Thursday, February 3 2011

9. Menschenrechtsbericht: Bundesregierung deckt medizynische Verbrechen an Zwittern

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Seit langen kritisiert dieser Blog die Komplizenschaft der Bundesregierung sowie des Bundestags mit den GenitalverstümmlerInnen in den Kinderkliniken, insbesondere das fehlende Eintreten der verantwortlichen PolitikerInnen für die Durchsetzung des Grund- und Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung auch für Kinder mit "auffälligen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen.

Und ebenso die Untätigkeit und Komplizenschaft speziell des Bundestags-"Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe".

Umso erfreulicher, dass diese begründete Kritik nun in einer Anhörung im Bundestag durch die Menschenrechts-"Sachverständigen" Michael Krennerich (Nürnberger Menschenrechtszentrum) und Beate Rudolf (Deutsches Institut für Menschenrechte) zumindest teilweise aufgenommen wurde!

Anlass dazu war eine öffentliche Anhörung des "Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe" am 19.1.11 (>>> Tagesordnung als PDF, 16 KB) zum
>>> 17/2840 - 9. Menschenrechtsbericht der Bundesregierung (PDF, 1.2 MB).

Dieser 9. Bericht (vollständiger Titel: "Neunter Bericht der Bundesregierung über ihre Menschenrechtspolitik in den auswärtigen Beziehungen und in anderen Politikbereichen") erwähnt "Intersexuelle" ganze 2 mal:

1) Auf S. 15 in "Teil A — Menschenrechte in Deutschland und in der gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik der Europäischen Union" im Zusammenhang mit den Abschliessenden Bemerkungen des UN-Komitees CEDAW (dieser Blog berichtete):

In seinen abschließenden Bemerkungen fordert der Ausschuss die Bundesregierung auf, innerhalb von zwei Jahren einen schriftlichen Bericht zu Maßnahmen im Zusammenhang mit der vom Ausschuss geforderten Dialogaufnahme mit Nichtregierungsorganisationen von intersexuellen und transsexuellen Menschen [...] vorzulegen.

2) Sowie auf S. 43 in "Teil B — Menschenrechte in der Außen- und Entwicklungspolitik" im Zusammenhang mit den EU-"Leitlinien zu Menschenrechtsverteidigern" (in der üblichen vereinnahmenden Reihenfolge):

Unter schwedischer EU-Präsidentschaft im 2. Halbjahr 2009 wurde wegen ihrer besonderen Verletzbarkeit besonderes Augenmerk auf die Lage von [...] Menschenrechtsverteidigern [...] gelegt, die sich für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen einsetzen.

(Ob und falls ja, wie sich die EU je konkret für "Menschenrechtsverteidiger von Intersexuellen" stark gemacht hätte, ist mir nicht bekannt. Jedoch kursieren aktuell Berichte von mindestens einem konkreten Fall in Deutschland, wonach eine Zwitter-Menschenrechtsverteidigerin wegen ihres öffentlichen Engagements in den Medien von einem quasi-öffentlichen Arbeitgeber die Kündigung erhielt und ihre Stelle verlor (!!!), und von weiteren Beispielen im deutschen Sprachraum, bei denen Zwitter-Menschenrechtsverteidiger_innen aus denselben Gründen am Arbeitsplatz unter Druck gesetzt wurden, wobei sich jedoch aufgrund entschlossenen Gegensteuerns zum Glück Schlimmeres abwenden liess ...)

Zumindest die 1. obige Erwähnung im Menschenrechtsbericht wurde nun anlässlich der erwähnten öffentliche Anhörung des "Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe" am 19.1.11 von 2 der geladenen Sachverständigen kritisch aufgenommen und bemängelt, nämlich von Dr. Michael Krennerich, Vorsitzender des Nürnberger Menschenrechtszentrum (NMRZ) sowie Mitarbeiter am Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik am Institut für politische Wissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie von Prof. Dr. Beate Rudolf, Direktorin im Deutschen Institut für Menschenrechte.

Wenig überraschend ist diese Kritik der beiden Sachverständigen auf der >>> Bundestags-Homepage zur Anhörung (mit Videomitschnitt) direkt nirgends angeführt, sondern es muss dazu der ganze Videomitschnitt visioniert werden (Relevante Stellen: 00:24:00 und 00:52:00, danke an Intersexuelle Menschen e.V. für den Hinweis) – ein Trick, den bekanntlich auch der Ethikrat gern praktiziert.

Zwar ist eine >>> schriftliche Stellungnahme von Dr. Michael Krennerich (PDF, 160 KB) immerhin auf der Bundestagshomepage verfügbar, diese findet sich aber nirgends direkt verlinkt, sondern ist nur via Bundestags-Suchmaschine auffindbar.

Deshalb nachfolgend von Nella angefertigte Transkripte der relevanten Aussagen:

Dr. Michael Krennerich (Nürnberger Menschenrechtszentrum) [meine Hervorhebung]:
Es ist sehr schön, dass Sie NGO's um eine Stellungnahme bitten, zumal ich bei dem vorliegenden Bericht den Eindruck habe, dass die Empfehlungen aus der letzten öffentlichen Anhörung durchaus aufgegriffen wurden in dem Bericht. (...)
Der Menschenrechtsbericht ist wichtig, er ist informativ und kompakt und ist vielleicht der Beste der bisherigen Menschenrechtsberichte. (...)
Wichtig ist schliesslich, dass der Bericht ein Aktionsplan für Menschenrechte enthält. Soweit zum allgemeinen Lob. Nun zur Detailkritik. (...)

[00:24:00, PDF S. 4] Ausserdem kommen im Bereich sozialer Menschenrechte wichtige Probleme innerhalb Deutschlands nicht zur Sprache, so etwa Probleme von Gesundheitsversorgung von Menschen ohne Krankenversicherung oder ohne regulären Aufenthaltsstatus, Probleme des Schulbesuchs von Kindern ohne regulären Aufenthaltsstatus, schwerwiegende medizinische Eingriffe gegenüber intersexuellen Menschen - wichtiges Thema. Auch die menschenrechtliche Lage der Roma oder auch Probleme bei der Umsetzung des Rechts auf Wohnen.

Im PDF wird diese Kritik von Dr. Michael Krennerich zwei weitere Male bekräftigt (S. 11 und S. 13); auf S. 10 erwähnt er zudem die in den CEDAW-Abschlussbemerkungen geforderte "Dialogaufnahme mit NGOs von [...] intersexuellen Menschen".

Prof. Dr. Beate Rudolf (Deutsches Institut für Menschenrechte) [meine Hervorhebung]:
[00:52:00 ] Ein Themenbereich, der nur ganz kurz aufscheint, aus unserer Sicht aber in unzureichender Weise, ist die Menschenrechtssituation von intersexuellen Menschen. Der Bericht erwähnt lediglich, dass die Bundesregierung an den CEDAW-Ausschuss darüber berichten muss, wie sie in den Dialog mit dieser Menschengruppe eingetreten ist. Es wird aber aus dem Bericht nicht deutlich, wie die Bundesregierung hier vorgehen will und vor allem auch, welches Ressort hierfür federführend sein soll. Und aus unserer Sicht ist das längst überfällig, denn es geht um die Situation einer Gruppe von Menschen, die im wahrsten Sinne des Wortes unsichtbar ist, bei der aber erhebliche menschenrechtliche Probleme bestehen. Und hierüber muss sich die Regierung, muss sich auch der Bundestag Gewissheit und Wissen verschaffen.

Für diese klaren und deutlichen Aussagen im Namen dieses Blogs an Dr. Michael Krennerich und Prof. Dr. Beate Rudolf ein ganz herzliches Danke!!!

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen

PS: Leider ist bisher nicht abzusehen, dass diese engagierten Worte bei den AdressatInnen auf fruchtbaren Boden gefallen wären – im Gegenteil:

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Monday, January 31 2011

Zwittertabu & Medizynermacht (I)

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Proteste gegen Genitalabschneider-Jahrestreffen "DGKJ 2010", Potsdam 16.-18.9.

(Full Disclosure: Seelenlos ist verantwortlicher Redakteur dieses Blogs, Gründungsmitglied und Kampagnenleiter bei Zwischengeschlecht.org und ein mit einem Zwitter verbandelter "normaler" XY, also ein solidarischer Nicht-Zwitter.) 

Der stärkste Verbündete der zwangsbehandelnden Pädo-Medizyner ist und bleibt das sogenannte Zwittertabu:

So lange die breite Öffentlichkeit weiterhin ahnungslos darüber bleibt, dass es

a) Zwitter allgemein überhaupt real gibt, sowie
b) über die an ihnen in den Kinderspitälern tagtäglich verübten medizynischen Verbrechen im Speziellen,

ebenso lange werden die Medizyner & ihre Helfershelfer ungestört nach Lust und Laune weiter verstümmeln können.

(Zumal die Zwangsoperationen auch für die Kinderkliniken selbst ebenfalls Mal für Mal einen hübschen Gewinn abwerfen.)

Umgekehrt gilt: Sobald mehr als die Hälfte der "Menschen auf der Strasse" wissen, dass Zwitter a) real und zuhauf existieren, und was b) in den Kinderkliniken konkret mit ihnen geschieht, wird dies das Ende der Genitalverstümmelungen und sonstigen Zwangsbehandlungen einläuten.

Denn zum Glück sind Folter und Verstümmelung von wehrlosen Kleinkindern in der hiesigen Wahlbevölkerung NICHT mehrheitsfähig! Ganz im Gegensatz zu Bestrebungen zur Abschaffung solcher menschenverachtender Praktiken, wie sie in hiesigen Kinderkliniken leider nach wie vor an der Tagesordnung sind.

Sprich, sobald es gelingt, das gesellschaftliche Tabu über Zwitter und ihre "Behandlung" wirkungsvoll zu durchbrechen, wird dadurch der Druck auf die TäterInnen und ihre HelfershelferInnen insbesondere in Politik und Justiz derart wachsen, dass die Interessen der zwangsoperierten und künftigen Zwitter plötzlich eine reale politische Chance haben werden – auch gegen die nicht zu unterschätzende Macht der ethisch und moralisch herausgeforderten Pädo-MedizynerInnen & Co.

Aus diesem Grund hat für die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung über die Machenschaften der GenitalabschneiderInnen einen grossen Stellenwert, und wir begrüssen entsprechende Berichterstattung in allen Medien, ausdrücklich inkl. Boulevard und ungeachtet persönlicher Vorlieben – vorausgesetzt, dass die medizynischen Verbrechen an Zwittern in der Berichterstattung angemessen erwähnt werden.

(Letzteres darf allerdings nicht dem Zufall überlassen werden, sondern muss aus verschiedenen Gründen leider bei so ziemlich allen Medien Mal für Mal durch effektive Medienarbeit erkämpft werden.)

Elisabeth Müller, Daniela Truffer, Katrin Ann Kunze †, Christiane Völling

"Those who cannot remember the past are condemned to repeat it."
George Santayana (1863 – 1952)

Auch wenn mache Zwitter wegen des verinnerlichten Schweigegebots das Licht der Öffentlichkeit primär als Gefahr wahrnehmen: Klartext, ungeschminkte Fallberichte von Freiwilligen, TäterInnen, Taten und Tatorte öffentlich beim Namen nennen, kurz: Transparenz und Informationsfreiheit sind die mächtigsten Waffen im Kampf um die Beendigung der Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken – Geheimhaltung, Maulkörbe, Geheimverhandlungen durch den Dienstboteneingang und Redeverbote spielen hingegen erwiesenermassen Mal für Mal letztlich den MedizynerInnen in die Hände.

Und nicht zuletzt: Auf einen groben Klotz gehört bekanntlich auch ein grober Keil. Sprich, ein derart mächtiges und lange bestehendes Tabu wie dasjenige über die Existenz der Zwitter und die an ihnen bis heute verübten medizynischen Verbrechen wird kaum mit Geflüster und subtilen theoretischen Aufsätzen zu knacken sein. Sondern dazu braucht es nicht zuletzt kontinuierliche, angriffige Medienarbeit und öffentlichkeitswirksame friedliche Protestaktionen (Gewaltfreie Aktion).

Genitalabschneider, wir kriegen euch! Zwangsoperateure, passt bloss auf!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

>>> Das verinnerlichte Schweigegebot (Zwittertabu & Medizynermacht II) 
>>>
Erpressung, Zwittertabu & Medizynermacht (III)  

Siehe auch:
- Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
- Die grosse "Intersex"-Statistik-Lüge
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- Schweiz: Bundesrat will weibliche Genitalverstümmelung verbieten – aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter ...
- Bundestag: "Weibliche Genitalverstümmelung ahnden" - aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter ...
- "Die Macht der Tabus" - Konstanze Plett über Genitalverstümmelung, amnesty journal 03/08
- Medizinische Verbrechen an Zwittern
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- Genitale Verstümmelung & Folgeschäden - AGGPG 1998
- "Ethik als Feigenblatt?" - Zwischengeschlecht.org am "Forum Bioethik", 23.6.10
- "Gott hat uns dieses Kind geschenkt, so wie es ist. Wir nehmen es dankbar an und lieben es."
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Saturday, January 15 2011

Susanne Ude-Koeller, Claudia Wiesemann: "Ethik und Informed Consent. Empfehlungen für die Behandlung intersexueller Kinder und Jugendlicher" - Kinderärztliche Praxis, 2005

Menschenrechte auch für Zwitter!Relevante Ethik-Veröffentlichung von Susanne Ude-Koeller und Claudia Wiesemann (Abteilung für Ethik und Geschichte der Medizin, Georg-August-Universität Göttingen) in der Zeitschrift Kinderärztliche Praxis Nr. 5/2005, S. 305-310: "Ethik und Informed Consent. Empfehlungen für die Behandlung intersexueller Kinder und Jugendlicher".
>>> PDF-Download (129 KB)

Beide Autorinnen sind auch massgeblich beteiligt in der "Arbeitsgruppe Ethik im Netzwerk Intersexualität 'Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung'" sowie bei deren "Ethische Grundsätze und Empfehlungen bei DSD" (2008).

Salopp gesagt ist der vorliegende, insgesamt sehr gelungene Artikel aus dem Jahre 2005 die interessanterweise bessere bzw. unverwässertere und klar mehr Klartext enthaltende Blaupause zu den späteren "Netzwerk DSD/Intersexualität"/"EuroDSD"-Empfehlungen von 2008. (DSD steht für "Disorders of Sex Development", offizielle Medizyner-Eindeutschung: "Störungen der Geschlechtsentwicklung" – die "Gestörten" danken.)

Als symptomatisches Beispiel kann der Kasten mit den eigentlichen Empfehlungen in der vorliegenden Veröffentlichung dienen:

Wesentliches für die Praxis . . .

  • Eine intersexuelle Kondition bei einem Neugeborenen ist nicht per se eine Notfallindikation. [...] Erforderlich ist stets begleitend eine Stärkung der Konfliktbewältigungskompetenz der Eltern.
  • Die Wahrung des Kindeswohls erfolgt nicht automatisch durch Festlegung auf ein Geschlecht. Für die Realisierung des Kindeswohls muß zudem immer berücksichtigt (und gegebenenfalls dagegen abgewogen) werden:
    - die mögliche Traumatisierung durch Korrektureingriffe und 
       durch wiederholte Untersuchungen im Intimbereich,
    - die mögliche Einschränkung der sexuellen Erlebnisfähigkeit und 
       der generativen Potenz des zukünftigen Erwachsenen [...]
  • [...] Nur Maßnahmen, für die eine gute Evidenz vorliegt, sind zweifelsfrei zu rechtfertigen. Alle anderen Behandlungen sollten im Rahmen von langfristig angelegten Studien erfolgen.

Zwar enthalten auch die Netzwerkempfehlungen teilweise vergleichbare Punkte, jedoch meist in abgeschwächter Form (vgl. z.B. "nicht per se eine Notfallindikation" vs. den berühmt-berüchtigten "psychosozialen Notfall" in den "Netzwerk DSD"-Empfehlungen), sowie – gravierender – irgendwo hinten in den eigentlichen Empfehlungen versteckt unter "ferner liefen" (z.B. taucht DER eigentlich zentrale Punkt "Maßnahmen, für die keine zufriedenstellende wissenschaftliche Evidenz vorliegt, sowie Maßnahmen, die irreversible Folgen für die Geschlechtsidentität oder negative Auswirkungen auf Sexualität oder Fortpflanzungsfähigkeit haben können, sind besonders begründungs- und rechtfertigungspflichtig und bedürfen einer zwingenden medizinischen Indikation" in den Netzwerk DSD-Empfehlungen erst unter Punkt 6. auf – in der aktuell im Oktober 2010 letztmals "überprüften" und unverändert bis 2015 freigegebenen AWMF-Verstümmlerleitlinie 027/022 "Störungen der Geschlechtsentwicklung" werden dann aber bequemerweise nur die Punkte 1.-2. angeführt ...).

Weiter bezeichnend, dass die vorliegende Veröffentlichung von 2005 explizit auf die UN-Kinderrechtskonvention Bezug nimmt, während in den "Netzwerk DSD"-Empfehlungen bekanntlich Grund- Menschenrechte gar nicht erst erwähnt – die einzige Erwähnung von juristischen Rechten in den "Netzwerk"-Empfehlungen überhaupt geschieht, um Eltern (und Medizynern) die alleinige Verfügungsgewalt über die Kinder zuzusichern: "Rechtlich steht letztlich den Eltern die Entscheidung zu".

Ein Satz, der – Überraschung! – dann auch in der erwähnten AWMF-Verstümmlerleitlinie 027/022 als einzige Belegstelle zentral hervorgehoben wird – quasi als "Freifahrtschein für operieren auf Teufel komm raus" (C. Wiesemann am "Forum Bioethik" des Deutschen Ethikrates).

M.E. lediglich in einem Punkt haben die "Netzwerk DSD"-Empfehlungen die Nase vorn: Während dort die Wichtigkeit von Peer Support (Zugang zu Selbsthilfegruppen Betroffener) unter 4. explizit angesprochen wird ("Dazu sollten Eltern auch über das Angebot von Selbsthilfegruppen und Betroffenenvertretern informiert werden"), bleibt Peer Support in der vorliegenden Publikation von 2005 unerwähnt.

Auf der Negativseite muss weiter angesprochen werden, dass bei beiden Ethik-Veröffentlichungen teilweise "Wischi-Waschi-Ausdrücke" (z.B. in der vorliegenden Publikation der Zwischentitel "Frühere Behandlungsempfehlungen" – was allerdings im Text später relativiert wird!) und unverbindliche "Sollte-Formulierungen" (vgl. z.B. im Zitat oben im letzten Satz) unangenehm auffallen – jedoch ist zu konstatieren, dass beides in den "Netzwerk DSD/Intersexualität"-Empfehlungen von 2008 klar in verstärktem Masse der Fall ist.

Kommentar: Es ist auffallend, dass im Vergleich zur vorliegenden Publikation von 2005 die späteren "Netzwerk DSD"-Ethikempfehlungen von 2008 leider schlechter abschneiden.

Und wohl auch bezeichnend, da auch mit anderen Entwicklungen im "Netzwerk Intersexualität/DSD" bzw. "EuroDSD" nur allzu übereinstimmend – was sich auch am Beispiel der Geschichte der in Lübeck veranstalteten "DSD-Symposien" nachweisen lässt:

Beim 1. Symposium von 2004 (Veranstalterin: "Netzwerk Intersexualität/DSD") war als Ausnahme unter all den üblichen VerstümmlerInnen noch die Ethikerin und Co-Autorin der vorliegenden Publikation, Claudia Wiesemann, als Referentin geladen.

Beim 2. Symposium von 2006 ("Netzwerk Intersexualität/DSD") als weitere Ausnahme Barbara Thomas von den XY-Frauen.

Beim diesjährigen 3. Symposium ("EuroDSD") bleiben die GenitalabschneiderInnen und ZulieferInnen hingegen von Anfang an vornehm unter sich ...

Kommt noch dazu, dass alle aktuellen AWMF-Leitlinien die eigenen "Netzwerk"-Ethikempfehlungen entweder gleich ganz aussen vor lassen (AWMF 027/047) – oder, wo sie sie überhaupt erwähnen, lediglich als Feigenblatt zum Verstümmeln von gesunden Kindergenitalien missbrauchen (AWMF 027/022) ...

Fazit: Offensichtlich stellt die EU, welche die heutige "Netzwerk"-Nachfolgeorganisation "EuroDSD" finanziert, (noch) weniger Anforderungen an Ethik und Menschenrechte als die seinerzeitige "Netzwerk"-Geldgeberin Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Umso wichtiger, dass den "EuroDSD"-GenitalabschneiderInnen kontinuierlich öffentlich Paroli geboten wird, auch von Betroffenen!

>>> Ude-Koeller, Wiesemann: "Ethik und Informed Consent" (PDF 129 KB)

Genitalabschneider, wir kriegen euch! Zwangsoperateure, passt bloss auf!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Siehe auch:
- "Ethik als Freifahrtschein für operieren auf Teufel komm raus" (Claudia Wiesemann)
- "Ethische Grundsätze und Empfehlungen bei DSD": Zwangsoperationen klar unzulässig (Dr.  med. Jörg Woweries)
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- "Genitalkorrekturen in Deutschland in der Regel im ersten Lebensjahr" (DGKJ/APE/DGE)
- "Netzwerk DSD": Ethik-Empfehlungen als Feigenblatt für Zwangsoperateure
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- "Ethik als Feigenblatt?" - Zwischengeschlecht.org am "Forum Bioethik", 23.6.10
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller chirurgischen Genitalverstümmelungen in deutschen Kinderkliniken
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen? 

Saturday, January 8 2011

"Leben mit Intersexualität" @ DRS3 So 9.1.11 20h

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Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter! 

Morgen Sonntag kommt auf Radio DRS3 in der Rubrik "Input" eine Sendung >>> "Jenseits von Mann und Frau: Leben mit Intersexualität", u.a. mit Daniela "Nella" Truffer und Ernesta. Laut der Sendungsmacherin Katharina Bochsler handelt es sich "umgearbeitete Version der beiden Kontext-Sendungen, etwas umgestellt und niederschwelliger".

Die Sendung wird auch online angehört werden können. Wir sind gespannt!

Nachtrag 1: Trotz einigen Schnitzern (die unbelegte Zahl von 1:5000 Zwangsbehandelten, unkritische Übernahme der Behauptung, heute hätten "interdisziplinäre Teams" inkl. angemessen geschulten PsychologInnen in den Kinderspitälern das Sagen, teilweise unkritische Übernahme der Behauptung von den "früheren" Behandlungsstandards, die Verwechslung von Gerüchten mit Tatsachen betreffend der "Diagnose" von Caster Semenya) bietet die insgesamt gelungene Sendung eine Menge Klartext in konzentrierter Form. Danke!!!

>>> Podcast zum Anhören     >>> Download (MP3, 24,1 MB)  

Nachtrag 2: Teiltranskript zur Sendung von Nella mit zentralen Aussagen zur aktuellen "Ethikdebatte" um die Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken:

Der Leidensdruck der Eltern, die Überforderung der Ärzte, das ist eine verheerende Kombination, sagt der Medizinethiker Jürg Streuli. Die Situation entschärfen könnten rechtliche oder ethische Rahmenbedingungen, die eigenmächtiges oder eben auch hilfloses Agieren der Ärzte unterbindet. Solche Rahmenbedingungen schaffen könnte zum Beispiel die [Zentrale] Ethikkommission [ZEK] der schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften [SAMW]. Ihre Richtlinien sind zwar nicht rechtlich bindend, aber die meisten Ärzte halten sich daran.

Aber die medizinische Ethikkommission findet solche Richtlinien nicht nötig. Er könne kein Bedürfnis der Ärzteschaft erkennen nach Richtlinien im Umgang mit intersexuellen Kindern, hat der Präsident der Ethikkommission Christian Kind kürzlich in der Sendung "Kontext" auf DRS2 gesagt:

"Da muss ich Ihnen sagen, dass in unserer Wahrnehmung bis jetzt das Problem der Störung der Geschlechtsentwicklung nicht als so brennend und mit einem grossen Handlungsbedarf behaftet gesehen wird."

Zwar machen Betroffene und ihre Mitstreiter in der Schweiz seit rund zwei Jahren öffentlich Druck gegen Operationen an intersexuellen Kindern. Bei der Ärzteschaft werden sie aber gerne als Einzelfiguren abgetan:

[Christian Kind:] "Es scheint uns eher, dass es sich um Einzelproteste und eine sehr sehr kleine Gruppe zu handeln scheint und sich auch auf etwas Vergangenes bezieht."

Aus ethischer Sicht sind das keine Argumente. Ob wenige oder viele Betroffene, ob alte oder neue Geschichten, die rigide Behandlung von intersexuellen Kindern in der Vergangenheit ist ein Stück Medizingeschichte, das sich nicht wegreden lässt.

Der Medizinethiker Jürg Streuli: "Sowohl aus Sicht der Ethik als auch aus Sicht der Medizin sollte es eigentlich schon schockieren, dass es überhaupt massiv traumatisierte Patienten durch die Medizin gibt."

Wenn die Ärzte sich selber keine ethischen Richtlinien geben wollen im Umgang mit intersexuellen Kindern, dann machen das vielleicht bald andere, Politiker und Juristinnen zum Beispiel. In verschiedenen Kantonen haben Parlamentarier Anfragen zum Umgang mit Intersexualität in den kantonalen Spitälern eingereicht und Rechtsexperten zweifeln an der Legitimität von nicht lebensnotwendigen Operationen an Genitalien und Keimdrüsen von noch nicht urteilsfähigen Kindern und Jugendlichen.

Siehe auch:
- Medizinische Verbrechen an Zwittern
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- "Ethik als Freifahrtschein für operieren auf Teufel komm raus" (Claudia Wiesemann)
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Schweiz: Amnesty International und Terre des Femmes fordern Strafbarkeit von Genitalverstümmelung auch bei Zwittern
- Schweiz: Weibliche Genitalverstümmelung ausdrücklich verbieten – aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter ...
- Amnesty Deutschland: "fundamentaler Verstoß" gegen körperliche Unversehrtheit
- Terre des Femmes Deutschland: Genitalverstümmelungen an Zwittern gleich schädlich wie weibliche Genitalverstümmelung
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- Genitalverstümmelung in Kinderkliniken: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Thursday, January 6 2011

Bundestagspetition gegen Zwangsoperationen: 1047 Mitzeichner_innen - Danke!!!

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Dank kräftigem Endspurt konnte die 1000er-Grenze doch noch komfortabel geknackt werden – meiner Meinung nach ein Achtungserfolg, der deutlich macht, dass trotz suboptimalem Petitionstext und ebensolcher Begründung sowie strategisch unglücklich gewähltem Einreichungszeitpunkt (Sammelfrist z.T. während der Weihnachtsferien) das Thema als solches zunehmend auch "normale" Bürgerinnen und Bürger bewegt.

Dieser Blog dankt allen, die dazu beitrugen!

Nun gilt es, rechtzeitig vor den Sommerferien die vielfach geforderte, sachlich und juristisch wohlbegründete, transparent ausdiskutierte, neue Petition zu erarbeiten und anschliessend zeitig einzureichen. Erste Anstösse gab es ja schon letztes Jahr auf dem Hermaphroditforum, aber auch auf dem Petitionsforum selbst (leider die Ausnahme - insbesondere für Zwangsoperierte war das Forum leider alles andere als ein sicherer Ort) sowie natürlich auch auf diesem Blog (eins / zwei). Auch formal gibt es ja aktuelle Beispiele, wie eine zumindest halbwegs seriöse Petition in etwa daherkommen sollte, z.B. diese und diese.

Auch innerhalb von Zwischengeschlecht.org wurde ein entsprechendes Vorgehen bereits andiskutiert, konkrete Vorschläge sollen demnächst auf den üblichen Kanälen öffentlich zur Diskussion gestellt werden.

Dies war erst der Anfang!

Auch wenn der dortige Zusammenhang zugegebenerweise ein anderer ist, ist es doch dieses Lied, das mir grad durch den Kopf geht:

Friday, December 31 2010

Frohes 2011 - wir sehn uns, wo die Action ist ...

>>> Bundestagspetition gegen Zwangsoperationen: ENDET HEUTE!
>>> Bundestagsforum: Überlegungen zu einem besseren Petitionstext

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Menschenrechte auch für Zwitter!Dieser Blog wünscht allen Leser_innen ein frohes, gesundes und glückliches neues Jahr!

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org hat 2010 vieles erreicht – und wir planen für 2011 erneut einen Zacken zuzulegen!

Wir bedanken uns ganz herzlich bei allen, die uns im alten Jahr in irgend einer Form unterstützt haben, sowie insbesondere bei allen neuen Vereinsmitgliedern!

Und wir freuen uns natürlich auch im neuen Jahr auf weitere Neumitglieder und Unterstützer_innen – wir sind auch 2011 auf eure tatkräftige Mithilfe angewiesen! (Infos zur Mitgliedschaft gibt's bei Interesse hier. Auch Spenden sind jederzeit hochwillkommen.)

Wir sehn uns, wo die Action ist!

Liebe Grüsse     Nella & Seelenlos / Zwischengeschlecht.org

PS: Unter anderem wegen überfälligen Arbeiten im Hintergrund gab es im Dezember leider auf dem Blog kaum Updates. Im Januar soll es jedoch wieder in gewohntem Tempo weitergehen. Ausserdem hat sich in den letzten Wochen auf der Vereinshomepage Zwischengeschlecht.org einiges getan, und ein weiteres Update ist in Vorbereitung.

Saturday, December 18 2010

Schweiz: Gesetz geplant gegen "teilweise oder vollständige Entfernung der äusseren Geschlechtsorgane ohne medizinischen Grund" ...

>>> Bundestagspetition gegen Zwangsoperationen: Jetzt mitunterzeichnen!
>>> Bundestagsforum: Überlegungen zu einem besseren Petitionstext

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Nationalrat: Weibliche Genitalverstümmelung ausdrücklich verbieten

16.12.2010 19:09

Die Verstümmelung der Genitalien von Frauen und Mädchen soll in der Schweiz ausdrücklich verboten werden. Der Nationalrat war sich einig, ein Signal zu setzen und hiess am Donnerstag die nötigen Änderungen des Strafgesetzbuches gut, mit 162 gegen 2 Stimmen.

Mit Genitalverstümmelung ist die teilweise oder vollständige Entfernung der äusseren Geschlechtsorgane gemeint, ohne medizinischen Grund, wie Paul-André Roux (CVP/VS) namens der Rechtskommission (RK) ausführte. Beschnittene Mädchen und junge Frauen seien grossem Leiden und Gesundheitsrisiken ausgesetzt.

Der Rat und der Bundesrat waren sich einig, dass die Verstümmelung weiblicher Geschlechtsorgane in allen Formen geahndet und bestraft werden sollte, auch wenn in der Schweiz lebende Personen die Tat im Ausland begehen. Das Strafmass liegt zwischen einer Geldstrafe von mindestens 180 Tagessätzen und zehn Jahren Freiheitsstrafe.

Die auf eine parlamentarische Initiative von Maria Roth-Bernasconi (SP/GE) zurückgehende Vorlage geht nun in den Ständerat.

(Quelle: SDA)         [ DPA-Meldung --> z.B. hier

... aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter, sind ja keine richtigen Mädchen, äh, Menschen – wie lange noch?!

>>> "Gott hat uns dieses Kind geschenkt, so wie es ist"
>>> Historischer überparteilicher Vorstoss gegen ZwangsOPs 
>>> Reglementierung experimenteller "Heilversuche" gefordert

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen

Siehe auch:
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- Schweiz: Weibliche Genitalverstümmelung soll absolut verboten werden - ausser bei 'westlichen Formen' (und an Zwittern) ... 
- Schweiz: Bundesrat will weibliche Genitalverstümmelung verbieten – aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter ...
- Bundesärztekammer gegen genitale "Zwangsoperationen" – natürlich nur bei "Mädchen und Frauen" ...
- Bundestag: "Weibliche Genitalverstümmelung ahnden" - aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter ... 
- Internationaler Tag gegen Mädchenbeschneidung (aber die Zwitter operiert nur ruhig weiter, sind ja keine Frauen, äh, Menschen ...)
- Leugnen, wegschauen, schweigen – Hamburger Senat reiht sich ein unter die MittäterInnen
- Amnesty: Zwangsoperationen "fundamentaler Verstoß" gegen körperliche Unversehrtheit
- Terre des Femmes: Genitalverstümmelungen an Zwittern gleich schädlich wie weibliche Genitalverstümmelung
- Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung (Lightfoot-Klein: "Der Beschneidungsskandal")
- Zwangsoperationen an Zwittern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit) 
- Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat 23.6.10
- Genitalverstümmelung in Kinderkliniken: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen? 

Wednesday, December 15 2010

"Runder Tisch Heimerziehung": Betroffene zum 2. Mal gedemütigt und erpresst - nach altbekanntem Muster ...

>>> Demo Berlin 15.4.10 | jetzt-reden-wir.org | mehr Bilder

Aus aktuellem Anlass ein weiterer "Blick über den eigenen Tellerrand hinaus":
 

INHALT:
1.  Vom Petitionsausschuss des Bundestages
     zum "Runden Tisch Heimerziehung"
2.  Zum zweiten Mal gedemütigt und erpresst
3.  "schlau geheuchelter Kompromiss"
4.  Kommentar: Altbewährte Methoden
5.  Für alle, die nachher wieder sagen werden,
     sie hätten das alles ja gar nicht wissen können ...
 

1. Vom Petitionsausschuss des Bundestages
    zum "Runden Tisch Heimerziehung"

Wir ehemaligen Heimkinder wurden über Jahre hinweg in meist kirchlichen Heimen systematisch gedemütigt und misshandelt, viele von uns auch sexuell missbraucht und als „Arbeitssklaven“ ausgebeutet.

Wir waren den Jugendämtern und dem Heimpersonal schutzlos ausgeliefert.

Lange Zeit hat man uns zum Schweigen gebracht, doch... 

JETZT REDEN WIR!!!

>>> Flugblatt zur Demo in Berlin, 15.4.10 (PDF) 

Vor langen Jahren waren überlebende ehemalige Heimkinder den Petitionsausschuss des Bundestags um Hilfe angegangen, noch vor den Betroffenen von sexualiserter Gewalt, und aktuell Zwittern und solidarischen Nicht-Zwittern.

Ehemalige Heimkinder hatten als bisher einzige insofern "Erfolg", dass der Petitionsausschuss auf ihre Anliegen eintrat und nach 2-jährigen Beratungen ein "Runder Tisch Heimerziehung" einberufen wurde, dessen Abschlussbericht nun am letzten Montag in Berlin vorgelegt wurde. Der "Verein ehemalige Heimkinder e.V." organisierte eine unmittelbar anschliessende Gegenkonferenz im Namen der übergangenen Betroffenen:
"Ehemalige Heimkinder fühlen sich verraten"  
Betroffene kritisieren den Plan als "billige Abspeisung"  
 

2. Zum zweiten Mal gedemütigt und erpresst

Die menschenverachtende „Erziehungs“- Praxis in deutschen Heimen wird zurzeit aufgearbeitet. Dazu hat der Deutsche Bundestag einen „Runden Tisch Heimerziehung“ einberufen, der im Januar 2010 einen Zwischenbericht vorlegte. Mit diesem Bericht sind wir nicht einverstanden!
 
Denn noch immer wird ignoriert...
- dass in den Heimen systematisch Menschenrechte verletzt wurden
- dass die in den Heimen geleistete Arbeit Zwangsarbeit war

>>> Flugblatt zur Demo in Berlin, 15.4.10 (PDF) 

Betroffene waren beim "Runden Tisch Heimerziehung" zwar formal vertreten (wie auch beim "Runden Tisch Kindesmissbrauch"), jedoch letztlich nur als Alibi:

Gegenüber den TäterInnen und ihren Organisationen waren ehemalige Heimkinder eine kleine Minderheit mit einer noch kleineren Zahl von Stimmen, als einzige Gruppe durften sie zudem ihre Delegierten nicht frei wählen, die grösste Interessenvertretung erhielt keinen Zugang, und den Zugelassenen wurde (wiederum als einziger Interessensgruppe am "Runden Tisch") rechtlicher Beistand willkürlich verwehrt.
--> Presseerklärungen vom 27.3.09 + 30.6.10 
 

3. "schlau geheuchelter Kompromiss"

Am 13.12.10 legte nun der "Runde Tisch Heimerziehung" seinen Abschlussbericht mit einem "schlau geheuchelten Kompromiss" vor. Die verbleibenden BetroffenenvertererInnen waren wegen des ungenügenden Ergebnisses drauf und dran gewesen, den "Runden Tisch" aus Protest zu verlassen, wurden dann aber mit potentiell re-traumatisierenden Drohungen erpresst, sie würden so "alles kaputt machen" und wären noch selber schuld daran.
>>> Pressemitteilung Verein ehemaliger Heimkinder e.V., 13.12.10 (PDF)

>>> "Der Runde Tisch war ein Kasperle-Theater" (Rolf Breitfeld, Betroffenenvertr.)
>>> Diskussion unter Betroffenen 1 (in KOmmentaren)   >>> Diskussion 2
>>> Zusatzbericht von 4 BetroffenenvertreterInnen am Runden Tisch
>>> Zusatzbericht zum Runden Tisch von Rolf Kappeler (PDF)

>>> Einige Medienberichte, Kommentare und eine Solidaritätserklärung dazu auf NetzwerkB.org:
- Heimkinder können auf “ein bisschen” Entschädigung hoffen
- Betroffene von sexualisierter Gewalt erklären sich solidarisch mit den Heimkindern
- Zum zweiten Mal gedemütigt 

>>> "Von Staat und Kirche verraten" - Pressekonferenz VEH e.V. 13.12.10:
>>> Pressemappe (PDF)     >>> Video    >>> Medienspiegel

Auch dieser Blog solidarisiert sich mit den Forderungen der ehemaligen Heimkinder, ebenso mit den Forderungen der Betroffenen von sexualisierter Gewalt!
 

4. Kommentar: Altbewährte Methoden

Durch jahrelange, hartnäckige Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit haben engagierte ehemalige Heimkinder es als erste geschafft, genügend Druck aufzubauen, dass der Bundestag schliesslich einen "Runden Tisch Heimerziehung" einberief, um ihre berechtigten Forderungen zu überprüfen und umzusetzen. Soweit sind die Zwitter leider noch nicht.

Trotzdem sollte der Ausgang des "Runden Tisches Heimerziehung" auch Zwittern und ihren Interessensvertretungen zu denken geben – insbesondere, wie die VertreterInnen der ehemaligen Heimkinder wohl weder als erste (noch als letzte) durch unfaire und unproportionale Untervertretung sowie Verweigerung rechtlichen Beistands über den "Runden Tisch" gezogen und anschliessend durch emotionale Erpressung unter Druck gesetzt wurden

Denn dieselben "Methoden" rsp. altbewährten BürokratInnen- und PolitikerInnentricks werden mit grosser Wahrscheinlichkeit immer noch gängig sein, falls es auch die Zwittern dereinst gelingt, genügend Druck aufzubauen, dass Bundesregierung und Bundestag auch ihre berechtigten Forderungen nicht mehr länger nach bekanntem Muster einfach nur ableugnen können (in dem sie z.B. schamlos behaupten, die Betroffenen wären mit den Zwangsoperationen ja zufrieden, siehe u.a. Antwort 16/4786 S. 3).

Z.B. die von ehemaligen Heimkindern und ihrer Rechtsvertretung u.a. in der Presseerklärung vom 30.6.10 beschriebene Hinhaltetaktik mit unverbindlichen VIP-"Kaffeekränzchen mit einem warmen Händedruck am Ende" bzw. blossen leeren Versprechungen:

Genau dies hat das BMBF-finanzierte "Netzwerk Intersexualität/DSD" mit Zwittern ja schon mehrfach erfolgreich durchexerziert.

Dito 2009 der Bundestags-"Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe" ...

... sowie ähnlich ebenfalls 2009 letztlich auch die Hamburgische Bürgeschaft ...

... und 2010 der Deutsche Ethikrat.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ...
 

>>> "Verwahrloste Schwererziehbare" in der "Anstalt Freistatt" | mehr Bilder

5. Für alle, die nachher wieder sagen werden,
    sie hätten das alles ja gar nicht wissen können ...

Wir klagen an... 
- weil wir geschlagen wurden 
- weil wir missbraucht und vergewaltigt wurden 
- weil wir gefoltert wurden 
- weil wir in dunklen Kellerzimmern eingesperrt wurden 
- weil wir seelisch zu Grunde gerichtet wurden 
- weil wir unzureichend ausgebildet wurden 
- weil wir zu Zwangsarbeit herangezogen wurden 
- weil man uns medizinische Hilfe versagte 
- weil man bis heute die Verbrechen an uns leugnet oder verharmlost

Wir fordern von Kirche und Staat...
- Leistet Wiedergutmachung wie zuvor in Irland, Kanada und den USA!
- Verzichtet auf Verjährungsansprüche!
- Öffnet die Archive zur Akteneinsicht!
- Gewährleistet unabhängige Forschung!
- Stoppt die Aktenvernichtung!

>>> Flugblatt zur Demo in Berlin, 15.4.10 (PDF)

"(...) oft jahrelange Qualen, sexuellen Missbrauch und Zwang zur Arbeit, den man aber um Gottes Willen nicht Zwangsarbeit nennen soll. Angeblich um keine unziemlichen Vergleiche mit den Zwangsarbeitern während der Nazizeit zu ziehen. In Wahrheit aber, um den Rechtsstaat Bundesrepublik nicht in Verruf zu bringen. (...)

Deutsche Justiz und Täter werden geschont

(...) es soll keine nachträgliche rechtliche Einzelfallprüfung geben, angeblich um die Opfer nicht weiter zu traumatisieren - aber wohl eher um die deutsche Justiz und die Täter und Täterinstitutionen zu schonen.

Manche Opfer fühlen sich durch den Druck am Runden Tisch ein zweites Mal gedemütigt und erpresst. Die ohnehin wenigen Vertreter der Opfer sahen sich einer Übermacht professioneller Vertreter der Täterinstitutionen gegenüber. Sie wollten nicht mit leeren Händen aus den ungleichen Verhandlungen kommen. Deshalb haben sie dem unbefriedigenden Ergebnis zugestimmt.

(...) ein gutes Omen für vergleichbare Verfahren, etwa für den Runden Tisch zum Thema sexuellen Missbrauch, ist das nicht."   Tagesschau.de 13.12.10

Verein ehemaliger Heimkinder e.V. | jetzt-reden-wir.org

Siehe auch:
- Prozesse wegen sexualisierter Gewalt an Kindern: "Die Lawine rollt"
- Vom Mut der Betroffenen von sexualisierter Gewalt lernen (1) 
- Vom Mut der Betroffenen von sexualisierter Gewalt lernen (2)
- Vom Mut der Betroffenen von sexualisierter Gewalt lernen (3)
- Alle Posts zu "Blick über den eigenen Tellerrand hinaus" 

Tuesday, November 30 2010

Bremen: Genitalverstümmelungen im "Zentrum für Kinderheilkunde"

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>>> Nachtrag 8.4.11: Artikel in der taz zur GenitalabschneiderInnen-Jubelfeier
>>>
Bundestagsforum: Überlegungen zu einem besseren Petitionstext

Ausgeliefert!

Jeden Tag wird in Deutschland in einer Kinderklinik mindestens ein wehrloses Kind irreversibel genitalverstümmelt – auch im "Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin" des Landes Bremen.

Die "Klinik für Kinderchirurgie und Kinderurologie" im "Klinikum Bremen-Mitte" bewirbt öffentlich eine Vielzahl medizinisch nicht notwendiger, irreversibler kosmetischer Genitaloperationen und sonstiger Zwangseingriffe an Kleinkindern unter verschiedenen Diagnosen wie z.B. "Hypospadie", "Epispadie", "AGS/CAH", "Hodenhochstand", "Intersexualität" usw.

Beim serienmässigen Verstümmeln eifrig mit dabei: Die endokrinologische "Spezialambulanz" der "Prof.-Hess-Kinderklinik", beheimatet ebenfalls im "Klinikum Bremen-Mitte".

"Innovative" Verstümmelungsmethoden haben in der Hansestadt Tradition, die nach wie vor ungebrochen öffentlich verherrlicht wird z.B. am GenitalabschneiderInnen-Jubiläumstreffen "Fritz-Rehbein-Symposium 2011".

Die politische Diskussion über "Intersexualität" hat inzwischen zwar auch Bremen erreicht – kosmetische Genitaloperationen und die KinderverstümmlerInnen vor der eigenen Haustüre werden dabei allerdings bequemerweise einmal mehr von vornherein ausgeklammert ...

Serienmässige Genitalverstümmelungen im "Klinikum Bremen-Mitte"

Laut Homepage bietet das "Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin" das "ganze Programm": In der "Klinik für Kinderchirurgie und Kinderurologie" unter "Fehlbildungen und Erkrankungen im Kindesalter" >>> "Urogenitaltrakt" u.a. folgende kosmetischen Zwangsoperationen an:

 

• Genitale
      • Hypospadie
      • Epispadie
      • Intersexuelles Genitale

• Männliche Geschlechtsorgane
      • Retentio testis, Hodenhochstand, Bauchhoden

 

Wo die KinderchirurgInnen wüten, sind in der Regel auch die EndokrinologInnen nicht weit – so auch in Bremen-Mitte:

Die Bremer "Prof.-Hess-Kinderklinik" bietet unter "Klinisches Profil" >>> "Spezialambulanzen" >>> "Endokrinologie" u.a. folgende "Behandlungen" an:

 

Störungen der Nebennieren wie adrenogenitales Syndrom (AGS) [...], Intersexualität und Störungen der Geschlechtsdrüsen

 


Tradition & Gegenwart: GenitalabschneiderInnen-Jubelfeier 2011

Der berühmte Bremer Kinderchirurg und Göttiger Professor Dr. Fritz Rehbein (1911-1999) betätigte sich ebenfalls als abenteuerlicher Experimentator, dessen Verstümmelungstechniken von ZwangsoperateurInnen bis nach Australien begierig aufgegriffen wurden (vgl.: Ian S. Reid: "Submucous resection of the vagina in an intersex patient").

 

Das "Fritz-Rehbein-Symposium 2011" in Bremen vom 8.-9. April 2011 zu Rehbeins 100. Geburtstag steht unter dem Motto "Alte und neue Herausforderungen in der Kinderchirurgie – 100 Jahre Kinderchirurgie in Bremen – 60 Jahre Kinderchirurgische Klinik am Standort Mitte" und bietet ein "Schwerpunktthema Kinderurologie" – wohl auch sonst einmal mehr Anlass für die üblichen TäterInnen, gemütlich unter ihresgleichen über neueste Genitalverstümmelungstechniken an wehrlosen Kindern zu schwadronieren.

 

Organisiert wird das GenitalabschneiderInnen-Treffen von der Bremer "Klinik für Kinderchirurgie und Kinderurologie" in Zusammenarbeit u.a. mit dem "Akademischen Lehrkrankenhaus der Universität Göttingen". Tagungspräsident ist der Bremer Klinikdirektor Prof. Dr. med. Christian Lorenz, als Referent ist u.a. der berüchtigte Göttinger Seriengenitalabschneider Prof. Dr. med. Rolf-Hermann Ringert geladen.

"Politische Diskussion über Genitalverstümmelungen vor der eigenen Haustüre? – Wäre ja noch schöner!"

Während Bremen sich gegen aussen als "tolerant" und "anders" gibt, werden Kinder mit "auffälligen" Geschlechtsorganen auch im Land Freie Hansestadt Bremen weiterhin systematisch verstümmelnden kosmetischen Genitaloperationen und weiteren medizinisch nicht notwendigen Zwangseingriffen unterworfen.

14 Jahre nach Gründung der Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie (AGGPG) mit seinerzeitigem Sitz in Bremen, dem Startschuss der deutschsprachigen Zwitterbewegungen zur Beendigung der Zwangsoperationen, führte im April 2010 mit den Bremer Grünen immerhin zum ersten mal eine politische Partei im Stadtstaat eine öffentliche Veranstaltung zum Thema durch (dieser Blog berichtete: eins / zwei).

Nach allem, was bisher öffentlich bekannt wurde, blieben leider die andauernden serienmässigen Genitalverstümmelungen vor der eigenen Haustüre aber auch bei dieser Diskussionsveranstaltung unter Mitwirkung von Intersexuelle Menschen e.V. und AGGPG-Gründungsmitglied Michel Reiter einmal mehr aussen vor.

Auch wollen die Bremer Grünen zumindest bisher konkret gegen die VerstümmlerInnen in ihrer Mitte weiterhin lieber nichts unternehmen – ausser Vereinnahmung auf Kosten wehrloser Kinder.

Die TäterInnen & ihre HelfershelferInnen freuts ...

>>> Nachtrag 8.4.11: Artikel in der taz zur GenitalabschneiderInnen-Jubelfeier: Gesundheits-Staatsrat Schulte-Sasse leugnet öffentlich Genitalverstümmelungen in Bremen

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen 

>>> Kommentar von Nella zur Bundestagspetition 
>>> Überlegungen zu einem besseren Petitionstext 
>>> Diskussion über Gesetzesentwurf auf dem Hermaphroditforum

Genitalabschneider, wir kriegen euch! Zwangsoperateure, passt bloss auf!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Siehe auch:
- Zwangsoperationen an Zwittern: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- "Ethik als Freifahrtschein für operieren auf Teufel komm raus" - Claudia Wiesemann
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen! 
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- "Genitalkorrekturen in Deutschland in der Regel im ersten Lebensjahr" (DGKJ/APE/DGE)
- "Netzwerk DSD/Intersexualität": Ethik-Empfehlungen als Feigenblatt für Zwangsoperateure
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg  
- Göttingen / Lübeck: Direktor und Oberarzt propagieren genitale Zwangsoperationen
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller chirurgischen Genitalverstümmelungen in deutschen Kinderkliniken
- Komplizen der Zwangsoperateure inszenieren sich als "Zwitter-Schützer"
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Warum Zwitterforderungen, worin zu oberst nicht die schnellstmögliche Beendigung der Zwangsoperationen steht, keine Zwitterforderungen sind, sondern Vereinnahmung
- Weiße Kittel mit braunen Kragen, reloaded
- Wie das "Netzwerk Intersexualität/DSD" seine Versprechen bricht
- USA: Seriengenitalverstümmler Prof. Dr. Dix Phillip Poppas von Ethikerinnen öffentlich geoutet
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Zwangsoperationen an Zwittern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit)

Saturday, November 27 2010

"STOP Genitalverstümmelung als 'Rohmaterial' für die Geschlechterforschung!" - Flugblatt und Bericht "Cornelia Goethe Colloquien" 17.11.10

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>>> Unzensiertes Flugblatt (PDF, 407 kb) (Nur-Text-Version siehe hier zu unterst)

>>> "Cornelia Goethe Colloquien: Geschlechterforschung ohne Ethik?" - 17.11.10
>>> "11th EMBL/EMBO": Unethische Forscher als Zulieferer der Genitalabschneider

"Die Geschichte der Geschlechterforschung in all ihren Disziplinen (Biologie, Endokrinologie, Genetik, Sexologie und Gender Studies) ist untrennbar verbunden mit der Geschichte der medizinischen Verbrechen an Zwittern. Diese andauernden medizinischen Verbrechen, die seit den 1950ern systematisch an wehrlosen Kindern verübt werden, sind wohl eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen in westlichen Gesellschaften seit dem 2. Weltkrieg." (Offener Brief "11th EMBL/EMBO", 6.11.10)

"Die gucken quasi bei den Verstümmelungen zu und finden, 'Wow, cool, das kann ich für meine Diss brauchen und dies für jene Vortragsreihe.'" (Nella)

Aktuell läuft in Frankfurt a.M. die Veranstaltungsreihe "Cornelia Goethe Colloquien 'Geschlechter|ent|grenzungen' im Wintersemester 2010/2011", organisiert vom "Cornelia Goethe Centrum für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse" an der lokalen J. W. Goethe-Universität.

Diese "Colloquien" beschäftigen sich laut Ankündigung auf der CGC-Homepage "mit den in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen vorherrschenden Geschlechterordnungen ebenso wie mit verschiedenen Strategien zur Überwindung noch immer vorhandener Geschlechtergrenzen. [...] Im Kontext des Körpers wird es dabei um Trans- und Intersexualität sowie Drag gehen; auch die Disability Studies und neue medizinische Aspekte von Körper- und Geschlechtsidentität werden in den Fokus genommen." 

Am 17.11.10 stand ein (wohl selbstkritisch gemeinter) Vortrag auf dem Programm von "Dr. Ulrike Klöppel, Charité-Universitätsmedizin (Berlin)" unter dem Titel "Zur Herkunft von gender aus der medizinischen Normierung von Intersexualität". Dieser soll laut Ankündigungstext beitragen, die "heutige Geschlechterforschung" auf neue Höhen emporzuführen und dabei "das Verhältnis der sozialen Kontingenz von Geschlecht erneut kritisch zu diskutieren" ("soziale Kontingenz" wurde im Vortrag ausgedeutscht als "soziale Bedingtheit").

Obwohl Zwitter und solidarische Nicht-Zwitter genau dies schon seit Jahren öffentlich kritisieren, wurden Zwitter in den "Cornelia Goethe Colloquien" ungerührt einmal mehr als austauschbare Objekte unter anderen "Geschlechtsidentitäten" und "sexuellen Minderheiten" (und erst noch in der scheinbar gottgegebenen Reihenfolge) als Kanonenfutter für die Geschlechterforschung verbraten.

Immerhin belegte die Referentin die (unkritische) Übernahme des Gender-Begriffs durch den Feminismus der 70er Jahre durch eine Vielzahl von Quellen. Auch der Endokrinologe Lawson Wilkins als der eigentliche Erfinder der systematischen GenitalOps an Kindern am Johns Hopkins Universitätsspital (Baltimore) 5 Jahre vor John Moneys "Behandlungsonzept" wurde angemessen hervorgehoben. Das war's dann aber auch schon. Weder wurde der vielsagende Name von John Moneys "Behandlungskonzept" genannt ("Optimal Gender Policy"), noch bemerkt, dass Judith Butler ihre erste Professur "zufälligerweise" ebenfalls an der Johns Hopkins University erhielt. Die ganzen Nazi-Verwicklungen blieben bequemerweise ebenso aussen vor wie auch Wilkins' und Moneys Wegbereiter am Johns Hopkins, darunter der (z.B. von der Gender-Forscherin Fausto-Sterling noch über den grünen Klee gelobte) üble Chirurg und systematische "Erforscher" der Verstümmelungstechniken, Hugh Hampton Young.

Korrekt hob Ulrike Klöppel zudem weiter hervor, dass das aktuelle Interesse der Hirnforschung für Zwitter für diese kaum positiv zu werten ist: Im Gegenteil werden eventuelle Ergebnisse der HirnforscherInnen von den GenitalabschneiderInnen sofort dazu benutzt werden, um Verstümmelungen im Kleinkindesalter zu rechtfertigen, weil so (z.B. durch ein MRT) "bewiesen" werden könne, in "welche Richtung" sich das Kind entwickle, so dass eine "gender-optimierte" Verstümmelung nun angeblich 100% "sicher" sei – wie gehabt ohne Rücksicht auf die verstümmelten Kinder.

Negativ wiederum, wie Dr. Klöppel einmal mehr (wenn auch ohne den Namen zu nennen) die üblichen, von Judith Butler her bekannten, nie konkret belegten Anspielungen/Anschuldigungen gegen Milton Diamond wiederholte, dieser würde aus "biologistischen" Überlegungen heraus letztlich zu ZwangsOPs raten. Ums einmal mehr klarzustellen: Milton Diamond lehnt als praktisch einziger Geschlechterforscher ZwangsOPs aus ethischen und juristischen Überlegungen heraus ab, sowie wegen der fehlenden Evidenz, und fordert deshalb folgerichtig ein gesetzliches Verbot kosmetischer GenitalOPs an Kindern, weil Medizyner sonst u.a. wegen der Verjährung bekanntlich straffrei ausgehen (eins / zwei).

Ethische und menschenrechtliche Implikationen der Genitalverstümmelungen wurden hingegen bei Ulrike Klöppel (wie im "Gender-Diskurs" auch sonst üblich) wenn überhaupt, dann unter ferner liefen höchstens angedeutet, ebenso die konkreten Folgen für die Opfer der referierten Menschenversuche.

(Auch bei anderen Vorträgen ging und geht es Dr. Klöppel immer und ausschliesslich um Kritik am "heute dominanten bipolaren Modell" von "Geschlechtlichkeit", was laut Klöppel "[d]ie aktuelle Forderung intersexueller und anderer [sic!] AktivistInnen" sei – die eigentliche Urforderung aller Zwitterbewegungen nach raschestmöglicher Beendigung der menschenrechtswidrigen Genitalverstümmelungen ist für Klöppel & Co. bezeichnenderweise stets KEIN Thema ...)

Was die "Gender-Theorie" allenfalls konkret zur Beendigung der kosmetischen GenitalOPs in den Kinderkliniken beitragen könnte, konnte die Referentin wenig überraschend einmal mehr nicht konkret darlegen.

Bezeichend auch, wie Dr. Klöppel den unkontrollierten und uneingewilligten, menschenverachtenden Experimenten an Zwittern gar noch eine (nicht näher umschriebene) "Art Evidenz" zusprach und von "längeren Beobachtungszeiträumen" der Baltimorer VerstümmlerInnen referierte (obwohl Langzeituntersuchungen über die Pubertät hinaus damals wie heute von den GenitalabschneiderInnen & Co. aus naheliegenden Gründen peinlichst vermieden werden – die"längeren Beobachtungszeiträume" beliefen sich denn auch laut Dr. Klöppel konkret gerade mal auf "5-10 Jahre"). 

Allzuoft frönte die Vortragende auch ungebrochen der TäterInnensprache, im Vortrag gar noch mehr als in der Ankündigung. Ständig ging's unkritisch um "Geschlechtsangleichende Eingriffe" u.a.m., gerade ein einziges Mal setzte sie wenigstens "Klitoriskorrektur" in Anführungszeichen. 

Um die Genitalverstümmelungen als andauerndes Verbrechen vor der eigenen Haustüre, das endlich konkret gestoppt werde müsste, gings erwartungsgemäss im ganzen Vortrag nie, ebenso wenig in der nachfolgenden Diskussion – dafür wurde dort einmal mehr der offensichtlich nicht minder obligate, ausgiebige Ausritt auf dem "Geschlechtereintrag" unternommen ...

Immerhin räumte Ulrike Klöppel in der Abschlussrunde ein, dass eine "Diskrepanz" bestünde zwischen dem Interesse der Geschlechterforschung am Thema (der Vortrag war über Kapazität besucht) einerseits und dem Interesse bzw. der Beteiligung derselben Interessierten, sobald es um konkrete Aktionen gegen GenitalverstümmlerInnen geht.

Und auch Prof. Dr. Ulla Wischermann, die im Namen des "Cornelia Goethe Centrum"  durch die Veranstaltung führte (Forschungsschwerpunkt u.a. "Soziale Bewegungsforschung"), meinte ebenfalls, "politische Interventionen" müssten eigentlich im Bereich des Möglichen liegen.

Mensch wird sehen ...

>>> "Cornelia Goethe Colloquien: Geschlechterforschung ohne Ethik?" - 17.11.10
>>> "11th EMBL/EMBO": Unethische Forscher als Zulieferer der Genitalabschneider

Siehe auch:
- Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- Historischer überparteilicher Vorstoss gegen Genitalverstümmelung in Kinderkliniken
- Warum Zwitterforderungen, worin zu oberst nicht die schnellstmögliche Beendigung der Zwangsoperationen steht, keine Zwitterforderungen sind, sondern Vereinnahmung


>>> Flugblatt mit Bildern als PDF (407 kb)
Der Text des am Vortrag verteilten Flugblattes (ohne Kasten und ohne Bildlegenden):

Continue reading...

Thursday, November 25 2010

wie meine bücher

mein leben ist wie meine bücher. all diese bücher. ich habe so viele bücher gekauft in den letzten fünfundzwanzig jahren. bücher, die mich interessierten, von denen ich dachte, dass sie etwas enthalten, was mich zum nachdenken, zum weinen bringen könnte. mich aus meinem gefängnis befreien, mich weiterbringen, mir zeigen könnte, dass ich nicht die einzige bin, die solche sachen denkt.

ich habe sie immer wieder angeschaut, sie in die hand genommen, durchgeblättert, gefürchtet. mein bücherregal bewundert, abgestaubt, im computer eine liste von allen büchern erfasst, alphabetisch und nach themen sortiert. aber ich habe sie nicht gelesen. die meisten sehen aus wie neu.

mein leben ist wie meine bücher. ich habe sie schon so lange, aber ich habe sie nicht gelesen. nun habe ich angefangen, manchmal eines davon zu lesen. erstaunt darüber, dass ich vor vielen jahren ein solches buch gekauft habe. aber meistens schaffe ich es immer noch nicht über die ersten zwanzig seiten hinaus.

nella

Bundestagspetition "Keine Zwangsoperation bei mehrgeschlechtlichen Neugeborenen": Jetzt mitunterzeichnen!

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>>> Nachtrag: 1047 Mitzeichner_innen - Danke!!!

 

>>> Kommentar von Nella auf dem Petitionsforum >>> Überlegungen zu einem besseren Petitionstext 

 

 

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

 

>>> Petition unterschreiben!

Auf dem Hermaphroditforum wurde auf die E-Petition hingewiesen, die trotz der "dürftigen Begründung" "ein Anfang in die richtige Richtung" sei. Auch dieser Blog ruft alle auf, die Petition mangels aktueller Alternativen trotz des alles andere als gelungenen Petitionstexts zu unterschreiben! Intersexuelle Menschen e.V. ruft ebenfalls dazu auf, die Petition trotzdem zu unterzeichnen.

Die Petition "Sorgerecht der Eltern - Keine Zwangsoperation bei mehrgeschlechtlichen Neugeborenen" wurde am 3.11.10 eingereicht, die Frist zum unterzeichnen läuft noch bis am 5.1.11.

Die Petition lautet in ihrer Gänze:

Text der Petition

Der Deutsche Bundestag möge beschließen ..., dass kein mehrgeschlechtliches Neugeborenes zwangsoperiert werden darf.

Begründung

Diese Zwangsoperationen schaden der freien Entwicklung der Betroffenen.

Kommentar: Diese Petition ist konkret natürlich alles andere als geglückt, sondern im Gegenteil missverständlich bis irreführend und deshalb ziemlich besch...euert. Dies betrifft sowohl den Text ("mehrgeschlechtlich" – was soll der Quatsch?) wie auch Begründung ("freie Entwicklung" – würde z.B. bei weiblicher Genitalverstümmelung auch so unterbelichtet argumentiert, gäbe es wohl heute noch keinen aktuellen Gesetzesentwurf zu einem expliziten Verbot!).

Das absolute Minimum wäre gewesen, dass die Petition ein konkretes gesetzliches Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen mindestens bis 18 Jahre fordert inkl. Aufhebung/Aussetzung der Verjährung – und dazu in der Begründung u.a. erläutert und belegt hätte:

  • Dies, obwohl umfangreiche, BMBF-finanzierte Studien der VerstümmlerInnen selbst beweisen, dass die meisten Betroffenen mit den ZwangsOPs unglücklich sind und ein Leben lang an den körperlichen und seelischen Folgen leiden (u.a. Verlust der sexuellen Empfindungsfähigkeit bis dauernde Schmerzen im Genitalbereich, schmerzende Narben, massive Traumatisierungen, Selbstmordraten vergleichbar mit Opfern von "sexuellem Kindesmissbrauch" oder Folter).
  • Da die ZwangsOPs in der Regel an Kleinkindern durchgeführt werden, sind die TäterInnen wegen der Verjährung meist vor Strafe sicher – erst ein einziges Mal gelang es einer zwangsoperierten Betroffenen, ihren Verstümmler wenigstens noch zivilrechtlich vor Gericht zu bringen. Und prompt verurteilte das OLG Köln den fehlbaren Genitalabschneider in letzter Instanz und hielt dazu in seiner Begründung unmissverständlich fest: "Nach den Angaben in der Behandlungsdokumentation der Medizinischen Klinik über die der Klägerin zuteil gewordene Aufklärung bedarf es keiner näheren Erörterung, dass das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin in ganz erheblichem Maße verletzt worden ist. Damit fehlte es an einer wirksamen Einwilligung der Klägerin in die Operation, so dass sie ohne Zweifel rechtswidrig war." 
  • Amnesty Deutschland hielt 2010 in einem Beschluss fest, genitale ZwangsOPs seien ein "fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte (Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf Selbstbestimmung und Würde [...])"
  • Terre des Femmes und international anerkannte FGM-Expertinnen wie Hanny Lightfoot-Klein, Fana Asefaw oder Marion Hulverscheidt bestätigen seit Jahren die Klagen Betroffener, dass die kosmetischen Genitaloperationen in westlichen Kinderkliniken für die Betroffenen in den Folgen gleich gravierend sind wie die weibliche Genitalverstümmelung. JuristInnen und ChristInnen halten zudem fest, dass es heuchlerisch ist, sich über "barbarische Praktiken in Afrika" zu ereifern und gleichzeitig über die Verstümmelungen vor der eigenen Haustüre zu schweigen.
  • Das UN-Komitee CEDAW rügte 2009 die Bundesregierung im Zusammenhang mit den Zwangsoperationen wegen Nichtbeachtung ihrer Schutzpflicht gegenüber den verstümmelten Kindern und verknurrte in seinen schriftlichen Empfehlungen die Bundesregierung zu einem Zwischenbericht in dieser Sache.

Allein in Deutschen Kinderkliniken wird JEDEN TAG mindestestens 1 wehrloses Kind experimentell genitalverstümmelt, sowie in Österreich und in der Schweiz JEDE WOCHE nochmals JE 1 weiteres.

Wie lange noch?!

>>> Petition jetzt mitunterzeichnen!

>>> Kommentar von Nella auf dem Petitionsforum
>>> Überlegungen zu einem besseren Petitionstext
>>> Diskussion über Gesetzesentwurf auf dem Hermaphroditforum
>>> Bemerkenswerter Post zur Menschenrechtsproblematik auf dem Petitionsforum 

>>> Bundestagspetition: 1047 Mitzeichner_innen - Danke!!!

Siehe auch:
- Offener Brief vom 5.11.10 an die Medizynerverbände DGKJ, DGKCH, DGE & APE
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- "Genitalkorrekturen in Deutschland in der Regel im ersten Lebensjahr" (DGKJ/APE/DGE)
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- "Ethik als Freifahrtschein für operieren auf Teufel komm raus" - Claudia Wiesemann
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller chirurgischen Genitalverstümmelungen in deutschen Kinderkliniken 
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- Amnesty Deutschland: "fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte"
- Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung
- Genitale Verstümmelung & Folgeschäden - AGGPG 1998
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat 2010 
- "Netzwerk DSD/Intersexualität": Ethik-Empfehlungen als Feigenblatt für Zwangsoperateure
- Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Wednesday, November 24 2010

Online-Unterstützung gefragt für Advocates for Informed Choice (AIC)!

Gratuliere, es ist sein Zwitter!

Die US-Lobbyorganisation AIC ist Finalistin in einem Spendenwettbewerb und fragt um eure Stimme!

AIC setzt sich ein für die Beendigung der kosmetischen Genitaloperationen an Kindern. Zwischengeschlecht.info berichtete schon verschiedentlich über ihre Aktivitäten, Nella war Mitunterzeichner_in des von AIC initiierten Unterstützungsbriefes von Betroffenen (englisch) im Zusammenhang mit der US-Kampagne gegen pränatale Dexamethason-Zwangsbehandlungen.

Falls AIC zu den 3 mit den meisten Stimmen gehört, erhalten sie eine namhafte Spende.

Dieser Blog ruft alle auf, AIC ihre Stimme zu geben! Nach der Stimmabgabe muss eine gültige Emailadresse angegeben und auf eine Bestätigungsmail geantwortet werden, danach muss noch das Nutzerkonto abgespeichert werden. Das Prozedere dauert gut 5 Minuten.

>>> Link zum Abstimmen (--> "Vote"-Button rechts oben)
>>> AIC-Homepage mit mehr Infos (englisch)
 

Danke für eure Unterstützung! 

Tuesday, November 23 2010

Intersexuelle Menschen e.V. reicht Schattenbericht zum UN-Sozialpakt ein (CESCR 2010)

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>>> Mahnwache UNO Genf 26.1.09 (CEDAW #43)

>>> Nachtrag 30.11.

Human Rights For Hermaphrodites Too!>>> Download auf intersex.schattenbericht.org

Wie >>> "Unser Politikblog" berichtete, hat Intersexuelle Menschen e.V. nach dem CEDAW-Schattenbericht 2008 dieses Jahr einen weiteren UN-Parallelbericht erstellt zum "Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICESCR)".

Inoffiziellen Berichten zufolge wurde der Schattenbericht heute in Genf an der Pre-Session überreicht und wird im Mai 2011 zusammen mit dem 5. Staatenbericht der Bundesrepublik an der 46. Session des UN-Ausschusses CESCR behandelt werden. Der Parallelbericht liegt inzwischen inkl. Fallberichten auch auf Deutsch vor und kann auf >>> intersex.schattenbericht.org als PDF heruntergeladen werden, ebendort ist auch das Executive Summary online einsehbar.

(intersex.schattenbericht.org wird zur Verfügung gestellt von der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org. Allein in den letzten 5 Monaten verzeichnete der CEDAW-Schattenbericht ebendort über 1500 Downloads.)

Der CESCR-Schattenbericht listet auf 39 Seiten verschiedene Menschenrechtsverletzungen an "Intersexuellen" (nicht nur) in der BRD auf, darunter "Genitalverstümmelung", "Kastrationen", "Genitalamputation", "uneingewilligte Menschenversuche", "fehlende informierte Zustimmung durch Betroffene", "unrechtmäßige Zustimmung durch Eltern", "Off-Label Use von Medikamenten", "paradoxe Hormontherapien", "veraltete medizinische Literaur", "bewusst falsche / ungenügende Behandlungsdokumentation", "Verletzung der staatlichen Schutzpflicht", "Diskriminierung beim Abschluss von Krankenversicherungen" und "Diskriminierung beim Grad der Behinderung".

Kommentar:

Der vorliegende CESCR-Parallelbericht stellt (wie schon der CEDAW-Schattenbericht) fraglos einen weiteren wichtigen Meilenstein dar im Kampf gegen die Genitalverstümmelungen und zur Einforderung der Menschenrechte auch für Zwitter, und der Stellenwert seiner Einreichung kann kaum hoch genug angesetzt werden.

Trotzdem weist er einige Mängel auf – die wohl nicht zuletzt der intransparenten Geheimhaltungspolitik und Selbstbezogenheit von Intersexuelle Menschen e.V. geschuldet sind: Wäre der Parallelbericht vor Einreichung z.B. auf dem IMeV-Vereinsforum offen zur Diskussion gestellt worden, wäre er höchstwahrscheinlich in einigen Punkten besser und angemessener ausgefallen.

Nicht zum ersten Mal liegt das Problem weniger bei dem, was erwähnt wird, sondern vielmehr bei den Dingen, die nicht erwähnt, sondern ausgelassen werden, sowie zum Teil auch in der streckenweise sehr subjektiven Gewichtung des Dargestellten:

Einmal mehr werden z.B. die fragwürdigen pränatalen Dexamethason-Zwangstherapien gar nicht erst angesprochen, ebensowenig die diesjährige, nicht minder problematische AGS-Leitlinie.

Scheinbar kritiklos wird die (aktuelle) medizinische Definition von "Intersexualität" übernommen, um den eigenen Arbeitsbereich festzulegen, statt generell kosmetische GenitalOPs an Kindern aufs Korn zu nehmen. Entsprechend werden die im klinischen Alltag vergleichsweise sehr häufigen Genitalverstümmelungen a.k.a. kosmetischen "Genitalkorrekturoperationen" an Kindern mit "Hypospadie" konkret einmal mehr aussen vor gelassen.

Überhaupt werden die Genitalverstümmelungen im Schattenbericht einmal mehr schon fast als Randerscheinung betrachtet und entsprechend knapp abgehandelt – getreu dem Blick durch die "CAIS-Brille" werden stattdessen vielmehr die Kastrationen und "paradoxen Hormontherapien" seitenweise und detailliert ausgebreitet. Unter dem Inhaltspunkt "Irreversible Genital-Ops an Minderjährigen und Erwachsenen" (S. 24) werden z.B. 10 Punkte aufgelistet, davon betreffen allein die ersten 4 (!) "Kastrationen", während OPs an "Klitoris/Penis-Amputation" erst an 5. Stelle sowie "Anlegen von Neovaginen und Neopenissen für Babies" erst an 6. Stelle ein einziges Mal genannt werden.

Ein Verein, der wie Intersexuelle Menschen e.V. für sich in Anspruch nimmt, alle Zwitter zu repräsentieren, deren elementare Menschenrechte mit Füssen getreten werden, müsste hier endlich etwas mehr von der steten Beschränkung des Blickwinkels auf die eigene, persönlichen "Besonderheitsperspektive" wegkommen, hin zu einer angemessenen und realitätsentsprechenden Würdigung aller Menschenrechtsverletzungen gegen die körperliche Unversehrtheit an Kindern und Erwachsenen mit "auffälligen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen.

Als verhängnisvoller Bumerang könnte sich zudem erweisen, dass der Schattenbericht bei der Würdigung der mangelnden Durchsetzung der Schutzpflichten gegenüber den verstümmelten Kindern durch den Staat und insbesondere die Bundesregierung offensichtlich auf dem Stand des CEDAW-Schattenberichts von 2008 verharrt und einfach beleglos (und tatsachenwidrig) behauptet, staatlicherseits hätte es seit 2007 keine Äusserungen zum Thema mehr gegeben (von den insgesamt 7 Vorstössen im Bundestag bis und mit 2009 werden gerade mal 2 erwähnt, der letzte davon von 2007), geschweige denn Kontaktaufnahmen.

Solche Vogel-Strauss-Politik ist besonders verhängnisvoll von einem Verein, der wie IMeV seit Jahren mit staatlichen und medizynischen RepräsentantInnen in undurchsichtigen Geheimverhandlungen durch den Dienstboteneingang u.a. "auf Ministerebene" vor sich hermauschelt (-->), ohne je Öffentlichkeit über die Verhandlungen herzustellen, geschweige denn mit konkreten Forderungen aufzuwarten oder nur schon auf konkreten Resultaten zu bestehen.

Dieses intransparente und politisch zahnlose Vorgehen wird es der Bundesregierung leicht machen, sich weiter auf Kosten der täglich verstümmelten Kinder zu profilieren, und zwar sowohl im unmittelbar anstehenden CEDAW-Zwischenbericht wie auch im Bezug auf den vorliegenden ICESCR-Parallelbericht:

Schliesslich kann die Bundesrepublik mit gutem Gewissen behaupten, sehr wohl mit Intersexuelle Menschen e.V. in kontinuierlichen Verhandlungen zu sein, war der Verein doch u.a. offiziell zu Gast beim Bundestags-"Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe", beim bundesfinanzierten Deutschen Ethikrat (vgl. a. S. 14), bei der "Leiterin des Antidiskriminierungsstelle des Bundes", usw.

Weiter wird die Bundesregierung mit gutem Gewissen auf die (bezüglich des Kernproblems der weiterhin täglich in Kinderkliniken durchgeführten Genitalverstümmelungen ebenso folgenlosen) Anhörungen auf Länderebene unter IMeV-Beteiligung verweisen können. Sowie auf die zahllosen diesjährigen Vorgänge im Bundestag, wo ja angeblich stets "was für die Intersexuellen unternommen" werde, während tatsächlich bloss Zwitter permanent als Kanonenfutter für LGB(T) instrumentalisiert werden (wohlbemerkt noch mit dem Segen von IMeV, vgl. Schattenbericht S. 13, wobei der Verein sich auch sonst stets kritiklos hinter den letztlich verantwortlichen LSVD stellt).

(Auch die Medizyner können sich bei Bedarf übrigens nach wie vor auf "gute Zusammenarbeit" mit Intersexuelle Menschen e.V./XY-Frauen berufen, ist doch die XY-Elterngruppe u.a. regelmässig zu Gast bei den APE/AGPD-Jahrestagungen, ja nimmt die "Netzwerk"/"EuroDSD"-Medizyner gar noch gegen Kritik bedingungslos in Schutz, und steht auch sonst mit dem "Netzwerk Intersexualität/DSD" in offensichtlich kritikloser Verbindung, wie auch ImeV die "DSD"-Medizyner bisher nie öffentlich kristisierte und ebenso wie die XY-Elterngruppe offensichtlich nach wie vor auch mit der Hamburger "Forschergruppe Intersexualität" kritiklos zusammenarbeiten.)

Fazit: Auch obige begründete Kritik ändert nichts daran, dass die Einreichung des CESCR-Schattenberichts einen Meilenstein darstellt. Und dass auch ein nicht perfekter Parallelbericht immer noch besser ist als gar keiner.

Noch der beste Schattenbericht allein wird jedoch ohne zusätzlichen politischen Druck kaum etwas Konkretes bewirken können. Und politisch unverantwortliches, intransparentes (Folge-)Handeln kann im schlimmsten Fall Erreichtes schnell mal rückgängig machen – oder gar ins Gegenteil verkehren ...

Allein in Deutschen Kinderkliniken wird JEDEN TAG mindestestens 1 wehrloses Kind experimentell genitalverstümmelt, sowie in Österreich und in der Schweiz JEDE WOCHE nochmals JE 1 weiteres.

Wie lange noch?!

Nachtrag 30.11.10: Inzwischen ist auf dem IMeV-Forum ein Bericht der Co-Autor_innen Sarah und Volker Hassel-Reusing nachgetragen zur Einreichung des Schattenberichts in Genf.

Siehe auch:
- intersex.schattenbericht.org
- Genf: UNO mahnt Bundesregierung
- CEDAW im Bundestag: Nach bekanntem Muster
- Historischer überparteilicher Vorstoss gegen Genitalverstümmelungen in Kinderspitälern
- Machtspiele, Mobbing, Intrigen: Mein Rücktritt als 1. Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V.
- Wie das "Netzwerk Intersexualität/DSD" seine Versprechen bricht - und Intersexuelle Menschen e.V. sich nicht wehrt
- Intersexuelle Menschen e.V. informiert (nicht)
- Intersexuelle Menschen e.V. / XY-Frauen Elterngruppe nimmt "EuroDSD"-Zwangsoperateure in Schutz
Bundestag / CEDAW: "Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe" will nix kapiert haben – Intersexuelle Menschen e.V. guckt zu und schweigt
- 1. Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V. möchte diesem Blog mal wieder das Kommentieren verbieten ...
- Deutscher Ethikrat: "kein Handlungsbedarf" bei Genitalverstümmelung?!

Tuesday, November 16 2010

"11th EMBL/EMBO": Unethische ForscherInnen als Zulieferer der GenitalabschneiderInnen - und umgekehrt ...

Friedliche Mahnwache der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org vor der '11th EMBL/EMBO Science and Society Conference: The Difference between the Sexes – From Biology to Behaviour', 06.11.2010Friedliche Mahnwache vor der "11th EMBL/EMBO Conference", 06.11.2010

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"Die Geschichte der Geschlechterforschung in all ihren Disziplinen (Biologie, Endokrinologie, Genetik, Sexologie und Gender Studies) ist untrennbar verbunden mit der Geschichte der medizinischen Verbrechen an Zwittern. Diese andauernden medizinischen Verbrechen, die seit den 1950ern systematisch an wehrlosen Kindern verübt werden, sind wohl eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen in westlichen Gesellschaften seit dem 2. Weltkrieg." (Offener Brief "11th EMBL/EMBO", 6.11.10)

"Die gucken quasi bei den Verstümmelungen zu und finden, 'Wow, cool, das kann ich für meine Diss brauchen und dies für jene Vortragsreihe.'"
(Daniela "Nella" Truffer)

>>> Infoseite zu den Protesten    >>> Offener Brief "APE-AGPD" 5.11. 
>>> Offener Brief "11th EMBL/EMBO", 6.11.10 (englisch)    >>> Pressemitteilung 3.11.
>>> "STOP Genitalverstümmelung als 'Rohmaterial' für die Geschlechterforschung!" 
>>> "CGC / EMBL: Geschlechterforschung ohne Ethik?" - Pressemitteilung 17.11.

Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 16.11.2010:

INHALT:
1) EMBL/EMBO will Kritik an unethischem Kongress verbieten
2) Friedliche Mahnwache und begründete Kritik (Offener Brief dt.)
3) "Raus! Raus! Raus!"
4) Presseschau: EMBL/EMBO lügen

Entgegen den Drohungen von Ralph Martens, Administrativdirektor des "European Molecular Biology Laboratory (EMBL)" in Heidelberg, erreichten wir den vorgesehenen Ort für die friedliche Mahnwache unbehelligt und stellten uns sogleich mit unseren Schildern und T-Shirts auf, um gegen die unreflektierte Ausbeutung der täglichen Genitalverstümmelungen und anderen medizynischen Verbrechen als "Rohmaterial" der im "EMBL Advanced Training Centre (ATC)" tagenden GeschlechterforscherInnen zu protestieren und der realen Opfer dieser "wertfreien Wissenschaft" zu gedenken.

Das von Herrn Martens für die "11th EMBL/EMBO" angedrohte martialische Polizeiaufgebot entpuppte sich als ein Streifenwagen mit zwei uniformierten Beamtinnen, die umgehend ausstiegen und auf uns zukamen. Doch statt uns unverzüglich in Handschellen zu legen und vom Platz zu zerren, bestätigten sie uns freundlich, dass wir die beim Bürgeramt der Stadt Heidelberg ordnungsgemäss angemeldete friedliche Mahnwache durchführen dürfen.

Die einzigen unfriedlichen Momente während unserer ganzen Aktion kamen denn bezeichnenderweise ausschliesslich von Seiten der Verantwortlichen der "11th EMBL/EMBO" selbst ...

Die "11th EMBL/EMBO Science and Society Conference: The Difference between the Sexes – From Biology to Behaviour" wird vom "EMBL" gemeinsam mit der benachbarten "Europäische Organisation für Molekularbiologie (EMBO)"  ausgerichtet.

1) EMBL/EMBO will Kritik an unethischem Kongress verbieten

Schon 2 Tage vor der Mahnwache hatte EMBL-Administrativdirektor Ralph Martens bei einer telefonischen Kontaktaufnahme Zwischengeschlecht.org die Kundgebung kurzerhand verbieten wollen mit der Begründung, das gesamte EMBL/EMBO-Gelände sei "internationales Gebiet" mit "Immunität" und "Privilegien", weshalb die Stadt Heidelberg gar nicht berechtigt sei, eine Bewilligung für unsere friedliche Mahnwache auszustellen. Gleichzeitig unterstellte Herr Martens Zwischengeschlecht.org, wir wären "Steinewerfer".

Falls wir die Mahnwache trotzdem durchführen wollten, dürften wir das laut Herr Martens allerhöchstens an einer Strassenkreuzung im Wald einen halben Kilometer vom EMBL entfernt, wo die Jurisdiktion der Stadt Heidelberg ende. Falls wir wie geplant die Mahnwache trotzdem wie bewilligt in Sichtweite des EMBL Advanced Training Centre (ATC) durchführen würden, worin die kritisierte Tagung stattfand, sei die Polizei verständigt und Bereitschaftseinheiten würden eingreifen, ihm sei das egal, er werde am Samstag sowieso nicht anwesend sein.

EMBL-Programmleiter Halldór Stefánsson, an den uns Herr Martens in der Folge verwies, hatte Zwischengeschlecht.org die Mahnwache ebenfalls auszureden versucht, wenn auch ohne Drohungen mit Bereitschaftseinheiten. Laut Herr Stefánsson hätten wir die Mahnwache am falschen Ort geplant und würden in unserem eigenen Interesse besser davon absehen, die "11th EMBL/EMBO"-Konferenz hätte nichts mit den OPs an Kindern zu tun, und so abgelegen würde uns eh niemand bemerken.

Laut Herr Stefánsson sollten wir uns deshalb besser an der Tagung als Teilnehmer_innen anmelden und als "Bürger" in der Diskussion unser Anliegen einbringen – wozu wir uns sowohl mündlich wie auch in einer persönlichen E-Mail (englisch) sowie im Offenen Brief durchaus bereit erklärten – aber eben nur im Anschluss an die friedliche Mahnwache zum Gedenken der zahllosen realen Opfer der Geschlechterwissenschaften, deren verschiedene Sparten an der "11th EMBL/EMBO" versammelt sind.

2) Friedliche Mahnwache und begründete Kritik

Und unsere Mahnwache führten wir dann auch durch, und zwar allen Drohungen im Vorfeld und allen misstrauischen Blicken aus dem "EMBL Advanced Training Centre (ATC)" zum Trotz wie angekündigt (und für Aktionen von Zwischengeschlecht.org üblich) friedlich. Und noch dazu verstärkt durch eine lokale Solidelegation, die sich auch durch den weiten Weg zum in den Wäldern vor Heidelberg tatsächlich eher abgelegenen Standort der EMBL nicht hatte abschrecken lassen. Dafür ein fettes Dankeschön!

Wie bei anderen Protesten (so auch tags zuvor in Augsburg anlässlich der EndokrinologInnentagung "APE-AGPD 2010") präsentierte die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org einen >>> Offenen Brief (englisch), in dem die Kritikpunkte noch einmal festgehalten wurden. Darin steht eingangs:

"Die Geschichte der Geschlechterforschung in all ihren Disziplinen (Biologie, Endokrinologie, Genetik, Sexologie und Gender Studies) ist untrennbar verbunden mit der Geschichte der medizinischen Verbrechen an Zwittern. Diese andauernden medizinischen Verbrechen, die seit den 1950ern systematisch an wehrlosen Kindern verübt werden, sind wohl eine der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen in westlichen Gesellschaften seit dem 2. Weltkrieg."

Weiter wird im Offenen Brief dargelegt, wie die Geschlechterforschung massgeblich dazu beitrug, dass sich die gesellschaftliche Situation der Zwitter seit Beginn der Moderne dramatisch verschlechterte:

Während des Mittelalters bis in die Neuzeit waren Zwitter nicht nur juristisch anerkannt und wuchsen mit unversehrten Körpern auf, sondern hatten das einzigartige Privileg, als Erwachsene selber darüber entscheiden zu dürfen, ob sie als Männer oder als Frauen leben wollten. Erst im 19. Jahrhundert wurde ihnen dieses Privileg aberkannt im Namen der Wissenschaft, die sich seither und bis auf den heutigen Tag anmasst, besser als die Betroffenen selbst darüber entscheiden zu können, welches ihr "wahres Geschlecht" sei. Seit den 1950ern setzt die Medizin diese selbstherrlichen "Entscheidungen" systematisch chirurgisch durch, so dass heute Zwitter als Spezies ebenso wie in der öffentlichen Wahrnehmung nahezu ausgelöscht sind. Heute noch werden nach Erhebungen der GenitalabschneiderInnen selbst 90% aller Zwitter im Kindesalter ohne medizinische Notwendigkeit durchschnittlich mehrfach irreversibel genitalverstümmelt.

Die Geschlechterforschung und ihre Disziplinen sind in einer für Zwitter verhängnisvollen Wechselwirkung mit der Medizin bis heute als Mittäterin massgeblich an den Verstümmelungen mitbeteiligt:

Von Anfang an benutzten GeschlechterforscherInnen "wissenschaftliche Berichte" über Zwittergenitalverstümmelungen als Grundlage und Datenmaterial zur Entwicklung und Verfeinerung ihrer "wissenschaftlichen Theorien", während andererseits die Medizyner diese Theorien bis heute zur Rechtfertigung und Fortführung der laufend "verbesserten" Verstümmelungen benutzen, worauf die Geschlechterforschung diese "neuen Erkenntnisse" wiederum benutzt zur Weiterführung ihrer Theorien, usw. usf. – und wenn sie nicht gestorben sind, so verstümmeln und forschen sie noch heute ...

Der Offene Brief nennt Namen auch heute noch angesehener ForscherInnen, deren Beteiligung an der Durchsetzung der Zwitterverstümmelungen in ihren geschönten heutigen Biographien wohl kaum zufällig regelmässig und durchgehend ausgelassen wird. Während gleichzeitig sogar "kritische" zeitgenössische GeschlechterforscherInnen noch für die abscheulichsten Verstümmler in ihren Publikationen nur verständnisvolle Worte und obendrein noch Lob übrig haben, wie z.B. die am "11th EMBL/EMBO" über "Nature vs. Nature" referierende Anne Fausto-Sterling betreffend dem "Vater der modernen Urologie" Hugh Hampton Young, der in den 30er Jahren die VerstümmelungsOPs an Zwittern zur Serienreife brachte.

Während hauptsächlich an die Adresse der Gender Studies von überlebenden Zwangsoperierten und solidarischen Nicht-Zwittern im neuen Jahrtausend erstmals begründete Kritik (vgl. Koyama/Weasel 2003) und auch Forderungen gerichtet wurden (welche mittlerweile zum Teil auch aufgegriffen werden, vgl. z.B. Dietze 2006 oder Janssen 2009), ist solche Kritik und vor allem kritische Rezeption davon in Bezug auf die naturwissenschaftlichen Disziplinen nach wie vor kaum existent. Auch das Programm der "11th EMBL/EMBO" lässt nirgends erkennen, dass die gravierenden ethischen und menschenrechtlichen Implikationen dieser über 100 Jahre ungebrochen andauernden Komplizen- und Mittäterschaft mit den systematischen medizinischen Verbrechen an Zwittern angemessen angesprochen würden.

Aus diesen Gründen hielt die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org im Offenen Brief abschliessend fest, könne sie nicht ohne Weiteres an einer solchen wissenschaftlichen Tagung teilnehmen, bekräftigte aber erneut die Bereitschaft, sich im Anschluss an die Mahnwache einer kritischen Diskussion zu stellen, sofern dies von Seiten der Konferenz gewünscht sei.

3) "Raus! Raus! Raus!"

Nachdem wir vor Ort noch rasch den Umschlag angeschrieben und den unterschriebenen Brief eingetütet hatten, machten wir uns schliesslich auf den Weg, um wie angekündigt den Offenen Brief an den EMBL-Programmleiter Halldór Stefánsson und die ReferentInnen und BesucherInnen der Tagung wie üblich am Empfang persönlich zu überreichen.

Vor lauter Aufregung steuerte Nella die erstbeste Tür des "EMBL Advanced Training Centre (ATC)" an, und wir landeten in der Folge in einem offenbar für die Kaffeepause gerüsteten Foyer, worin wir auf zwei Herren an einem Stehtischchen trafen, bei denen wir uns nach dem Empfang erkundigten.

Einer der beiden, ein Herr, der sich nicht vorstellte, aber dem EMBL-Administrativdirektor Ralph Martens verblüffend ähnlich sah, begann bei unserem Anblick wie aus der Pistole geschossen cholerische Lautfolgen abzusondern, in denen das Wort "Raus!" einen besonderen Stellenwert einnahm. Für einen Moment waren wir froh, dass die beiden freundlichen Beamtinnen uns unauffällig gefolgt waren.

Als der Herr schliesslich für einen kurzen Moment Luft holte, wiesen wir darauf hin, dass wir lediglich den Offenen Brief zu Handen von EMBL-Programmleiter Halldór Stefánsson und weitere Kopien an die ReferentInnen und BesucherInnen der Konferenz überreichen wollten. Doch auch davon wollte der Herr nichts wissen; erst als wir uns in der Folge wieder nach dem Empfang erkundigten, hiess er uns alles auf einem Tischchen an Ort und Stelle abzulegen, was wir dann taten. Als derweil der zweite anwesende Herr uns sagte, wir müssten aber nun wieder gehen, draussen dürften wir sein, aber drinnen nicht, herrschte ihn der erste sogleich an, er solle nicht mit uns reden.

Nachdem wir so unsere Offenen Briefe deponiert hatten, wandten wir uns wieder dem Ausgang zu, um unsere friedliche Mahnwache fortzuführen, flankiert von den beiden Beamtinnen und eingedeckt mit einer weiteren lautstarken Tirade des Herrn, der trotz eine gewissen optischen Ähnlichkeit unmöglich EMBL-Administrativdirektor Ralph Martens sein konnte, hatte doch Herr Martens seinerzeit deutlich erklärt, am Samstag während des Kongresses nicht persönlich vor Ort anwesend zu sein.

11th EMBL/EMBO Conference, Heidelberg Nov. 6th 2010

4) Presseschau: EMBL/EMBO lügen

Zwar hatte uns EMBL-Programmleiter Halldór Stefánsson versichert, ethische und menschenrechtliche Aspekte der in der Geschlechterforschung allgegenwärtigen Zwangsbehandlungen an Zwittern würden an der "11th EMBL/EMBO" durchaus angemessen behandelt, obwohl im offiziellen Kongressprogramm weit und breit nichts davon zu finden ist. Zumindest in den zwei auffindbaren Medienberichten zum Kongress war davon allerdings wenig auszumachen – vielmehr wurden von Seiten EMBL-EMBO anscheinend erst noch handfeste Unwahrheiten verbreitet.

Im >>> FAZ-Artikel "Frau & Mann: Was trennt die Geschlechter?" vom 12.11. wurde zwar eingangs angesprochen, dass es sich beim Thema um ein "Politikum" handle – "ein Konfliktstoff auf allen Ebenen von der Erziehung und Bildung bis zur Medizin" -, und der bis heute so eng mit den Zwitter-Zwangsbehandlungen verbundene "wissenschaftliche Streit" um "Nature vs. Nurture" zieht sich wie ein roter Faden durch den Artikel bis zum Schlussabschnitt:

Die entscheidende Frage freilich lautet: Sind auch die Geschlechtsunterschiede beim Menschen Ausdruck sexueller Selektion? Durchaus, wenn auch wohl etwas weniger ausgeprägt, lautete die etwas fade Antwort der Biologen. Die amerikanische Geschlechterforscherin Anne Fausto-Sterling von der Brown University, selbst Biologin, gab sich überzeugt, dass die "rosa und blauen Sphären" in unserer Gesellschaft nicht absolut vorbestimmt sind. Sexuelle Prägung lebe von einer nachgeordneten Dynamik. "Ausgangspunkt ist eine Art Lustzentrum, das im ersten Jahr, wenn sich das Gehirn der Kinder entwickelt, durch die Geschlechtshormone, aber eben auch durch die Handlungsstereotypen der Eltern angeregt wird." Rollenbilder setzten sich so fest, aber auch handfeste biologische Unterschiede im Gehirn und im Verhalten. Am Ende war man sich in einem einig: Das Y-Chromosom ist nicht der einzige Unterschied zwischen Mann und Frau.

Falls jedoch die heute in Deutschland (auch am Universitätsklinikum Heidelberg!) weiterhin TÄGLICH praktizierten Genitalverstümmelungen und sonstigen Zwangsbehandlungen als Voraussetzung und "humanexperimenteller Hintergrund" dieser Theorien von der "nachgeordneten Dynamik" usw. während des Kongresses tatsächlich angesprochen wurden, so war das zumindest dem FAZ-Berichterstatter Joachim Müller-Jung gänzlich entgangen.

Der gleichentags publizierte >>> Bericht der Rhein-Neckar-Zeitung "Der kleine Unterschied und seine großen Folgen" vom 12.11. stellt ebenfalls durchgängig die Frage nach "Nature vs. Nurture": "Repräsentieren Frauen und Männer tatsächlich zwei verschiedene Typen mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Zielen und Eigenschaften? Oder ist es doch "nur" die Erziehung, die uns zu dem macht, was wir sind?"

Und erwähnt immerhin unsere Mahnwache:

Das Thema sorgte übrigens schon im Vorfeld der Konferenz für erregte Gemüter: Die Menschenrechtsorganisation "Zwischengeschlecht.org" kündigte eine friedliche Mahnwache vor dem Konferenzgebäude als Protest gegen "medizinische Verbrechen an Zwittern" an.

Peinlicherweise schein die Verfasserin Yvonne Kaul an der Tagung selbst aber irgendwie nicht einmal mitbekommen zu haben, dass es um "Intersexuelle" geht, sondern schreibt konsequent von "Transsexuellen":

Heiß diskutiert wurden Schicksale von transsexuellen Menschen, die mit physiologischen Missbildungen auf die Welt kommen: Mädchen mit einem Mini-Penis oder Jungen mit einem Y-Chromosom, bei denen aber die männlichen Geschlechtsorgane nicht ausreifen. Sie sehen äußerlich weiblich aus, haben aber keinen Uterus und keine Eierstöcke. Sollten solche transsexuellen Fälle klinisch behandelt werden? Die meisten Eltern entscheiden sich für einen chirurgischen Eingriff bei diesen Babys, nicht immer aber erweist sich ihre Entscheidung als richtig.

Berühmt wurde der Fall eines Jungen, der mit weiblichen XX-Chromosomen auf die Welt kam, dessen Geschlechtsorgane jedoch männlich waren. Das Baby wurde operiert und als Mädchen erzogen, wuchs aber zu einem unglücklichen Erwachsenen mit einem weiblichen Körper und männlicher Identität heran.

Nur noch vermuten lässt sich, es habe sich beim "berühmten Fall" wohl um Moneys skrupelloses "Zwilligsexperiment" gehandelt, das Money allerdings an "normalen Jungen" durchführte bzw. durchführen liess. Ob der "ewige Lapsus" der "Verwechslung" von "intersexuell" mit "transsexuell" letztlich auf das Konto der Autorin, ihrer Redaktion oder allenfalls gar auf ungenügende Differenzierung am Kongress selbst zurückzuführen ist, lässt sich im Nachhinein nicht ohne Weiteres abschliessend feststellen.

Zumindest naheliegend scheint jedoch, dass folgende Aussage im Artikel wohl von Seiten EMBL/EMBO verbreitet wurde:

Die Einladung zur Teilnahme an der Podiumsdiskussion schlugen die Demonstranten jedoch aus.

Obwohl nachweislich sowohl im Offenen Brief wie auch in allen unseren weiteren Kommunikationen klar das Gegenteil festgehalten ist ...

Es ist noch ein weiter Weg ...

>>> Infoseite zu den Protesten    >>> Offener Brief "APE-AGPD" 5.11. 
>>> Offener Brief "11th EMBL/EMBO", 6.11.10 (englisch)    >>> Pressemitteilung 3.11.
>>> 
"Cornelia Goethe Colloquien": Geschlechterforschung ohne Ethik?" - 17.11.
>>> "STOP Genitalverstümmelung als 'Rohmaterial' für die Geschlechterforschung!" 

Siehe auch:
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- "Genitalkorrekturen in Deutschland in der Regel im ersten Lebensjahr" (DGKJ/APE/DGE)
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- "Ethik als Freifahrtschein für operieren auf Teufel komm raus" - Claudia Wiesemann
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller chirurgischen Genitalverstümmelungen in deutschen Kinderkliniken 
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- Amnesty Deutschland: "fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte"
- Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung
- Genitale Verstümmelung & Folgeschäden - AGGPG 1998
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat 2010 
- "Netzwerk DSD/Intersexualität": Ethik-Empfehlungen als Feigenblatt für Zwangsoperateure
- Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Friday, November 12 2010

Luzern: Historischer überparteilicher Vorstoss gegen Genitalverstümmelungen in Kinderspitälern

>>> Nachtrag: Interessante Analyse zum Vorstoss von Oliver Tolmein auf FAZ.net

Offener Brief an das Kantonsspital Luzern, 22.8.2010 (Bild: Ärger)

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„Gott hat uns dieses Kind geschenkt, so wie es ist. Wir nehmen es dankbar an und lieben es. Es ist gesund und fröhlich und entwickelt sich prächtig.“
(Eine Mutter)

Das gab es auf der ganzen Welt noch nie: 

Auf Initiative einer christlichen Parlamentarierin und Mutter unterzeichnet ein Viertel eines gesamten Parlaments, darunter zwei Drittel Frauen, quer durch alle Parteien einen politischen Vorstoss, der Transparenz über kosmetische Genitaloperationen an Kindern in ihrem Einflussbereich verlangt und die Regierung zur Stellungnahme auffordert!

So geschehen aktuell in der Innerschweiz im 120-köpfigen Luzerner Kantonsrat:

Erna Müller-Kleeb (CVP) und 29 MitunterzeichnerInnen (15 CVP, 4 FDP, 1 SP, 8 Grüne, 1 SVP) berufen sich auf Medienauftritte und öffentliche Klagen zwangsoperierter "Intersexueller" während der letzten 12 Monate und stellen dem Regierungsrat als Reaktion darauf 11 Fragen rund um "die Praxis frühkindlicher kosmetischer Genitaloperationen, Kastrationen, Hormontherapien und andere medizinisch nicht dringend notwendigen Eingriffe an Kindern mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen" im Kanton Luzern.

>>> Der Vorstoss im Wortlaut als PDF

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org ist zutiefst gerührt und möchte sich bei Erna Müller-Kleeb und allen Mitunterzeichnenden von ganzem Herzen bedanken! Dies ist ein historischer Tag für alle von kosmetischen Zwangsoperationen Betroffenen oder Bedrohten – und für alle, die sie in ihrem Kampf um körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung unterstützen! 

>>> Offener Brief an das Kinderspital Luzern, 22.8.2010
>>> "Der Zwang zum Geschlecht" - Zentralschweiz am Sonntag, 22.8.10
>>> Kosmetische Genitaloperationen im Kinderspital Luzern 

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Tuesday, November 9 2010

"Möge euch die Hand abfaulen, mit der ihr wehrlose Kinder verstümmelt habt!"

5. Treffen "Netzwerk Intersexualität/DSD" in Kiel, 6.9.2008
Nella versucht den MedizinerInnen ins Gewissen zu reden

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Redebeitrag vom 9.11.2010 zur Lehrveranstaltung „Intersexualität – Fakten und Diskurse“ an der Universität Zürich, Modul „Biomedizinische Ethik“ (für Studierende der Medizin), Modul „Körper, Geschlecht und Sexualität“ (für Studierende der Gender Studies):

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Das vernarbte Geschlecht

Mein Name ist Daniela Truffer, ich bin Mitbegründerin der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org. Ich wurde als Zwitter geboren und habe mich Jahrzehnte lang versteckt und verleugnet. Heute kämpfe ich seit über drei Jahren in der Öffentlichkeit gegen kosmetische Genitaloperationen an Kindern und für Menschenrechte auch für Zwitter. Ich bin dank einer fast zehnjährigen psychoanalytischen Aufarbeitung des Drecks, den man mir angetan hat, überhaupt noch am Leben, kann Freude empfinden, befreit von Jahre langen Zwängen und Ängsten.

Aber die Vorstellung, vor angehenden Medizinern zu sprechen, ist für mich immer noch schaurig. Eine schlaflose Nacht, Übelkeit und Dünnschiss ohne Ende. Angst, Scham, Ekel, Wut sind die Gefühle, die hochkommen. Wut darüber, dass ich als gestandener Zwitter Angst haben muss, vor einen Haufen junger Schnaufer hinzustehen, nur weil sie Medizin studieren. Diesen Stempel wird man nie wieder los.

Zu sehr bin ich traumatisiert von dieser menschenverachtenden Behandlung, die zum angeblichen Wohle des Kindes auch heute noch mehrheitlich durchgeführt wird. Zu gut erinnere ich mich an die unzähligen Untersuche, die Augen und die Hände, den Geruch, sogar an das Rascheln des Ärztekittels kann ich mich erinnern! Und ich werde diese Erinnerungen nie mehr los: vom ersten Tag an auf dieser Welt wurde mir zwischen die Beine geschaut, man drückte und zog an meinem uneindeutigen Genital herum, Finger und andere Gegenstände wurden in mich hineingestossen, um zu schauen, wie weit es reingeht. Man redete über mich, aber nicht mit mir. Man entschied über mich, ohne mich zu fragen.

Mit zweieinhalb Monaten wurde ich kastriert, meine gesunden Hoden in den Mülleimer geworfen. Die Mediziner beschlossen, dass ich als Mädchen aufwachsen soll, meine Eltern wurden dementsprechend instruiert. Mit sieben wurde mein uneindeutiges Genital gekürzt. Nach der Operation hatte ich einen Schock, Hämatome, nekroses Gewebe. Schmerzen und Narben blieben zurück. Dass ich wegen eines schweren Herzfehlers während den Operationen hätte sterben können, hat die Mediziner nicht interessiert. Mit achtzehn wurde dann eine Vagina gebastelt, wo vorher nichts war.

Man hat meine Eltern und mich immer angelogen oder mit Halbwahrheiten abgespiesen, hat erzählt, ich hätte entartete Eierstöcke gehabt. Die Wahrheit weiss ich erst seit wenigen Jahren.

Auch heute noch werden Eltern mehrheitlich falsch oder nicht umfassend informiert, Kindern wird ihr wahres Geschlecht verheimlicht, sie werden zwangsoperiert. Damit sie ein glückliches Leben haben können. Wie glücklich sie sind, das kommt erst Jahrzehnte später heraus, wenn sie realisieren, was ihnen angetan wurde. Dann, wenn man nicht mal mehr die Möglichkeit hat, seinen Verstümmler anzuzeigen, weil die Verjährungsfrist schon längst abgelaufen ist. Dann muss man weiterleben, mit den psychischen und physischen Folgen, damit, dass man Opfer ist und bleibt, weil es niemanden interessiert, weil alle wegschauen.

Diese unmenschliche Behandlung hat alle Bereiche meines Lebens überschattet. Ich habe versucht, so unauffällig wie möglich zu sein, normal zu leben. Aber es funktioniert nicht. Die Operationen und die Lügerei machen alles nur viel schlimmer. Alles, was man tut und erreicht ist nichtig, weil man ein grosses schwarzes Loch in sich trägt, vor dem man jeden Tag steht und verzweifelt.

80% aller Zwitter hat einen Selbstmordversuch hinter sich, ein Drittel davon erfolgreich. Wie Opfer von sexuellem Missbrauch und Folter richten die meisten zwangsoperierten Zwitter ihre Wut und ihren Hass gegen sich selber, statt ihre Peiniger zur Rechenschaft zu ziehen. Ohnmacht. Sie haben Angst vor ihrer eigenen Wut. Aber die meisten Zwitter, die ich kenne, würden am liebsten dasselbe mit denen tun, die sie verstümmelt und ihr Leben zerstört haben.

Manche haben nicht mehr viel zu verlieren. Sie sind aufgrund der Kastration und der lebenslangen Einnahme von körperfremden Hormonen gesundheitlich schwer geschädigt, ihre sexuelle Empfindungsfähigkeit wegen den Genitalverstümmelungen komplett zerstört. Sie sind nicht mehr arbeitsfähig, verlieren jeglichen Halt, sind am Ende.

Ich persönlich will nicht Gewalt mit Gewalt vergelten, auch wenn ich schon darüber nachgedacht habe, und möchte nicht wegen meinem ehemaligen Kastrator und Genitalverstümmler noch mehr Gefängnis erleben müssen.

So bleibt mir nur, mich auf andere Art dafür einzusetzen, dass Zwitterkinder in Zukunft leben dürfen. Euren zukünftigen Patienten eine Stimme zu verleihen, euch davon zu überzeugen, dass kosmetische Genitaloperationen und sonstige medizinisch nicht notwendige Eingriffe an Kindern menschenrechtswidrig sind und nicht mehr stattfinden dürfen.

All denen unter euch, die trotzdem eine Karriere als Genitalverstümmler anstreben, wünsche ich von ganzem Herzen eine Horde Zwitter an den Hals, die ihre Wut nicht mehr gegen sich selber, sondern gegen euch richten werden. Sie sollen euch mit Anzeigen wegen Körperverletzung das Leben zur Hölle machen, euren Ruf ruinieren und euer Bankkonto plündern! Und wer dann immer noch nicht genug hat, dem soll die Hand abfaulen, mit der er wehrlose Kinder verstümmelt hat. Und vielleicht kommt auch mal ein Zwitter mit einer Gartenschere bei euch vorbei und zeigt euch, wie es sich anfühlt, mit einem vernarbten Geschlecht sein Leben zu fristen! Das alles gilt auch für diejenigen, die selber nicht Hand anlegen, aber dabei zuschauen.

Wer von euch jedoch nach dem Grundsatz "first do not harm" und im Namen der Menschlichkeit eines Tages den Ärzteberuf ergreift, dem wünsche ich noch mehr von Herzen alles Gute!
 

Siehe auch:
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation"  – Dr. med. Jörg Woweries
- Das Medizynermärchen von den "früheren Behandlungsmaßstäben"
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- "Verunsicherung und Ängste": Kommentare zur Kritik am "Netzwerk DSD/Intersexualität"
- Weiße Kittel mit braunen Kragen, reloaded
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- "Ethik als Freifahrtschein für operieren auf Teufel komm raus" - Claudia Wiesemann
- "Du sollst den Begriff 'intersexuell' nicht unnütz gebrauchen!" (I)
- Instrumentalisierung von Zwittern: Kritik aus 2002
- Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung
- Amnesty: Zwangsoperationen "fundamentaler Verstoß" gegen körperliche Unversehrtheit 
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Zwangsoperationen an Zwittern: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Genitalabschneider, wir kriegen euch! Zwangsoperateure, passt bloss auf!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Saturday, November 6 2010

Augsburg 4.+5.11. / Heidelberg 6.11. - Info + Proteste gegen GenitalabschneiderInnen & MittäterInnen (APE-AGPD, EMBL/EMBO)

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>>> Offener Brief EMBL/EMBO, 6.11.10 (englisch)
>>> Offener Brief "APE-AGPD"   >>> Flugblatt 5.11. (PDF)   >>> Pressemitteilung 3.11.10

Augsburg Do 4. + Fr 5. November 2010
INFOVERANSTALTUNG + FRIEDLICHER PROTEST
gegen GenitalabscheiderInnen-Jahrestreffen "APE-AGPD 2010"

Heidelberg Sa 6. November 2010
FRIEDLICHE MAHNWACHE
gegen lokale GenitalabschneiderInnen
+ MittäterInnenkongress "11th EMBL/EMBO"

>>> mehr Infos hier!

Friedlicher Protest in Augsburg gestern / EMBL-Direktor droht mit Polizei in Heidelberg heute

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Protest zur APE-AGPD 2010, Augsburg 5.11.10

>>> Infoseite zu den Protesten    >>> Der Offene Brief    >>> Pressemitteilung 3.11.10

So hatten es sich die EndokrinologInnen wohl nicht ganz vorgestellt: Gleich beim Eingang zu ihrem diesjährigen Städteausflug, ähm, zu ihrer Jahrestagung "APE-AGPD 2010" in Augsburg hatten sich unter bewegtem Herbsthimmel Mitglieder und Sympathisant_innen der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org postiert, bewaffnet mit Flugblättern und flankiert von farbigen Plakaten und Transparenten. Fettes Dankeschön an alle, die kamen!

Die Stimmung war prächtig und die Flugblätter fanden reissenden Absatz (wir mussten zwischendurch gar notfallmässig welche nachdrucken), und natürlich überreichten wir auch wieder einen Offenen Brief, in dem wir Menschenrechtsverletzungen der APE und ihrer "AG DSD" auflisteten und sie um Besserung ersuchten. Viele TagungsteilnehmerInnen waren offensichtlich schon vorinformiert über unser Anliegen, mehrere stimmten uns sogar offen zu. Der Protest verlief wie gewohnt und angekündigt friedlich.

Für die heutige Mahnwache in Heidelberg stehen die Zeichen hingegen auf Sturm: Die Verantwortlichen zeigten wenig Verständnis dafür, dass wir dort anlässlich der "11th EMBL/EMBO Science and Society Conference: The Difference between the Sexes – From Biology to Behaviour" der zahllosen Menschen gedenken wollen, die als Versuchskaninchen für die Geschlechterforschung Opfer medizynischer Verbrechen wurden.

Obwohl die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org die friedliche Mahnwache beim Bürgeramt der Stadt Heidelberg ordnungsgemäss anmeldete, will EMBL-Administrativdirektor Ralph Martens diese auf keinen Fall dulden und drohte uns bei Durchführung mit der Polizei ...

EMBL-Programmleiter Halldór Stefánsson, an den Herr Martens Zwischengeschlecht.org in der Folge verwies, will zwar auch keine Mahnwache, reagierte aber immerhin weniger martialisch.

Schaun wer mal ...

>>> Infoseite zu den Protesten   
>>>
Offener Brief "APE-AGPD"  
>>> Pressemitteilung 3.11.10 

Wednesday, November 3 2010

"Weder Mann noch Frau" - Weltwoche 42/2010

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Menschenrechte auch für Zwitter!Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter! 

>>> Gelungener Artikel (PDF) von Alex Reichmuth in der Ausgabe 42/2010 des einflussreichen CH-Magazins auf S. 48f., der ein grosses Spektrum an O-Tönen bietet und schon im Lead kein Blatt vor den Mund nimmt:

Menschen ohne eindeutiges Geschlecht wurden früher unfreiwillig auf Mädchen oder Knabe getrimmt. Heute seien Intersexuelle akzeptiert, behaupten Mediziner. Interessengruppen widersprechen – und fordern «Menschenrechte für Zwitter».

Wie der Autor in einem E-Mail an Daniela "Nella" Truffer (die im Artikel zusammen mit zwei weiteren Zwischengeschlechtlichen einmal mehr Klartext spricht) mitteilte, hatte er innerhalb der Redaktion zunächst ein verbreitetes Vorurteil auszuräumen, das allen Zwittern, die öffentlich über die ihnen angetanen medizinischen Verbrechen reden, nur allzubekannt ist – nämlich:

dass das Thema auf der Redaktion immer wieder unter dem Stichwort "Transsexuelle" im Umlauf kam - und alle sagten: "Kennen wir doch schon!"....

Doch zum Glück blieb Alex Reichmuth hartnäckig, und trägt der Infokasten auf der 2. Seite des Artikels nun die Überschrift "Intersexuell ist nicht transsexuell". Bleibt zu hoffen, dass so nach seinen RedaktionskollegInnen viele "Weltwoche"-LeserInnen ebenfalls ein Aha-Erlebnis hatten ...

Zwar ist der Artikel nicht völlig frei vom einen oder anderen (leider immer noch scheinbar obligaten) Fettnäpfchen: Wenn etwa "der amerikanische[...] Geschlechterforscher John Money" einmal mehr tatsachenwidrig als Alleinschuldiger für die heute noch in Kinderkliniken üblichen Genitalverstümmelungen angeführt wird. Oder wenn die Illustration auf der Eingangsseite einmal mehr just das Vorurteil bedient, dass Artikel und Kasten eigentlich aufzuräumen versuchen ...

Trotzdem bleibt der Gesamteindruck positiv – erst Recht, da es das erste Mal ist, dass die "Weltwoche" das Tabuthema der Genitalverstümmelungen vor der eigenen Haustüre überhaupt aufgreift. Danke!

>>> "Weder Mann noch Frau" (PDF, 112 KB)

Siehe auch:
- "Gott hat uns dieses Kind geschenkt, so wie es ist. Wir nehmen es dankbar an und lieben es." - Sonntag + Leben & Glauben, Nr. 36/2010
- Amnesty: Historischer Entscheid für "Menschenrechte auch für Zwitter!"
- "Ein Flickwerk, geschaffen von Medizinern" - BAZ 12.08.08 
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- "Aussen bin ich hübsch, doch im Innern ruiniert" - Migros-Magazin 41, 06.10.2008
- Kosmetische Genitaloperationen an Kindern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit)
- "Geschlecht: Zwangsoperiert" - megafon 335, September 2009
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung 

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