmend, wie ihnen dem Erziehungsgeschlecht widersprechende Gonaden ohne ihre Einwilligung entfernt wurden – wie auch bei Christiane mit der "Begründung", sie seien "verkümmert" und "entartet" gewesen, obwohl jedes Mal das Gegenteil der Fall war. Ebenso waren sie auch in der Regel nicht über ihre wirkliche Diagnose aufgeklärt worden. Damit fällt das "Netzwerk DSD" dem bereits rechtskräftig verurteilten Chirurgen wider besseren Wissens in den Rücken – wohl, um durch dieses Bauernopfer die Medizyner als Ganzes von künftigen politischen Forderungen nach Pauschalentschädigung, wie sie aktuell immer lauter werden, präventiv reinzuwaschen. 

Erstaunlich auch Richter-Unruhs Behauptung, bei AGS handle es sich nicht um Intersexualität – damit straft sie sämtliche bisherigen Leitlinien Lügen, wo AGS ausnahmslos mit aufgeführt ist, inkl. der aktuellen (unter der neuen Medizyner-Bezeichnung "DSD" a.k.a. "Störungen der Geschlechtsentwicklung"), an der sie persönlich beteiligt war. Ebenfalls im Widerspruch dazu stand ihre Bemerkung betreffend Christianes seelischen Beschwerden, "Inbalancen" seien bei Menschen mit GID nichts ungewöhnliches, "siehe auch Trans- und Homosexualität" (GID = Gender Identity Disorder  = Geschlechtsidentitätsstörung – kaum zufällig versuchen die Medizyner regelmässig, Zwitter, die mit ihrer Behandlung nicht zufrieden sind, auf die Trans- bzw. GID-Schiene zu zwängen, der Fehler liegt somit bei den "geistesgestörten Patienten" und nicht bei den heute noch üblichen, menschenrechtswidigen Zwangsbehandlungen der Medizyner).

Laut Richter-Unruh sei auch bei Christianes körperlichen Beschwerden nicht sicher festzustellen, ob diese mit Kastration und Testosterontherapie zusammenhängen würden. Sprich einmal mehr: Im Zweifel für die zwangsbehandelnde Medizynerkaste.

Darauf wandte allerdings Richter Reiprich ein, auch ohne die körperlichen Beschwerden hätte die Kammer aufgrund der massiven psychischen Folgen kein Problem, auf die geforderte Mindestentschädigung von 100'000 Euro zu kommen.


Fortsetzung folgt ...

Der gegenerische Anwalt versuchte es eher alibimässig noch mit der Finte, Christiane hätte ja auch Trotz der Zwangskastration anschliessend mit Östrogen statt Testosteron behandelt sowie die vermännlichenden Genitaloperationen hätten unterlassen werden können, weshalb für die Folgen nicht der Chirurg verantwortlich sei, kam damit jedoch nicht weit. Überhaupt schien er etwas überfordert, hatte es auch schon vorher sträflich versäumt, darauf zu pochen, dass das menschenrechtswidrige Verhalten seines Mandanten durchaus nicht der individuelle Einzelfall war, als den es auch Richter-Unruh darzustellen versuchte, sowie die Mitverantwortung der anderen behandelnden Medizyner und insbesondere der Endokrinologen gebührend herauszustreichen, so dass einem der verurteilte Chirurg rückblickend fast ein wenig Leid tun kann.

Stattdessen gab der Anwalt sich einmal mehr damit zufrieden, weiterhin eine Verzögerungstaktik zu fahren und die Urteilsverkündung so weit wie möglich hinauszuschieben. Diese wurde vom Gericht auf Mittwoch, 12. August 2009, um 9:00 Uhr, angesetzt. Es handelt sich um eine nicht-öffentliche Urteilsverhandlung, das Urteil werde den Parteien anschliessend telefonisch vorab mitgeteilt sowie danach schriftlich zugestellt. Bereits jetzt ist abzusehen, dass der fehlbare Chirurg, der "partout nicht zahlen" will, einmal mehr Berufung einlegen wird ...

Für Christiane ist die Sache damit trotz der definitiven Verurteilung ihres Zwangsoperateurs vor OLG im letzten Jahr wegen des "ohne Zweifel rechtswidrig[en]" Zwangseingriffs, der ihr "Selbstbestimmungsrecht [...] in ganz erheblichem Maße verletzt" habe, wohl noch lange nicht ausgestanden.

Siehe auch:
- Zwangskastrationen an Zwittern: "Keine Mutanten züchten"
- Krebslüge & Zwangskastrationen an Zwittern
-
- "Intersex Infant - Surgical Abuse" - Video
- Wie das "Netzwerk DSD/Intersexualität" seine Versprechen bricht
- Weiße Kittel mit braunen Krägen, reloaded
- Hiort, Holterhus, Sinnecker, Kruse (Ärzteblatt 1999):
   Aufzählung, bei welchen "Syndromen" / Zuweisungen wann zwangskastriert werden muss  

Zwitterprozess Tag 3, 20.5.09:
- "Menschenrechte auch für Zwitter!" – Flugblatt 20.5.09
- "Schmerzensgeld-Prozess" - Sat1 NRW 19.5.09
- Zwitterprozess: Erste Medienberichte zum 3. Prozesstag
- Merkel & Co: Einladung zum Zwitterprozess!
- Zwitterprozess: Verurteilter Chirurg als Gutachter für Behandlungsfehler    

Saturday, May 23 2009

Zwangskastrationen an Zwittern: "Wir wollen doch keine Mutanten züchten"

Die Zwitter Medien Offensive™ war schon da!

Christiane Völling bezeichnet sich öffentlich als "Zwangskastrierte Intersexuelle". Zwangskastrationen an Zwittern wurden und werden (nicht nur) in Deutschland systematisch durchgeführt.

Die "Logik" dahinter: Da "das Geschlecht" eines Kleinkindes laut John Moneys Pseudo"standard" beliebig formbar ist, ist es nicht so wichtig, welches Geschlecht einem Zwitter zwangszugewiesen wird – Hauptsache, "uneindeutige" (neudeutsch: "gestörte") Geschlechtsorgane werden früh genug zwangsoperiert (Medizynerdeutsch: "vereindeutigt" bzw. "korrigiert"), sowie anschliessend eisern an der Zuweisung feshalten und der "Patient" über seine wahre Diagnose im Unklaren gelassen. Die zwangszugewiesene Pubertät wird nach Möglichkeit künstlich durch äussere Hormone eingeleitet. Gonaden, die dem zugewiesenen Geschlecht nicht entsprechen ("unerwünschte Hormonwirkung" / "unerwünschter Effekt"), werden umgehend entfernt unter dem Vorwand, sie seien "missgebildet" und "entartet". Tausende und Abertausende Zwitter wurden und werden nach diesem Schema unnötig zwangskastriert ("rechtzeitig gonadektomiert").

Wie weit Moneys Theorie dabei konkret (auch) von eugenischen Herrenrasse-Prinzipien geprägt war, entzieht sich meiner Kenntnis. Was ich hingegen weiss, ist, dass Christiane lange nicht die erste war, die versuchte, einen zwangskastrierenden Chirurgen vor Gericht zu bringen. Sowie, dass einzelne (nicht nur) deutsche Medizyner auch im 21. Jahrhundert nach wie vor ungebrochen mit peinlichsten Nazisprüchen operieren. Beides beweist u.a. folgendes Interview aus der Sendung "Eindeutig Zweideutig" von Ilka Franzmann (Arte, 4.7.2003), hier zitiert nach dem Transkript im Buch "Intersexualität. Menschen zwischen den Geschlechtern" von Claudia Lang (S. 247):

Mutter: »[...] Nach dem operativen Befund befand sich in der linken Seite ein Ovar mit Tube und uterusähnlichem Gebilde. Das bedeutete ganz einfach, dass da ein Eierstock existiert mit einem Eileiter und einer Gebärmutter. Dies wurde operativ komplett entfernt. Die Geschlechtszuordnung ist [...] somit erfolgt – also als männlich. Es wurde innerhalb einer ganz normalen U-Untersuchung festgestellt, es fehlt ein Hoden, und das müsse man beobachten. Das wurde auch gemacht. Bis ungefähr, als Wesley 8 Monate alt war, dann hieß es, man müsse eine OP machen, um nachzugucken, ob der Hoden sich in der Bauchhöhle befindet. Da das für uns ganz normal war, haben wir dem auch zugestimmt und haben die Operation machen lassen. Der Wesley kam aus der Operation raus, wurde in ein separates Zimmer gefahren, ganz normales Krankenzimmer und der Arzt sagte dann auch ganz direkt, völlig klar und kalt, emotionslos heraus, die OP wäre gut verlaufen, man hätte allerdings einen Eierstock gefunden und ein uterusähnliches Gebilde. Das hätte man entfernt, weil das gehörte nicht in den Körper eines Jungen. Dann ist er gegangen.«

Vater: »Man wusste auch nicht, ob man jetzt heulen oder lachen sollte, weil man hat sich angeguckt: Ja, was kommt jetzt?«

Mutter: «[...] Als ich herausfinden wollte, was genau mit Wesley passiert ist, habe ich eine Ärztin um Hilfe gebeten und diese Ärztin hat es so begründet, dass man in Deutschland keine Mutanten züchten wolle, deswegen hätte man so gehandelt.«

Die Eltern haben versucht, gegen die behandelnden Ärzte zu klagen, haben dann aber ihre Klage zurückgezogen, weil kein Medizinrechtler sie unterstützte.

Siehe auch:
- Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen
- Weiße Kittel mit braunen Krägen, reloaded
-
- "Intersex Infant - Surgical Abuse" - Video
- Von Zwangsoperateur "schuldhaft in Selbstbestimmungsrecht verletzt" - Zwitterprozess OLG 4.9.08
- Hiort, Holterhus, Sinnecker, Kruse (Ärzteblatt 1999):
   Aufzählung, bei welchen "Syndromen" / Zuweisungen wann zwangskastriert werden muss
 

Thursday, May 21 2009

Zwitterprozess: Erste Medienberichte zum 3. Prozesstag

Kann ein Zwitter Sünde sein?

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> Kölnische Rundschau

>>> Aachener Zeitung (dpa)

>>> Kölner Stadtanzeiger

"Schmerzensgeld-Prozess" - Sat1 NRW 19.5.09

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Menschenrechte auch für Zwitter!

>>> http://www.sat1nrw.de/Aktuell/Schmerzensgeld-Prozess/42d299/

>>> Transkript der Sendung von kwhal

>>> Diskussion auf dem früheren Hermaphrodit-Forum

Einige Ausschnitte:

Christiane Völling:
Da gesehen Verbrechen im Namen der Medizin, und alle schauen weg, und alles, alle sagen, och, das ist alles richtig gemacht worden, was will der überhaupt oder die, was soll denn das jetzt, ist doch gar kein Schaden entstanden, ja tickt der noch ganz sauber? Das kann doch wohl nicht wahr sein, ne?

Hintergrundstimme:
Erst seit wenigen Jahren lebt Christiane bewußt als Frau. Jahrzehntelang im falschen Körper. Der Ärztepfusch wird vertuscht, wie dieses Schreiben der Kölner Klinik beweist. Die Diagnosen dürfen ihm auf keinen Fall mitgeteilt werden. Jetzt aber muß der beschuldigte Chirurg dafür zahlen. Wieviel entscheidet ab morgen ein neuer Prozeß. Mit ihrem Anwalt Groth fordert sie 100.000 Euro. Die Krankenpflegerin bricht mit ihrer Offenheit ein jahrelanges Tabuthema.

Dr. Herbert Karpienski Anwalt für Arzthaftungsrecht:
Das ist, finde ich schon, einen richtigen Schritt, den die Klägerin hier geht, in die Öffentlichkeit und auch sehr mutig, um da ihre Rechte zu wahren, und vor allen Dingen auch mal klarzumachen, daß hier so ein medizinisches und menschliches Problem bestehen kann.

Hintergrundstimme:
Anderen Betroffenen will Christiane Völling neue Hoffnung geben. Rund 800.000 intersexuelle Menschen sollen in Deutschland leben, und bei denen ist eigentlich gar keine Op nötig.

>>> Diskussion auf dem Hermaphrodit-Forum  

Tuesday, May 19 2009

"Medizin vor Gericht" - Rosige Zeiten 115 (2008)

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Die Zwitter Medien Offensive™  greift um sich!

Aus aktuellem Anlass: >>> Interessanter Artikel von Heinz-Jürgen Voß in der April-Mai-Nummer des "regionalen Magazin[s] aus Oldenburg für Lesben und Schwule".

Mal abgesehen davon, dass im letzten Abschnitt die Beendigung der Zwangsoperationen wieder mal in der üblichen gottgegebenen Reihenfolge dem "gesellschaftlichen Konsens hin zu Offenheit gegenüber vielfältigen Geschlechtern zu ändern" hinten angestellt wird, dass einmal mehr der Kampf gegen "Diskriminierung" als besonders erfolgversprechender Ausgangspunkt verkauft wird, obwohl nicht nur für Zwitter in der realen Welt mit dieser Taktik das Gegenteil erwartetdie ganz zum Schluss benannten Rechtsmittel treffen voll ins Schwarze: 

"rechtliche[...] Regelungen, die medizinische Maßnahmen früher Geschlechtszuweisung ohnehin stark beschränken sollten (GG §2 [körperliche Unversehrtheit], BGB §1631c, §1904-1906 [enge Grenzen zur Einwilligung in Sterilisation] und StGB §90 Abs. 3 [Nicht-Einwilligungsfähigkeit in die Verletzung der Genitalien]), [werden] neu zu interpretieren sein, so dass Menschen in einem zustimmungsfähigen Alter, und nur falls sie selbst es wollen, operative und hormonelle Maßnahmen selbst einleiten können."

Soweit wird es m.E. ohne zusätzliche neu zu schaffende Rechtsmittel gegen Zwangsoperationen an Zwittern allerdings nicht so schnell kommen – geschweige denn schnell genug! Der aktuelle Wahlprüfstein des LSVD gefällt mir da schon besser ...

>>> http://www.schwule-seite.de/politics_intersexuality.htm

Monday, May 18 2009

Di 19.5.09 ca. 17:20h SAT1: Vorabbericht zum Zwitterprozess!

Menschenrechte auch für Zwitter!

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Wie Christiane mitteilt, finden heute Dreharbeiten statt für einen Vorabbericht zum 3. Prozesstag am Mittwoch 20.5. (Demo 14h vor dem Landgericht Köln!), der tags zuvor am Di 19.5. ausgestrahlt wird!
(Nachtrag: ca. 17:20h - Kurznachrichten vor der 2. Folge von "Niedrig und Kuhnt", die um 17:30h beginnt.) Wir sind gespannt ...

Nachtrag 2: Haben die Sendung leider verpasst, hat sie wer gesehen und weiss mehr?

>>> Der Beitrag ist inzwischen online zum angucken!

>>> Siehe auch Thread im Hermaphroditforum! Danke!

Merkel & Co: Einladung zum Zwitterprozess!

>>> Die Einladung im Wortlaut

Christiane Völling lud mit Datum vom 22.4.2009 die Bundeskanzlerin, verantwortliche MinisterInnen, alle Bundestagsfraktionen sowie weitere bundesfinanzierte Stellen per Einschreiben zum 3. Prozesstag ans Landgericht Köln am kommenden Mittwoch, den 20. Mai 2009. Demo vor dem Landgericht ab 14:00 Uhr. In ihrer Einladung behält sie sich weitere rechtliche Schritte gegen die Angeschriebenen vor.

Die genitalen Zwangsoperationen und sonstigen nicht-eingewilligten Zwangseingriffe an Zwittern sind die wohl gravierendste Menschenrechtsverletzung in den westlichen Demokratien seit dem 2. Weltkrieg. Seit 13 Jahren protestieren Zwangsoperierte auch in Deutschland öffentlich dagegen. Seit 2 Jahren sind die massiven Menschenrechtsverletzungen durch die Zwangsoperationen auch durch BMBF-finanzierte, umfangreiche Studien belegt. Ebenfalls seit 2 Jahren läuft der "Zwitterprozess" von Christiane Völling gegen ihren inzwischen rechtskräftig verurteilten ehemaligen Zwangsoperateur, der auch in Medien und Öffentlichkeit einen grossen Wiederhall fand. [1]

Trotzdem behaupten die Bundesregierung wie auch die zuständigen Bundesministerien seit 12 Jahren einstimmig, ihnen sei nicht bekannt, dass Zwitter die an ihnen vorgenommenen Eingriffe kritisierten – die genitalen Zwangsoperationen an Zwittern seien im Gegenteil ausnahmslos medizinisch indiziert, dienten dem Kindeswohl und würden von den Zwangsoperierten gar noch explizit gutgeheissen. [2] Damit macht sich die Bundesregierung zur Mittäterin an den Zwangsoperationen, deren Menschenrechtswidrigkeit im Februar 2009 auch vom UN-Ausschuss CEDAW festgehalten wurde. Die Bundesrepublik wurde für ihren fehlenden Schutz der Menschenrechte der Zwitter gerügt und zur Einreichung eines Zwischenberichts verknurrt. [3]

Wie zahllose weitere Zwangsoperierte ist auch Christiane Völling rechtschaffen empört über die seit 12 Jahren andauernden, tatsachenwidrigen Schutzbehauptungen der Bundesregierung und verschiedener Ministerien sowie über deren konsequentes Leugnen der massiven Menschenrechtsverletzungen an Zwittern in Deutschland. Deshalb liess Christiane Völling der Bundesregierung, den zuständigen Ministerien, allen Bundestagsparteien sowie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und dem Deutschen Ethikrat via Zwischengeschlecht.org offiziell und per Einschreiben eine Einladung zum 3. Prozesstag ihres Schmerzensgeldverfahrens gegen ihren ehemaligen Zwangsoperateur zukommen. Somit werden alle Angeschriebenen in Zukunft nachweislich nicht mehr behaupten können, sie hätten von nichts gewusst ...

[1] https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2007/12/21/Pressespiegel-121207
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/09/10/Von-Zwangsoperateur-schuldhaft-in-Selbstbestimmungsrecht-verletzt-Zwitterprozess-Pressespiegel-OLG-4608
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/02/07/Sieg-fur-Christiane-Volling
[2] https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/12/04/Weltweit-grosste-Zwitter-Studie-straft-Bundesregierung-Lugen
[3] https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2009/02/13/CEDAW%3A-Schriftliche-Empfehlungen-an-die-Bundesregierung

>>> Die Einladung im Wortlaut

  Christianes Prozess auf diesem Blog:
- Christiane Völlings Geschichte
- 1. Pressemitteilung
- Demoaufruf 1. Prozesstag
- Bericht 1. Prozesstag
- Pressespiegel 1. Prozesstag
- Warum Christiane Völling zur Transsexuellen gemacht werden soll
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- Bericht und Pressespiegel 2. Prozesstag
- Christiane: Der Kampf geht weiter
- Bericht provisorischer Entscheid OLG
- Bericht definitiver Entscheid OLG
- Pressespiegel definitiver Sieg vor OLG
- Zwitterprozess: Verurteilter Chirurg will nicht zahlen!  
- Internationale Artikelübersicht auf OII

Saturday, May 16 2009

"Ein Intersexueller klagt seinen ehemaligen Arzt an" - Tages-Anzeiger 5.2.08

Menschenrechte auch für Zwitter!

Die Zwitter Medien Offensive™ ging weiter!

Aus aktuellem Anlass: Gelungener Artikel in der 2. grössten Tageszeitung der Schweiz zu Christianes 2. Prozesstag, sinnigerweise in der Rubrik "Medizin". Die Rechtsprofessorin Andrea Büchler stellt klar, dass genitale Zwangsoperationen an Zwitter auch in der Schweiz klar strafbar sind:

«Ein medizinischer Eingriff braucht die Zustimmung der betroffenen Person. In der Regel können die Eltern für ihr Kind zustimmen. Geschlechtszuweisende Operationen aber tangieren die höchstpersönlichen Rechte und dürfen nicht ohne Zustimmung des betroffenen Kindes vorgenommen werden – ausser es ist medizinisch notwendig.»

(Dass sämtliche an Zwittern immer noch systematisch vorgenommenen genitalen Zwangsoperationen medizinisch nicht notwendig sind, gibt mittlerweile ja auch "Netzwerk DSD"- sowie "Euro-DSD"-Chef z.B. an der parlamentarischen Anhörung in Hamburg öffentlich zu.)

Dass einzig empfindlicher Geldbussen oder sonstige konkrete Sanktionen die Medizyner von ihrem menschenrechtswidrigen Tun abhalten wird, macht der wohl unverbesserliche Zwangsoperateur Dr. Schwöbel deutlich:

«Sollte der Chirurg in Köln für den Eingriff, den er vor 30 Jahren durchführte, verurteilt werden, oder setzt sich die Auffassung von Rechtsprofessorin Büchler durch, müsste die Indikation zu geschlechtsanpassenden Eingriffen neu überdacht werden», sagt Schwöbel.

Wie meist, wenn die CH-Zwangsoperateure zu Wort kommen, darf auch Prof. Mullis nicht fehlen, der einmal mehr unwidersprochen behaupten darf, "dass es durchaus Arten von Geschlechtsstörungen gebe, die operationswürdig seien". (Mittlerweile ist in der Öffentlichkeit auch Mullis umgeschwenkt und behauptet frech, in der Schweiz gäbe es "keine Zwangsoperationen" mehr, entlarvt sich im selben Interview aber gleich selber als Lügner.)

>>> http://sc.tagesanzeiger.ch/dyn/wissen/medizin/838834.html

(Zusammen mit diesem Artikel erschien auch ein gelungenes Interview mit Karin Plattner von der CH-Elternselbsthilfe.)

Siehe auch:
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- "Medicine goes Gender"
- Kosmetische Genitaloperationen an Kindern: Gesetzgeber gefordert  
- "EuroDSD"-Zwangsoperateure: transsexuell = intersexuell??! 

Tuesday, May 12 2009

"Zwitter greifen an!" - nachdenklich 5.2.09

Die Zwitter Medien Offensive™ schlägt zurück!

>>> http://nachdenklich.blogsport.de/2009/02/05/zwitter-greifen-an/

Da lacht der Kampfzwitter, und auch der solidarische "Normal"-XY schmunzelt ... und sagt Danke!!!

Monday, May 11 2009

"Zwitter-Prozess - Arzt will nicht zahlen" - Express, 23.3.09

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Christiane Völlings 3. Prozesstag naht: Am Mi 20.5.09 ist es soweit, inkl. Kundgebung vor dem Landgericht um 14h.

Der mittlerweile rechtskräftig verurteilte Zwangsoperateur Prof. Dr. L. verweigert den Medien gegenüber jegliche Auskunft.
Der >>> "Express", der den Prozess von Anfang an verfolgt hatte, konnte trotzdem in Erfahrung bringen:

"Der Arzt will partout nicht zahlen. Er ließ das Gericht wissen, dass er aus damaliger medizinischer Sicht alles richtig gemacht habe. Und deshalb in keinem Fall bereit sei zu zahlen."

Meine 2 cent: Unsportlich, unsauber, unfair. Nach dem letztinstanzlichen Urteil, er habe Christiane Völling "nicht hinreichend aufgeklärt und sie daher mangels wirksamer Einwilligung schuldhaft in ihrer Gesundheit und ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt" (5 U 51/08), macht Prof. Dr. L. nun auf Hinhaltetaktik. – Handkehrum, wen überrascht sowas bei einem Arzt, der Zwitter zwangsoperiert und nachher behauptet, alles wäre rechtens gewesen?

>>> ganzer Artikel auf express.de

Saturday, May 9 2009

"Gratuliere, es ist ein Zwitter!" - Jungle World 7.5.09

Die Zwitter Medien Offensive™ lässt grüssen!

Jungle World war neben Gigi meines Wissens nach die zweitwichtigste Zeitschrift, die Michel Reiters Texten und Aktivitäten zugunsten der Zwitter schon zu AGGPG-Zeiten mehrfach Raum und Unterstützung gab. Anlässlich der Anhörung vor der Bürgerschaft in HH vom 29.04.09 greift nun auch >>> Jungle World mit einem gelungenen Artikel von Ron Steinke diese noble Tradition wieder auf (wie schon Gigi zu Christianes Prozess) und bringt Klartext:

Eine dringende medizinische Notwendigkeit für »geschlechtszuweisende« Eingriffe gebe es nie, erläuterte der Lübecker Medizinprofessor [und "EuroDSD"-Chef] Olaf Hiort. Weil viele Eltern in Sorge um ihr Kind annehmen, dass es für die Operation im Säuglings­alter dennoch zumindest eine soziale Notwendigkeit gibt, setzen Ärzte trotzdem noch immer in vier von fünf Fällen das Skalpell an. Dies ergab eine aktuelle Studie der Universität Lübeck.

Ausführlicher geht der Bericht ein auf die schon in der taz erwähnten Bestrebungen zur Änderung des Personenstandsrecht zu Gunsten von Zwittern:

Die Bezeichnung »Zwitter« war in Deutschland einst sogar in amtlichen Dokumenten zu finden. Einigen In­tersexuellen schwebt Ähnliches für die Zukunft vor. Anders als heute stellte es im preußischen Recht des 19. Jahrhunderts nämlich kein Problem dar, ins Geburtenregister nicht »männlich« oder »weiblich«, sondern etwas Drittes eintragen zu lassen. Die Hamburger SPD-Politikerin Anja Domres etwa erwog, ob nicht das Personenstandsrecht wieder in dieser Weise geöffnet werden könnte. Das würde zwar die Situation verunsicherter Eltern nicht einfacher machen. Denn nicht die Ämter sind es, die Eltern und Ärzte dazu zwingen, die Kinder schmerzhaften Operationen zu unterziehen (die Behörden zwingen sie »nur« dazu, die Frage nach dem Geschlecht in bestimmter Wei­se zu beantworten). Eher sind es die vorherrschenden Vorstellungen von Geschlecht.

Ganz unbeeinflusst von rechtlichen Vorschriften sind diese aber vielleicht auch nicht, weshalb die offizielle Anerkennung eines »dritten Geschlechts« etwa auch zu den Forderungen des Vereins Intersexuelle Menschen gehört. Dem Anliegen von Queer- und Transgender-Gruppen, die behördliche Registrierung von Geschlechtern abzuschaffen, läuft das natürlich zuwider. Aber zumindest, so der Gedanke, braucht ein Kind, das ein anerkanntes Geschlecht hat, keines mehr auf dem OP-Tisch »zugewiesen« zu bekommen.

Dass anerkannt wird, dass ein 3. Geschlecht für Zwitter für diese positiv wäre und auch die Zwangsoperateure zusätzlich unter Druck setzen würde, während gleichzeitig die beliebte Medizyner-Ausrede "Die Personenstandseintragung zwingt uns zum zwangsoperieren" zurückgewiesen wird, find ich doch schon mal voll Klasse. Hipp, hipp!!

Ob jedoch die IMeV-Forderung nach einem "optionalen 3. Geschlechtseintrag für Zwitter" (vgl. 5.) dem Anliegen, die Geschlechter gelegentlich ganz abzuschaffen, wirklich zuwiderläuft, wage ich zu bezweifeln.

Meine 2 cent:

Bemerkenswert, dass sowohl das neu gegründete "Netzwerk Intersexualität/DSD" wie auch die Nachfolgeorganisation "Euro-DSD" Trotz zugegebenerweile fehlender medizinischer Indikation krampfhaft an den kosmetischen Zwangsoperationen an Zwitterkindern festhalten.

Ein optionales 3. Geschlecht nur für Zwitter hat aktuell die grössten realpolitischen Chancen und wäre zugleich der wohl durchschlagendste Beitrag zur schnellstmöglichen Abschaffung der Geschlechter überhaupt. Oder sagt mir wer n besseren konkreten Vorschlag, dem "unsinkbaren" 2-Geschlechtersystem so richtig einen Eisberg vor den Bug zu setzen, als durch die offizielle Einführung eines optionalen 3. Geschlechtseintrags für Zwitter – sowie durch gesetzliche Massnahmen zur Beendigung der genitalen Zwangsoperationen an Zwittern?

>>> http://jungle-world.com/artikel/2009/19/34441.html

(gefunden via Intersex-Feed)

Siehe auch:
- Für eine schlagkräftige Zwitter-Lobby JETZT!
- Oliver Tolmein: Bericht von der Anhörung auf FAZ-Online
- Vorabbericht zur Anhörung taz hamburg
- Hamburg: Erneut historische Grosse Zwitter-Anfrage!!
- Hamburger Senat reiht sich ein unter die MittäterInnen

Friday, May 8 2009

"Sag es keinem anderen" - dradio 29.04.09

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Leider schon vorbei, aber im Netz noch nachzulesen:

>>> http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/zeitreisen/957311

Interessante Sendung von Kirstine Schwenger, ein Überblick zur Geschichte der Situation von Zwittern in Medizin und Gesellschaft, sogar mit Ansätzen zu solidarisch-kritischer Aufarbeitung der Berührungspunkte zwischen der Geschichte Zwangsoperationen und der Geschichte des Feminismus (bekanntlich eine Urforderung dieses Blogs).

Bis zum Beginn der 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts bewahrten die Chirurgen im großen und ganzen Ruhe, wenn ein hermaphroditisches Kind geboren wurde. Sie empfahlen abzuwarten, welche Wünsche es in Bezug auf sein Geschlecht nach der Pubertät äußern würde. Operiert wurde meist nur, wenn die Ärzte fürchteten, dass die im Bauchraum lagernden, unvollständigen Keimdrüsen zu Tumoren entarten würden. [Anmerkung: nach wie vor beliebte Medizynermythe.] Oder wenn die Eltern auf den Operationen - meist waren mehrere nötig - bestanden. Es waren übrigens gar nicht so selten die Eltern, die Ärzte zum Eingreifen veranlassten, weil sie fürchteten, dass ihre Kinder verspottet und gemieden würden, und sie waren ganz sicher auch selbst verunsichert und hatten Angst davor tagtäglich mit einem Kind umzugehen, von dem sie nicht wussten ob es ein Junge oder ein Mädchen war. [...]

Bis weit in die 90er-Jahre des 20. Jahrhunderts blieb das frühe Operieren, gefolgt von immer wiederkehrenden Begutachtungen der Kinder die Regel. Ihre Leidensgeschichten füllen Bände wissenschaftlicher und zunehmend kritischer Veröffentlichungen, und es entbehrt nicht der Ironie, dass die Theorie von der frühkindlichen Prägung nicht nur dazu führte, dass hermaphroditische Kinder schon als Säuglinge operiert wurden, um ihnen frühzeitig eine weibliche oder männliche Geschlechtsrolle zuzuweisen - auch die Frauenbewegung der 1960er-Jahre berief sich auf genau diese Theorie, um zu beweisen, dass kleine Mädchen durch erzieherischen "Geschlechtsrollendrill" in die Frauenrolle gedrängt würden.

Magnus Hirschfeld wird demgegenüber einmal mehr unkritisch als reiner Philantrop und Zwitter-Wohltäter dargestellt. Definitiv unerträglich dann, wie die Medizyner in der Sendung einmal mehr nicht nur die Mehrzahl der zu Wort Kommenden stellen, sondern – Überraschung! – wie stets unhinterfragt und kritiklos wegkommen, während mit den Zwangsoperationen nicht Zufriedene wie gehabt als "sogenannte[...] Intersex-Aktivisten" diffamiert werden (beides vgl. z.B. auch taz Hamburg):

Ganz verzichten wollen die Mediziner, und übrigens auch viele Eltern und die Intersexuellen aber nicht auf die korrigierenden Operationen, denn es gibt Untersuchungen, die belegen, dass nicht wenige Intersexuelle mit den medizinischen Behandlungen zufrieden sind, und nicht auf sie hätten verzichten wollen. In diesem Punkt gibt es deutliche Meinungsverschiedenheiten zwischen den sogenannten Intersex-Aktivisten, die frühzeitige Operationen generell ablehnen und sie als Menschenrechtsverletzungen ansehen.

Dass eben die angesprochenen "Untersuchungen" deutlich zeigen, dass die Mehrzahl der Zwangsoperierten nicht nur NICHT zufrieden ist, sondern den Rest des Lebens unter schweren Traumatisierungen und zum Teil massiven körperlichen Schäden leidet, verschweigt auch das Deutschlandradio. Ebenso, dass auch der UN-Ausschuss CEDAW den mangelnden Schutz der Menschenrechte der Zwitter hervorhob und rügte. Bezeichnend auch, wie juristische und ethische Komplikationen zwar immerhin angesprochen werden, einmal mehr aber weder Jurist_innen noch Ethiker_innen zu Wort kommen.

Es ist noch ein weiter Weg ...

>>> http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/zeitreisen/957311

Siehe auch:
- Wie Dr. Magnus Hirschfeld einen Zwitter zwangsoperiert, um mit dem Erlös das "Institut für Sexualwissenschaft" zu finanzieren   
- Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung 
- Ulrichs-Krafft-Ebing-Hirschfeld-Money-Butler-"hirnorganische Intersexualität" 
- Die Rede von der "psychischen Intersexualität" 

Tuesday, May 5 2009

http://fmt.blogsport.de/zwitter

Die Zwitter Medien Offensive™ ohne Ende!

>>> vollfettes Dankeschön nach Potsdam!

Wer alle Texte schon kennt – Respekt!

Sunday, May 3 2009

Oliver Tolmein berichtet von der Bürgerschaftsanhörung HH 29.4.09

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> Blog Biopolitik auf FAZ.net: "Gesundheitsausschuss hört Intersexuelle an: Was muss sich alles ändern?"

Siehe auch:
- Vorabbericht zur Anhörung taz hamburg
- Hamburg: Erneut historische Grosse Zwitter-Anfrage!!
- Hamburger Senat reiht sich ein unter die MittäterInnen

Saturday, May 2 2009

"Das dritte Geschlecht" - SPUREN Nr. 74 (2004)

Die Zwitter Medien Offensive™ war schon da!

"Wenn man die Bundesverfassung beherzigen würde, dürfte kein Arzt mehr ungestraft eine Zwangsoperation durchführen"

>>> Spuren – Magazin für neues Bewusstsein  Gelungener Artikel unter Mitwirkung von Karin Plattner und der schweizerischen Elternselbsthilfe Intersexualität. Der Autor Claude Jaermann lässt sie Klartext reden und tut es selber auch (meine Hervorhebungen). (Nachtrag: Auch das Grundgesetz verbietet Zwangsoperationen, vgl. unten.)

Die Ärzte [...] pochten weiterhin auf eine Operation: zu grosse Klitoris verkleinern, Schamlippen anpassen und in der Pubertät die Vagina erstellen – es musste ein Mädchen werden. Auf Jolandas Frage, ob ihr Kind denn mit einer solchen Operation überhaupt einmal Empfindungen haben könne beim Lieben, drucksten die Ärzte herum. Die Chancen stünden gut, aber so genau wisse man das halt nicht. Was Jolanda noch heute fast vom Stuhl haut, war die Aussage eines Arztes, dass es für einen Mann schlimmer sei, nicht im Stehen pinkeln zu können, als es für eine Frau sei, beim Geschlechtsverkehr nichts zu verspüren. Eine Frau könne damit besser umgehen…

Fassungslos notiere ich mir das eben Gesagte. Jolanda bekam es vor fünf Jahren [1999] von einem Arzt in der Schweiz zu hören. Ich wähne mich im Mittelalter – muss mich jedoch umgehend korrigieren. Im Mittelalter waren intersexuelle Kinder besser dran als heute. Sie durften so aufwachsen, wie sie waren. [...]

Jolanda fragte die Ärzte, ob es denn aus rein medizinischer Sicht einen Grund gebe, ihr Kind operieren zu lassen. Das wurde verneint. Auch Jolandas Mann, der bis dahin eher Befürworter einer Operation war, beschlichen langsam Zweifel. Jolandas Vater begann im Internet zu suchen und fand unter dem Begriff Hermaphrodit Informationen, welche die Eltern dankbar aufnahmen. Sie wussten plötzlich, dass ihr Kind intersexuell ist und dass es Selbsthilfegruppen gab. Umgehend nahmen sie Kontakt auf mit «XY-Frauen», einer Organisation in Deutschland, die aus intersexuellen Betroffenen besteht. Sie gingen an ein Treffen und erfuhren von den tragischen Schicksalen, von unzähligen Operationen, von Schmerzen, von der Suche nach der Geschlechtszugehörigkeit. Von diesem Abend an war auch für Jolandas Mann klar: Unser Kind wird auf keinen Fall operiert. Wenige Tage vor dem geplanten Operationstermin sagten sie den verdutzten Ärzten ab. Noch heute wollen die Mediziner das Kind alle Jahre sehen und vor allem untersuchen, was die Eltern jedoch nicht zulassen. «Reden, ja,» meint Jolanda, «aber keine Beobachtung oder gar Untersuchung der Genitalien.» [...]

Wenn man den 10. Artikel der Schweizer Bundesverfassung, Abschnitt 2 beherzigen würde, dürfte kein Arzt unbestraft eine Operation mehr durchführen. Denn dort steht geschrieben: Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit. Dem ist nichts hinzuzufügen.

[ Nachtrag >>> Deutsches Grundgesetz (Art. 1.1, 2.1, 2.2 und 2.3). In Österreich ist das Recht auf körperliche Unversehrtheit zwar "anerkanntes höchstrangiges öffentliches Interesse", aber "kein explizites Grundrecht" ]

>>> http://spuren.ch/content/magazin/single-ansicht-nachrichten/datum////das-dritte-geschlecht.html


Die zum Schluss des Artikels erwähnte, von Kathrin Zehnder organisierte Interdisziplinäre Tagung an der Universität Freiburg/CH bildete übrigens den Ausgangspunkt für eine empfehlenswerte Buchveröffentlichung: Michael Groneberg / Kathrin Zehnder (Hrsg.): «Intersex» - Geschlechtsanpassung zum Wohl des Kindes? Erfahrungen und Analysen.

>>> Rezi bei Kitty      >>> Page des Verlages

Thursday, April 30 2009

"Intersexualität: Identität unterm Skalpell" - taz hamburg 28.4.09

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> Vorabbericht zur Anhörung von gestern vor dem Gesundheitsausschuss der hamburgischen Bürgerschaft.

Kommentar: Nach wie vor ist jeder Artikel, der die genitalen Zwangsoperationen und weiteren Menschenrechtsverletzungen an "Intersexuellen" überhaupt thematisiert, erstmal ein guter Artikel.

Erst recht, wenn er konkrete Fakten prominent herausstreicht, z.B.:

"Betroffene berichten von entwürdigenden und schmerzhaften Behandlungsmethoden, schildern, wie sie als medizinische Versuchsobjekte dienten und im Glauben aufwuchsen, sie seien verabscheuungswürdige Monster, ohne jemals den Grund für die Torturen zu erfahren.

Eine Studie des Hamburger Instituts für Sexualforschung aus dem Jahr 2007 bewies, dass die es bei Intersexuellen doppelt so oft zu selbstverletzendem Verhalten und Selbstmord kommt wie bei der Normalbevölkerung."

(Naja, mal abgesehen vom m.E. eher unüberlegten Einsatz des Begriffs "Normalbevölkerung". Wie dito von "Identität" im Titel – hallo, Eiken Bruhn: Bitte mal die eigene Brille einen Moment ablegen. Danke.) 

Lucie Veith, die Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V., darf eine Lanze brechen für das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde – auch für junge Zwitter:

"Regelmäßig, erzählt die 53-Jährige, habe sie als Beraterin ihres Selbsthilfevereins Kontakt zu verzweifelten Eltern oder Jugendlichen, die zu ihr kämen, wenn die Operation und die Hormongaben nicht mehr rückgängig gemacht werden können. "Das sind Menschenrechtsverletzungen", sagt sie und verweist auf einen Bericht der Vereinten Nationen vom Februar, der die Bundesregierung auffordert, die Menschenrechte von Intersexuellen besser zu schützen. "

Die "SPD-Gesundheitspolitikerin" Anja Domres, Verfasserin einer der historischen Grossen Anfragen in der Bürgerschaft, relativiert bei der ersten Nennung sogleich, dass die Bürgerschaft den "Ärzten keine Vorschriften machen könnten. Sie hoffe aber, "eine breite Diskussion" anzustoßen" und propagiert "eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Personenstandrechts [...], das eine Festlegung auf eins von zwei Geschlechtern vorschreibt". Der Artikel lässt allerdings offen, worin die "Änderung des Personenstandrechts" konkret bestehen soll. Ein optionales 3. Geschlecht für Zwitter fordert aktuell Intersexuelle Menschen e.V., schon Michel Reiter klagte dieses Recht 2000 vor Gericht ein, unterlag jedoch in den beiden ersten Instanzen.

Hochgradig unerträglich wird der Artikel, wo er Medizynerlügen und -Verdrehungen unwidersprochen lässt, wenn z.B. Olaf Hirt (1. Vorsitzender "Netzwerk DSD/Intersexualität" und "Projektleiter" von "Euro-DSD") unhinterfragt behaupten darf, dass genitale Zwangsoperationen an wehrlosen Kindern doch "durchaus im Interesse der Betroffenen sein können": "Schließlich, das hat die Hamburger Intersex-Studie ergeben, gibt es erwachsene Intersexuelle, die mit ihrer damaligen Behandlung zufrieden sind." Dass diese Zufriedenen auch laut der von "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort ins Feld geführten Hamburger Studie klar die Minderheit sind, während die grosse Mehrheit nicht nur NICHT zufrieden ist, sondern vielfach zudem körperlich und seelisch massiv geschädigt oder längst tot, davon schweigt Olaf Hiort vornehm – und auch die taz.

Oder wenn der Netzwerk-Psychologe Knut Werner-Rosen (einmal mehr) unhinterfragt "Intersex-AktivistInnen" mit Zwangsoperateuren gleichsetzen darf: "Knut Werner-Rosen warnt [...] davor, den Betroffenen jetzt mit umgekehrtem Vorzeichen vorzuschreiben, was richtig für sie sei." Sprich, die "Intersex-AktivistInnen" (Medizynerdeutsch = erwachsene zwangsoperierte Zwitter) sollen bloss den "Betroffenen" (Medizynerdeutsch = die Eltern der zu operierenden Kinder) nicht dreinreden können, wenn sie ihre Kleinkinder ohne deren Einwilligung genital zwangsoperieren lassen wollen. Obwohl die grosse Mehrzahl der Zwangsoperierten hinterher ein Leben lang nicht nur körperlich geschädigt, sondern auch massiv traumatiert sind, mit ähnlichen schweren Folgeschäden wie nach Kindesmisshandlung oder Folter. Aber davon schweigt Knut Werner-Rosen vornehm – und auch die taz hakt nicht nach.

Es ist noch ein weiter Weg ...

>>> http://www.taz.de/regional/nord/nord-aktuell/artikel/1/identitaet-unterm-skalpell/

[PS In eigener Sache: Aus verschiedenen Gründen kriegte ich leider die Kurve nicht zur Anhörung in Hamburg, weshalb aus dem angekündigten Bericht vor Ort nichts wird, sorry.]

Tuesday, April 28 2009

Katrin Ann Kunze ist tot

Kat an der Demo zu Christianes 1. Prozesstag, Köln, 12.12.07.

Katrin Ann Kunze, Mitbegründerin von XY-Frauen und Intersexuelle Menschen e.V. und langjähriges Vorstandsmitglied, hat sich letzte Woche das Leben genommen.

Kat war eine profilierte Kämpferin für die Rechte der Zwitter, bekannt für ihre Auftritte in den Büchern "Leben zwischen den Geschlechtern" von Ulla Fröhling (2003) und "Intersexualität" von Claudia Lang (2006), im Film "Die Katze wäre eher ein Vogel" von Melanie Jilg (2007) und in Medieninterviews. Aus ihrer Feder stammte auch der Webauftritt von Intersexuelle Menschen e.V.

Wir sind fassungslos und vermissen sie.

>>> Kats Geschichte in ihren eigenen Worten

Interviews:  Die Zeit 00 / Freitag 44/02 / WDR 7.1.05

>>> Vortrag "My favourite Gospel Songs" 2004 (PDF-Download)

>>> Bilder Gemeinschaftsausstellung 2007

>>> Nachruf Westdeutsche Zeitung


Siehe auch:
- "Unseres Wissens zufolge unternehmen 80% der Intersexen Suizidversuche, hiervon 25% erfolgreich" - AGGPG 1998

Monday, April 27 2009

Erneute Aufforderung um Unterstützung an Amnesty International

Mindestens seit 1996 wird Amnesty International von Zwitterorganisationen um Hilfe angegangen.

Eine ähnliche Aufforderung wie die nachfolgende vom April 2009 ging am 15.8.09 zusätzlich auch an die Schweizer Sektion von Amnesty – einmal mehr hiess es in der Absage: "Amnesty International hat bisher [...] keine offizielle Position zu Intersex und Zwangsoperationen erarbeitet."

2010 haben nun Amnesty Schweiz sowie Amnesty Deutschland an ihren Jahresversammlungen Beschlüsse verabschiedet, wonach beide Sektionen sich beim Dachverband dafür einsetzen, dass Amnesty International endlich eine offizielle Position erarbeiten soll. Danke!

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Subject:       Massivste Menschenrechtsverletzungen an Zwittern
From:
       presse_at_zwischengeschlecht.info
Date:
       Mon, April 27, 2009 14:34
To: 
      [...]@mersi-amnesty.de
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Lieber [...]

ich beziehe mich auf Ihre Antworten auf die Anfragen von Michaela R. und Lucie Veith von Intersexuelle Menschen e.V. vom Dezember letzten Jahres zum Thema, insbesondere auf Ihren Wunsch nach weiterführenden konkreten Informationen, dem ich im folgenden nachkommen möchte:

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INHALT

1. Einleitung

2. Studien des Netzwerks Intersexualität/DSD widerlegen Bundesregierung
a) Bundesregierung ignoriert Menschenrechtsverletzungen und propagiert genitale Zwangsoperationen
b) Aktuelle Forschungsergebnisse des "Netzwerk Intersexualität/DSD" beweisen massive Menschenrechtsverletzungen
c) Einige Auszüge aus den beiden Studien
d) Literatur und Quellen

3. Schattenbericht CEDAW 2008, Rügen an Bundesregierung
a) Auflistung der menschenrechtswidrigen Zwangseingriffe (Deutsch)
b) List of non-consented, forced treatments violating the human rights of the victims (english)
c) UNO rügt Bundesregierung wegen mangelndem Schutz der Menschenrechte von Zwittern

4. Forderungsliste betroffener Menschen

5. Urteile LG und OLG Köln: Zwangsoperierte "schuldhaft in Selbstbestimmungsrecht verletzt"

6. Juristische Probleme und Diskriminierungen
a) Das Problem der frühzeitigen Verjährung der genitalen Zwangsoperationen
b) Diskrimierung gegenüber Knaben- und Mädchenbeschneidung
c) Diskriminierung Sterilisations- und Kastrationsverbot
d ) Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen

7. Wir bitten um Ihre Unterstützung!


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1. Einleitung

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Bis heute werden Menschen, die mit "uneindeutigen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen geboren werden, ohne ihre Einwilligung meist im frühen Kindesalter zwangskastriert, an ihren "uneindeutigen" Genitalien zwangsoperiert und Zwangshormontherapien unterzogen, um ihr "uneindeutiges" Geschlecht zu "vereinheitlichen". Diese Zwangseingriffe sind medizinisch nicht notwendig, sondern rein "kosmetisch".

Die meisten Opfer dieser unmenschlichen Praxis leiden ein Leben lang unter den massiven psychischen und physischen Folgen der Zwangsbehandlungen (Traumatisierungen, Verlust des sexuellen Empfindens, Schmerzen im Genitalbereich, gesundheitliche Schäden durch erzwungene, inadäquate sogenannte "Hormonersatztherapien (HETs)", sehr hohe Selbstmordrate Zwangsoperierter, usw.).

Allein in Deutschland leben schätzungsweise 80’000 bis 100’000 sogenannte Zwischengeschlechtliche, Intersexuelle, Zwitter oder Hermaphroditen.

Juristisch, politisch und sozial werden sie nach wie vor unsichtbar gemacht und ihrer (Menschen-)Rechte beraubt.

Siehe auch: Präambel Forderungsliste Intersexuelle Menschen e.V.:
http://intersex.schattenbericht.org/pages/Forderungen-Intersexuelle-Menschen-eV

Diese massiven Menschenrechtsverletzungen an Zwittern geschehen aufgrund ihres sogenannt "uneindeutigen" körperlichen Geschlechts.

Das Problem der genitalen Zwangsoperationen ist KEIN "Gender Issue"; es handelt sich auch NICHT um ein Problem der blossen Diskriminierung aufgrund sexueller Identität bzw. Orientierung, sondern es handelt sich um massive körperliche Schädigungen (vgl. unten 3a), deren Folgen von den Opfern nicht von ungefähr mit den Folgen von Folter, sexuellem Kindesmissbrauch oder medizinischen Experimenten während der Nazizeit verglichen werden!

Die hohe Zahl der Opfer, die Schwere und das Ausmass der an ihnen in den letzten 60 Jahren systematisch begangenen Menschenrechtsverletzungen machen die Zwangsoperationen an Zwittern zur wohl gravierendsten Menschenrechtsverletzung in den westlichen Demokratien seit dem 2. Weltkrieg.


Siehe auch: Auflistung von Berichten Betroffener (2.  Medizinische Verbrechen an Zwittern / Persönliche Berichte):
https://blog.zwischengeschlecht.info/pages/Unterstutzt-den-Kampf-der-Zwitter-um-Selbstbestimmung-und-gegen-genitale-Zwangsoperationen

Erhebungen betroffener Menschen in Deutschland in der 1990er-Jahren ergaben, dass 80% der Zwangsoperierten Selbstmordversuche unternehmen, sowie eine effektive Selbstmordrate von 20%!
Vgl. Flugblatt der AGGPG [1997]: http://www2.iisg.nl/id/Systematik.asp?cat=3&id=83

Trotzdem werden diese massiven Menschenrechtsverletzungen bisher weitgehendst ignoriert, obwohl die Geschädigten seit nunmehr 13 Jahren Gerechtigkeit fordern. Offiziell gibt es noch nicht einmal Statistiken zur Häufigkeit von Zwittern, geschweige denn zur Problematik der genitalen Zwangsoperationen und sonstigen nicht-eingewilligten Zwangseingriffe an Zwittern.


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2. Studien des Netzwerks Intersexualität/DSD widerlegen Bundesregierung

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a) Bundesregierung ignoriert Menschenrechtsverletzungen und propagiert genitale Zwangsoperationen

Bis heute schaut die Bundesregierung weg und negiert diese systematischen Menschenrechtsverletzungen an Intersexuellen, obwohl sie in den letzten zwölf Jahren mehrmals dazu aufgefordert wurde, zur Situation der intersexuellen Menschen in Deutschland, der medizinischen Praxis und den rechtlichen Implikationen Stellung zu nehmen.

Stattdessen propagiert die Bundesregierung die Zwangseingriffe aktiv mit tatsachenwidrigen Behauptungen:

- Der Bundesregierung sei nicht bekannt, „dass eine Vielzahl von Intersexuellen im Erwachsenenalter die an ihnen vorgenommenen Eingriffe kritisiert“ (14/5627).
- Die Zwangsoperationen seien ausnahmslos "medizinisch indiziert" und dienten deshalb dem "Kindeswohl [...] (§ 1627 BGB)" (14/5627).
- "[G]rößer angelegte Nachuntersuchungen als auch die klinische Praxis" würden laut Bundesregierung gar beweisen, "dass die Mehrzahl der betroffenen Patienten rückblickend (d. h. im Erwachsenenalter) die bei ihnen in der Kindheit vorgenommene operative Vereindeutigung ihres Genitalbefundes für richtig befinden" – allerdings vermochte die Bundesregierung dafür keine Belege anzuführen (16/4786).

Ausführlicher: Die Bundesregierung vs. Zwitter:
http://de.indymedia.org/2008/11/233955.shtml

b) Aktuelle Forschungsergebnisse des "Netzwerk Intersexualität/DSD" beweisen massive Menschenrechtsverletzungen

- Die meisten Opfer der menschenrechtswidrigen Zwangsbehandlungen tragen massive psychische und physische Schäden davon, unter denen sie ihr Leben lang leiden.
- Nicht zwangsoperierte Zwitter haben im Vergleich eine deutlich höhere Lebensqualität.
- Trotzdem werden nach wie vor über 80% aller Zwitter meist mehrfach zwangsoperiert.

Aktuelle Studienergebnisse in Deutschland: Ausführlicher hier:
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/12/04/Weltweit-grosste-Zwitter-Studie-straft-Bundesregierung-Lugen

c) Einige Auszüge aus den beiden Studien

Schon 2007 bekräftigte die "Hamburger Studie": Die "Behandlungsunzufriedenheit von Intersexuellen ist eklatant hoch".

Denselben Tatbestand untermauert nun auch eine erste Vorveröffentlichung der "Lübecker Studie", mit 439 ProbandInnen die weltweit bisher größte Untersuchung der Folgen von Zwangsbehandlungen:

Die Behandlungszufriedenheit ist bei intersexuellen Erwachsenen und auch Eltern intersexueller Kinder "gering" (S. 18). Vor allem erwachsene Intersexuelle sind "mit der medizinischen Behandlung sehr unzufrieden" (S. 37), insbesondere diejenigen, die keine psychologische Beratung erhalten haben (S. 19). (Obwohl Betroffenenorganisationen seit 15 Jahren psychologische Beratung als Muss fordern, ist sie immer noch die Ausnahme.)

Die Beratungszufriedenheit auch der Eltern ist signifikant geringer als bei "anderen chronischen Erkrankungen" (S. 18).

Eltern sowie Kinder und Jugendliche berichten von "Beeinträchtigungen ihrer Lebensqualität" (S. 21). Sowohl das körperliche als auch das psychische Wohlbefinden ist "deutlich niedriger" als bei Nicht-Intersexuellen (S. 21). Die gesundheitsbezogene Lebensqualität ist auch bei erwachsenen Intersexuellen deutlich niedriger als bei Nicht-Intersexuellen (S. 22).

Je mehr Zwangsoperationen durchgeführt wurden, desto stärker leidet die Lebensqualität besonders "im Bereich körperliche Schmerzen" (S. 22). "25 Prozent aller operierten StudienteilnehmerInnen" berichten von Komplikationen "im Anschluss an die Operationen" (S. 17).

Insbesondere bei operativ und hormonell dem weiblichen Geschlecht "angeglichenen" Intersexuellen sind "in den Bereichen allgemeine Lebensqualität, psychische und körperliche Gesundheit deutliche Unterschiede zur Vergleichsgruppe" (S. 22) zu finden.

Insgesamt leiden 45 Prozent der Erwachsenen unter psychischen Problemen, die "insbesondere die Arbeit und den Alltag" beeinträchtigen (S. 37).

Auch im Bereich "Sexualität und Partnerschaft" offenbart die Studie ein erschreckendes Bild:

Während bei nicht-intersexuellen Jugendlichen und Erwachsenen nur eine Minderheit keine Beziehungen und sexuelle Kontakte haben, sind die Verhältnisse bei Intersexuellen genau umgekehrt (S. 30-31).

Fast die Hälfte der Erwachsenen berichten "über eine Vielzahl von Problemen im Zusammenhang mit der Sexualität" wie "sexuelle Lustlosigkeit" oder "Schmerzen", zwei Drittel sehen "einen Zusammenhang zwischen diesen sexuellen Problemen und [...] den [...] medizinischen und chirurgischen Maßnahmen" (S. 31).

Die Studienergebnisse bestätigen überdies, je häufiger Intersexuelle Zwangsoperationen unterworfen werden, desto seltener leben sie in einer festen Partnerschaft – und umgekehrt (S. 31).

d) Literatur und Quellen

"Hamburger Studie"
http://www.springer.com/medicine/thema?SGWID=1-10092-2-513709-0

Vorabbericht der "Lübecker Studie"
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/12/04/Weltweit-grosste-Zwitter-Studie-straft-Bundesregierung-Lugen

CEDAW-Schattenbericht Intersexuelle Menschen e.V.
http://intersex.schattenbericht.org


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3. Schattenbericht CEDAW 2008, Rügen an Bundesregierung

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Am 21. Juli 2008 reichte eine Delegation von Intersexuelle Menschen e.V. in New York vor dem UN-Komitee CEDAW einen ersten Schattenbericht zu den Menschenrechtsverstössen an intersexuellen Menschen in Deutschland ein. Bestandteil des Schattenberichts ist die Forderungsliste des Vereins Intersexuelle Menschen e.V., die am 20. Juli 2008 präsentiert wurde.

Darin sind verschiedene Menschenrechtsverletzungen, denen intersexuelle Menschen regelmässig ausgesetzt sind, detailliert dokumentiert.

CEDAW-Schattenbericht (Deutsch):
http://intersex.schattenbericht.org

CEDAW Shadow Report (english):
http://intersex.shadowreport.org
Leider ist die Übersetzung, die im Auftrag des Instituts für Menschenrechte (Berlin) vorgenommen wurde, teilweise irreführend, da z.B. wiederholt von "gender" die Rede ist, wo im deutschen Text eindeutig körperliches Geschlecht ("sex") gemeint ist.

a) Auflistung der menschenrechtswidrigen Zwangseingriffe (Deutsch)

http://intersex.schattenbericht.org/post/2008/07/21/32-Auflistung-der-Menschenrechtsverletzungen-infolge-der-Behandlung-nach-den-Standards-entwickelt-von-Prof-Dr-John-Money

3.2.1  Gonadenentnahme (Kastration)   S. 13
3.2.2  Genitalamputation   S. 13
3.2.3  Wirksamer Rechtsschutz    S. 13
3.2.4  Behandlungsdokumentation    S. 14
3.2.5  Irreversible genitalchirurgische Eingriffe bei Unmündigen und Erwachsenen   S. 14
3.2.6  Off-Label-Use von Medikamenten   S. 14
3.2.7  Behandlungskonsequenzen im Handlungsspielraum
           der medizinischen Definition   S. 15

b) List of non-consented, forced treatments which violate the human rights of the victims (english)

Shadow Report (PDF): http://intersex.shadowreport.org/public/Association_of_Intersexed_People-Shadow_Report_CEDAW_2008.pdf

3.3.1  Removal of Gonads (Castration)   13
3.3.2  Genital Amputation   14
3.3.3  Effective Protection of Rights   14
3.3.4  Documentation of Treatment   15
3.3.5  Irreversible Genital Surgery of Minors and Adults   15
3.3.6  Off–Label Use of Pharmaceuticals   15
3.3.7  Consequences of Treatment in Scope of Medical Definition   16

c) UNO rügt Bundesregierung wegen mangelndem Schutz der Menschenrechte von Zwittern

Im mündlichen Examen des 6. CEDAW-Staatenberichts der Bundesrepublik mahnte das CEDAW-Komitee am 2.2.2009:

- Es sei der Wille des Ausschusses, dass auch Zwitter "die vollen Menschenrechte erhalten".
- Auch Zwitter hätten "immer" das Recht auf "volle informierte Zustimmung".
- Weiter rügte der Ausschuss die Nicht-Beantwortung einer vorgängigen schriftlichen Frage des Ausschusses durch die Bundesregierung und rügte die Bundesregierung weiter ebenfalls überraschend deutlich dafür, dass sie bisher jegliche Kommunikation mit den Interessenverbänden der Zwitter stets verweigert hatte.

Ausführlicher: https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2009/02/05/Genf%3A-UNO-mahnt-Bundesregierung

In den schriftlichen Concluding Observations (CEDAW/C/DEU/CO/6) rügte das Komitee die Bundesregierung wie folgt (Fettschreibung im Original):

61. [...]  Der Ausschuss bedauert jedoch, dass die Forderung nach einem Dialog, die von Nichtregierungsorganisationen von intersexuellen [...] Menschen erhoben wurde, vom Vertragsstaat nicht positiv aufgegriffen worden ist.

62. Der Ausschuss fordert den Vertragsstaat auf, in einen Dialog mit Nichtregierungsorganisationen von intersexuellen [...] Menschen einzutreten, um ein besseres Verständnis für deren Anliegen zu erlangen und wirksame Maßnahmen zum Schutz ihrer Menschenrechte zu ergreifen.


Ausführlicher, mit Links zu den Concluding Observations deustch und englisch:
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2009/02/13/CEDAW%3A-Schriftliche-Empfehlungen-an-die-Bundesregierung


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4. Forderungsliste betroffener Menschen

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Dem CEDAW-Schattenbericht beigefügt war auch die Forderungsliste von Intersexuelle Menschen e.V.

http://intersex.schattenbericht.org/pages/Forderungen-Intersexuelle-Menschen-eV


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5. Urteile LG und OLG Köln: Zwangsoperierte "schuldhaft in Selbstbestimmungsrecht verletzt"

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Am 12.12.2007 fand am Landgericht in Köln ein Prozess statt, der auf ein grosses Medienecho stiess und für zwischengeschlechtliche Menschen einen Meilenstein im Kampf für ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit und Würde darstellte. Mit von der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org organisierten Kundgebungen vor dem Landgericht drückten Zwischengeschlechtliche und sympathisierende Frauen und Männer ihre Solidarität mit Christiane Völling aus und forderten: Menschenrechte auch für Zwitter! Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Das erste Urteil erfolgte am 6.2.2008 am Landesgericht Köln: Christiane Völling gewann den Prozess gegen Ihren ehemaligen Operateur in erster Instanz! Richter Dietmar Reiprich hielt gleich zu Beginn fest: "Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt."

Vollständiges Gerichtsurteil LG:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/koeln/lg_koeln/j2008/25_O_179_07grundurteil20080206.html)

Prozessbericht und Pressespiegel:
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/02/07/Sieg-fur-Christiane-Volling

Am 3.9.2008 lehnte das Oberlandesgericht Köln die Berufung des Chirurgen einstimmig definitiv ab: "Der Chirurg hat die Patientin vor der Operation nicht hinreichend aufgeklärt und sie daher mangels wirksamer Einwilligung schuldhaft in ihrer Gesundheit und ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt."

Das Verfahren ging ans Landgericht zurück, wo bis heute über die Höhe des Schmerzensgeldes entschieden wird. Gefordert sind mindestens 100'000 Euro.

Vollständiges Urteil OLG:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koeln/j2008/5_U_51_08beschluss20080903.html

Pressespiegel:
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/09/10/Von-Zwangsoperateur-schuldhaft-in-Selbstbestimmungsrecht-verletzt-Zwitterprozess-Pressespiegel-OLG-4608


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6. Juristische Probleme und Diskriminierungen

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a) Das Problem der frühzeitigen Verjährung der genitalen Zwangsoperationen

Christiane Völling (siehe oben 5.) gelang es nur buchstäblich in letzter Minute, ihre erfolgreiche Anzeige gegen ihren Zwangsoperateur einzureichen; die Verjährung wäre ihr um ein Haar zuvor gekommen. Viele weitere Betroffene haben keine Möglichkeit zur Klage, da die herkömmlichen Verjährungsbestimmungen und die durch die Zwangsbehandlungen resultierenden Traumata eine rechtzeitige Klage verunmöglichen (ähnlich wie bei sexuellem Kindsmissbrauch).

b) Diskrimierung gegenüber Knaben- und Mädchenbeschneidung

Bei Knabenbeschneidungen handelt es sich in der Regel ebenfalls nicht um eingewilligte, medizinisch nicht indizierte Operationen, zu welcher auch die Erziehungsberechtigten keine Einwilligungserlaubnis haben. Die hat inzwischen auch das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. festgehalten:
http://web2.justiz.hessen.de/migration/rechtsp.nsf/92FC95DE06E27651C125734C0031B366/$file/04w01207.pdf
Auch bei Phimose wird deshalb inzwischen von Knabenbeschneidungen im Kleinkindalter abgeraten:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/fachbereiche/paediatrie/default.aspx?sid=305805

Mittlerweile setzt sich gar die Auffassung durch, Beschneidungen an Knaben ohne Einwilligung der Betroffenen seien generell widerrechtlich:
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=61273

Die Mädchenbeschneidung ist in Deutschland unbestrittenermassen prinzipiell strafrechtlich geächtet.

Obwohl juristisch wie auch betreffend der Folgen für die Opfer in vielfacher Hinsicht mit Knaben- und Mädchenbeschneidung vergleichbar, werden uneingewilligte genitale Zwangsoperationen ohne medizinische Indikation an jungen Intersexuellen nach wie vor systematisch praktiziert und zwischengeschlechtliche Kinder somit gegenüber Knaben und Mädchen aufgrund ihres körperlichen Geschlechts massiv diskriminiert.

c) Diskriminierung betreffend Sterilisations- und Kastrationsverbot

In Deutschland sind Eltern zur Einwilligung von Kastration oder Sterilisation bei ihren Mündeln unbestrittenermassen nicht befugt nach  § 1631c BGB (Verbot der Sterilisation eines Kindes). Trotzdem werden an intersexuellen Kindern systematisch Zwangskastrationen durchgeführt. Wiederum werden zwischengeschlechtliche Kinder somit gegenüber Knaben und Mädchen aufgrund ihres körperlichen Geschlechts massiv diskriminiert.

Siehe dazu folgende Ausführungen der Rechtsprofessorin Konstanze Plett:
http://www.lobby-fuer-menschenrechte.de/Intersexualitaet02.php

d ) Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen

Viele Zwitter werden nicht nur genital zwangsoperiert, sondern zusätzlich zwangskastriert und benötigen deshalb für den Rest ihres Lebens eine so genannte "Hormonersatztherapie (HET)". Da die meisten dieser Zwangskastrierten "zu Mädchen gemacht" werden, besteht die HET prinzipiell aus Östrogen – obwohl viele Zwitterkörper "von Haus aus" Testosteron produzieren (und dieses je nach Bedarf in körpereiges Östrogen umwandeln – Zwitter mit so genanntem "Androgen-Insuffizienz-Syndom (AIS)").

Diese Östrogen-HETs wurden nie klinisch getestet, den Zwangsoperierten werden Präparate aufgezwungen, die eigentlich nur für Frauen in der Menopause zugelassen sind, d.h. sie erfolgen experimentell als "Off Label-Use". Obwohl negative Folgen seit längerem auch in der medizinischen Literatur bekannt sind (unter anderem Depressionen, Adipositas, Stoffwechsel- und Kreislaufstörungen, Osteoporose, Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten und Libidoverlust), weigern sich die Mediziner bis heute, zwangskastrierten Zwittern eine HET nach Bedarf und Wunsch zuzugestehen.

Mehrere Betroffene begannen schliesslich, auf eigene Faust Testosteron zu nehmen, viele davon mit positiven Resultaten. Auch in Deutschland weigern sich die Mediziner jedoch, für Testosteron Rezepte auszustellen, die von der Kasse übernommen werden – bezeichnenderweise gerne mit der Ausrede, eine HET mit Testosteron sei "Off Label-Use" ... Sprich, die Zwangskastrierten müssen eine adäquate HET noch aus der eigenen Tasche bezahlen!

Ausführlicher:
http://de.indymedia.org/2009/04/248071.shtml


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7. Wir bitten um Ihre Unterstützung!

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Zwischengeschlechtliche Menschen werden systematisch medizinisch nicht notwendigen, traumatisierenden Zwangsbehandlungen unterworfen. Diese stellen einen erheblichen Verstoß gegen ihr Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde dar.

Zwischengeschlecht.org fordert die vollständige Umsetzung und Anwendung der Menschenrechte auch für Intersexuelle. Unsere Anliegen dürfen nicht mehr länger ignoriert werden. Menschen mit einer Besonderheit der geschlechtlichen Entwicklung sind ein Teil unserer Gesellschaft und haben als gleichberechtigte Bürger ein Recht auf freie Entfaltung und Entwicklung.

Wir bitten Amnesty International, sich mit unserer Situation ernsthaft auseinander zu setzen, insbesondere mit der ausserordentlichen Schwere der an Zwittern systematisch verübten Menschenrechtsverletzungen, welche dringendes Handeln erfordert, und fordern dazu auf, einen konkreten Beitrag zu leisten, damit diese massivsten Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen gegen intersexuelle Menschen endlich ein Ende haben.

Jeder Tag, an dem die genitalen Zwangsoperationen nicht endlich gestoppt werden, macht aus wehrlosen Kindern neue, irreparabel geschädigte Opfer!

Ich hoffe, es ist mir gelungen, Ihnen vom Umfang, Ausmass und von der Dringlichkeit des Problems eine Vorstellung vermittelt zu haben, und bitte Sie dringend um Vorschläge, wie die Dringlichkeit unseres Anliegens innerhalb ihrer Organisation am besten vermittelt werden kann.

Dies umso mehr, da diese Menschenrechtsverletzungen keinesfalls auf Deutschland beschränkt sind. (Weltweit hat bisher Kolumbien als einziges Land damit begonnen, diese systematischen Menschenrechtsverletzungen an Zwittern unter Strafe zu stellen.)

Bei eventuellen weiteren Fragen oder Anliegen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Freundliche Grüsse

n e l l a
Daniela Truffer
presse_at_zwischengeschlecht.info
+41 (0)76 398 06 50
http://zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Schweizerische Selbsthilfe intersex.ch
Mitglied XY-Frauen
Mitglied Intersexuelle Menschen e.V.

Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info

Friday, April 24 2009

Selbstdarstellung - AGGPG

D O K U M E N T A T I O N
Quelle:  http://web.archive.org/web/20020225045640/home.t-online.de/home/aggpg/slb.htm

Informationen zur AGGPG

(update 13.10.01)

Im Binnengefüge der Nation galten die Juden als 'Feind im Innern'. Die Grenzen
der Nation ließen nicht genügend Raum, um die Juden zu definieren; der Horizont
des nationalen Gedächtnisses reichte nicht weit genug, um deren
Identität zu durchschauen.
(Zygmunt Bauman: Dialektik der Ordnung. Die Modere und der Holocaust)
 

Ambivalence, ambiguity, equivocality ...  These words convey the feeling of
mystery and enigma; they also signal trouble, whose name is uncertainly, and a
dismal state of mind, called indecision or hesitation. When we say that things or
situations are ambivalent, what we mean is that we cannot be sure what is going
to happen, and so neither know how to behave, nor can predict what the outcome
of our actions will be. Instictively or by learned habit, we dislike and fear
ambivalence, that enemy of security and self-assurance. We are inclined to
believe that we would feel much safer and more comfortable if situations were
unambigous - if it were clear what to do and certain what would happen if we do it.
(Zygmunt Bauman: Modernity and Clarity. The Story of a Failed Romance)


 
 

Wer ist die AGGPG?

Die Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie (AGGPG; neu zudem: Gewalt in der Psychologie und Genetik; korrekt also: AGGPPGG [1]) gündete sich am 8. März 1996 nach einer Diskussionsrunde zur genitalen Verstümmelung vorwiegend in afrikanischen Ländern. Dort zeigte sich die Notwendigkeit, spezifisch auf die Situation intersexueller Menschen (dem Volksmund als Zwitter oder Hermaphroditen bekannt), vor allem Kindern, hinweisen zu müssen.

Beteiligt an der Gründung waren zunächst Heike Bödeker und Michel Reiter, welche beide kurz nach Geburt einer langjährigen medizinischen Prozedur ausgesetzt wurden mit dem Ziel, eindeutig einem Geschlecht zuzugehören und diese Zuweisung als Erwachsene ablegten. Sie verstehen sich heute weder als Frauen noch Männer, sondern haben normative Geschlechtervorstellungen ähnlich einer nicht annehmbaren Hülle abgestriffen. Zwischenzeitlichen haben personelle Wechsel stattgefunden.

Die AGGPG ist keine feste Gruppe oder ein e.V., sondern eine non-profit Initiative ohne zweckgebundene Finanzmittel zur Wahrung der Autonomie mit Website und Kontaktmöglichkeit. Die Initiative ist auch keine Selbsthilfegruppe, sie kann und will für andere keine Entscheidungen fällen. Auch versteht sie sich nicht als Konsum-, Delegations- und Dienstleistungsunternehmen. Da gleichfalls am Opportunismus kein Interesse besteht sowie immer wieder auf mehreren Parketts gleichzeitig getanzt wird (und bisweilen auch gar nicht), werden Sie die AGGPG schwer verorten und ihr auch keine Konzentration auf eine special-interest-Politik anhängen können - wenngleich radikale Kritik am binären und vereindeutigenden Denken bestehen bleibt und damit diese westliche Kultur in ihren Grundpfeilern angegriffen wird. Summa sumarum sind die Vorstellungen der AGGPG somit ungeeignet für die klassische parlamentarisch-kleingeistig ausgerichtete Lobbyarbeit.

Die Präferenz der AGGPG wird sich nach Bekanntgabe des Urteils vom Amtsgericht München hin zu einer kreativeren, eigenständigeren Arbeit verändern, ggf. mit separater Rubrik. Nicht Aktivismus und Öffentlichkeitsarbeit zur Skandalisierung der Praxen werden ausgedehnt oder akademsiche Fragestellungen perfektioniert (die Basisarbeit zu einem Paradigmenwechsel von der Zwei- zur Mehrwertigkeit leistet diese Webseite bereits), sondern der Fokus auf die eigenen Interessen gelegt. Insofern wird sich auch sukzessive weniger an der Realität als auf der sozialen Oberfläche bestehend Erscheinendem abgearbeitet werden. Zu beginnen wäre bspw. mit einer Filmproduktion, die andere Fragestellungen hat als jene nach der Geschlechternormalität.



Zur Ausgangslage

Wenn ein Kind geboren wird, dessen somatisches Geschlecht nicht klar für die Hebamme / den Arzt einzuordnen ist, spricht der medizinische Diskurs von Intersexualität im engeren Sinne. Gesellschaftliche Normvorgaben und Stigmaängste der Eltern führen zu der prekären Situation sich im Zwang zu sehen, das Kind geschlechtlich vereindeutigen zu müssen als auch Ärzte (vorrangig Endokrinologie und Chirurgie) mit dieser Aufgabe monetäre Vorteile, Prestige und Machbarkeitsphantasien verbinden können. Die Eingriffe sind langwierig, äußerst schmerzhaft und im medizinischen Sinne nicht notwendig. Sie verursachen irreversible körperliche Schäden und garantieren keinen Erfolg sowohl hinsichtlich Operationsergebnis als auch Geschlechtsidentität. Untersuchungen aus Qualitätskontrollen liegen international kaum vor und vorhandene Ergebnisse sprechen durchweg gegen Eingriffe. Binnen intersexueller Kreise wird die Prozedur als Folter beschrieben und suizidale Überlegungen sind üblich.

Dieser stark verkürzt wiedergegebenen Ausgangslage liegen zwei Elemente zugrunde:

  • Die körperliche Existenz mehr als zweier Geschlechter (wie sie heute verstanden werden als Konglomerat aus Chromosomensatz, primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen) ist generell nicht selten. Neuere Erhebungen nennen: USA 5,46 Mio, Deutschland 1,64 Mio, Italien 1,15 Mio, Frankreich 1,22 Mio, England: 1,17 Mio, Australien: 360.000, weltweit: ca. 120 Mio. Die Anzahl der bereits unmittelbar bei Geburt in frage gestellten Kids liegt bei rd. 0,1% der Bevölkerung, also rd. 1/20 der genannten Zahlen. Doch auch 6 Mio weltweit sind keine zu unterschätzende Präsenz.
  • Es findet kein adäquater sozialer Umgang statt, sondern eine Negation der Existenz und Abgabe an die Medizin zur Korrektur. Somit schließt sich ein Kreislauf, der Lobbyarbeit stark erschwert, aber auch alternative Optionen eröffnet.
Die fast perfekte Reibungslosigkeit im Ablauf der Genitalverstümmelungen läßt sich aus massgeblich drei Gründen ableiten:
  • Eltern rechnen nicht damit, dass ihre Frage "Was ist es denn?" mit der impliziten Erwartung "Junge oder Mädchen" nicht oder nicht leicht beantwortet und schon gar nicht sofort beantwortet werden kann. Hier besteht Mangel an Aufklärung und Beantwortungsoptionen, die eine Zweiteilung der Weltanschauung (tertium non datur) nicht bereithält.
  • Viele Menschen schämen sich ihrer Genitalien wie sie sich ihrer Körper schämen, den sie nur funktionalisiert akzeptieren. Hier soll nicht der Scham widersprochen werden, aber der Reflexionslosigkeit. Weil sie bei sich selbst lieber wegsehen, verstehen sie nicht, warum dieser kleine Mensch ihnen solche Angst macht. Und sie verstehen nicht, dass sie zur Selbstkonzeptionierung einer inneren Gewissheit über ihr Selbst auch ihren Körper brauchten, zu dem die Genitalien zentral gehören. Eine Gewissheit, die vor aller sozialen Geschlechtsverortung angesiedelt ist. Sie glauben dann allen Ernstes, wenn sie die Genitalien ihres Kindes manipulieren, würde dieses da schon hineinwachsen - irgendwie. Dies ist falsch, denn die Genitalien werden durch einen chirurgischen und / oder hormonellen Eingriff irreversibel zerstört.
  • Die klassische Logik, die das westliche Weltbild bestimmte, besteht aus drei elementaren Sätzen: a) der Satz der Identität von Denken und Sein (Lehre vom Begriff), b) der Satz vom verbotenen Widerspruch (Urteilslehre), c) der Satz vom ausgeschlossenen Dritten (Lehre vom Schluß). (zum Verständnis der Bedeutung empfehlenswert: Fritz B. Simon (2001): Tödliche Konflikte. Zur Selbstorganisation privater und öffentlicher Kriege. Carl-Auer-Systeme) Diese Sätze sind logisch immanent falsch, wie Gotthard Günther durch Weiterentwicklung der hegel'schen Dialektik nachweisen konnte, denn überall dort, wo das Subjekt logisch denkt, könnte es sich selbst nicht denken. Dadurch wäre es zu keiner Reflexion fähig und Erkenntnis fände nicht statt. Dieses aus dem tertium non datur folgende Denken ist tatsächlich immanent verdrängend, wie Klaus Heinrich durch seinen Rekurs auf Mythenerzählungen nachweisen konnte. Doch es ist die Leitidee der Wissenschaft der letzten 2500 Jahre mit immanenter Einschreibung in modernes/mordendes, aufklärerisches Denken. Der Zwitter als Wahrnehmungsfigur stellt durch seine schiere Existenz die gesamte klassische Logik in Frage und alle daran anhängenden westlichen Denkkonzepte. Daher fordern Zwitterfiguren (heissen diese in vergeschlechtlichtlicher Hinsicht nun Hermaphrodit, Zwitter, Hijra, transgender usw, ist hierbei völlig irrelevant) das Abendland heraus, sich über sich selbst hinaus fortzuentwickeln. Zwitterfiguren sind die Zukunft dieser Kultur, die sich auf eine höhere Komplexitätsebene einstellen muss. Geisteswissenschaften sind dieser Herausforderung bislang nur unzureichend gefolgt und daher existieren noch keine adäquaten Handlungsanweisungen in Situationen, die mit den drei vorgenannten elementaren Sätzen brechen. Anstatt finden sich in Justiz, Militär und Medizin radikale Massnahmen, verein(ein)deutigte, nationale und identitätspolitische Grenzen stets neu zu definieren - ohne die eine Existenzberechtigung dieser Institutionen kaum gegeben wäre.
In heutiger Gesellschaft spiegelt sich der in das induktive Schließungsverfahren eingeschriebene Pragmatismus wieder. Verkörperungen sind von Relevanz. Jede Einzelne kann als Verkörperung des Ganzen betrachtet werden (buddhistisch-metative Sichtweise), das Ganze spiegelt sich in jeder einzelnen Verkörperung wieder (christologische Sichtweise; jeweils deduktive Schließungsverfahren) oder, wie aktuell, Verkörperungen bestehen in wenn- dann- Beziehungen ohne religiös-generative Ableitung und Abhängigkeit. Dieses auf Gesetzesbestimmungen gründende Vertragsverhältnis  (analoges Schließungsverfahren) beinhaltet Rechte und Pflichten und zieht soziale Verantwortlichkeit nach sich.
Mediziner wenden in Geschlechterfragen keine dieser Sichtweisen an, sondern postulieren alleine ihre dem nationalökonomischen Profit dienlichen Wertmaßstäbe. Sie werden substituiert von o.g. Gesamtkonstellation und können ihre reaktionären, dem Fundamentalismus (Wörterbuch: geistige Haltung, die durch kompromissloses Festhalten an [ideologischen, religiösen] Grundsätzen gekennzeichnet ist) geschuldeten Versprechen, eines der beiden Geschlechter herstellen zu können, erfolgreich verkaufen.
Gleichzeitig war es binnen aller Forschungsvorhaben seit Jahrhunderten konsequent nie Ziel, das von ihnen Verworfene zu verstehen, so dass heute überhaupt kein Wissen über vergeschlechtlichte Zwitterfiguren vorliegt. Aktuelle empirische Studien mit Intersexuellen in den USA müssen nun im Mai 2001 (newscientist.com) nach ca. drei Jahren vergeblicher Anstrengungen ihr Scheitern eingestehen. Justine Schober formulierte es konkret: "We don't know what to ask."
Der geistige Horizont jener vormals Geschlechtssegregation betreibenden Forschenden disqualifiziert sie per definitionem, das tertium datur bezüglich Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsschemata zu erfassen. Aus diesem Grunde war es angebracht, für ein in Deutschland geplantes Forschungsvorhaben nur Sachverständige zuzulassen, welche "an der medizinischen Praxis der geschlechtszuweisenden Maßnahmen weder mittelbar noch unmittelbar beteiligt sind." Konkret müssen somit Forscher involviert werden, die sowohl mit der inhärenten Logik einer Kultur vertraut sind, welche mehr als zwei Geschlechter kennt als auch die Übersetzungsarbeit in westliche Denksysteme leisten können.

Angebote

Für Eltern, die nicht alleine den medizinischen Aussagen folgen und ‚blind‘ einwilligen wollen, gibt es somit seitens der AGGPG allgemeine Informations- sowie in sinnvollem Rahmen Beratungsmöglichkeiten als auch für erwachsene Intersexen zunehmend Vernetzungspotentiale entstehen, vor allem via Internet und email.

Neben den auf dieser Webseite kostenfrei zur Verfügung gestellten Informationen werden öffentlich Vorträge gehalten, Interviews gegeben (sofern die Angebote annehmbar sind) und schriftliche Beiträge erstellt. Die Kapazitätsgrenzen sind mit der Anzahl aktiver MitarbeiterInnen verknüpft. Thematisch ist das Feld sehr weit und komplex.



Theoretische Verortung und Perspektiven

Die AGGPG distanziert sich theoretisch sowohl von Körper-, Rasse- und Geschlechternormen als sie auch auf eklatante Mängel medizinischer und sozialkonstruktionistischer Diskurse hinweist. Intersexualität wird nicht als drittes, essentialisiertes und ontologisiertes Geschlecht verstanden, aber für die ewig Geschlechtsgläubigen wird auf jene in der Humanwissenschaft vorgefundenen ca. 4000 Geschlechtervarianten verwiesen. Konzepte im Dienste einer Kontrollgesellschaft werden abgelehnt. Jede Idee und das Vorgehen der Reduktion auf zwei Geschlechter sind scharf zu kritisiern. Auch alternative multiple Konzepte im Dienste eines geschlechtlichen Fixierungsmodells werden abgelehnt. Theoretische Entwürfe müssen vielmehr die diskursive Herstellung der Bipolarität als auch Lebensentwürfe außerhalb vorgesehener Strukturen einbeziehen, zugleich flexibel und diesseits des "anything goes" sein. Theoretische Weiterentwicklungen aus den Einsichten der AutorInnen Foucault, Irigary, Deleuze und Butler halten wir für partiell relevant. Gleichfalls relevant erscheinen aber auch politische Maßnahmen, Menschen einen Sprachraum zu eröffnen. Dieser ist nicht in den erneuten Dienst diziplinierender Maßnahmen zu stellen, sondern ein solcher biopolitisch motivierter Gebrauch zu verhindern. Politisches Fernziel ist es, gänzlich auf Geschlecht als Personen zugeschriebenes Merkmal zu verzichten. Hierzu liegen in juristischer Hinsicht bereits Konzepte in der Schublade.

Perspektivisch stehen weitere Forschungsfragen offen (z.B. Ermittlung historischer Zwitter als auch die Untersuchung des Einflusses nationalsozialistischen Gedankengutes an medizinischer Ideologie und konkreter Forschung seit 1950). In Planung befindlich ist noch immer eine  Buchveröffentlichung als auch Irritationen im Kontext normativer Restriktionen, etwa im schulischen Sexualkunde- und Genetikunterricht oder auf medizinischen und sexualpolitischen Versammlungen, hervorzurufen. Ferner soll zunächst mit juristischer Forcierung ein 'drittes Geschlecht' kulturuell eingeführt werden - etwa als "formalisierte Ambivalenz" (Heinrich), "Triologie der Konstitution des Ortes" (Irigary), "Eröffnung einer untotalisierbaren Pluralität der Menschen" (Levians), "Gestalt der Reflexion, die weder im Ich noch im Du lokalisiert ist, sondern die erst im Es, d.h. im Gegenstand, auftritt" (Gotthard Günther), kurz: als durchaus verkörperte, jedoch auch fluide Mittlerfigur und nicht als erneuter Determinismus.

Cyborgs / Postgender(Master of Arts; rtf-download) etwa, propagiert von Donna Haraway, sind eine interessante empirische Vorstellung, sofern sie reflektiert bleiben und nicht in einen Hype münden. Ob postgender der richtige Begriff ist, müsste noch diskutiert werden. Zwar würde er keine Differenzierungen in weiblich und männlich nötig haben, die Idee korreliert jedoch mit Technologiefreudigkeit. Postgender ist insofern lediglich als Metapher und epistemologischer Anreiz zu verstehen (s. hier ein kritischer Einwurf und hier eine Postgenderadaption; Film Gendernauts - 1999).
Dass andererseits transgender nur heisst, "lernen ich selbst zu sein", spricht vielleicht eine ähnliche Sehnsucht an, arbeitet aber mit anderer Methode und bleibt an menschlichen Bedürfnissen im nonvirtuellen Raum orientiert.
Man könnte diese und weitere Bestrebungen auch vereinfacht formulieren: Pansexualität ist im Kommen. Doch Leute, die tatsächlich als nondimorphisiert optisch erkennbar sind, haben realiter noch immer keinen Anspruch auf einen Platz in der Gesellschaft. Sowohl die Welt des individualisierten Lebensästheten als auch die ihn schützenden Institutionen sind im geschlechtlichen Bereich, jenem vorgeblich "wichtigsten Ordnungsprinzip" (Zeit), noch primär unreflektiert.
Eine Zwitterfigur bringt das Ende der Termini Sex und Gender mit sich und bedeutet damit das Ende jener traditionellen, mit der health community korrelierenden Genderstudies: exogender; the exodus of gender. Eine metaphysische Rückbindung nebst Letztbegründung ist nicht mehr möglich. Sie rückt vielmehr Dichotomien wie Kultur und Natur zusammen und überwindet damit die Grenzen. Erst jetzt wird deutlich, dass kategorielle Reinheiten nie existierten. Auch jene in den Genderstudies noch postulierte Spaltung zwischen Maskerade und Original, gender und sex, fällt im Dritten in sich zusammen. Übrig bleibt je nach Lesart das Unmarkierte, das Naturhafte, reiner Code oder Nakultur. Die Differenz zwischen Schein und Sein wird obsolet. Eine echte epistemologische Implusion, nicht nur übersteigerte Synthese, bei gleichzeitiger Multiplikation potentieller Deutungsmuster (die alten vier, noch phänomenologisch orientierten Interpretationsmodelle sind hier zu finden). Geschlechterzwänge sind passé. Das tertium datur ist der Ort der Transformation von äußerer in subjektive Macht, das die Individuen sich selbst neu erfinden läßt und wenn sie klug sind, sich nicht einer erneuten Dominanzkultur ausliefern. Das tertium ist zugleich die Schnittstelle zwischen zweiwertiger Logik und polykontexturalen Systemen.
Da eine völlig Aufhebung des Begriffes 'Geschlecht' ein Ärgernis der Genderproduktionsstätten stellt (s.u., zudem sog. Frauenzeitschriften, Ehe usw.), wird sozial ein drittes Geschlecht gewollt werden. Fliegenbeinzähler (Biologen und Mediziner) werden durch Täuschung (divide et impera) und Statistikfälschung dagegen weiterhin versuchen, die Zahl möglichst gering zu halten, ihre Strategie der Marginalisierung nebst Postensicherung nicht aufgeben und ihre Definitionsmacht fortschreiben wollen.

However, wir wollen der faschistoid motivierten Medizin in diesem Sektor damit in einem Nebenaspekt die Finanzen durch einen Legitimationsentzug streichen, ihnen das Definitionsmonopol entwenden sowie dieser Kultur (und uns) eine Bereicherung bzw. Lebensperspektive ermöglichen.
Kritisch anzumerken in diesem Kontext ist: "Der amerikanische Sozialanthropologe John Fiske befaßte sich außer mit der Kultur des Volkes auch mit der ökonomischen Dimension von Kultur-Mythen und seine Gedankengänge kann man auch auf die speziellen Mythen über die Gender und Sex anwenden: 1.) Sie sollen verkauft werden und die Einnahmen dienen dann a) zum Machterhalt der Produzenten, und b) als Ressourcen zur Produktion neuer Gender- und Sexmythen. 2.) Der Verkauf hat als Ziel, durch hohe Verkaufszahlen einen Wahrheitsgehalt des Genderbegriffs zu produzieren" (Quelle: www.annamagicart.com/ZIPs/Gender.zip) Der im Originaltext in einer Fussnote genannte Adolf Butenandt war Nobelpreisträger und Nazimediziner, sein Söhnchen Otfried bis in die späten 1990 Jahren an der Zwitterverstümmelung in München beteiligt. Wir denken, dies spricht für sich.

Daher gilt, so lange sich die Situation nicht verändert: "Diamanten gelten als besonders wertvoll, weil sie sehr selten sind. Intersexuelle jedoch, obwohl sie sehr selten sind, werden in westlichen Zivilisationen nicht hoch geachtet, wie in indianischen Kulturen, sondern werden in ihrer Integrität vernichtet. Das ist, als ob man Diamanten verbrennen würde, um sie der Kohle gleichzustellen, nur weil Kohle in größeren Mengen vorkommt. Das entsprechende Gesetz würde dann heißen: 'Es ist ein Naturgesetz, daß C12 als schwarze Kohle existiert. Diamanten sind ein Irrtum der Natur und sind deshalb der schwarzen Kohle anzupassen.'" (Quelle: ebd.)

Das Amtsgericht stellte klar, dass ihm Zwitter nicht unbekannt sind, sie gleichwohl bislang und auch mit diesem Urteil als nicht anerkannt bestätigt wurden. Dergestalt erfüllt ihre erzwungene soziale Abwesenheit eine zentrale Rolle zur Determination des geschlechtlich Gebotenen und Normierten: Zwitter stellen de facto ein sozial unzulässiges Geschlecht. Hinter dieser Konstellation steht ein Totem, das stets mit dem Tabu einher geht, es nicht zu töten oder zu verletzen.
Wenn geschlechtliche Vorgaben im Zuge der Emanzipation nicht mehr eingehalten werden, ist es eine schizophrene Dynamik, die Existenz von Zwittern zugleich zu tabuiseren und sie materiell zu eliminieren, statt sie als gleichberechtigt anzuerkennen (Def. schizoide Persönlichkeit: Zerfall emotionaler / handelnder und intellektueller / denkender Aspekte; s. Tertium datur: eine peinliche Befragung sowie Gilles Deleuze (1997): Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie I, Suhrkamp). Wenn Konformismen hingegen gefolgt wird, haben Zwitter als nonschizoide Ursprungsfigur einen sehr hohen Status inne:
 

Beschliessung Jurisprudenz soziale Verortung Zwitter Status des traditionellen Geschlechterverständnisses m / w
1. keine Aussage (Stand 2001) sakral, verworfen normierend, verdrängend
2. versagt die Eingriffe sakral, übersteigert normierend
3. akzeptiert ein 3. Geschlecht gleichberechtigt dekonstruierend, emanzipativ

In beiden zuvor genannten Fällen dürften medizinische Eingriffe nicht stattfinden. Da genau das jedoch der Fall ist, zielt die Diskussion um diese mit basalen gesellschaftlichen Verträgen brechenden Praxen sukzessive auf ein alternatives, nonbinäres Geschlechterverständnis, welches jene der Schizophrenie zugrunde liegende Ödipusfigur überwindet. Das Gegenteil der Absichten eines Verstümmelungsmanagements tritt ein, das selbst ohnehin nicht an einen Essentialsmus von "Geschlecht" glaubt, aber zur Profitabsicherung noch an Binaritäten festhält und doch nur mit einer kulturellen Sinnstiftung durch ihre Handlungen bricht: es delegitimiert sich selbst als weltfremd. [2]


Was können Sie konkret tun...

  • weisen Sie Schwangere oder Eltern, die sich mit einem Kinderwunsch tragen, auf die Möglichkeit hin, ein intersexuelles Kind zu bekommen
  • klären Sie Ihre Umgebung zu Existenz von und medizinischem Umgang mit Intersexen auf
  • weisen Sie Ratsuchende auf unterstützende Stellen hin (alle auf dieser WebSeite genannten Gruppen geben Informationen und, soweit sinnvoll, auch Entscheidungshilfen)
  • sprechen Sie mit Medizinern und weisen diese auf kritische Stimmen Intersexueller zur Methode der Geschlechtszuweisung hin
  • veranlassen Sie kooperative Mediziner zur Mitarbeit, um geschlechtliche Zuweisungen zu stoppen und den beteiligten Erwachsenen statt dessen bei Bedarf psychologische Hilfe in außerklinischem Kontext anzubieten
  • brechen Sie das Schweigen und tauschen Sie sich mit anderen aus
  • denken Sie daran: der Satz 'was nicht sein darf, das nicht sein kann' ist eine fadenscheinige Legitimation für Elimination
  • lernen Sie Ironie und bewerten Sie Ihre Situation nicht über: "...woman, children, and revolutionaries hate irony, which is the negation of all saving instincts, of all faith, of all devotion, of all actions." (Quelle: Linda Hutcheon 1995: Irony's Edge. The Theory and Politics of Irony. London, New York)
  • wenn Sie in eine ärztliche Beratungssituation geraten sind:
  • Zeichnen Sie alle Gespräche mit einem Aufnahmegerät auf und lassen Sie sich zur Begründung entscheidender Aussagen das Material aus Fachbüchern kopieren. Sie werden diese Unterlagen ggf. in einem Prozeß vor Gericht als Beweismaterial brauchen, wenn nicht bloß Aussage gegen Aussage stehen soll. Lassen Sie sich auch alle medizinische Akten stets in Kopie aushändigen. Rechtlich haben Sie darauf Anspruch. Fälle, in welchen chirurgische Eingriffe am Kind ohne Einwilligung und alleine zum Zwecke der geschlechtlichen Verein(ein)deutigung durchgeführt wurden, lassen zur Vorsicht raten.
  • Lassen Sie sich aufklären. Der informed consent ("informierte Einwilligung"; ein kritischer Vermerk dazu findet sich hier) ist Grundlage eines jeden Behandlungsvertrages. Er bedeutet eine umfassende, allgemein verständliche Aufklärung hinsichtlich der Diagnostik (dies impliziert auch, dass Ihr Kind ein intersexuelles Genitale hat und nicht nur Kürzel wie z.B. AGS), den Folgen aus etwaigen Eingriffen und solchen aus einem Unterlassen der Eingriffe. Zu vielen Fragestellungen existieren keine gesicherten Informationen oder nur Spekulationen. In solchen Fällen kann sich deswegen nicht schon für Eingriffe ausgesprochen werden.
  • Der Arzt hat den Regelungen des informed consent zu folgen, wenn er sich nicht strafbar machen will. Zur Beachtung des jeweiligen Wissensstandes gehört, Veröffentlichungen – auch ausländische, wenn nicht zu entlegen – zu diesem Bereich zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen.
  • Neuere Studien belegen, dass die spätere geschlechtliche Verortung eines intersexuellen Kindes sich oftmals unabhängig therapeutischer oder sozialisationsorientierter Art entwickelt und mithin nicht prognostizierbar ist. Gehen Sie nicht davon aus, die einmal getroffene Geschlechtszuordnung, gleich welche, würde für immer Bestand haben. Gehen Sie ferner nicht davon aus, Genitalien, die optisch maskulinisiert oder feminisiert werden, sähen dann auch entsprechend aus, wären nerval intakt oder entsprächen dem Wunsch des Kindes.
  • Treffen Sie niemals Entscheidungen sofort, auch wenn Sie unter Druck gesetzt werden (bspw. mit Lebensgefahr des Kindes bei Therapieablehnung gedroht wird).
  • Unterscheiden Sie bei den medizinischen "Angeboten" zwischen solchen kosmetischer und lebenserhaltender Art. Oft werden diese Optionen als einander bedingend verkauft. Dies ist eine Lüge. Nicht der Norm zu entsprechen, ist eine rein kosmetische Fragestellung und ein Behandlungsvertrag ist formaljuristisch ungültig. Eingriffe an den Geschlechtsmerkmalen ohne explizite Lebensgefahr sind in Ableitung des § 1631c BGB aus 1992 als schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) strafbar.
  • Juristisch gibt es keine Veranlassung für Eingriffe zur geschlechtlichen Vereindeutigung, da ein Standesbeamter keine körperliche Eindeutigkeit zur Eintragung fordern kann. Etwaige formale Geschlechtszuweisungen können mit dem § 47 PStG (Personenstandsgesetz) wieder geändert werden, wenn es sich nachweislich um eine Fehleintragung gehandelt hat. Eine solche konstatierte, von Anfang an bestehende Unrichtigkeit impliziert Personenstandsfälschung nach § 169 StGB (Strafgesetzbuch) für die Informationsgeber, i.d.R. das Geburtsklinikum. Beachten Sie, dass die Beantragung eines dritten Geschlechtes derzeit als Präzedenzfall in Arbeit ist und auch Sie einen solchen Antrag beim Standesamt des Geburtsortes Ihres Kindes formlos stellen können. Eine Fristsetzung für die Antragstellung besteht nicht: Die Option gilt somit auch für Erwachsene, die ihre ggf. jahrzehnte rückliegende Eintragung ändern lassen wollen.
  • Wenden Sie sich bei Bedarf für Rückfragen z.B. an die AGGPG, Ihre Anfragen werden weitergeleitet bzw. Ansprechpartner genannt. Einige Intersexen sind zu biologischen Fragestellungen besser informiert als Ärzte und besser qualifiziert als nach Lehrbuch geschulten Psychologen sind alle. Auch juristisch werden unsere Kenntnisse stets besser. Englischkenntnisse sind von Vorteil, denn Sie können sich international Informationen einholen.
  • Wundern Sie sich nicht, dass Sie den Kontakt bspw. zur AGGPG ärztlicherseits nicht genannt bekommen haben. Wir greifen Mediziner an und reden ihnen nicht nach dem Mund. Unsere Kritik richtet sich generell an die vorgeblich 'exakten', aber doch nur polarisiert formalisierten Wissenschaften. Spätestens seit Heisenberg ist deren Kausaldeterminismus obsolet, das sie jedoch nicht an der Brutalität der Zieldurchsetzung gehindert hätte. Die westliche Medizin und ihr Machbarkeitswahn ist Teil dieses Denkens. Der ärztliche Berufsstand und ihm ideell nachfolgende Vertretungen haben an einer Modifikation ihres Denkens bislang kein Interesse. Dies könnte sich allerdings bald ändern, denn am 12.10.01 fand die erste Lesung in der Angelegenheit im Bundestag statt.
  • Vergessen Sie nicht: als Eltern haben Sie auch juristisch die Pflicht, für Ihr Kind zu sorgen. Dieses hat ein grundgesetzlich verankertes Recht auch auf eine freie Persönlichkeitsentwicklung. Lassen Sie genitale Eingriffe zur geschlechtlichen Vereindeutigung vornehmen, mag dies vielleicht Ihrem privaten, ästhetischen Wohlbefinden dienen, aber Sie verstoßen gegen die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, der EU-Menschenrechtskonvention und dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes, ratifiziert am 20. November 1989. Sie handeln strafbar, denn Sie brechen mit Gesellschaftsverträgen, die Sie für sich selbstverständlich in Anspruch nehmen - etwa nicht einfach ermordet zu werden, nur weil Ihnen jemand mit schlechter Laune auf der Straße begegnet und Sie im Wege stehen. In medizinischen und kassenärztlichen Akten sind Ihre Adressangaben usw. erfasst, Sie bleiben in Ihrem Vorgehen nicht anonym und sobald Rechtssicherheit besteht, werden alle Fälle sukzessive juristisch überprüft werden.

...und was sollten Sie nicht tun?

  • verwechseln Sie nicht eine Geschlechtsanpassung erwachsener Transsexueller mit der Geschlechtszuweisung intersexueller Kindern, sondern differenzieren Sie hinsichtlich Freiwilligkeit, Zustimmungsfähigkeit und Intention, auch wenn aktuelle Zeitungsmeldungen dazu tendieren, alles unter die Fragestellung der Geschlechtszugehörigkeit zu subsumieren und damit dem medizinischen Impetus zuarbeiten.
  • verwechseln Sie nicht sexuelle  Lebensweisen (Homo- Hetero, Bisexualität u.a.m.) mit der Feststellung des anatomischen Geschlechtes, welche sich in den Begriffen 'Mann, 'Frau', 'zwittrig' / 'uneindeutig' wiederfinden (siehe Text 'theoretische Differenz...')
  • projezieren Sie nicht Ihre sexuellen Wünsche, geschlechtlichen Weltbilder und Ängste auf uns, sondern fragen Sie sich, warum Sie diese Gedanken haben und wie Sie sie verändern können
Zum Einlesen in den Komplex empfehlen sich u.a. die Texte dieser Webseite mit weiteren Links sowie weiterführende Literatur:

explizit:

  • John Colapinto (2000): Der Junge, der als Mädchen aufwuchs. Walter
  • Alice D. Dreger (1998): Hermaphrodites and the medical invention of sex. Havard University Press
  • Alice D. Dreger (1999): Intersex in the age of ethics. University Publishing Group
  • Anne Fausto-Sterling (2000): Sexing the body. Gender politics and the construction of sexuality. Basic Books
  • Michel Foucault (1998): Über Hermaphrodismus. Der Fall Herculine Barbin. Suhrkamp
  • Bernice L. Hausman (1995): Changing sex. Transsexualism, Technology and the Idea of Gender. Duke University Press
  • Suzanne J. Kessler (1998): Lessons from the intersexed. Ruttgers University Press
implizit:
  • Baudrillard, Jean (1991): Der symbolische Tausch und der Tod. Matthes & Seitz
  • Baudrillard, Jean (1996): Das perfekte Verbrechen. Matthes & Seitz
  • Bauman, Zygmunt (1995): Postmoderne Ethik. Hamburger Edition
  • Bataille, Georges (1997): Theorie der Religion. Matthes & Seitz
  • Bataille, Georges (1997): Die psychologische Struktur des Faschismus. Die Souveränität. Matthes & Seitz
  • Bataille, Georges (1999): Die innere Erfahrung nebst Methode der Meditation und Postskriptum 1953. Matthes & Seitz
  • Bataille, Georges (2001): Die Aufhebung der Ökonomie. Matthes & Seitz
  • Günther, Gotthard (2000): Lebenslinien der Subjektivität. Kybernetische Reflexionen. Suppose (CompactDisk)
  • Günther, Gotthard (2000): Die Amerikanische Apokalypse. Profil*
  • Heinrich, Klaus (1987): Tertium datur. Eine religionsphilosophische Einführung in die Logik. Stroemfeld*
  • Herman, Judith Lewis (1993): Die Narben der Gewalt. Traumatische Erfahungen verstehen und überwinden. Kindler
  • Levinas, Emmanuel (1993): Totalität und Unendlichkeit. Versuch über die Exteriorität. Karl Alber
  • Miller, Alice (1983): Du sollst nicht merken. Variationen über das Paradies-Thema. Suhrkamp
  • *siehe hier einen Kurzüberblick mit Fragestellungen zur Hermaphroditenfigur vom Juni 2001, rtf-download, 75 k


Lassen Sie uns noch eine Anmerkung formulieren:
 

Es werden Milliarden DM jedes Jahr über Forschungen und Zwangsassimilation an als intersexuell deklarierten Körpern eingenommen. Umgerechnet bedeutet dies, daß ein Intersexueller bis zu seinem 18. Lebensjahr anderen - gegen seinen Willen - einen Mehrwert verschafft hat, wie ihn manche Arbeitnehmer ihr Leben lang nicht leisten werden. Weiterhin: Menschen, die sich als weiblich oder männlich definieren und eine Identität darauf aufbauen, können dies heute nur, weil Hermaphroditen sozial und kulturell nicht existieren. Gesetze, die auf einer Polarisierung der Geschlechter gründen, provitieren ebenfalls von einer binären Logik und gleiches gilt für Religionen und Philosophien, die montheistischen Ideologien anhängen, um daraus binäre Konzepte zu entwickeln. Soweit zu den Parasiten.

Um es klar zu formulieren: Wir (ein zugegeben problematisches Wort ob realer Heterogenität) haben den Rassismus, der einer Apartheid der Geschlechter inhärent ist, weder erfunden noch, und dies ist entscheidend, tragen wir ihn fort als wir dieser Gesellschaft auch absolut nichts schulden. Keine Aufklärung, keine von uns initiierte Besserung der Situation, ja noch nicht einmal die Beantwortung eines einzigen emails. Alle Leistungen, die von hier erbracht werden, erfolgen als Kredit und lediglich unter Vorbehalt. Sollten sie nicht in akzeptabler Zeit fruchten, werden wir uns andere Mittel als die der Mitteilung und des Dialoges suchen müssen. Und man wird uns gute Angebote machen müssen, um sie als akzeptabel zu werten.

Umgekehrt sieht die Lage anders aus: ein Staat ist dazu verpflichtet, für seine Staatsbürger (so politisch schwierig dieser Begriff auch ist) Sorge zu tragen. In Sachen Hermaphroditen hat er komplett versagt. Eine Gesellschaft, die sich human und demokratisch nennt, hat an dem Exampel der Zwitter ebenfalls komplett versagt. Gleiches gilt für eine Wissenschaft, die glaubt irgend etwas durch Rationalisierung sich aneignen zu können: die Aufklärung hat komplett versagt. Es ist bekannt: jene als intersexuell gelabelten Menschen werden bis heute in Deutschland gefoltert und sollen völlig unsichtbar sein. Sie sollen faktisch eliminiert werden. Von nicht vorhandenen Arbeitsplatzangeboten und sonstigen sozialen Leistungen usw. ist hier noch gar nicht die Rede - diese fehlen ohnehin.

Eine Verfolgung des state of the art der Wissenschaft zeigt andererseits: diese Gesellschaft ist durchdrungen von der Idee des Dritten und Mehrwertigen: u.a. Emmanuel Levinas, Klaus Heinrich, Gotthard Günther und Homi Bhabha schrieben hierzu bereits aus verschiedenen geisteswissenschaftlichen Perspektiven.
Zudem: Aggregatszustände des gleichen Stoffes (fest, flüssig, gas; ineinander transformierbar mittels Druck und/oder Temperatur), Stand-by-Schaltungen, intern analog arbeitende (und schnellere) Computer, Quantentechnik, gelbe Ampelschaltung (zur Beschleunigung des Verkehrsflusses), Neutronen, Antimaterie, Virtual Reality, Klone, Chimären, Hybriditätskonzepte, Fuzzylogic usw. sind teilsweise in den Alltag eingeflossene Beispiele aus Technik, Physik und Mathematik, die eine mittel- oder unmittelbare Zwitterlogik beinhalten.

Dass von A nicht auf B, von Idee nicht auf Manifestation geschlossen wird, sagt etwas aus über die sozialgeistige Begrenzung hiesiger Sozietät, jenen als primitiv abgewerteten nicht-westlichen Kulturen weit unterlegen, und ihren geschlechtlich konditionierten Menschen, die regelrecht fixiert darauf sind, uns bestenfalls als 'leidend', 'Betroffene', 'chronisch krank' oder 'Patienten' zu reduzieren, beleidigen und diffamieren. Und sie berichtet von politischen und wirtschaftlichen Interessensgruppierungen, Reduktionen gezielt herbeiführen und aufrecht erhalten zu wollen.

Sie werden es beim Lesen schon bemerkt haben: wir sind aus einem etwas anderen Holz geschnitzt als viele Menschen, die die Situation, die Hermaphroditen heute vorfinden, keinen Tag auch nur überleben würden. Summa sumarum: Rechnungen ohne uns gehen nicht auf.



[1] Die Notwendigkeint, diese Begrifflichkeit zu erweitern, speist sich aus unten wiedergegebenen hohlen Geschwafel von Hartmut Bosinski, ein Kollege von Milton Diamond und tätig an der ehemaligen Nazi-Eliteuniversität Kiel sowie Mitherausgeber des Lehrbuches "Sexualmedizin" (2001), welches die Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage vom März 2001 als Legitimation ihrer Verstümmelungsbefürwortung benutzte und folgendes aufschlussreiche Zitat enthält: "Der Großteil unseres heutigen Kenntisstandes für die .. Schritte der somatosexuellen (und teilweise auch psychosexuellen) Entwicklung verdankt sich dem Studium von klinisch relevanten Störungsbildern, den sog. Intersex-Syndromen." (S. 46) Für das Studium der OP-Techniken, Erblehre und Endokrinologie waren Zwitter maßgebliches Forschungsobjekt als die Kontinuität ihrer Vernichtung sich auch bis heute ungebrochen fortsetzt. John Money, der 1955 seine ohne jede empirische Evidenz entwickelte "Theorie" von der sozialgeschlechtlichen Entwicklung (Gender) einbrachte, die Verstümmelungen an Intersexen pseudotheoretisch untermauerte und aktiv propagierte, dessen Thesen seit 1970 nutzbar gemacht wurden zur Behandlung von Transsexualität und heute für gescheitert erklärt werden müssen, wurde mit großem Hallo von Feministinnen empfangen und zuletzt setzte Judith Butler seine Ideen in der noch immer gehypten Queertheory fort. Hier schließt sich der Kreis der ideell Beteiligten.

Das Zitat von Bosinski:
"Störungen der pränatalen sexuellen Differenzierung können zu Intersex-Syndromen führen, welche nicht selten mit psychosexuellen Entwicklungsproblemen einhergehen. Der Artikel gibt einen kurzen Überblick zur Historie und stellt gegenwärtig kontrovers diskutierte Guidelines für das medizinische Management von Intersex-Syndromen dar, die entweder eine frühzeitige Geschlechtszuschreibung und entsprechende operative Korrekturen oder aber ein weitgehend konservatives Vorgehen unter Berücksichtigung pränataler Hormoneinflüsse auf die Ausbildung der Geschlechtsidentität und die Vermeidung frühzeitiger Genitalkorrekturen favorisieren. Aus Sicht der Sexualmedizin werden Lösungsvorschläge unterbreitet, wobei besonders auf die Notwendigkeit eines auf den Einzelfall abgestimmten, interdisziplinären Vorgehens in hochspezialisierten Zentren unter Berücksichtigung biologischer und psychosozialer Einflussfaktoren und auf den unbefriedigenden Stand der Nachuntersuchungen hingewiesen wird. " (Quelle: MedGen 2001;13:42-45)

... sowie dem Wissen um Abtreibungen aufgrund geschlechtsspezifischer Unverträglichkeiten und ohnehin pränatalen Pfusch durch hormonelle Behandlungen der Mütter.
 

[2]  Das dumpfe Geschlechterkasperletheater verläuft wie folgt:

1.   Am kulturellen Anfang war die Bibel: Gott schuf den Menschen als Mann und Frau (und wer bitte war dann Gott?).
2.   Am philosophischen Anfang war das tertium non datur aus eben diesem Grunde.
3.   Am sozialen Anfang waren Medizin und Eltern: I. Alle Föten sind bis zur X. Woche beidgeschlechtlich, dann differenzieren sie sich aus in Mann und Frau.
      II. Sage mir, oh heiliger Arzt, was ist es denn, vermag ich es doch nicht selbst zu beurteilen.
3a. Dass eine solche zweigeteilte, deduktive Präskription aller naturwissenschaftlicher Verfahren spottet, tangiert uns Mediziner kein bißchen.
3b. Wenn jetzt doch mal ein uneindeutiger Mensch geboren wird, erklären wir Mediziner ihn als genital fehl- oder mißgebildet, aber eigentlich männlich oder weiblich.
3c. Wir ermitteln durch detaillierte Analyse, selbstredend nunmehr induktiv formuliert, das von uns erfundene Krankheitsbild.
3d. Wir bestätigen den beidgeschlechtlichen Menschen als Totem der Männer und Frauen und ignorieren das Tötungstabu, schließlich sind wir die Geschlechtermacher.
4.   Am rechtlichen Anfang war das Standesamt: Mediziner, mein Geschlechtergott, sage mir, was darf ich melden?
5.   Am revolutionären Anfang war der Zwitter: was soll das alles eigentlich? Seid ihr alle zu dumm, um logisch zu denken? Fehlt Bildung? Intelligenz?
      Was ist euer Problem, dass ihr euch so offensichtlich blamieren müßt?
6.   Am wissenschaftlichen Anfang waren Biologie und Genetik. Sie behaupteten nicht mehr, irgendeine Aussage über "Geschlecht" treffen zu können. Das wurde
      ihnen nicht nur von der Medizinergemeinde verübelt.
7.   Am sozialen Anfang II waren die Menschenrechtler und Pädagogen. Sie waren nicht mehr willens, einer Wissenschaft voller Lug und Trug Glauben zu schenken...
      Punkt 6 und 7 sind science fiction.


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Wednesday, April 15 2009

Mein Rücktritt als 1. Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V.

Per Ende meines 1. Amtsjahrs erklärte ich meinen Rücktritt als 1. Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V. Das vereinsinterne Mobbing überstieg meine psychischen Kräfte bei weitem. Auch will ich nicht länger als Vorstandsmitglied beteiligt sein am (wie ich es empfinde) Katzbuckeln des Vereins gegenüber den Medizynern und den verantwortlichen PolitikerInnen. Ich werde dem Verein aber als kritisches einfaches Mitglied erhalten bleiben.

Ich danke auch hier allen, die mir im Anschluss liebe und aufmunternde Worte zukommen liessen, komme jedoch auf meinen Entscheid nicht mehr zurück. Nachfolgend dokumentiere ich mein offizielles Rücktrittsschreiben.

Nella

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