Monday, June 15 2009

Medien: Warnung vor (weiblichen) Genitaloperationen

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Wie ein Artikel "Baustelle Intimbereich" im aktuellen "Wissen"-Bund der SonntagsZeitung aufzeigt, ist Kritik an kosmetischen VaginalOPs mittlerweile Bestandteil der medialen Saure-Gurken-Recyclings-Schleife – während gleichzeitig immer mehr Frauen in solche OPs einwilligen, "um auch «unten herum» vermeintlich normaler oder schöner zu werden. [...] Die kleine Abweichung von der Norm wird schnell als störend empfunden, auch wenn es sich dabei meist um eine Variante der Natur handelt."

Einmal mehr sind die berechtigten Kritikpunkte schlechte bzw. mangelnde Aufklärung, schlechte Ergebnisse sowie mangelnde Qualitätskontrolle bzw. keine gesichterten Erkenntnisse über positive Effekte – bekanntlich die Dauerbrenner auch wenns um (ungleich schwerwiegendere, weil nicht-eingewilligte und meist auch das Lustorgan direkt betreffende) genitale Zwangsoperationen an Zwittern geht. Diese werden jedoch, wie in Mainstreammedien und Medizinerfachzeitschriften obligat, einmal mehr stillschweigend ausgelassen.

Ein kleiner Medien-Überblick:

Bereits 1998 hatte Michel Reiter "Genitale 'Korrekturen' an Frauen als Schönheitsmaßnahme" kritisiert (und Parallelen sowie Unterschiede zur weiblichen Beschneidung und genitalen Zwangsoperationen an Zwittern aufgezeigt).

2005 konnte Stern.de in gleich 2 (bei vordergründiger Verdammung der 'perversen Amerikaner' eher marktschreierischen) Artikeln "Intimchirurgie: Delikate Operation" und "Dr. Frauenglück" trotz angeblich heissem Bemühn nichts objektiv Negatives ausfindig machen – lediglich das "Ethik-Komitee der Amerikanischen Vereinigung der Gynäkologen und Geburtshelfer" sei "beunruhigt" und "die Feministinnen" würden sich "empören".

Erst 2007 fand das Thema 'weibliche' kosmetische Genitaloperationen, ausgehend von einem im gleichen Jahr publizierten Artikel von Lih Mei Liao und Sarah M. Creighton im "British Medical Journal" (Extract), in deutschsprachigen Medien zunehmend kritische Beachtung, so z.B. auf 20min.ch: "Die perfekte Vagina", Spiegel.de: "Warnung vor dem Schnitt im Schritt".

Anfang 2008 folgte ein Bericht in Frauenheilkunde-aktuell.ch (PDF): "Designer Vagina" (mit einem Fallbericht, der auch in der SonntagsZeitung als aktuell rezykliert wird, sowie einem Überblick über die verschiedenen OP-Methoden).

Detail am Rande: Laut 20min wird laut dem BMJ-Artikel von Frauen, die eine operative Verkleinerung der inneren Schamlippen wollen, übrigens sinngemäss das gleiche "Argument" vorgebracht, wie 2008 in Kiel von der Delegation der "AGS Eltern und Patienteninitiative" für Zwangsoperationen ("Klitorisreduktion") an Zwitterkindern: Weil's sonst "beim Radfahren Probleme" gäbe.  

2009 folgten bisher Ärtzteblatt.de: "Intimchirurgie: Ein gefährlicher Trend" , die FaZ: "Schönheitschirurgie: Riskante Manipulationen" sowie die eingangs erwähnte SonntagsZeitung.

Wann wird das Zwitter-Tabu und sämtliche damit verbundene Doppelmoral in der Öffentlichkeit endlich ein Ende haben und Zwittern endlich öffentlich und praktisch die gleichen Menschenrechte zugestanden wie Frauen und Männern auch?

Siehe auch:
- "Genitalverstümmelung ein afrikanisches Problem?"   

Sunday, June 7 2009

Zürich: Habilitation untersucht rechtliche Schlechterstellung der Zwitter seit der Moderne

Kann ein Zwitter Sünde sein?

Das Habilitationsprojekt "Der menschliche Körper im Spiegel des Rechts. Konstruktionen von Körper und Geschlecht durch Recht" von Birgit Christensen am Rechtswissenschaftlichen Institut der Universität Zürich thematisert u.a. einmal mehr, dass Zwitter (im Gegensatz zu praktisch allen anderen Minderheiten) es während des gesamten Mittelalters besser hatten als heute, weil sie dazumals unversehrt aufwachsen durften:

Ältere Rechtsordnungen hatten dagegen noch eine viel liberalere Haltung zur Frage der Intersexualität. Im legendären Allgemeinen Preussischen Landrecht von 1794 fand sich beispielsweise eine Norm, die es Intersexuellen ermöglichte, nach vollendetem 18. Lebensjahr selbst zu entscheiden, welchem Geschlecht sie zugehören wollten – eine Freiheit, die heute angesichts des geltenden Personenstandsrechts undenkbar ist. Warum diese Freiheit abhanden kam, ist eine der Fragen, die Birgit Christensen untersuchen möchte.

Was im oben zitierten Artikel zur Habil allerdings äusserst negativ auffällt: Einmal mehr wird von den Zwangsoperationen ausschliesslich in der Vergangenheitsform gesprochen ... Hingucken ja, aber doch lieber nicht zu genau?

Quellen:
- Der Körper im Spiegel des Rechts: Wo fängt der Körper an, und wo endet er?
- Rechtswissenschaftliches Institut: Laufende Dissertationen und Habilitationen (--> Birgit Christensen)

Zwitter: Akzeptieren statt zwangsoperieren! – Oliver Tolmein (2002)

Menschenrechte auch für Zwitter!

Die Zwitter Medien Offensive™ war schon da!

Oliver Tolmein:

Hermaphroditen: Akzeptieren statt therapieren

Dr. med. Mabuse 137, 2002

>>> http://www.tolmein.de/bioethik,recht,82,hermaphroditen.html

Gelungener, leider beklemmend aktuell gebliebener Artikel ... Oliver Tolmein ist Anwalt, Journalist, FAZ-Blogger und Co-Regisseur von "Das verordnete Geschlecht" (2001) und gehörte mit der Rechtsprofessorin Konstanze Plett zu den ersten Nicht-Zwittern, die öffentlich konkrete gesetzliche Massnahmen zum Schutz der Menschenrechte inkl. körperliche Unversehrtheit auch der Zwitter forderten. Durch die verstärkten Zwitter-Lobbyoffensiven der letzen 2 Jahre, das zuvor nie dagewesene Medienecho und die Rüge des UN-Ausschusses CEDAW erhält diese langjährige, wichtige Forderung aktuell neuen Aufwind (vgl. z.B. die Beiträge der beiden an der parlamentarischen Anhörung in Hamburg). Einige Ausschnitte aus dem Artikel (meine Hervorhebungen):

[...] Der Diskurs um die Behandlung von Zwittern gewinnt vielmehr gerade im Kontext der bioethischen Debatte, in deren Zentrum die Frage nach dem Verständnis von Mensch-Sein und die Akzeptanz von Differenzen steht, an Bedeutung. [...] Anders nämlich als viele menschliche Abweichungen vom Normalbild, die als Behinderungen qualifiziert werden, lässt sich Zwittertum unsichtbar machen und, nach den Vorstellungen zumindest der Medizin und der Jurisprudenz, heilen. [...]

Der fehlende Bedarf steht in krassem Gegensatz zur Invasivität der Eingriffe, die von den Betroffenen oft genug als Verstümmelung wahrgenommen werden: Die Verkleinerung der Klitoris oder gar deren Amputation, das Einsetzen einer Neovagina, die Entfernung von Hoden oder die Verlegung der Harnröhre. Da die Eingriffe im Kleinkindalter vorgenommen werden, können die Patienten in diese irreversiblen und folgenreichen Behandlungen nicht selbst einwilligen. Rechtsgrundlage für die folgenreichen Eingriffe, die meist mit Hormontherapien kombiniert werden, die Vermännlichung oder Verweiblichung verhindern sollen, ist deswegen das elterliche Sorgerecht aus § 1626 BGB. Das Sorgerecht ist allerdings nicht Ausdruck der elterlichen Macht über das Kind, sondern soll dem Bedürfnis der Kinder nach Schutz und Hilfe Rechnung tragen und ihnen helfen, sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln. Folglich findet das elterliche Sorgerecht seine Grenzen dort, wo es zweifelhaft erscheint, ob es dem Kind nützt. Für medizinische Maßnahmen gibt es beispielsweise § 1631c BGB als Ausnahme, der die Sterilisation des Kindes verbietet, weil sich, wie aus den Gesetzgebungsunterlagen hervorgeht, die Erforderlichkeit und die Auswirkungen der Sterilisation bei Minderjährigen schwer beurteilen lassen (BT-Drucksache 11/4528)

Bislang sind in der deutschen juristischen und medizinischen Fachliteratur die im Zuge der Geschlechtszuweisung vorgenommenen Eingriffe nicht grundlegend problematisiert worden. [...] Selbst die Einschränkung der ärztlichen Aufklärungspflicht über den Anlaß und das Ausmaß der Behandlung gegenüber älteren, zumindest teilweise einsichtsfähigen Kindern oder Jugendlichen wie sie sich in der medizinischen Literatur findet, wird von Juristen kommentarlos akzeptiert: "Es wäre verfehlt sie (Patienten mit sog. testikulärer Feminisierung, Anm. O.T.) über die Art ihrer Anomalie aufzuklären, weil man dann aus einem gesunden Menschen einen kranken, von Zweifeln gequälten machen würde. Sie ist lediglich über ihre ... unwiderrufliche Sterilität zu unterrichten, welche man am besten mit dem Fehlen des Uterus begründen kan. Damit finden sie sich meist ab." (Kern, Gynäkologie)

Angesichts der Schwere und der Irreversibilität der Eingriffe im Zuge der Geschlechtszuweisung ist diese Zurückhaltung schwer verständlich: Wenn bei Kindern die Sterilisation, die zwar folgenreich, die aber zugleich ein vergleichsweise leicht durchzuführender, einmaliger Eingriff ist, verboten wird, ist nicht einzusehen, wieso die vollständige oder teilweise Entfernung der Klitoris, oder die mit zahlreichen, psychisch erheblich belastenden Folgeeingriffen verbundene Einsetzung einer künstlichen Vagina erlaubt sein soll, wenn nur die Eltern zustimmen. [...] Das Urteil des Amtsgerichts München, das sich mit Michel Reiters Antrag auf Zuerkennung des Geschlechts "Zwitter" beschäftigt hat, zeigte sich über die medizinische Behandlungspraxis ebenfalls besorgt und plädierte in einer für die Entscheidung von Reiters Antrags allerdings nicht unmittelbar bedeutsamen, Passage für ein Verbot der geschlechtszuweisenden Eingriffe im Kleinkindalter analog dem Sterilisationsverbot des § 1631c BGB. Dieser Weg wird auch in anderen Rechtskulturen beschritten. [...]

Möglicherweise als Reaktion auf diese Ansätze, das Thema verstärkt auf politischem und rechtlichem Terrain zu diskutieren, macht sich nun künftig auch die Wissenschaft verstärkt Gedanken über Zwitter. [...] Professor Olaf Hiort, der Sprecher der Forschergruppe ["Netzwerk DSD / Intersexualität"], will herausfinden, wie die Genitalentwicklung im Detail abläuft [...]. Dass sich durch eine gesellschaftliche Anerkennung von Zwittern auch die Situation für die Medizin grundsätzlich verändern könnte, dass aus Patienten dann Menschen ohne Behandlungsbedarf würden, kann sich Hiort nicht vorstellen.

[...] [M]anche Zwitter [stehen] dem Interesse der Wissenschaft an ihnen skeptisch gegenüber. Denn die Forschung, die sich darauf konzentriert die hormonellen und genetischen Mechanismen im Detail zu erkunden, kann für eine auf Anerkennung und gegen Diskriminierung gerichtete Strategie durchaus kontraproduktiv sein. [...]

Aber der Diskurs über Zwitter gerät nicht nur in Konflikt mit einem medizinischen Diskurs, der Abweichungen schnell als Krankheit begreift, die behandelt werden muß. Auch mit anderen Debatten beispielsweise um Transsexualität oder die Konstruktion von Geschlechtern, wie sie im Gender-Bereich heute gängig sind, läuft das Engagement von Zwittern um ihre Anerkennung nicht selbstverständlich parallel: Sie beharren ja nicht nur darauf, dass die herrschenden Vorstellungen von Geschlecht hinterfragt werden müssen, für sie ist Geschlecht gleichzeitig nicht nur eine Frage von Konstruktionen, sondern durchaus auch eine biologische Wirklichkeit, die allerdings nicht in das strikt duale Schema paßt, in die sie derzeit gerastert wird. Werden Zwitter also als dereinst als Zwitter anerkannt, müssen wahrscheinlich nicht nur die Bewahrer konservativer Vorstellungen von Mann und Frau umdenken, sondern auch etliche ihrer Kritiker.

>>> http://www.tolmein.de/bioethik,recht,82,hermaphroditen.html

Siehe auch:
- Sonja Rothärmel: "Rechtsfragen der medizinischen Intervention bei Intersexualität" (PDF)   

Friday, June 5 2009

Gender Studies und Zwitterkampf

Kathrin Zehnder (Co-Herausgeberin eines empfehlenswerten Buches zum Thema sowie Klartext redende Expertin und Autorin in den Medien, z.B. hier, hier und hier) hielt im Wintersemester 2008/2009 am Zentrum für Gender Studies der Unversität Basel ein Seminar zum Thema "Intersexualität". Für die Abschlussitzung lud sie Karin Plattner von der Schweizerischen Elternselbsthilfe und mich zu einer Diskussionsrunde ein. Dazu hatten die StudentInnen Fragen vorbereitet. Ich konnte eine Woche nach dem 3. Prozesstag von Christiane Völling leider nicht schon wieder auf der Arbeit fehlen und frei nehmen, um an eine Veranstaltung zu gehen. Zusammen mit Seelenlos habe ich aber die Fragen der Studis schriftlich beantwortet:
  • Wie beurteilst du momentan die Situation der Intersex-Bewegung im deutschsprachigen Raum? Welche Erfolge und Rückschläge gibt es zu verzeichnen? Wie viele Menschen stehen hinter "Intersexuelle Menschen e.V." und was sind die kurzfristigen und langfristigen Zielsetzungen? Gibt es eine internationale Vernetzung?

Die deutschsprachige Intersex-Bewegung steht auch nach 13 Jahren (Gründung der AGGPG 1996) immer noch am Anfang. Zwar ist die Ausgangslage in Deutschland mittlerweile besser dank den kontinuierlichen Anfragen im Bundestag durch Die Linke, woraus auch die wegweisenden jüngsten Evaluationsstudien resultierten ("Hamburger Studie" sowie "Lübecker Studie", vgl. https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/12/04/Weltweit-grosste-Zwitter-Studie-straft-Bundesregierung-Lugen). Auch Michel Reiters Prozesse um Anerkennung eines 3. Geschlechtseintrags für Zwitter brachten trotz mangelndem direkten Erfolg einiges in Bewegung. Jüngste Erfolge sind die vermehrte Beachtung Intersexueller und ihrer Proteste gegen die Zwangsoperationen in den Medien und natürlich Christianes sensationeller Prozessieg gegen ihren ehemaligen Zwangsoperateur, ebenso die Rüge an die Bundesrepublik durch den UN-Ausschuss CEDAW. Der Wahlprüfstein Nr. 9 des LSVD zur kommenden Bundestagswahl in Deutschland ist ebenfalls ein Meilenstein. Auch die Anfragen und die parlamentarische Anhörung in Hamburg sowie die aktuellen kleinen Anfragen im Bundestag sind Erfolge der verstärkten Lobbyarbeit der letzten Jahre. Als Reaktion auf unseren Protest vor dem Kinderspital finden nun mit den Ärzten Gespräche statt, über deren Inhalt aber vorläufiges Stillschweigen vereinbart wurde. Unser wichtigstes Ziel ist die sofortige Beendigung der genitalen Zwangsoperationen.  Noch immer stehen viel zu wenige solidarische Nicht-Zwitter hinter diesem Ziel. Zwar drücken sich viele Mediziner inzwischen öffentlich z.T. vorsichtiger aus, praktisch wird jedoch allen Lippenbekenntnissen zum Trotz munter weiter zwangsoperiert. Mangels Kapazitäten ist es mit der internationalen Vernetzung insbesondere mit nicht-deutschsprachigen Ländern noch nicht weit her.

  • Du forderst die Möglichkeit eines optionalen 3. Geschlechtseintrags für Zwitter im Rechtssystem. Ist es denkbar, dass dieser Eintrag auch für Menschen mit biologisch eindeutigen Geschlechtskörpern eine Option wäre?

Die Forderung nach einem optionalen 3. Geschlecht nur für Zwitter verfolgt 2 Ziele: Sichtbarmachung von und Schutzmöglichkeiten spezifisch für Zwitter. Aus diesen Gründen wäre eine Ausweitung durch Einschluss z.B. auch von Transgendern klar kontraproduktiv. Wenn schon, brauchte es für diese eine eigene, klar getrennte Eintragsmöglichkeit, was aber politisch aktuell absolut chancenlos ist. Deshalb wollen sie sich ja auch immer bei den Zwittern mit dranhängen, obwohl nur sie allein davon profitieren und den Zwittern im Gegenteil schaden, weil die Zwitter dadurch einmal mehr unsichtbar gemacht und ihnen spezifischer Schutz verunmöglicht wird.

  • Siehst du auch Überschneidungen in den jeweiligen Anliegen von Trans- und Intersexualität? Worin besteht die Problematik einer gemeinsamen Politik von Intersexuellen, Transsexuellen und anderen Gruppierungen?

Aus Sicht der Zwitter gibt es kaum konkrete Überschneidungen: Transsexuelle wollen OPs und beneiden uns oft dafür, dass wir sie aus ihrer Sicht "nachgeworfen bekommen", während Zwitter sich gegen die Zwangsops wehren. Zwar leiden auch Transsexuelle unter Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen, jedoch in einem klar geringeren Masse als zwangsoperierte Zwitter. Die meisten Transsexuelle sind offensichtlich gar nicht fähig, sich in unsere spezifische Problematik hineinzuversetzen (gilt wohl auch umgekehrt). Da zudem in der Öffentlichkeit Zwitter nach wie vor meist mit Transsexuellen verwechselt bzw. in einen Topf geworfen werden, wäre ein gemeinsamer Auftritt ebenfalls kontraproduktiv bzw. würde nur den Transsexuellen nützen und den Zwittern schaden. Es ist kein Zufall, dass zumeist Transsexuelle eine Zusammenarbeit wollen oder sich als Intersexuelle ausgeben, umgekehrt jedoch praktisch nie. Trotzdem haben wir gemeinsame Feinde. Aktuell ist jedoch die einzige sinnvolle Politik gegenseitige Solidarität bei spezifischen Anliegen, z.B. Beendigung der Zwangsoperationen an Zwittern einerseits sowie Reform/Abschaffung des TSG andrerseits, jedoch nicht gemeinsam vereint, sondern nach dem Motto "Getrennt marschieren, gemeinsam zuschlagen".

  • Du grenzt dich auch von den Gender Studies ab – was kritisierst du? Siehst du auch gemeinsames Potential von wissenschaftlicher Auseinandersetzung (z.B. die Dissertation von Kathrin Zehnder) und Intersex-Bewegung? Hast du Wünsche an die Geschlechterforschung (z.B. an der Universität Basel)?

Die meisten Zwitter haben erstmal keine Probleme mit Gender und Identität, sondern mit massiven Menschenrechtsverletzungen durch genitale Zwangsoperationen und sonstige nicht-eingewilligte Zwangseingriffe, die in ihren Auswirkungen vergleichbar sind mit denen von Folter und sexuellem Kindesmissbrauch, was aber bei Gender Studies regelmässig unter den Tisch fällt. Gender Studies haben deshalb bei Zwittern den in der Regel verdient schlechten Ruf, dass sie Zwitter lediglich als Kanonenfutter und Versuchskaninchen missbrauchen zum Aufzeigen der Konstruiertheit von Geschlecht etc., sprich für ihren eigenen Forschungsgegenstand, wobei in der Regel die konkreten Schicksale und Lebensbedingungen und politischen Kämpfe der Zwitter ebenso  ausgeblendet werden wie ethische und menschrechtliche Aspekte. Es gibt nur sehr wenige ExponentInnen der Gender Studies, die den Kampf der Zwitter (auch) konkret unterstützen, obwohl da wohl ein grosses Potential bestünde. Kathrin Zehnders Engagement ist leider die Ausnahme und nicht die Regel. Obwohl diesbezügliche konkrete Forderungen von Zwittern seit Jahren bestehen, vgl. z.B.:
Emi Koyama / Lisa Weasel: "Von der sozialen Konstruktion zu sozialer Gerechtigkeit. Wie wir unsere Lehre zu Intersex verändern." In: Die Philosophin Nr. 28, Tübingen: Edition Diskord, 2003, S. 79-89.
Weitere Forderungen an die Gender Studies sind die Aufarbeitung der eigenen Geschichte: Feminismus und Gender Studies sind wesentlich von genau den Theorien John Moneys geprägt, die den Zwittern soviel Leid brachten und immer noch bringen. Hier ist eine kritische Aufarbeitung nach wie vor ausstehend, vgl. auch "Die Rede von der psychischen Intersexualität": https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2007/12/11/Die-Rede-von-der-psychischen-Intersexualitat, sowie: Gabriele Dietze: "The Cutting Edge of Gender Studies. Die Geburt der Kategorie Gender aus dem Geist des Skalpells."  a.k.a "Schnittpunkte. Gender Studies und Hermaphroditismus." In: Dietze / Hark (Hg.): "Gender kontrovers. Genealogie und Grenzen einer Kategorie." Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag, 2006, S. 46-68.

Auch in Basel werden genitale Zwangsoperationen an Zwittern durchgeführt und in wissenschaftlichen Werken und Institutionen propagiert. Wie wär's mal (auch) mit öffentlicher Denunziation dieser menschenrechtswidrigen Praktiken und mit praktischen politischen Vorstössen (z.B. kleine Anfragen bei den politisch verantwortlichen Stellen) oder konkreten Aktionen vor Ort statt immer nur Genderdebatten?

  • Was würdet ihr euch für ein Verständnis von Intersexualität in der Medizin wünschen?

Seit über 13 Jahren fordern Zwitter die Beendigung der genitalen Zwangsoperationen und (stattdessen) insbesondere psychologische Unterstützung sowie Peer Support für Zwitter und Eltern. Bisher hat sich die Medizin stets nur unter Druck bewegt, jedoch nie wesentlich, sondern immer nur mit schön klingenden Statements und unverbindlichen Zusagen, während unverdrossen weiter zwangsoperiert wird (vgl. z.B. die Aussagen von Prof. Mullis, es würden in der Schweiz keine Zwangsoperationen mehr durchgeführt, wobei er sich anschliessend gleich selbst einen Lügner straft – was den meisten LeserInnen scheints aber gar nicht auffällt). Oder es werden wie in Deutschland wohlklingende ethische Richtlinien verfasst, die aber faktisch nicht befolgt und lediglich als Feigenblatt benutzt werden, um ungestört weiter zu zwangsoperieren. Nach wie vor ist psychologischer Support die Ausnahme und nicht die Regel, und verweigern die Mediziner den Eltern und den Betroffenen Hinweise auf Selbsthilfegruppen. Die Medizin müsste sich endlich den ethischen und rechtlichen Tatsachen stellen und konkrete Taten folgen lassen sowie ihre Verfehlungen aufarbeiten. Dies würde einschliessen, dass es sich bei Zwittern um biologische Varianten der Natur handelt und nicht um "gestörte" Menschen. Zwangsoperateure müssen arbeitslos werden, was Eingriffe an Zwitterkindern anbelangt. Dazu werden sie sich freiwillig jedoch nie durchringen, nicht zuletzt, weil es um ihre Pfründe geht. Stattdessen müssen nach wie vor viele Zwangskastrierte adäquate Ersatzhormone aus der eigenen Tasche bezahlen.

  • Auf www.zwischengeschlecht.info wird kritisiert, dass zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und Antidiskriminierungsstellen zu den gewaltsamen Operationen an intersexuellen Menschen schweigen. Wie könnte man politisch Vorgehen, um die gewünschte Aufmerksamkeit zu erregen? Welche Unterstützung wäre dafür nötig?

Es braucht Druck in der Öffentlichkeit, in der Politik und vor Gericht. Den Verantwortlichen auf allen Ebenen muss ständig das Leben schwer gemacht und das zwangsoperieren vermiest und sie selbst öffentlich geoutet, angeprangert und wo immer möglich juristisch belangt werden. Es braucht konkrete Gesetzesvorschläge zur Beendigung der Zwangsoperationen und zur Entschädigung der Opfer. Diese Forderungen müssen in alle Parteien hineingetragen werden. Hier sind (auch) solidarische Nicht-Zwittern gefragt!

  • Ihr habt beide eine eigene Gruppierung gegründet, um Euch für die Anliegen intersexueller Menschen stark zu machen. Welche gemeinsamen Perspektiven habt ihr und inwiefern arbeitet ihr zusammen?

Auf der Selbsthilfeebene ist die eine Gruppe für die Eltern zuständig und die andere für die Zwitter selbst. Politisch haben beide dieselben Ziele und arbeiten zusammen, z.B. bei Verhandlungen mit Ärzten oder in der Öffentlichkeit. Inzwischen entstand aus der Betroffenenselbsthilfe mit Zwischengeschlecht.org eine 3. Gruppe, die sich als Menschenrechtsgruppe definiert (und nicht als Selbsthilfegruppe) und die auch solidarischen Nich-Zwittern offen steht.

  • Was muss sich in der Gesellschaft ändern, damit intersexuelle Menschen darin ein "gutes Leben" führen können?

Die Zwangsoperationen müssen abgeschafft und politisch und juristisch geächtet und die Zwitter rechtlich anerkannt werden. Opfer müssen entschädigt werden.

Siehe auch:
- Zwitter als Kanonenfutter für die Transgender- und Queer-Agenda?
- "Genitalverstümmelung ein afrikanisches Problem?"     

Wednesday, June 3 2009

"Weibliche Genitalverstümmelung" - Podiumsdiskussion Berlin Mo 15.6.09

Menschenrechte auch für Zwitter!

Montag, 15. Juni 2009, 18:00-21:00h
Abgeordnetenhaus von Berlin,
Niederkirchstraße 5, 10117 Berlin, Raum 311

Veranstalterin: Familienzentrum BALANCE
Anmeldung:
veranstaltungen_at_fpz-berlin.de oder Anmeldeformular (PDF)

Aus dem Anmeldeformular:

Das Berliner Familienplanungszentrum fungiert seit einigen Jahren als Ansprechpartner auf dem Gebiet der Genitalverstümmelung/Beschneidung (FGM/FCM). [...] Schwerpunkt auch [...] Aufklärung und Information über Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Implementation des Themas FGM in der täglichen Sexualpädagogik mit Schulklassen.  

Aus der Einladung per Mail:

Veranstaltungsziel soll unter anderem die Umsetzung der von Terres des Femmes eingeleiteten bundesweiten Kampagne gegen weibliche Genitalverstümmelung auf Berliner Ebene sein. Wir wollen Fachkräfte vereinen und eine Berliner Kampagne zur Präventions- und Aufklärungsarbeit zu Genital-Verstümmelung /-Beschneidung (FGM / FCM) sowie zur fachgerechten medizinischen und psychosozialen Versorgung für betroffene und bedrohte Mädchen / Frauen initiieren.

Dr. Benjamin Hoff als Berliner Staatssekretär für Gesundheit wird die Fachtagung eröffnen.

Vielleicht schaffts wer dort vorbei und weist gebührend darauf hin, dass in Deutschland immer noch täglich wehrlose kleine Zwitterkinder genital verstümmelt werden – auch in Berlin?!

(Danke an Renate Rampf vom LSVD für den Hinweis)

Siehe auch:
- Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung (Lightfoot-Klein: "Der Beschneidungsskandal") 
- "Genitalverstümmelung ein afrikanisches Problem?" 
- Bundesärztekammer gegen genitale "Zwangsoperationen" – natürlich nur bei "Mädchen und Frauen" ... 
- Internationaler Tag gegen Mädchenbeschneidung (aber die Zwitter operiert nur ruhig weiter, sind ja keine Frauen, äh, Menschen ...)
- Schweiz: Terre des Femmes und Amnesty gegen Zwangsoperationen an Zwittern 
- Zwitter und Patriarchat aus feministischer Perspektive  

Tuesday, June 2 2009

Interview mit "Both"-Regisseurin Lisset Barcellos - lespress 11/05

(Bild: lespress)

Die Zwitter Medien Offensive™ war schon da!

Auch ich war davon ausgegangen, "XXY" (2007) sei der wohl erste Spielfilm über Zwitter. Aufgrund von Hinweisen und Empfehlungen von Michel Reiter (--> 06.05.2009) musste ich mich aber eines Besseren belehren lassen: Diese Ehre gebürt "Both" (2005) der peruanisch-amerikanischen Filmemacherin Lisset Barcellos!

"Both" erzählt die Geschichte der Stuntfrau Rebecca Duarte und wie sie aus dem Netz aus Lügen ihrer Kindheit ausbricht und die Wahrheit über sich selbst herausfindet. 
>>>
Rezi auf Filmsuche.de
>>>
englische Zusammenfassung auf intersexinitiative.org
>>>
englischer Thread auf "Bodies like ours" 

Lisset Barcellos ist selber zwischengeschlechtlich und engagiert. U.a. schrieb sie einen Beitrag zur Eingabe von ISNA an das kolumbianische Bundesgericht in jenem historischen Fall, der dazu führte, dass Kolumbien als erstes Land der Erde genitale Zwangsoperationen an Zwitterkindern zumindest einschränkte. In Ihrem Bericht beschrieb sie "vermindertes sexuelles Empfinden, chronische Reizungen und Blutungen und abnormales optisches Aussehen" ihres Genitales nach der Zwangsoperation im Alter von 12 Jahren.

In der >>> Novemberausgabe 2005 der Zeitschrift lespress (Downloadübersicht) findet sich ein Interview mit Lisset Barcellos, in dem sie Klartext redet über "Lügen" und genitale "Zwangsoperationen":

Die Erfahrungen, die man als Intersexuelle macht, hinterlassen viele Wunden. Wenn man entdeckt, was einem passiert ist, und man entdeckt, dass die Eltern einen angelogen haben, dass die Ärzte gelogen haben, dass man in einer Welt voller Schamgefühle und Geheimnisse aufgewachsen ist, einem Leben mit ungewollter Operation zur Geschlechtsangleichung, hormoneller und psychologischer Behandlung, ist man sehr wütend. Man ist enttäuscht von den Leuten, die einen eigentlich beschützen sollten. Wenn deine Eltern und deine Ärzte dich in der Kindheit nicht beschützen, wen hat man denn sonst, dem man vertrauen kann? Das ist eine Erfahrung, die viele Intersexuelle teilen und die nicht alle verwinden können. Ich kenne viele intersexuelle Menschen, die Selbstmord begangen haben oder mit schweren Depressionen leben. [...]

Meine Geschichte ist aber nicht die des Films. Ich hatte eine andere medizinische Indikationen und auch die Konsequenzen der Operation waren für mich nicht so gravierend wie bei der Filmfigur. Bei mir haben sie Teile meiner Geschlechtsorgane intakt gelassen und ich kann einen Orgasmus haben. Aber definitiv ist die Intensität der Gefühle verringert und sie haben die Form der Genitalien verändert, was total überflüssig war. [...]

Für mich ist es im Moment am Wichtigsten, dabei zu helfen, die erzwungenen Geschlechtsangleichungen zu stoppen. Mein Ziel ist es, Zwangsoperationen zu illegalisieren, zu verhindern, das Krankenkassen diese Operationen bezahlen und den Patienten das Recht zu geben, die Ärzte, die ohne ihre Einwilligung operieren, zu verklagen, was wir in Kolumbien gerade erreicht haben. In Kolumbien zählt es zu den Menschrechten, dass keine Zwangs-Geschlechtsangleichungen an Kindern mehr vorgenommen werden dürfen, es sei denn, ihr Leben wäre akut bedroht. Und das Aussehen der Genitalien zu ändern zählt nicht dazu, Leben zu retten.

>>> Das ganze Interwiew als PDF (S. 32-34)

>>> Die ganze lespress 11/2005 als PDF

Monday, June 1 2009

IGM in Hamburg: Ausschuss-Protokoll + Nachfolgesitzung 2.6.09

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!Di 2.6. findet die öffentliche Nachfolgesitzung des Gesundheitsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft statt zum Thema "Politischer Handlungsbedarf bei der Regelung für ärztliche Behandlungen von Hermaphroditen". Rathaus, Raum 186, 17h
>>>
Der dabei debattierte Bericht der Anhörung (PDF)

Inzwischen liegt auch das aufschlussreiche >>> Wortprotokoll der Anhörung vom 29.4.09 (PDF) vor, das zeigt, dass es der Bürgerschaft (im Gegensatz zum Senat) offenbar ernst ist! (Trotz einiger kleiner Schnitzer: Es müsste durchgehend heissen John Money statt Jean Manny, S. 28, 30; CAIS statt CAES, S. 28, 29; CEDAW statt CHDW, S. 44.)

Nachtrag: Treffender Post von Michel Reiter zum Protokoll (--> 14.6.09) u.a. mit vielsagenden Medyziner-Zitaten daraus und was das konkret bedeutet. Siehe auch: "Netzwerk DSD"-Chef Olaf Hiort: "keine Qualitätskontrolle" bei Zwangsoperationen an

Siehe auch:
- Oliver Tolmein: Bericht von der Anhörung v. 29.4.09 auf FAZ-Online
- "Gratuliere, es ist ein Zwitter!" - Jungle World 7.5.09
- Hamburg: Erneut historische Grosse Zwitter-Anfrage!!
- Hamburger Senat reiht sich ein unter die MittäterInnen

Sunday, May 31 2009

Zwitterprozess: 3. Prozesstag 20.5.09 – "Netzwerk DSD" fällt Chirurgen in den Rücken


Am 20.5.09 war der 3. Prozesstag von Christiane Völlings Klage um Schmerzensgeld gegen ihren Zwangsoperateur, der ihr 1977 (wie heute noch bei Zwittern üblich) ohne Aufklärung die inneren Geschlechtsorgane entfernt hatte. Vor dem Landgericht hatte sich ein gutes halbes Dutzend solidarische Zwitter und Nicht-Zwitter zur Demo versammelt. In der Sache war der Prozess mit dem Urteil des Oberlandesgerichts vom 3.9.08 definitiv entschieden worden, es ging nur noch um die Höhe des Schmerzensgeldes. Als Expertin war die "Netzwerk DSD"-Endokrinologin Anette Richter-Unruh geladen, die dem Zwangsoperateur mit ihren Aussagen arg in den Rücken fiel. Der gegnerische Anwalt versuchte einige wenige Finten, kam damit jedoch nicht weit. Das Gericht liess durchblicken, dass es Christianes Anliegen wohlgesonnen ist. Die Urteilsberatung wurde angesetzt auf Mittwoch, 12.8.09 (nichtöffentliche Beratung).

3. Zwitterdemo vor dem Landgericht

Ein gutes halbes Dutzend Unentwegter hatte sich zur Demo vor dem Prozess eingefunden. Wie schon bei den letzten beiden Kölner Demos waren nebst Geschlechtsgenoss_innen von Christiane auch solidarische Nicht-Zwitter gut vertreten. Die meisten waren zum Teil mehrere hundert Kilometer extra zum Prozess angereist. Die Stimmung war gut und die mitgebrachten Flugblätter gingen weg wie warme Semmeln – wie sich nach dem Prozess herausstellte, hatten wir damit auch das Gericht und die Sachverständige erreicht. Die Polizei war diesmal mit einem martialischen Aufgebot vertreten, das allerdings einem gleichzeitig stattfindenden Russen-Mafia-Prozess galt. Trotzdem hatte das verschärfte Sicherheitsaufgebot auch für uns Folgen: Kameras wurden diesmal nur noch nach vorheriger Anmeldung zugelassen (deshalb aktuell keine Bilder aus dem Gerichtssaal).

Christiane erzählt

Zu Beginn stellte Richter Dietmar Reiprich klar, dass der Prozess in der Sache abgeschlossen ist, nachdem auch das OLG die Zwangskastration an Christiane für klar widerrechtlich eingestuft hatte, es geht nunmehr "nur" noch um die Höhe des zu zahlenden Schmerzensgeldes.

Zunächst hatte Christiane das Wort und schilderte, von gelegentlichen Nachfragen unterbrochen, ungewöhnlich zurückhaltend ihre Leidensgeschichte und machte geltend, seit der Zwangskastration mittlerweile ständig Antibiotika nehmen zu müssen wegen wiederkehrenden, teilweise lebensgefährlichen Harnwegsinfektionen, auch sonst sei ihr Immunsystem dauernd geschwächt und ihr körperliches Temperaturempfinden beeinträchtigt.

Ausführlich gab sie auch Auskunft über psychische Beeinträchtigungen. Jahre lang sei sie "auf der Flucht" gewesen, habe sich in ihre Arbeit vergraben, öfters den Arbeitsort gewechselt, wollte alles hinter sich lassen, habe kein Zuhause und auch keine Freunde oder sonstige wirklichen persönlichen Kontakte, sondern lediglich ArbeitskollegInnen. Auf Nachfrage des Geichts führte sie weiter aus, sie hätte noch nie einen Sexualpartner gehabt, das könne sie sich auch heute noch nicht vorstellen. Nach einem Zusammenbruch, nachdem sie 2006 endlich die Wahrheit über sich selbst erfahren hatte, befinde sie sich in psychotherapeutischer Behandlung, nach wöchentlichen Kriseinterventionssitzungen beginne sie nun eine eigentliche Psychotherapie.

Christianes Anwalt Georg Groth reichte zudem einige Beweisstücke ein wie z.B. Fotos, die belegen, dass Christiane vor der Zwangskastration ein erfülltes Leben als Frau durchaus noch offengestanden hätte.

Zwangsoperatuer als Bauernopfer des "Netzwerk DSD"

Als nächstes war als Sachverständige die "Netzwerk DSD"-Endokrinologin Anette Richter-Unruh an der Reihe. Wie sie sagte, sei sie aktuell noch Privatdozentin, erhalte aber demnächst eine ordentliche Professur. Ihre Ausführungen führten insbesondere bei den anwesenden Zwittern wiederholt zu Kopfschütteln und ungläubigem Staunen.

Ungefragt behauptete sie etwa gleich zu Beginn, es sei auch vor 30 Jahren höchst ungewöhnlich gewesen, dass der verurteilte Chirurg die Operation nicht sofort unterbrochen und die Patientin vollumfänglich aufgeklärt habe, als er laut dem Narkosebericht eine nicht-entartete weibliche Anatomie feststellte (der eigentliche OP-Bericht war – wie bei Zwangsoperationen an Zwittern generell üblich – auch in Christianes Fall bequemerweise längst "nicht mehr auffindbar"). Entgegen dieser Behauptung ist mir für das laut Richter-Unruh schon vor 30 Jahren "normale Vorgehen" kein einziges Beispiel bekannt (sie selber führte auch keines an). Hingegen berichten alle mir bekannten Zwitter übereinstimmend, wie ihnen dem Erziehungsgeschlecht widersprechende Gonaden ohne ihre Einwilligung entfernt wurden – wie auch bei Christiane mit der "Begründung", sie seien "verkümmert" und "entartet" gewesen, obwohl jedes Mal das Gegenteil der Fall war. Ebenso waren sie auch in der Regel nicht über ihre wirkliche Diagnose aufgeklärt worden. Damit fällt das "Netzwerk DSD" dem bereits rechtskräftig verurteilten Chirurgen wider besseren Wissens in den Rücken – wohl, um durch dieses Bauernopfer die Medizyner als Ganzes von künftigen politischen Forderungen nach Pauschalentschädigung, wie sie aktuell immer lauter werden, präventiv reinzuwaschen. 

Erstaunlich auch Richter-Unruhs Behauptung, bei AGS handle es sich nicht um Intersexualität – damit straft sie sämtliche bisherigen Leitlinien Lügen, wo AGS ausnahmslos mit aufgeführt ist, inkl. der aktuellen (unter der neuen Medizyner-Bezeichnung "DSD" a.k.a. "Störungen der Geschlechtsentwicklung"), an der sie persönlich beteiligt war. Ebenfalls im Widerspruch dazu stand ihre Bemerkung betreffend Christianes seelischen Beschwerden, "Inbalancen" seien bei Menschen mit GID nichts ungewöhnliches, "siehe auch Trans- und Homosexualität" (GID = Gender Identity Disorder  = Geschlechtsidentitätsstörung – kaum zufällig versuchen die Medizyner regelmässig, Zwitter, die mit ihrer Behandlung nicht zufrieden sind, auf die Trans- bzw. GID-Schiene zu zwängen, der Fehler liegt somit bei den "geistesgestörten Patienten" und nicht bei den heute noch üblichen, menschenrechtswidigen Zwangsbehandlungen der Medizyner).

Laut Richter-Unruh sei auch bei Christianes körperlichen Beschwerden nicht sicher festzustellen, ob diese mit Kastration und Testosterontherapie zusammenhängen würden. Sprich einmal mehr: Im Zweifel für die zwangsbehandelnde Medizynerkaste.

Darauf wandte allerdings Richter Reiprich ein, auch ohne die körperlichen Beschwerden hätte die Kammer aufgrund der massiven psychischen Folgen kein Problem, auf die geforderte Mindestentschädigung von 100'000 Euro zu kommen.


Fortsetzung folgt ...

Der gegenerische Anwalt versuchte es eher alibimässig noch mit der Finte, Christiane hätte ja auch Trotz der Zwangskastration anschliessend mit Östrogen statt Testosteron behandelt sowie die vermännlichenden Genitaloperationen hätten unterlassen werden können, weshalb für die Folgen nicht der Chirurg verantwortlich sei, kam damit jedoch nicht weit. Überhaupt schien er etwas überfordert, hatte es auch schon vorher sträflich versäumt, darauf zu pochen, dass das menschenrechtswidrige Verhalten seines Mandanten durchaus nicht der individuelle Einzelfall war, als den es auch Richter-Unruh darzustellen versuchte, sowie die Mitverantwortung der anderen behandelnden Medizyner und insbesondere der Endokrinologen gebührend herauszustreichen, so dass einem der verurteilte Chirurg rückblickend fast ein wenig Leid tun kann.

Stattdessen gab der Anwalt sich einmal mehr damit zufrieden, weiterhin eine Verzögerungstaktik zu fahren und die Urteilsverkündung so weit wie möglich hinauszuschieben. Diese wurde vom Gericht auf Mittwoch, 12. August 2009, um 9:00 Uhr, angesetzt. Es handelt sich um eine nicht-öffentliche Urteilsverhandlung, das Urteil werde den Parteien anschliessend telefonisch vorab mitgeteilt sowie danach schriftlich zugestellt. Bereits jetzt ist abzusehen, dass der fehlbare Chirurg, der "partout nicht zahlen" will, einmal mehr Berufung einlegen wird ...

Für Christiane ist die Sache damit trotz der definitiven Verurteilung ihres Zwangsoperateurs vor OLG im letzten Jahr wegen des "ohne Zweifel rechtswidrig[en]" Zwangseingriffs, der ihr "Selbstbestimmungsrecht [...] in ganz erheblichem Maße verletzt" habe, wohl noch lange nicht ausgestanden.

Siehe auch:
- Zwangskastrationen an Zwittern: "Keine Mutanten züchten"
- Krebslüge & Zwangskastrationen an Zwittern
-
- "Intersex Infant - Surgical Abuse" - Video
- Wie das "Netzwerk DSD/Intersexualität" seine Versprechen bricht
- Weiße Kittel mit braunen Krägen, reloaded
- Hiort, Holterhus, Sinnecker, Kruse (Ärzteblatt 1999):
   Aufzählung, bei welchen "Syndromen" / Zuweisungen wann zwangskastriert werden muss  

Zwitterprozess Tag 3, 20.5.09:
- "Menschenrechte auch für Zwitter!" – Flugblatt 20.5.09
- "Schmerzensgeld-Prozess" - Sat1 NRW 19.5.09
- Zwitterprozess: Erste Medienberichte zum 3. Prozesstag
- Merkel & Co: Einladung zum Zwitterprozess!
- Zwitterprozess: Verurteilter Chirurg als Gutachter für Behandlungsfehler    

Sunday, May 24 2009

Erneute Anfrage um Unterstützung an Deutschen Ethikrat

Auf Christianes Einladung zum Zwitterprozess kam eine Antwort vom Deutschen Ethikrat (zum Vergrössern unten ins Bild klicken, dann evtl. nochmals ins Bild klicken zum aufklappen).

Dass der schreibende Leiter der Geschäftsstelle darin erneut um Zustellung eines Urteils anfragt, zeigt mir, dass meine seinerzeitige Anfrage um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat von diesem nie wirklich zur Kenntnis genommen wurde, da Christianes Prozess in der Sache ja längst entschieden ist und ich die entsprechenden Urteile unter Punkt 4. a) bereits in meiner Anfrage erwähnt und verlinkt hatte.

In meiner Antwort, die ich untenstehend dokumentiere, fragte ich den Deutschen Ethikrat deshalb erneut dringend um Unterstützung zur Beendigung der an uns Zwittern nach wie vor täglich verübten, massiven Menschenrechtsverletzungen an. Fortsetzung folgt ...

Subject:       Ihr Schreiben vom 6.5.2009 betreffend Zwitterprozess
From:       presse_at_zwischengeschlecht.info
Date:       Sun, May 24, 2009 15:09
To:       "Dr. Joachim Vetter" <vetter_at_ethikrat.org>
Cc:       "Ulrike Florian" <florian_at_ethikrat.org>

Sehr geehrter  Herr Vetter

Im Namen von Christiane Völling bedanke ich mich für Ihre Antwort auf ihre Einladung vom 22. April 2009 sowie für Ihr Interesse am Urteil.

Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass der Deutsche Ethikrat bei laufenden Gerichtsverfahren neutral bleibt. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie darauf hinweisen, dass der Prozess in der Sache mit dem Urteil des Oberlandesgerichts vom 03.09.2008 mit Aktenzeichen 5 U 51/08 letztinstanzlich abgeschlossen ist und der fehlbare Chirurg rechtskräftig verurteilt ist. Das aktuelle Verfahren dreht sich nur noch um die Höhe des Christiane Völling zustehenden Schmerzensgeldes.

In seinem Urteil kam nach dem Landgericht auch das auch Oberlandesgericht zum Schluss: "[Es] bedarf [...] keiner näheren Erörterung, dass das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin in ganz erheblichem Maße verletzt worden ist. Damit fehlte es an einer wirksamen Einwilligung der Klägerin in die Operation, so dass sie ohne Zweifel rechtswidrig war."

Das vollständige Urteil ist online abrufbar auf der Homepage des Oberlandesgerichtes:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koeln/j2008/5_U_51_08beschluss20080903.html

Bereits das Landgericht hatte mit Urteil vom 06.02.2008 mit Aktenzeichen 25 O 179/07 festgehalten: "Der Kläger hat in die Operation durch den Beklagten nicht wirksam eingewilligt." Weiter rügte das LG, dass Christiane Völling, wie ebenfalls bei Zwittern generell üblich, auch ihre "Chromosomenkonstitution" verschwiegen worden war.

Auch das vollständige Urteil des Landgerichts ist online verfügbar:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/koeln/lg_koeln/j2008/25_O_179_07grundurteil20080206.html

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie ausdrücklich erneut auf meine Anfrage um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat per E-Mail vom 10.12.2008 mit Betreff "Intersexualität: Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen" (zHd. von Frau Ulrike Florian) hinweisen. Bereits dort hatte ich beide Urteile unter Punkt 4. a) referiert sowie verlinkt. Frau Florians Absage mit Datum vom 19.01.2009 auf meine Bitte um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat ging CC auch an Sie. Sollten Sie meine Anfrage nicht mehr gleich verfügbar haben, ist sie ebenfalls online abrufbar:
https://blog.zwischengeschlecht.info/pages/Aufforderung-um-Unterstutzung-an-Deutschen-Ethikrat

Ich bitte Sie dringend um eine Wiedererwägung meiner Anfrage um Unterstützung zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Jeder Tag, an dem den massiven Menschenrechtsverletzungen an Zwittern nicht endlich wirksam Einhalt geboten wird, fordert neue Opfer, denen irreversible Schäden angetan werden!

Für eventuelle Fragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Freundliche Grüsse

Daniela Truffer
Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org

Nachtrag: Immerhin ist seit dem 3.4.09 im Jahresbericht 2008 des Ethikrats an den Bundestag (16/12510 >>> PDF-Download) auf S. 13 offiziell festgehalten, dass der Ethikrat "Hilfegesuche von Betroffenen" auch zum Thema "Intersexualität" erhalten hatte. 

Siehe auch:
- Aufforderung um Unterstützung an Deutschen Ethikrat
- Deutscher Ethikrat reiht sich ein unter die MittäterInnen
- Amnesty International zum x-ten Mal zur Unterstützung aufgefordert 

Saturday, May 23 2009

Zwangskastrationen an Zwittern: "Wir wollen doch keine Mutanten züchten"

Die Zwitter Medien Offensive™ war schon da!

Christiane Völling bezeichnet sich öffentlich als "Zwangskastrierte Intersexuelle". Zwangskastrationen an Zwittern wurden und werden (nicht nur) in Deutschland systematisch durchgeführt.

Die "Logik" dahinter: Da "das Geschlecht" eines Kleinkindes laut John Moneys Pseudo"standard" beliebig formbar ist, ist es nicht so wichtig, welches Geschlecht einem Zwitter zwangszugewiesen wird – Hauptsache, "uneindeutige" (neudeutsch: "gestörte") Geschlechtsorgane werden früh genug zwangsoperiert (Medizynerdeutsch: "vereindeutigt" bzw. "korrigiert"), sowie anschliessend eisern an der Zuweisung feshalten und der "Patient" über seine wahre Diagnose im Unklaren gelassen. Die zwangszugewiesene Pubertät wird nach Möglichkeit künstlich durch äussere Hormone eingeleitet. Gonaden, die dem zugewiesenen Geschlecht nicht entsprechen ("unerwünschte Hormonwirkung" / "unerwünschter Effekt"), werden umgehend entfernt unter dem Vorwand, sie seien "missgebildet" und "entartet". Tausende und Abertausende Zwitter wurden und werden nach diesem Schema unnötig zwangskastriert ("rechtzeitig gonadektomiert").

Wie weit Moneys Theorie dabei konkret (auch) von eugenischen Herrenrasse-Prinzipien geprägt war, entzieht sich meiner Kenntnis. Was ich hingegen weiss, ist, dass Christiane lange nicht die erste war, die versuchte, einen zwangskastrierenden Chirurgen vor Gericht zu bringen. Sowie, dass einzelne (nicht nur) deutsche Medizyner auch im 21. Jahrhundert nach wie vor ungebrochen mit peinlichsten Nazisprüchen operieren. Beides beweist u.a. folgendes Interview aus der Sendung "Eindeutig Zweideutig" von Ilka Franzmann (Arte, 4.7.2003), hier zitiert nach dem Transkript im Buch "Intersexualität. Menschen zwischen den Geschlechtern" von Claudia Lang (S. 247):

Mutter: »[...] Nach dem operativen Befund befand sich in der linken Seite ein Ovar mit Tube und uterusähnlichem Gebilde. Das bedeutete ganz einfach, dass da ein Eierstock existiert mit einem Eileiter und einer Gebärmutter. Dies wurde operativ komplett entfernt. Die Geschlechtszuordnung ist [...] somit erfolgt – also als männlich. Es wurde innerhalb einer ganz normalen U-Untersuchung festgestellt, es fehlt ein Hoden, und das müsse man beobachten. Das wurde auch gemacht. Bis ungefähr, als Wesley 8 Monate alt war, dann hieß es, man müsse eine OP machen, um nachzugucken, ob der Hoden sich in der Bauchhöhle befindet. Da das für uns ganz normal war, haben wir dem auch zugestimmt und haben die Operation machen lassen. Der Wesley kam aus der Operation raus, wurde in ein separates Zimmer gefahren, ganz normales Krankenzimmer und der Arzt sagte dann auch ganz direkt, völlig klar und kalt, emotionslos heraus, die OP wäre gut verlaufen, man hätte allerdings einen Eierstock gefunden und ein uterusähnliches Gebilde. Das hätte man entfernt, weil das gehörte nicht in den Körper eines Jungen. Dann ist er gegangen.«

Vater: »Man wusste auch nicht, ob man jetzt heulen oder lachen sollte, weil man hat sich angeguckt: Ja, was kommt jetzt?«

Mutter: «[...] Als ich herausfinden wollte, was genau mit Wesley passiert ist, habe ich eine Ärztin um Hilfe gebeten und diese Ärztin hat es so begründet, dass man in Deutschland keine Mutanten züchten wolle, deswegen hätte man so gehandelt.«

Die Eltern haben versucht, gegen die behandelnden Ärzte zu klagen, haben dann aber ihre Klage zurückgezogen, weil kein Medizinrechtler sie unterstützte.

Siehe auch:
- Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen
- Weiße Kittel mit braunen Krägen, reloaded
-
- "Intersex Infant - Surgical Abuse" - Video
- Von Zwangsoperateur "schuldhaft in Selbstbestimmungsrecht verletzt" - Zwitterprozess OLG 4.9.08
- Hiort, Holterhus, Sinnecker, Kruse (Ärzteblatt 1999):
   Aufzählung, bei welchen "Syndromen" / Zuweisungen wann zwangskastriert werden muss
 

Thursday, May 21 2009

Zwitterprozess: Erste Medienberichte zum 3. Prozesstag

Kann ein Zwitter Sünde sein?

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> Kölnische Rundschau

>>> Aachener Zeitung (dpa)

>>> Kölner Stadtanzeiger

"Schmerzensgeld-Prozess" - Sat1 NRW 19.5.09

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Menschenrechte auch für Zwitter!

>>> http://www.sat1nrw.de/Aktuell/Schmerzensgeld-Prozess/42d299/

>>> Transkript der Sendung von kwhal

>>> Diskussion auf dem früheren Hermaphrodit-Forum

Einige Ausschnitte:

Christiane Völling:
Da gesehen Verbrechen im Namen der Medizin, und alle schauen weg, und alles, alle sagen, och, das ist alles richtig gemacht worden, was will der überhaupt oder die, was soll denn das jetzt, ist doch gar kein Schaden entstanden, ja tickt der noch ganz sauber? Das kann doch wohl nicht wahr sein, ne?

Hintergrundstimme:
Erst seit wenigen Jahren lebt Christiane bewußt als Frau. Jahrzehntelang im falschen Körper. Der Ärztepfusch wird vertuscht, wie dieses Schreiben der Kölner Klinik beweist. Die Diagnosen dürfen ihm auf keinen Fall mitgeteilt werden. Jetzt aber muß der beschuldigte Chirurg dafür zahlen. Wieviel entscheidet ab morgen ein neuer Prozeß. Mit ihrem Anwalt Groth fordert sie 100.000 Euro. Die Krankenpflegerin bricht mit ihrer Offenheit ein jahrelanges Tabuthema.

Dr. Herbert Karpienski Anwalt für Arzthaftungsrecht:
Das ist, finde ich schon, einen richtigen Schritt, den die Klägerin hier geht, in die Öffentlichkeit und auch sehr mutig, um da ihre Rechte zu wahren, und vor allen Dingen auch mal klarzumachen, daß hier so ein medizinisches und menschliches Problem bestehen kann.

Hintergrundstimme:
Anderen Betroffenen will Christiane Völling neue Hoffnung geben. Rund 800.000 intersexuelle Menschen sollen in Deutschland leben, und bei denen ist eigentlich gar keine Op nötig.

>>> Diskussion auf dem Hermaphrodit-Forum  

Wednesday, May 20 2009

Menschenrechte auch für Zwitter 3 – 20.5.09

>>> PDF-Download  Aus dem Flugblatt zum 3. Prozesstag von Christiane Völling:

Am 6. Februar 2008 schrieb das Landgericht Köln Geschichte: Zum allerersten Mal wurde ein Chirurg für eine genitale Zwangsoperation an einem  Zwitter zu einer Schadenersatzzahlung verurteilt.

Kurz vor Eintritt der absoluten Verjährung war es Christiane Völling als erste Intersexuelle überhaupt gelungen, ihren früheren Zwangsoperateur anzuzeigen.

Genitale Zwangsoperationen und sonstige nicht-eingewilligten Zwangseingriffe an Zwittern sind die wohl gravierendste Menschenrechtsverletzung in den westlichen Demokratien seit dem 2. Weltkrieg. Auch heute noch werden Zwitter systematisch zwangsoperiert. Da ihnen selbst jeweils die wahre Natur der Eingriffe verheimlicht wird, besteht für die meisten gar keine Möglichkeit, die Mediziner vor Gericht zu bringen, weil die Taten vorher längst verjährt sind.

Seit 13 Jahren protestieren Zwangsoperierte auch in Deutschland öffentlich gegen die Zwangseingriffe. Seit 2 Jahren sind die massiven Menschenrechtsverletzungen durch die Zwangsoperationen u.a. durch BMBF-finanzierte, umfangreiche Studien belegt. Seit über  2 Jahren läuft der Kölner „Zwitterprozess“. Am 3. September 2009 beschied auch das Oberlandesgericht: „Es bedarf keiner näheren Erörterung, dass das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin in ganz erheblichem Maße verletzt worden ist. Damit fehlte es an einer wirksamen Einwilligung der Klägerin in die Operation, so dass sie ohne Zweifel rechtswidrig war.“

Trotz diesem endgültigen Urteil muss Christiane Völling weiterkämpfen. Der verurteilte Chirurg, unverändert Mitglied (ausgerechnet!) bei der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler der Ärztekammer Nordrhein, will „auf keinen Fall bezahlen“. Einen Vergleichsvorschlag des Gerichts lehnte er ab.

Seit 12 Jahren weigert sich die Bundesregierung, die Menschenrechte der Zwitter zu schützen. Februar 2009 wurde sie deshalb vom UN-Ausschuss CEDAW gerügt.

„Wenn man das Grundgesetz beherzigen würde, dürfte kein Arzt mehr ungestraft eine Zwangsoperation an einem Zwitterkind durchführen. Denn dort steht geschrieben: Jeder Mensch hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit.“

Tuesday, May 19 2009

"Medizin vor Gericht" - Rosige Zeiten 115 (2008)

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Die Zwitter Medien Offensive™  greift um sich!

Aus aktuellem Anlass: >>> Interessanter Artikel von Heinz-Jürgen Voß in der April-Mai-Nummer des "regionalen Magazin[s] aus Oldenburg für Lesben und Schwule".

Mal abgesehen davon, dass im letzten Abschnitt die Beendigung der Zwangsoperationen wieder mal in der üblichen gottgegebenen Reihenfolge dem "gesellschaftlichen Konsens hin zu Offenheit gegenüber vielfältigen Geschlechtern zu ändern" hinten angestellt wird, dass einmal mehr der Kampf gegen "Diskriminierung" als besonders erfolgversprechender Ausgangspunkt verkauft wird, obwohl nicht nur für Zwitter in der realen Welt mit dieser Taktik das Gegenteil erwartetdie ganz zum Schluss benannten Rechtsmittel treffen voll ins Schwarze: 

"rechtliche[...] Regelungen, die medizinische Maßnahmen früher Geschlechtszuweisung ohnehin stark beschränken sollten (GG §2 [körperliche Unversehrtheit], BGB §1631c, §1904-1906 [enge Grenzen zur Einwilligung in Sterilisation] und StGB §90 Abs. 3 [Nicht-Einwilligungsfähigkeit in die Verletzung der Genitalien]), [werden] neu zu interpretieren sein, so dass Menschen in einem zustimmungsfähigen Alter, und nur falls sie selbst es wollen, operative und hormonelle Maßnahmen selbst einleiten können."

Soweit wird es m.E. ohne zusätzliche neu zu schaffende Rechtsmittel gegen Zwangsoperationen an Zwittern allerdings nicht so schnell kommen – geschweige denn schnell genug! Der aktuelle Wahlprüfstein des LSVD gefällt mir da schon besser ...

>>> http://www.schwule-seite.de/politics_intersexuality.htm

Zwitterprozess: Verurteilter Chirurg als Gutachter für Behandlungsfehler ...

Wie bei Intersexuellen heute noch üblich, hatte der Chirurg Prof. Dr. L. der Intersexuellen Christiane Völling 1977 die inneren Geschlechtsorgane entfernt, ohne sie über ihr wahres Geschlecht aufzuklären. In einem Aufsehen erregenden Pilotprozess wurde Prof. Dr. L. deswegen mit Urteil vom 3. September 2008 letztinstanzlich zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt: "Der Chirurg hat die Patientin vor der Operation nicht hinreichend aufgeklärt und sie daher mangels wirksamer Einwilligung schuldhaft in ihrer Gesundheit und ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt." (5 U 51/08)

Der verurteilte Chirurg will jedoch "partout nicht zahlen" und lehnte auch einen Vergleichsvorschlag des für die Festsetzung der Höhe des Schmerzensgeldes zuständigen Landgerichts Köln rundheraus ab. Deshalb ist Christiane Völling gezwungen, weiter zu prozessieren. Morgen Mittwoch, den 20. Mai, kommt es deshalb im Landgericht Köln zu einer weiteren Verhandlung. Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org ruft auf zu einer Kundgebung vor dem Landgericht um 14:00 Uhr.

Laut diversen Einträgen auf der Homepage der Ärztekammer Nordrhein ist Prof. Dr. L. dort auch nach diesem letztinstanzlichen Urteil weiterhin als Gutachter  beschäftigt – ausgerechnet bei der Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler!

Eine Gutachtertätigkeit, die Fragen aufwirft. Offensichtlich sind sich medizinische Standesorganisationen der Tragweite der an Zwittern systematisch begangenen Menschenrechtsverletzungen durch genitale Zwangsoperationen und sonstige nicht-eingewilligte Zwangseingriffe, denen vor allem Zwitterkinder nach wie vor systematisch unterworfen werden, immer noch alles andere als bewusst.

Christiane Völling: "Wie kann sich die Ärztekammer Nordrhein einen solchen Gutachter noch erlauben? Wo bleibt da die Würde?"

Monday, May 18 2009

Di 19.5.09 ca. 17:20h SAT1: Vorabbericht zum Zwitterprozess!

Menschenrechte auch für Zwitter!

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Wie Christiane mitteilt, finden heute Dreharbeiten statt für einen Vorabbericht zum 3. Prozesstag am Mittwoch 20.5. (Demo 14h vor dem Landgericht Köln!), der tags zuvor am Di 19.5. ausgestrahlt wird!
(Nachtrag: ca. 17:20h - Kurznachrichten vor der 2. Folge von "Niedrig und Kuhnt", die um 17:30h beginnt.) Wir sind gespannt ...

Nachtrag 2: Haben die Sendung leider verpasst, hat sie wer gesehen und weiss mehr?

>>> Der Beitrag ist inzwischen online zum angucken!

>>> Siehe auch Thread im Hermaphroditforum! Danke!

Merkel & Co: Einladung zum Zwitterprozess!

>>> Die Einladung im Wortlaut

Christiane Völling lud mit Datum vom 22.4.2009 die Bundeskanzlerin, verantwortliche MinisterInnen, alle Bundestagsfraktionen sowie weitere bundesfinanzierte Stellen per Einschreiben zum 3. Prozesstag ans Landgericht Köln am kommenden Mittwoch, den 20. Mai 2009. Demo vor dem Landgericht ab 14:00 Uhr. In ihrer Einladung behält sie sich weitere rechtliche Schritte gegen die Angeschriebenen vor.

Die genitalen Zwangsoperationen und sonstigen nicht-eingewilligten Zwangseingriffe an Zwittern sind die wohl gravierendste Menschenrechtsverletzung in den westlichen Demokratien seit dem 2. Weltkrieg. Seit 13 Jahren protestieren Zwangsoperierte auch in Deutschland öffentlich dagegen. Seit 2 Jahren sind die massiven Menschenrechtsverletzungen durch die Zwangsoperationen auch durch BMBF-finanzierte, umfangreiche Studien belegt. Ebenfalls seit 2 Jahren läuft der "Zwitterprozess" von Christiane Völling gegen ihren inzwischen rechtskräftig verurteilten ehemaligen Zwangsoperateur, der auch in Medien und Öffentlichkeit einen grossen Wiederhall fand. [1]

Trotzdem behaupten die Bundesregierung wie auch die zuständigen Bundesministerien seit 12 Jahren einstimmig, ihnen sei nicht bekannt, dass Zwitter die an ihnen vorgenommenen Eingriffe kritisierten – die genitalen Zwangsoperationen an Zwittern seien im Gegenteil ausnahmslos medizinisch indiziert, dienten dem Kindeswohl und würden von den Zwangsoperierten gar noch explizit gutgeheissen. [2] Damit macht sich die Bundesregierung zur Mittäterin an den Zwangsoperationen, deren Menschenrechtswidrigkeit im Februar 2009 auch vom UN-Ausschuss CEDAW festgehalten wurde. Die Bundesrepublik wurde für ihren fehlenden Schutz der Menschenrechte der Zwitter gerügt und zur Einreichung eines Zwischenberichts verknurrt. [3]

Wie zahllose weitere Zwangsoperierte ist auch Christiane Völling rechtschaffen empört über die seit 12 Jahren andauernden, tatsachenwidrigen Schutzbehauptungen der Bundesregierung und verschiedener Ministerien sowie über deren konsequentes Leugnen der massiven Menschenrechtsverletzungen an Zwittern in Deutschland. Deshalb liess Christiane Völling der Bundesregierung, den zuständigen Ministerien, allen Bundestagsparteien sowie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes und dem Deutschen Ethikrat via Zwischengeschlecht.org offiziell und per Einschreiben eine Einladung zum 3. Prozesstag ihres Schmerzensgeldverfahrens gegen ihren ehemaligen Zwangsoperateur zukommen. Somit werden alle Angeschriebenen in Zukunft nachweislich nicht mehr behaupten können, sie hätten von nichts gewusst ...

[1] https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2007/12/21/Pressespiegel-121207
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/09/10/Von-Zwangsoperateur-schuldhaft-in-Selbstbestimmungsrecht-verletzt-Zwitterprozess-Pressespiegel-OLG-4608
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/02/07/Sieg-fur-Christiane-Volling
[2] https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/12/04/Weltweit-grosste-Zwitter-Studie-straft-Bundesregierung-Lugen
[3] https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2009/02/13/CEDAW%3A-Schriftliche-Empfehlungen-an-die-Bundesregierung

>>> Die Einladung im Wortlaut

  Christianes Prozess auf diesem Blog:
- Christiane Völlings Geschichte
- 1. Pressemitteilung
- Demoaufruf 1. Prozesstag
- Bericht 1. Prozesstag
- Pressespiegel 1. Prozesstag
- Warum Christiane Völling zur Transsexuellen gemacht werden soll
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- Bericht und Pressespiegel 2. Prozesstag
- Christiane: Der Kampf geht weiter
- Bericht provisorischer Entscheid OLG
- Bericht definitiver Entscheid OLG
- Pressespiegel definitiver Sieg vor OLG
- Zwitterprozess: Verurteilter Chirurg will nicht zahlen!  
- Internationale Artikelübersicht auf OII

Sunday, May 17 2009

Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes

Kann ein Zwitter Sünde sein?Abschlussbericht des Forschungsprojektes "Diskriminierung im Alltag: Wahrnehmung von Diskriminierung und Antidiskriminierungspolitik in unserer Gesellschaft".
Soviel vorweg: Intersexuelle kommen kein einziges Mal drin vor.

Downloadlink und eine gelungene Zusammenfassung

>>> auf Lukas' Transmission-Blog  (Danke!)

Unseres Wissens nach hat die Antidiskriminierungsstelle noch nie was für Zwitter getan, obwohl sie mehrmals um Hilfe angegangen wurde.

Aller schönen Versprechungen zum Trotz: „Die Bundesregierung weist zudem darauf hin, dass auch im rechtlichen Rahmen die Existenz intersexueller Menschen vorgesehen ist. So gilt der Diskriminierungsschutz des am 18. August 2006 in Kraft getretenen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes auch für zwischengeschlechtliche Menschen.“ (16/4786)

Saturday, May 16 2009

"Ein Intersexueller klagt seinen ehemaligen Arzt an" - Tages-Anzeiger 5.2.08

Menschenrechte auch für Zwitter!

Die Zwitter Medien Offensive™ ging weiter!

Aus aktuellem Anlass: Gelungener Artikel in der 2. grössten Tageszeitung der Schweiz zu Christianes 2. Prozesstag, sinnigerweise in der Rubrik "Medizin". Die Rechtsprofessorin Andrea Büchler stellt klar, dass genitale Zwangsoperationen an Zwitter auch in der Schweiz klar strafbar sind:

«Ein medizinischer Eingriff braucht die Zustimmung der betroffenen Person. In der Regel können die Eltern für ihr Kind zustimmen. Geschlechtszuweisende Operationen aber tangieren die höchstpersönlichen Rechte und dürfen nicht ohne Zustimmung des betroffenen Kindes vorgenommen werden – ausser es ist medizinisch notwendig.»

(Dass sämtliche an Zwittern immer noch systematisch vorgenommenen genitalen Zwangsoperationen medizinisch nicht notwendig sind, gibt mittlerweile ja auch "Netzwerk DSD"- sowie "Euro-DSD"-Chef z.B. an der parlamentarischen Anhörung in Hamburg öffentlich zu.)

Dass einzig empfindlicher Geldbussen oder sonstige konkrete Sanktionen die Medizyner von ihrem menschenrechtswidrigen Tun abhalten wird, macht der wohl unverbesserliche Zwangsoperateur Dr. Schwöbel deutlich:

«Sollte der Chirurg in Köln für den Eingriff, den er vor 30 Jahren durchführte, verurteilt werden, oder setzt sich die Auffassung von Rechtsprofessorin Büchler durch, müsste die Indikation zu geschlechtsanpassenden Eingriffen neu überdacht werden», sagt Schwöbel.

Wie meist, wenn die CH-Zwangsoperateure zu Wort kommen, darf auch Prof. Mullis nicht fehlen, der einmal mehr unwidersprochen behaupten darf, "dass es durchaus Arten von Geschlechtsstörungen gebe, die operationswürdig seien". (Mittlerweile ist in der Öffentlichkeit auch Mullis umgeschwenkt und behauptet frech, in der Schweiz gäbe es "keine Zwangsoperationen" mehr, entlarvt sich im selben Interview aber gleich selber als Lügner.)

>>> http://sc.tagesanzeiger.ch/dyn/wissen/medizin/838834.html

(Zusammen mit diesem Artikel erschien auch ein gelungenes Interview mit Karin Plattner von der CH-Elternselbsthilfe.)

Siehe auch:
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- "Medicine goes Gender"
- Kosmetische Genitaloperationen an Kindern: Gesetzgeber gefordert  
- "EuroDSD"-Zwangsoperateure: transsexuell = intersexuell??! 

Thursday, May 14 2009

Zwitterprozess: Nächste Runde / Demo 20.5. 14:00 h LG Köln

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Auch nach dem Sieg auch in 2. Instanz muss die Intersexuelle Christiane Völling weiter um ihr Recht kämpfen:

Am 3. September 2008 hatte das Oberlandesgericht Köln den Chirurgen, der Christiane Völling seinerzeit ohne Einwilligung die inneren Geschlechtsorgane entfernte, definitiv zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt. Der 5. Senat des OL urteilte einstimmig, der Zwangsoperateur habe Christiane Völling "nicht hinreichend aufgeklärt und sie daher mangels wirksamer Einwilligung schuldhaft in ihrer Gesundheit und ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt" (5 U 51/08).

Es war das erste Verfahren überhaupt, wo es einem intersexuellen Menschen gelungen war, einen Chirurgen wegen genitalen Zwangsoperationen vor den Richter zu bringen, kurz vor Ablauf der absoluten Verjährungsfrist. Auch heute noch werden Zwitter systematisch zwangsoperiert. Da den Zwittern selbst jeweils die wahre Natur der Eingriffe verheimlicht wird, besteht für die meisten gar keine Möglichkeit, die Mediziner vor Gericht zu bringen, weil die Taten vorher längst verjährt sind.


Chirurg will auf keinen Fall zahlen

Das Verfahren geht nun am 20. Mai 2009 wieder zurück ans Landgericht, wo über die Höhe des Schmerzensgeldes verhandelt wird. Der verurteilte Chirurg Prof. Dr. L. will "partout nicht zahlen", wie er bekannt gab: "Er ließ das Gericht wissen, dass er aus damaliger medizinischer Sicht alles richtig gemacht habe. Und deshalb in keinem Fall bereit sei zu zahlen." (Express, 23.3.2009) Einen Vergleichsvorschlag des Gerichts habe Prof. Dr. L. abgelehnt.

Obwohl sich das Verfahren schon 2 Jahre hinzieht, lässt sich Christiane Völling durch die erneute Hinhaltetaktik von Prof. Dr. L. nicht zermürben: "Da ist er an die Falsche geraten!"


Kundgebung vor dem Landgericht Köln

Die genitalen Zwangsoperationen an Zwittern müssen so schnell wie möglich beendet werden!

Zwischengeschlecht.org fordert "Menschenrechte auch für Zwitter!" und ruft auf zur Kundgebung unmittelbar vor der Verhandlung:

Mittwoch, 20. Mai 2009, 14:00 Uhr
Landgericht Köln, Luxemburger Straße 101, 50939 Köln

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