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Sunday, June 3 2012

"Kosmetische Eingriffe grundsätzlich bis zum Erreichen der Volljährigkeit verbieten" - Ulrike Klöppel (Klartext in Ethikrat-Sachverständigen-Stellungnahmen 5)

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1) Auch nach der Veröffentlichung der Stellungnahme des Deutschen Ethikrates (Friedliche Aktion von Zwischengeschlecht.org vom 23.2.12) präsentiert dieser Blog weitere Highlights aus den vom Ethikrat eingeholten, öffentlich zugänglichen "Stellungnahmen von Sachverständigen".

Ulrike Klöppel verfasste ihre Doktorarbeit "XX0XY ungelöst" über "Hermaphroditismus, Sex und Gender in der deutschen Medizin", ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Medizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin, Mitglied bei TGNB/TrIQ/IVIM und schreibt u.a. für die Magnus Hirschfeld Gesellschaft und die Jungle World.

In der Vergangenheit hatte dieser Blog Publikationen rsp. Auftritte Ulrike Klöppel schon konkret kritisiert, wenn wir fanden, Überlebende von kosmetische Genitaloperationen an Kindern würden darin als blosses Mittel zum Gendertheorie-Zweck erneut missbraucht, Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken lediglich in Tätersprache abgehandelt und ihr tägliches Fortdauern (nicht nur) in Deutschland im Allgemeinen und in der Charité im Besonderen sträflich ausgeblendet.

Umso mehr freut es, dass Ulrike Klöppel in ihrer >>> schriftlichen Stellungnahme an den Deutschen Ethikrat (PDF) Klartext bringt und mit klaren Aussagen nicht spart (die der Ethikrat bekanntlich lieber nicht hören wollte). Danke!

Einige relevante Ausschnitte:

Meiner Meinung nach müsste folgende Regelung getroffen werden:

Sämtliche genitalplastischen Eingriffe sowie Sexualhormonbehandlungen, die keiner "zwingenden medizinischen Indikation" unterliegen, sondern kosmetischen Zwecken der Angleichung an ein weibliches oder männliches Idealbild dienen (im Nachfolgenden als "geschlechtsverändernde Eingriffe" bezeichnet), sind grundsätzlich bis zum Erreichen der Volljährigkeit verboten. Darunter fallen auch Klitorisresektionen (egal bei welcher "Größenabweichung" und welcher chirurgischen Technik) sowie Gonadenentfernungen, die nicht auf der Grundlage eines signifikanten Entartungsrisikos erfolgen. Ebenso müssen jegliche kosmetischen Eingriffe bei AGS, inklusive der angeblich minimalinvasiven "Introitusplastiken", verboten werden.

Auf dieser Grundlage können Ausnahmen gestattet werden, um das sexuelle Selbstbestimmungsrecht Jugendlicher zu gewährleisten, sofern sichergestellt ist:

  • Einwilligungsfähigkeit des_r Jugendlichen;
  • umfassende Information über mögliche körperliche und psychische kurz- und langfristigen Folgen der Eingriffe sowie über Alternativen zu geschlechtsverändernden Eingriffen;
  • peer-to-peer counselling durch erwachsene intergeschlechtliche Menschen;
  • von der medizinischen Betreuung unabhängige, psychologische Beratung des Kindes und der Erziehungsberechtigten.

Begründung:

1. Geschlechtsverändernde Eingriffe ohne informed consent verstoßen gegen das Menschenrecht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Somit verbieten sich solche Eingriffe eigentlich von selbst. Dennoch hat sich an der Behandlungspraxis bei Intergeschlechtlichkeit bislang nicht viel verändert: Sanktioniert durch das Consensus Statement on 21-Hydroxylase Deficiency von 20021 werden bei AGS weiterhin Klitorisreduktionen und Introitusplastiken im Kindesalter durchgeführt, so z.B. an der Berliner Charité. AGS ist das häufigste intergeschlechtliche Erscheinungsbild, somit kann keineswegs davon ausgegangen werden, dass in der medizinischen Betreuungspraxis bereits ein wirkliches Umdenken eingesetzt hätte. [...] Nur ein Verbot wird m.E. eine wirksame Änderung der Situation herbeiführen können: Der Normalfall muss sein, dass geschlechtsverändernde Eingriffe ohne informed consent des Betroffenen keine Option sind. Auf dieser Grundlage sind allerdings Ausnahmeregelungen nötig, die der Wahrung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts des Heranwachsenden dienen.

2. AGS muss genauso wie andere Erscheinungsbilder von Intersexualität betrachtet und vor medizinischen Eingriffen im Kindesalter geschützt werden. [...]

4. Geschlechtsverändernde Sexualhormonbehandlungen gehören genauso verboten wie chirurgische Eingriffe, da sie ebenfalls irreversible körperliche Transformationen bewirken können. [...]

8. Psychischen und sozialen Schwierigkeiten des Kindes und der Erziehungsberechtigten im Umgang mit der Intergeschlechtlichkeit kann und muss mit anderen Mitteln begegnet werden als mit geschlechtsverändernden Eingriffen. [...] [S. 1-3]

Die Frage der "Zufriedenheit mit der Geschlechtsidentität" ist m.E. irrelevant für die Bewertung des bisherigen Behandlungsvorgehens. Maßstab muss – neben der Behandlungszufriedenheit resp. -unzufriedenheit – in erster Linie die Lebensqualität, wie sie die befragte Person selbst einschätzt, sein. Die Lebensqualität eines Menschen bestimmt sich nicht in erster Linie durch seine "Zufriedenheit mit der Geschlechtsidentität"; vielmehr können körperliche, soziale, psychische oder sexuelle Probleme unabhängig davon auftreten. Die Geschlechtsidentität sagt also nichts aus über die Lebensqualität und darf somit nicht der Maßstab des Behandlungsvorgehens sein. [S. 5f.]

>>> Chronologie Deutscher Ethikrat 2008-2013

>>> "Es wird weiter an den Genitalien von Kleinkindern geschnitten" - Eva Matt (1)
>>> "Es muss sich grundsätzlich etwas ändern" - Deutscher Hebammenverband (2)
>>>
"Verjährungsvorschriften sind dringend zu überarbeiten" - Konstanze Plett (3)
>>> "Eltern dürfen nicht einwilligen" - Oliver Tolmein (4) 
>>>
Ethikratdiskurs: "Wie so oft wird um den heissen Brei herumgeredet"
>>> Deutscher Ethikrat: Privilegien für Genitalverstümmler, Zensur für Opfer 

Tuesday, May 15 2012

Heute 15.5.12: "Intersex-Exploration" mit Diana Hartmann in Hamburg, "Das verordnete Geschlecht" mit Elisabeth Müller in Jena, "Intersex"-Tatort Premiere in Luzern

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Hamburg 12h: "Intersex Exploration" mit Diana Hartmann  

Jena 19h: "Das verordnete Geschlecht" mit Elisabeth Müller 

Luzern 20:15h: "Tatort"-Premiere um ermordeten Verstümmler

>>> "Intersex"-Veranstaltungen an Unis - Aufruf zu Solidarität!
>>> "Intersex"-Tatort "Skalpell" um ermordeten Kinderchirurgen

Friday, April 27 2012

Dresden Sa 28.4.12: "Intergeschlechtlichkeit und Emanzipation" - Vortrag von Anja Gregor

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Kann ein Zwitter Sünde sein?

>>> Vortrag im AZ Conni (R.-Leonhard-Str. 39), 16h:

"Intergeschlechtlichkeit und Emanzipation. Praxen der Selbstermächtigung gegen medizinische Normierungspraxis."

Von Anja Gregor, die in Jena eine Doktorarbeit über "Intersex" schreibt, und u.a. durch einen Vortrag ebendort im letzten Jahr positiv auffiel. Im Rahmen von "eh! - 2,7 emanzipatorische Tage".

Vielleicht kommt's – wie neulich in Gießen und Marburg – ja bald auch in Dresden und Jena zu solidarischen Aktionen von Studierenden gegen die VerstümmlerInnen, die bekanntlich auch dort an den Universitätskliniken ihr Unwesen treiben?

>>> Genitalverstümmelung in Kinderkliniken: Einige typische Diagnosen und Eingriffe

Wednesday, April 25 2012

Senat der Justus-Liebig-Universität Gießen vertagt Stellungnahme zu kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen auf 6.6.12

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>>> Senatsantrag JLU Gießen (PDF)   >>> Anfrage an Dekanat FB 11, 05.02.2012 (PDF) 

STOP Genitalverstümmelung in Kinderkliniken!Auf Initiative von solidarischen Studierenden berät der Senat der Justus-Liebig-Universität Gießen heute Nachmittag ab 14:15 Uhr in öffentlicher Sitzung über eine Stellungnahme zu Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken (wie sie am Standort Gießen des UKGM allen Dementis zum Trotz derzeit leider immer noch angeboten, durchgeführt und in Publikationen für Kleinkinder "im ersten Lebensjahr" propagiert werden).

Der Antrag fordert einerseits eine öffentlich zugänglich zu machende Aufarbeitung entsprechender Praktiken in Gießen innerhalb von Lehre und Forschung der Justus-Liebig-Universität sowie in den pädiatrischen Abteilungen des Universitätsklinikums Gießen, andrerseits eine Stellungnahme des Senats gegen die Fortführung solcher medizinisch nicht notwendigen Eingriffe an Einwilligungsunfähigen, sowie dass der Senat darauf hinwirken solle, dass kosmetische Genitaloperationen an Minderjährigen in seinem Machtbereich künftig untersagt werden sollen:

>>> Senatsantrag JLU Gießen (PDF)   >>> 1. Fassung (PDF)

Eingereicht wurde der Antrag von der Studierendenvertretung des AStA im Senat auf Initiative des Autonomen Schwulen-Trans*-Queer-Referats im AStA der JLU Gießen. Bereits Anfang Februar hatte Markus Otterbein vom Schwulen-Referat das zuständige Dekanat des Fachbereichs 11 - Medizin um Auskunft betreffend kosmetische Genitaloperationen an Kindern ersucht, bis heute aber nie eine Antwort erhalten:

>>> Anfrage an Dekanat FB 11 - Medizin, 05.02.2012 (PDF)

Letzte Woche beriet der Senat der Philipps-Universität Marburg über einen ähnlichen studentischen Antrag und beschloss nach längerer Debatte eine öffentlich zugängliche Aufarbeitung von medizinisch nicht notwendigen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen, sowie allgemein die Erarbeitung universitärer Richtlinien zum Umgang mit "nicht geschäftsfähigen Personen" in Lehre und Forschung, im Universitätsklinikum und in Akademischen Lehrkrankenhäusern der Philipps-Universität.

Dieser Blog freut sich riesig und dankt allen Beteiligten ganz herzlich, speziell dem Autonomen Schwulen-Trans*-Queer-Referat im AStA der JLU Gießen und dem Autonomen FrauenLesbenReferat im AStA der Universität Marburg!

Nachtrag: Die Debatte über den Antrag wurde auf die nächste Senatssitzung am 6. Juni vertagt.

Wir sehn uns, wo die Action ist ...

>>> Marburg + Gießen: Proteste + Info + Senatstermine 15.-25.04.2012
>>>
Chirurgische "Genitalkorrekturen" an Kindern: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> Offener Brief an JLU und UKGM Giessen, 22.04.2012
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter
>>>
150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen 

Monday, April 16 2012

Pressemitteilung AFLR Marburg über das Ergebnis der Senatsdebatte zu kosmetischen Genitaloperationen im Uniklinikum

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1) >>> Pressemitteilung des Autonomen FrauenLesbenReferates der AStA der Philipps-Universität Marburg zur heutigen Senatsverhandlung. Deren Überschrift "Zwei Fliegen mit einer Klappe" bezieht sich auf folgenden bemerkenswerten Vorfall während der Debatte:

Neben den regulären Senatsmitgliedern waren Vertreter_innen der antragstellenden Gruppen sowie weitere Gäste anwesend. In den hinteren Reihen fanden sich Vertreter des Uniklinikums ein. Letztere waren vom Universitäts-Präsidium eingeladen worden, um den Umgang mit kosmetischen Genitaloperationen am Uni-Klinikum zu erläutern. Der (Chef?) Vertreter der Kinderchirurgie erklärte zunächst wie auch gegenüber der OP, dass nur medizinisch indizierte Operationen an Kindern und Jugendlichen durchgeführt würden. Um so erstaunlicher war dann seine Antwort auf eine detailliertere Nachfrage hinsichtlich des Vorgangs bei einer Operation der Harnwege (Hypospadie“korrektur“), in welcher er lapidar meinte, dass wenn während einer medizinisch notwendigen Operation die Möglichkeit einer kosmetischen Korrektur bestünde, man dann auch „zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt.“

Die Aufforderung des Präsidiums und verschiedener Senatsmitglieder „doch den Experten zu vertrauen“ erscheint durch die oben angeführte Äußerung in einem anderen Licht. „Natürlich werden in der medizinische Praxis diese Operationen nicht als kosmetische Genitaloperationen bezeichnet, sondern sie werden mit anderen Begriffen verschleiert“, kommentiert Petra Thesing, Senatorin der Linken Listen, die Ausführungen des Kinderchirurgen.

Immerhin konnte sich der Senat wie in der Pressemitteilung geschildert dazu durchringen, den Teil des Antrages betreffend eine Aufarbeitung zu Ausmass, Umfang und Dauer kosmetischer Genitalbehandlungen an Kindern und Jugendlichen in Marburg gutzuheissen.

Zusätzlich wurde dann noch ein spontaner Antrag eines Psychologieprofessors durchgewinkt, eine breitere ethische Diskussion zum Thema medizinischer Umgang mit sog. nicht geschäftsfähigen Personen zu initiieren mit dem Ziel der Erabeitung einer Uni-internen Richtlinie auch zum Thema kosmetische Genitaloperationen.

Damit ist immerhin schon mal ein wichtiger Anfang gemacht, und die lokalen MedizynerInnen stehen allen schönen öffentlichen Dementis zum Trotz weiterhin unter Druck ...

>>> Ganze Pressemitteilung

>>> Der Offene Brief     >>> Oberhessische Presse 14.4. | 15.4.     >>> Senatseingabe
>>> Kosmetische Genitaloperationen an Kindern in Marburg? Aber wir doch nicht! 

Friday, April 13 2012

"Sehr taube Eichel nach Operation" vs. "unbehandelt gut leben": Erfahrungsberichte zu Hypospadie

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STOP Genitalverstümmelung in Kinderkliniken!

"Hypospadiekorrekturen" sind mittlerweile die wohl am häufigsten praktizierten kosmetischen Genitaloperationen in Kinderkliniken. Zwar gibt es seit langem einzelne Betroffene wie Tiger Howard Devore oder Ernst Bilke, die sich öffentlich äussern, doch insgesamt gibt es in den Medien trotzdem markant weniger Wortmeldungen als von Betroffenen von "Klitorisreduktionen" oder Zwangskastrationen im Kindesalter. "Hypospadie" ist immer noch so etwas wie das "letzte Tabu" unter den "Genitalanomalien".

Was die Medizyner trotz bekanntlich erschreckend hohen Komplikationsraten immer wieder mal als "Bestätigung" zum ungehemmten weiterverstümmeln werten, während sie gleichzeitig die – bei allen kosmetischen Genitaloperationen an Kindern seit Jahrzehnten stets beliebte – Leier abspulen, "leider" sei viel zu wenig über die Outcomes und "psychologische Folgen" bekannt, es fehle an entsprechenden Studien, sie wüssten nur von "zufriedenen Patienten" usw.

Deshalb nachfolgend einige Ausschnitte aus einem >>> Forums-Thread auf med1.de, wo einige, wie üblich meist mehrfach "korrigierte" Betroffene, aber auch ein "Unbehandelter" zu relevanten Themenbereichen von Wohlbefinden über Beziehungen und Sex bis Zeugungsfähigkeit kein Blatt vor den Mund nehmen und ungeschminkt von ihren Erfahrungen berichten:

"Ich wäre lieber ein gesunder Mensch geblieben als ein Krüppel mit falschem Penis."

[...] Eine Beziehung hatte ich erst kurz bevor ich erwachsen wurde. Es war auch die einzige in der ich Geschlechtsverkehr hatte.

Normaler Geschlechtsverkehr war mir unangenehm weil ich an meiner Eichel nicht viel fühlen kann, mich an der Unterseite schnell aufreiße und wegen anderen Sachen die aber nichts zur Sache tun.

Danach hatte ich nie wieder eine richtige Beziehung da ich mich vor sexuellen Annährungen von Menschen fürchte.

Der Rest meines Lebens bis heute verlief recht einsam, mit einigen wenigen Freundschaften die ich bis heute habe, zurückgezogen und ängstlich nach wie vor.

Ich habe mich niemals in meinem Leben als ein Mann gefühlt, das Produkt was versucht wird durch so eine Operation zu erzeugen.

Heute muss ich lernen mit mir klar zu kommen, als was auch immer.

Ich glaube dass eine Hypospadiekorrektur ohne dass das Kind es sich wünscht, ein Verbrechen ist. Wenn man ohne Probleme pinkeln kann, man gesund ist warum sollte man dann das Genital von einem Menschen so verstümmeln, nur damit es normal aussieht?

Das ist keine Fehlbildung, nur eine Varation des menschschlichen Geschlechts.

Wenn das Kind abgestiegene, gesunde Hoden und XY Chromosomen hat, kann es auch Vater werden. Die Hoden bestimmen die Fruchtbarkeit, nicht die Lage der Harnröhre. Wenn Sperma austreten kann, dann kann es auch befruchten.

Das ist einfach ein etwas anderer Mensch, kein kranker Mann dem unbedingt psychologisch vorgegaukelt werden muss dass er missgebildet sei, dass er durch eine Operation normal werden könne auch wenn er es garnicht will oder nicht entscheiden kann, weil er gehänselt wird oder von den Eltern gedrängt. [...]

Wer nicht krank ist, sollte auch nicht operiert werden. Später wenn das Kind psychische Probleme hat kann es sich ja immer noch dazu entscheiden.

Aber ich wäre lieber ein gesunder Mensch geblieben als ein Krüppel mit falschem Penis. [...]  (BananaSplit, 05.12.08  17:12)

"sehr taube Eichel"

[...] Vieles was mein Vorschreiber geschrieben hat, trifft auch auch mich zu.

Probleme in der Schule (nur in sitzen und allein pinkeln)

Ersten Sex mit 19 (mann muss sich ja ausziehen) [...]

Eine sehr taube Eichel

Meine Eltern haben mich, auf drängen des Arztes hin, operieren lassen. Keine Ahnung was der denen erzählt hat. [...]  (XDSX, 07.12.08  14:29)

"keinerlei Probleme mit unbehandelter Hypospadie"

[...] ich habe eine nicht behandelte Hypospadie und muss sagen, dass ich gut damit leben konnte und kann. Bei mir befindet sich die Öffnung etwa zwischen Eichel und Schaft, was natürlich dazu führt, dass ich nur an der Oberseite ein kurzes Stück Vorhaut habe, eine sog. dorsale Schürze, wie sie "XDSX" auch bei sich beschrieben hat.

Wenn ich denn so lese, was "BananaSplit" so alles widerfahren ist bin ich heilfroh, dass meine Eltern damals nichts in Richtung Korrektur-OP unternommen haben.

Wie bereits eingangs geschrieben, habe ich keinerlei Probleme mit der H., ich kann im Stehen Wasser lassen, habe bislang auch niemals etwas Abfälliges zu hören bekommen, im Gegenteil, meist wird die Veränderung mit großem Interesse zur Kenntnis genommen.

Deshalb kann ich eigentlich - jedenfalls aus meiner Sicht, sofern nicht sonstige Probleme bestehen - nur raten: Kein Skalpell dorthin lassen. [...]  (hyponobbi, 16.01.09  14:40)

Meine 2 Cent: Bleibt zu hoffen, dass künftig immer mehr Betroffene Mut fassen und ungeschminkt von ihren Erfahrungen mit "Hypospadie" berichten – auf dass auch dieses "letzte Tabu" immer mehr Risse bekommt und irgendwann Geschichte sein wird, ebenso wie alle verstümmelnden kosmetischen Genitaloperationen an wehrlosen Kindern!

>>> Hypospadie: "Kindheit voller Schmerz, Operationen und Isolation" (Tiger Devore)
>>>
Ernst Bilke: "Die Wut ist gut versteckt" - Biographie mit "Hypospadie"
>>> Kosmetische GenitalOPs: Ausklammerung von "Hypospadie" unethisch

Thursday, April 12 2012

Mo 16.4.12: Senat der Philipps-Universität Marburg debattiert Stellungnahme zu kosmetischen Genitaloperationen in Kinderkliniken

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Gratuliere, es ist sein Zwitter!

Das gab es bisher noch nirgends: Auf Initiative von solidarischen Studierenden berät der Senat der Philipps-Universität Marburg am kommenden Montagnachmittag über eine Stellungnahme zu Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken (wie sie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg sowie am Klinikum Fulda, das als Lehrkrankenhaus der Uni Marburg fungiert, leider immer noch an der Tagesordnung sind), siehe nachfolgende PDFs:

>>> Antrag Stellungnahme (Unterlage 06-196)     >>> Tagesordnung 16.4.12 (--> TOP 9)

Und in der Woche drauf geht's gleich weiter: Dann steht nämlich in der Senatssitzung der Justus-Liebig-Universität Gießen ein weiterer Antrag an!

Dieser Blog freut sich riesig und dankt allen Beteiligten ganz herzlich, speziell dem Autonomen Schwulen-Trans*-Queer-Referat im AStA der JLU Gießen und dem Autonomen FrauenLesbenReferat im AStA der Universität Marburg!

Wir sehn uns, wo die Action ist ...

>>> Marburg + Gießen: Proteste + Info + Senatstermine 15.-25.04.2012
>>> Berichte aus der Marburger Senatsdebatte 

Tuesday, March 13 2012

"Eltern dürfen nicht einwilligen" - Oliver Tolmein (Klartext in Ethikrat-Sachverständigen-Stellungnahmen 4)

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1) Auch nach der Veröffentlichung der Stellungnahme des Deutschen Ethikrates (Friedliche Aktion von Zwischengeschlecht.org vom 23.2.12) präsentiert dieser Blog weitere Highlights aus den vom Ethikrat eingeholten, öffentlich zugänglichen "Stellungnahmen von Sachverständigen".

Der Jurist und Journalist Oliver Tolmein gehört ebenfalls zu denjenigen, die schon seit Jahren öffentlich den Finger auf die Missachtung elementarster Grund- und Menschenrechte durch die Genitalabschneider legen. Auch in seiner >>> schriftlichen Stellungnahme an den Deutschen Ethikrat (PDF) spart er nicht mit klaren Aussagen (die der Ethikrat bekanntlich lieber nicht hören wollte):

Nach allen Erkenntnissen, die es gerade über frühe geschlechtszuweisende Eingriffe gibt, ist schwer vorstellbar, dass eine Einwilligung in entsprechende Behandlungseingriffe, die irreversibel sind, dem Wohl des Kindes entsprechen. Damit dürfen Eltern nicht einwilligen. Problematisch ist allerdings, dass es hier keinen Schutz für das Kind gibt, weil in der Regel niemand die Interessen des Kindes gegen die Eltern vertreten wird. [S. 1]

Die Ratio des § 1631c BGB [Sterilisationsverbot bei Minderjährigen] ist, dem Kind für die Zeit seines Erwachsenenseins die Entscheidungsmöglichkeit in grundlegenden, existenziellen Fragen zu erhalten. Dieser Bereich sollte ausgeweitet werden. Es ist nicht ersichtlich, wo hier das Interesse der Eltern liegen könnte, entsprechend irreversible Fakten zu schaffen., wenn das Leben des Kindes nicht andernfalls bedroht wäre. [S. 1]

Ja, da das klassische Arzthaftungsrecht hier aus verschiedenen Fällen nicht wirkungsvoll greift (vgl. Verjährung!, Qualifikation als Behandlungsfehler angesichts des damaligen Wissensstandes [sind Regelungen zur Wiedergutmachung und Kompensation für Betroffene von irreversiblen Operationen angezeigt]. [S. 7]

Da das klassische Entschädigungsrecht nicht greift, sollte eine Stiftung zur Entschädigung gegründet werden, in die einerseits die Versricherung der Kliniken, an der solche Eingriffe durchgeführt wurden, andrerseits der Staat einzahlt.  [S. 7]

>>> Zwitter: Akzeptieren statt zwangsoperieren! - Oliver Tolmein (2002)
>>> "Unrecht der Medizinversuche anerkennen" - Oliver Tolmein (2009)

>>> Chronologie Deutscher Ethikrat 2008-2013

>>> "Es wird weiter an den Genitalien von Kleinkindern geschnitten" - Eva Matt (1)
>>> "Es muss sich grundsätzlich etwas ändern" - Deutscher Hebammenverband (2)
>>>
"Verjährungsvorschriften sind dringend zu überarbeiten" - Konstanze Plett (3)
>>> Ethikratdiskurs: "Wie so oft wird um den heissen Brei herumgeredet"  

Friday, March 9 2012

Living Intersex: Kritik an Mannheimer Genitalverstümmlern aus 2005 - 3 friedliche Proteste ebendort heute

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STOP Genitalverstümmelung in Kinderkliniken!Auch wenn die Medizyner es gerne abstreiten – Kritik von Betroffenen an kosmetischen Genitaloperationen an Kindern ist alles andere als neu!

Auf den Tag genau vor 7 Jahren publizierte beispielsweise Interlife auf ihrem legendären Blog "Living Intersex?!" einen >>> aufmüpfigen Kommentar zum damaligen Verstümmelungsangebot einer Mannheimer Kinderklinik, der Nachwelt erhalten dank archive.org.  

Wie es der Zufall will, werden wir dieses Jubiläum feiern, indem wir heute in Mannheim nebst vor dem Genitalabschneider-Kongress "DGE 2012" auch vor 2 Mannheimer Kliniken mit aktuellem Verstümmlerangebot friedlich protestieren und den Verantwortlichen wie gewohnt jedes Mal einen offenen Brief überreichen.

>>> Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg
>>> "Westliche Form der Genitalverstümmelung"  
>>>
Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter 

Wednesday, February 22 2012

"Die geltenden Verjährungsvorschriften sind dringend zu überarbeiten" - Konstanze Plett (Klartext in Ethikrat-Sachverständigen-Stellungnahmen 3)

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1) Im Vorfeld der Präsentation der Ethikrat-Stellungnahme nächsten Donnerstag 23.2.12 (Aktion von Zwischengeschlecht.org ab 09:30h) präsentiert dieser Blog einige Highlights aus den vom Ethikrat eingeholten, öffentlich zugänglichen "Stellungnahmen von Sachverständigen".

Konstanze Plett schockte schon 2001 an einem Vortrag (PDF) die versammelten MedizynerInnen mit dem Hinweis, dass Zwangskastrationen an Zwittern gegen das Sterilisationsverbot verstossen. 2008 wies sie im Amnesty Journal darauf hin, dass der Kampf westlicher Länder gegen die afrikanische Genitalverstümmelung nur dann glaubhaft ist, wenn auch die Verstümmelungen in den eigenen Kinderkliniken nicht länger ausgeblendet werden. Dieser Blog hat schon über viele weitere solche Beispiele berichtet. Auch in ihrer schriftlichen >>> Stellungnahme an den Deutschen Ethikrat (PDF) brachte Konstanze Plett einmal mehr Klartext. Dafür im Namen dieses Blogs ein herzliches Dankeschön! Nachfolgend einige relevante Ausschnitte:

Nach der Diskussion des letzten Jahres möchte ich betonen: sämtliche Forschung muss unter Einbeziehung Betroffener erfolgen, da diese als einzige wirkliche Erfahrung mit Intersex haben und sich in die sie betreffenden Fachdisziplinen eingearbeitet haben; ihre Erfahrung ist auf jeden Fall mit Fachwissen gleichzusetzen, selbst wenn kein entsprechender akademischer Abschluss vorliegt. Dieses Wissen ist mit Fragebogen nicht ermittelbar, sondern nur durch Dialog und Beteiligung. [S. 1 PDF]

Die Bewertung, dass die elterliche Einwilligung in nicht vital indizierte geschlechtsangleichende Operationen (einschl. Gonadektomie) als Überschreitung elterlicher Befugnisse zu bewerten ist, liegt nicht nur in § 1631c Bürgerliches Gesetzbuch (Verbot der Sterilisation) begründet, sondern vor allem in einer Abwägung der Artikel 1, 2 und 6 Grundgesetz. Danach hat bei medizinischen Eingriffen, die so tief in das Persönlichkeitsrecht eingreifen wie die genannten, im Konfliktfalle das Elternrecht aus Artikel 6 hinter das Recht der minderjährigen Kinder aus Artikel 1 und 2 zurückzutreten, d. h. Einwilligungen in derartige Maßnahmen sind nicht stellvertretungsfähig. [S. 2 PDF]

Ja[, Regelungen zur Wiedergutmachung und Kompensation für Betroffene von irreversiblen Operationen sind angezeigt]. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass damit zum Ausdruck gebracht wird, dass diesen Menschen in ihrer Kindheit und Jugend und dem weiteren Verlauf ihres Erwachsenenlebens Unrecht geschehen ist. Eine wirkliche monetäre Kompensation wäre wohl unbezahlbar. [S. 9 PDF]

Ja, [es sollte einen Entschädigungsfonds für diese Fälle geben,] damit wenigstens symbolisch Kompensation geleistet wird und vor allen denjenigen, die aufgrund der aus heutiger Sicht unrechten Behandlung mit Kosten belastet sind, die ohne diese Behandlung nicht entstanden wären, hierfür Ersatz geleistet werden kann. Heranzuziehen wären die Ärzteschaft, Kliniken und ergänzend der allgemeine Staatshaushalt, da es sich hier auch um ein allgemein gesellschaftliches Problem handelt. [S. 9 PDF]

Die geltenden Verjährungsvorschriften im Zivilrecht und im Strafrecht (in Letzterem ganz besonders) passen nicht auf die Situation intersexuell geborener Menschen und an ihnen vollzogene Eingriffe. Diese Vorschriften sind dringend daraufhin zu überarbeiten, dass intersexuell Geborene auch im Erwachsenenalter noch die Möglichkeit haben, an ihnen vollzogene medizinische Eingriffe gerichtlich überprüfen zu lassen. [S. 9 PDF]

Ein Blick in einschlägige medizinische Publikationen lässt erkennen, dass das Recht am eigenen Bild hier offenbar wenig bis gar nicht beachtet wird, obgleich es nach § 22 Kunsturhebergesetz (KUG) seit über hundert Jahren unter besonderem gesetzlichen Schutz steht. Abbildungen von aus medizinischem Interesse gemachten Aufnahmen fallen unter keine der Ausnahmeregelungen (§§ 23, 24 KUG). [...]

Der Rechtsschutz nach KUG ist derzeit allerdings zu schwach ausgebildet. Strafrechtliche Verfolgung erfolgt nur auf Antrag, ebenso der zivilrechtliche Anspruch auf Schadensersatz nach den allgemeinen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs bzw. Vernichtung rechtswidrig hergestellter Abbildungen nach § 37 KUG. Beides dürfte verjährt sein, wenn die Betroffenen davon erfahren. [...] [S. 9f. PDF]

>>> Chronologie Deutscher Ethikrat 2008-2013

>>> "Es wird weiter an den Genitalien von Kleinkindern geschnitten" - Eva Matt (1)
>>> Stellungnahme Deutscher Hebammenverband (DHV) (2)
>>>
Ethikratdiskurs: "Wie so oft wird um den heissen Brei herumgeredet" 
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter  

Sunday, February 19 2012

"Es gibt keine Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Betroffenen selbst mit den Ergebnissen der operativen Korrekturen überwiegend zufrieden wären" - Deutscher Hebammenverband (DHV) (Klartext in Ethikrat-Sachverständigen-Stellungnahmen 2)

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1) Im Vorfeld der Präsentation der Ethikrat-Stellungnahme nächsten Donnerstag 23.2.12 (Aktion von Zwischengeschlecht.org ab 09:30h) präsentiert dieser Blog einige Highlights aus den vom Ethikrat eingeholten, öffentlich zugänglichen "Stellungnahmen von Sachverständigen".

Diesmal nachfolgend einige relevante Ausschnitte aus der >>> Stellungnahme des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) (pdf), die nicht nur den Finger auf die wunden Stellen der missachteten Rechte der verstümmelten Kinder legt, sondern darüberhinaus auch auf die Tricks, mit denen die Zwangsoperateure bei der Festsetzung ihrer "AWMF-Verstümmlerleitlinien" (Beispiel 1 / Beispiel 2) jegliche kritische Stimmen bequemerweise von vornherein ausgrenzen. Dafür dem Deutschen Hebammenverband (DHV) von diesem Blog ein ganz herzliches Dankeschön für seine mutigen Worte!

Der DHV unterstützt das Anliegen der Organisationen der Intersexuellen Menschen und der Politik bestehende Regelungen auf Veränderungsbedarf zu überprüfen. Unverständlich ist aus unserer Sicht jedoch die Dauer, mit der das Thema diskutiert wird, ohne dass zumindest übergangsweise Regelungen getroffen werden, die von den intersexuellen Menschen selbst als annehmbar anerkannt werden. [...]

Für die Eltern ist jede Abweichung vom Normalen mit Sorgen, Ängsten und Unsicherheiten verbunden. [...] Bei uneindeutigem Geschlecht des Kindes kommt jedoch ein starker sozialer Handlungsdruck hinzu, der eine Eiligkeit suggeriert, die aus medizinischer Sicht nur sehr selten gegeben ist. Die allermeisten Eltern stimmen daher chirurgischen geschlechtszuweisenden Eingriffen zu. Ohne jegliche Evidenz wird in Leitlinien eine operative Korrektur innerhalb der ersten 6 Lebensmonate des Kindes empfohlen. Wegen der scheinbar einfacheren Operationstechnik wird dem überwiegenden Teil der intersexuellen Menschen das weibliche Geschlecht zugewiesen. Rein optisch sind diese Operationen scheinbar erfolgreich.
Tatsächlich kann über Erfolg oder Misserfolg jedoch erst Jahre später durch die betroffenen Menschen selbst entschiedenen werden. [...]

Es gibt keine Studie, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Betroffenen selbst mit den Ergebnissen der operativen Korrekturen überwiegend zufrieden wären. Das bestehende Vorgehen wird allein durch einen medizinischen „Standard“ gerechtfertigt, der in Leitlinien seinen Ausdruck findet.
Aus Sicht des DHV macht dies nur deutlich, dass sich am bestehenden Verfahren zur Erstellung von Leitlinien grundsätzlich etwas ändern muss. Leitlinien werden meist von den Operateuren selbst erstellt, die damit das von ihnen favorisierte Verfahren als Standard festschreiben können. Dem DHV, als Beteiligtem an der Leitlinienerstellung „Neugeborenen-Screening auf angeborene Stoffwechselstörungen und Endokrinopathien“, war es zum Beispiel im Konsensverfahren bislang nicht möglich wesentliche Änderungen an dem Satz zur operativen Korrektur des Genitals bei Mädchen: „Zeitpunkt und Methode sind abhängig von Befund und Operateur.“ zu erreichen. Derzeitig umfassen die Möglichkeiten der operativen Korrektur Maßnahmen wie:

- Entfernung von Ovarien/Hoden, mit der Folge, dass lebenslange, nebenwirkungsreiche Hormonersatztherapie notwendig ist
- Anlegen einer Neo-Vagina bei Säuglingen, mit der Folge traumatisierender Dehnungsprozeduren im Kindesalter
- Verkleinerung von Penis/Klitoris mit der Folge des Verlustes der sexuellen Empfindungsfähigkeit

Derartig weitreichende Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit und sexuelle Selbstbestimmung eines Menschen bedürfen einer individuellen sorgfältigen Abwägung. Wenn möglich können Entscheidungen dazu nur von den betroffenen Menschen selbst nach Erreichen der Geschlechtsreife getroffen werden.

Folgende Maßnahmen und Regelungen sind aus Sicht des DHV notwendig: [...]

Sofortmaßnahmen

  • Unverzügliches Aussetzen der derzeitigen operativen Praxis und Entwicklung eines neuen Handlungsalgorythmus unter ausführlichem Einbezug ethischer Aspekte
  • Anerkennung der erfolgten Schädigung durch Versorgungsämter
  • Übernahme der Kosten für Therapie (Psychotherapie, Hormonersatztherapie) durch gesetzliche Krankenkassen
  • Verbot von Kastrationen vor Erreichen der Einwilligungsfähigkeit der Betroffenen
  • Umfassender Schutz des ungeborenen intersexuellen Lebens

>>> ganze Stellungnahme des Deutschen Hebammenverbandes (DHV) (pdf) 

>>> Chronologie Deutscher Ethikrat 2008-2013

>>> "Es wird weiter an den Genitalien von Kleinkindern geschnitten" - Eva Matt (1)
>>> Ethikratdiskurs: "Wie so oft wird um den heissen Brei herumgeredet" 
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter 

Tuesday, February 14 2012

"Es wird weiter an den Genitalien von Kleinkindern geschnitten" - Eva Matt (Klartext in Ethikrat-Sachverständigen-Stellungnahmen 1)

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)

Am Donnerstag, den 23.02.2012 von 10:30-12:00h wird die Stellungnahme des Deutschen Ethikrats zu "Intersexualität" zu Handen der Bundesregierung vorgestellt werden im DBB-Forum, Friedrichstraße 169, 10117 Berlin. Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org wird ab 09:30h vor Ort präsent sein und daran erinnern, dass nun endlich konkrete Taten angesagt sind zur schnellstmöglichen Beendigung der täglichen Genitalverstümmelungen, und ebenso für eine umfassende Aufarbeitung dieser medizinischen Verbrechen ohne Scheuklappen und "blinde Flecke" (etwa, sobald es um Verbindungen zu NS-Medizynverbrechen geht).

Dieser Blog bringt bis zur Präsentation der Ethikrat-Stellungnahme in loser Folge einige Highlights aus den schriftlichen Stellungnahmen von Sachverständigen, die der Ethikrat – wenn auch erst auf wiederholten Druck von Betroffenen – auf seiner Homepage zum Teil
>>> öffentlich zugänglich machte, und von denen einige sehr deutlichen Kartext enthalten über die kosmetischen Genitaloperationen an Kindern mit "verdächtigen Geschlechtsteilen" a.k.a. Genitalverstümmelung in Kinderkliniken. Dieser Blog wird die Stellungnahme des Ethikrates u.a. daran messen, wie weit sie diesen klaren Statements Rechnung trägt.

Den Anfang machen nachfolgend einige relevante Ausschnitte aus der >>> Stellungnahme der österreichischen Juristin Eva Matt (PDF), die Leser_innen dieses Blogs keine Unbekannte ist. Schon 2009 hatten wir über eine >>> Publikation von Eva Matt in der "Online-Zeitung der Universität Wien" berichtet. Bereits dieser Aufsatz aus dem Jahre 2006 nahm kein Blatt vor den Mund, sprach von "Traumatisierende[n] Eingriffe[n]" und hielt demgegenüber die "die Rechte intersexueller Menschen auf körperliche Integrität und Selbstbestimmung" und ihr "Recht auf eine offene Zukunft" hoch.

Seither hat Eva Matt ihre  Dissertation "Intersexualität aus rechtlicher Perspektive" an der Rechtswissenschaftlichen Universität Wien abgeschlossen, leider ist diese nach wie vor unpubliziert. Jedoch nimmt Eva Matt auch in ihrer Stellungnahme für den Deutschen Ethikrat darauf Bezug.

Von diesem Blog für Eva Matt ein ganz herzliches Dankeschön für ihre mutigen Worte zu Gunsten der Menschenrechte der betroffenen Kinder, von denen sich manch andere "WissenschaftlerInnen", die stattdessen auf dem Buckel der Verstümmelten Mal für Mal lediglich ihr ganz eigenes Partikularinteressen-Süppchen kochen, ruhig mal eine fette Scheibe abschneiden könnten:

Obwohl es keinen einheitlichen Behandlungsstandard gibt und seit über zehn Jahren Langzeitstudien zur Patient/innenzufriedenheit gefordert werden, wird – auf Basis einer unsicheren Datenlage und trotz den Stimmen Betroffener, die von negativen Behandlungsergebnissen zeugen – weiter an den Genitalien von Kleinkindern geschnitten. [S. 1]

Die Befugnis von Eltern, medizinischen Behandlungen an Stelle ihrer Kinder zuzustimmen, hat Grenzen. Diese bestehen dort, wo die elterliche Entscheidung das Wohl des Kindes unberücksichtigt lässt bzw. diesem entgegensteht, oder das Kind durch die Entscheidung der Eltern in seinen Grundrechten auf körperliche Integrität und Selbstbestimmung verletzt würde. Auch der potentielle Wille des zukünftigen erwachsenen Menschen muss so weit wie möglich berücksichtigt werden. [S. 3]

Die Autonomie von Kindern kann mE nicht durch die elterliche Entscheidung substituiert werden, wenn sich die eigenen Ängste, Wünsche und Interessen der Eltern mit ihren Fürsorgepflichten vermischen. Schließlich geht es um geschlechtszuweisende Eingriffe, die oftmals eine Kastration oder Sterilisation bzw die Einschränkung sexueller Funktions- und Empfindungsfähigkeit betreffen. Den Eltern in einer derart persönlichen Angelegenheit ein Mitbestimmungsrecht bzw die Äußerung eines Wunsches zuzugestehen, erscheint mir angesichts der durch die Operation intendierten schweren und irreversiblen Eingriffe geradezu absurd. Zählen kann hier nur, was im Interesse der zukünftigen erwachsenen Person liegt. Und dies ist mE wohl die möglichst weitgehende Dispositionsmöglichkeit über den eigenen Körper. [S. 4]

Dass nicht jeder Eingriff, der im Zuge einer Geschlechts(neu)zuweisung durchgeführt wird, den medizinrechtlichen Begriff der Heilbehandlung erfüllt, wurde gezeigt. Einige der Eingriffe werden wohl – nach den Kriterien des Medizinrechts – im Bereich der kosmetischen Behandlungen anzusiedeln sein (zB die Korrektur einer vergrößerten Klitoris, die Verkleinerung von Labien im Kindesalter) und unterliegen damit nicht der Vertretungsweisen Zustimmung der Eltern. [S. 6]

In Fällen, in denen eine geplante Behandlung den Schweregrad einer medizinischen Behandlung iS § 146c Abs 1 ABGB (genitalverstümmelnde Behandlung) erreicht, sollte das elterliche Zustimmungsrecht prozessual an eine gerichtliche Zustimmungsregelung geknüpft werden.
Darüber hinaus sollte eine inhaltliche Begrenzung der geplanten Maßnahme erfolgen (Klassifizierung der einzelnen Eingriffe in hormonelle/operative – dringende/nicht dringende – invasiv/irreversibel bzw invasiv/reversibel).
Davon ausgehend besteht auch die Möglichkeit, ein „Recht auf offene Zukunft“, also das Verbot bestimmter geschlechtszuweisender Eingriffe zu normieren (Matt, 2006: 144). [S. 8]

Nach meinem Dafürhalten sollte „das Recht" in Bezug auf die (medizinische) Behandlung von intersexuellen Menschen eine aktive Rolle einnehmen und damit Motor für Veränderung sein. [S. 9]

Ich persönlich stehe der Schaffung einer dritten Kategorie sehr kritisch gegenüber. Ich glaube nicht, dass durch die Schaffung einer dritten Geschlechtskategorie der Abschaffung der Kategorie Geschlecht im (Personenstands)recht die Frage der operativen Normierung intersexueller Menschen wegfallen. Auch glaube ich nicht, dass dadurch Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts (der Geschlechtsidentität) nicht mehr vorkommen würden. [S. 11]

Sicherlich wäre es aus Sicht der „Betroffenen“ im Sinne einer Wiedergutmachung der erlittenen Beeinträchtigung angebracht, Entschädigungszahlungen bereit zu stellen. [S. 12]

>>> Ganze Stellungnahme von Eva Matt (PDF)

>>> Chronologie Deutscher Ethikrat 2008-2013

>>> "Intersexualität und Recht" in Österreich - Eva Matt 
>>> Ethikratdiskurs: "Wie so oft wird um den heissen Brei herumgeredet" 
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter 

Thursday, January 26 2012

"Intersex": Deutscher Ethikrat verabschiedet Stellungnahme – Schweizer Ethikkommission startet Anhörungen

>>> Ethikrat-Stellungnahme wird am 23.2.12 in Berlin vorgestellt  
>>> Öffentliche Vorstellung NEK-CNE-Stellungnahme in Bern, 09.11.2012

Friedliche Mahnwache der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org vor dem 'Campus Virchow Klinikum' der 'Charité', 11.11.2011Bild: Friedliche Mahnwache + Offener Brief Kinderklinik "Charité", Berlin 11.11.2011

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Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 26.01.2012:

STOP Genitalverstümmelung in Kinderkliniken!

Schwere Zeiten für westliche Genitalverstümmler: Heute verabschiedet der Deutsche Ethikrat seine mit Spannung erwartete "Stellungnahme zum Thema 'Intersexualität'". Gleichzeitig erhielt in der Schweiz die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK-CEN) vom Bundesrat unlängst ebenfalls den Auftrag zu einer Stellungnahme und startete dazu bereits erste Anhörungen mit Betroffenen und Eltern, im Gegensatz zu Deutschland allerdings hinter verschlossenen Türen.

Ende gut, alles gut?

In beiden Fällen benötigte es zunächst ein gerütteltes Maß an öffentlichem und politischem Druck durch Betroffenenorganisationen, bevor die beiden Regierungen schließlich einlenkten. Und die jeweiligen nationalen Ethikgremien, die zuvor über Jahre aus eigenem Antrieb keinerlei Handlungsbedarf erkennen wollten, zu Stellungnahmen beauftragten:

In Deutschland brauchte es nach 15 Jahren vergeblichen parlamentarischen Vorstößen im Bundestag erst den Umweg über die UNO, bis die Bundesregierung keine andere Wahl mehr hatte als endlich zuzugeben, dass genitale Zwangsoperationen an Zwitterkindern eben doch nicht so unproblematisch sind wie zuvor stets behauptet. Auch beim Deutschen Ethikrat direkt waren Betroffenenorganisationen zunächst über Jahre stets aufs Neue vergeblich vorstellig geworden.

In der Schweiz ging es nicht zuletzt dank von Anfang an breit abgestützten politischen Vorstößen wesentlich schneller, doch ohne langjährige Proteste von Betroffenen wäre es ebenfalls nie soweit gekommen. Noch 2010 hatte der Präsident der Zentralen Ethikkommission (ZEK) der Schweizerischen Akademie der medizinischen Wissenschaften (SAMW) öffentlich verkündet, aus Sicht der ZEK würde die Problematik kosmetischer Genitaloperationen an Kindern "nicht als so brennend und mit großem Handlungsbedarf behaftet gesehen".

Kinderkliniken verstümmeln ungerührt weiter - Politiker schauen weg

Auch in Deutschland propagieren Mediziner-Standesorganisation in allen einschlägigen AWMF-Leitlinien kosmetische Genitaloperationen an Kleinkindern unbeirrbar weiter; sämtliche einschlägigen AWMF-Leitlinien stehen seit Jahrzehnten unverändert auf der niedrigsten Evidenzstufe S1 (z.B. Leitlinien 027/047 "Adrenogenitales Syndrom", 006/026 "Hypospadie", 027/022 "Störungen der Geschlechtsentwicklung"). Bei Überarbeitungen werden Betroffenenorganisationen wenn überhaupt, dann weiterhin erst ganz am Schluss und lediglich alibimäßig konsultiert.

Parallel rüsten viele Kinderklinken, in denen medizinisch nicht notwendige, kosmetische Genitaloperationen an der Tagesordnung sind, massiv auf. Prominentes Beispiel ist die Etablierung eines neuen "überregionalen Zentrums für Kinderurologie und plastisch rekonstruktive Urologie" der Berliner "Charité-Universitätsmedizin", in der die Amputation "übergrosser Kitzler bei jungen Mädchen" seit mindestens 1831 traurige Tradition darstellt (vgl. Hulverscheidt, Weibliche Genitalverstümmelung, S. 113). Während gleichzeitig der Berliner Senat die regelmäßigen Verstümmelungen in Berliner Kinderkliniken unverändert rundheraus leugnet (Drucks. 16/144436).

06.02.2012: 8. Internationaler Tag gegen weibliche Genitalverstümmelung - wiederum unter Ausblendung der Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken?

Seit bald 20 Jahren prangern Überlebende kosmetischer Genitaloperationen im Kindesalter diese öffentlich an als "immens destruktiv für die sexuelle Empfindsamkeit und das Gefühl für körperliche Unversehrtheit" (Cheryl Chase, Sciences, July/August 1993), als "westliche Form von Genitalverstümmelung", "medizinisches Verbrechen" und "fundamentale Menschenrechtsverletzung" – Anklagen, die seit Jahren auch von namhaften internationalen ExpertInnen und Menschenrechtsorganisationen gestützt werden, vgl. u.a. Hulverscheidt 2000, Lightfoot-Klein 2003, Terre des Femmes Deutschland 2004, Asefaw 2005, Terre des Femmes Schweiz 2009, Amnesty International Schweiz 2010, Amnesty International Deutschland 2010.

Die Antwort der verantwortlichen Behandler darauf bis heute: Ablenkungsmanöver, Ausreden, Spott und Hohn – sicher im Wissen, dass sie wegen der Verjährungsfrist juristisch nicht oder kaum je belangt werden können. Wie lange noch?

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

Freundliche Grüße

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org

Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse_at_zwischengeschlecht.info

http://zwischengeschlecht.org
Regelmäßige Updates: http://zwischengeschlecht.info

>>> Anhörung "Deutscher Ethikrat"  
>>>
Anhörung "Nationale Ethikkomission im Bereich der Humanmedizin"   
>>> 06.02.2012: "Null Toleranz für Intersex Genitalverstümmelung!"

>>> Nationale Ethikkommission (NE-CNE):
        Wegweisende "Intersex"-Stellungnahme 

   
Bild: © Dominik Huber

Kurzchronik Deutscher Ethikrat 2008-2013:

>>> Aufforderung um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Dezember 2008
>>> Erneute Anfrage um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Mai 2009 
>>> Forum Bioethik des Deutschen Ethikrates zu "Intersexualität" 23.6.2010 

>>> Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat 

>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org zum Ethikrat-Forum 23.06.2010
>>> "Ethik als Feigenblatt?" - Zwischengeschlecht.org am "Forum Bioethik" 23.6.10
>>> "Ethik als Freifahrtschein, an die Eltern eine ohnehin schon feststehende Entscheidung
        abzudelegieren" - Claudia Wiesemann, Forum Bioethik 23.6.10
>>> Pressemitteilung des Deutschen Ethikrates vom 25.6.10
>>> Veranstaltung des Ethikrates in Berlin 23.6.10
>>> "Ethik als Feigenblatt?" - Zwischengeschlecht.org am "Forum Bioethik" 23.6.10
--> Bayerischer Rundfunk   --> Tagesspiegel   --> Deutschlandradio   --> e-politik   

    
Unzensierte Version: Draufklicken (PDF, 3.3 MB)
>>> Flugblatt zur Anhörung (PDF, 3.3 MB)
         WARNUNG: 2. Seite enthält Operationsfotos!

>>> Übersichtsseite zur Ethikrat-Anhörung 08.06.2011

>>> Ethikrat 08.06.2011: "Wie so oft wird um den heißen Brei herumgeredet"
Video-Statement von Daniela "Nella" Truffer (Zwischengeschlecht.org)

>>> Ethikrat-"Diskurs": Privilegien für Genitalverstümmler, Zensur für Opfer  

>>> Deutscher Ethikrat: "Verstümmeln ist OK,
        solange es nicht um die Geschlechtsidentität geht" 

150 Jahre Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken jetzt beenden!
Ethikrat-Pressekonferenz, 23.2.12 (Bild: © dapd / sueddeutsche.de)

>>> Intersexuelle Menschen e.V.: "Genitaloperationen müssen verboten werden" 

Ethikrat-Stellungnahme 2012 als Freibrief zum Kinderverstümmeln:
>>> Prof. Dr. Dagmar L’Allemand-Jander ("EuroDSD")  
>>> Prof. Dr. Wieland Kiess (Dekan Medizinische Fakultät Leipzig) 

>>> Gesamte Chronologie Deutscher Ethikrat 2008-2013

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>>
Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>>
Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter

Siehe auch:
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller chirurgischen Genitalverstümmelungen in deutschen Kinderkliniken
- USA: Seriengenitalverstümmler Prof. Dr. Dix Phillip Poppas von Ethikerinnen geoutet
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg  
- Genitale Zwangsoperationen: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit) 
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Kosmetische Genitaloperationen an Kindern: Gesetzgeber gefordert
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Offener Brief an das "3rd EuroDSD Symposium", Lübeck 21.5.2011
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen! 
- Zwangsoperationen an Zwittern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag (I)
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Monday, January 23 2012

Hingehen! "Intersex"-Vortrag in Hamburg, Mi 25.1.12 um 19:15h

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Bereits letzte Woche hatte dieser Blog auf die Veranstaltung "Umgang von Medizin und Gesellschaft mit intersexuellen Menschen" am nächsten Mittwochabend in Hamburg lobend hingewiesen.

Inzwischen ist auf der Homepage der AG Queer Studies eine detailliertere >>> Ankündigung online gegangen, die noch einmal verdeutlicht, weshalb sich der Besuch dieses Vortrags lohnt (im Gegensatz zu leider, leider vielen anderen Veranstaltungen, bei denen Zwitter bloss zum x-ten Mal als Kanonenfutter für Anliegen Dritter herhalten müssen).

Dafür allen Beteiligten ein herzliches Danke! 

>>> Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung  

Tuesday, January 17 2012

Aktuelle Veranstaltungen

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Kann ein Zwitter Sünde sein?

Vorschau auf einige Vorträge, in denen "Intersex" auf die eine oder andere Weise eine titelgebende Rolle spielt:

Göttingen, 19. Januar 2012
Friederike Maaßen: „Und was ist es jetzt?“ - Hebammen im Umgang mit Intersexualität bei Neugeborenen
>>> Ankündigung  >>> neuer Ort & Zeit  >>> Kommentare dazu "Der Vortrag stellt eine Abschlussarbeit vor, die Intersexualität in Medizin und Gesellschaft beleuchtet und momentane politische Bewegungen aufgreift. Es kommen Hebammen zu Wort, die ein Kind mit uneindeutigem Geschlecht entbunden haben. Sie erzählen von ihren Erfahrungen im Umgang mit Eltern und Ärzt*innen. Zudem berichten Lehrkräfte für Hebammenwesen, wie Intersexualität in den Lehrplan aufgenommen werden kann, um zukünftige Hebammen für das Thema zu sensibilisieren."
Interessant und hochaktuell klingender Vortrag zu einem wichtigen Thema: Hebammen bringen bekanntlich bessere Voraussetzungen mit zu einem menschlichen Umgang mit Zwitterkindern als die in den Kliniken tonangebenden Genitalabschneider. Nachdem was und Hebammen erzählten, findet jedoch ungünstiger Weise aktuell eher eine Entmachtung der Hebammen statt zugunsten der Verstümmler – mit den bekannten Folgen für die betroffenen Kinder. Während wir gleichzeitig von den Medizynern selbst zu hören bekommen, ene Hebamme würde in ihrer Laufbahn höchstens 0.5 mal ein Zwitterkind zur Welt bringen, weshalb das Thema in der Hebammen-Schulung nix verloren habe, sondern das Kind vielmehr schnell den Medizynern zu übergeben sei – mit den bekannten Folgen. Schön, dass sich das das (geistes-)wissenschaftliche Interesse hier mal auf ein konkretes Thema richtet (statt dass es wie sonst so oft bloss um Gender-Blabla geht).
Nachtrag: Dieser Blog bedauert sehr, dass ausgerechnet die Gleichstellungsbüros und Fachschaftsräten der Sozialwissenschaftlichen und Philosophischen Fakultät und der AStA der Uni Göttingen diesen Vortrag nicht zulassen wollen. Offensichtlich sind sie nicht in der Lage, die Wichtigkeit des Themas (und damit verbunden die Dringlichkeit der Verhinderung künftigen Leids von durch Verstümmelung bedrohten Kinder) zu erkennen. Es ist noch ein weiter Weg ... (Und für manche ist er offensichtlich öfters gar noch etwas länger.)

Dresden, 18.-20. Januar 2012
"Transgender und Intersex in Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft" – Internationale und Interdisziplinäre Konferenz
>>> Ankündigung  >>> Programm (PDF)  >>> letzte Änderungen  >>> Pressemitteilung 9.1.
>>> Offener Brief von Zwischengeschlecht.org vom 18.01.2012 
"[...] treffen sich führende Wissenschaftler_innen der Transgender- und Intersex-Forschung, Künstler_innen sowie Sprecher_innen von Betroffenenorganisationen zu einer internationalen Konferenz [...] Ein Hauptanliegen der Konferenz "Transgender und Intersex in Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft" besteht darin, die biologisch-medizinische Perspektive auf Transgender und Intersex mit einer kulturwissenschaftlichen zu verknüpfen sowie die Erkenntnisse der Wissensform Kunst einzubeziehen.[...] Ein weiteres wesentliches Ziel der Konferenz ist es, Betroffenen Gehör zu verschaffen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren." (Pressemitteilung 1 + 2)
Soweit für diesen Blog ersichtlich, handelt es sich entgegen der vollmundigen Pressemitteilung letztlich leider bloss wieder um die übliche Vereinnahmung der Leiden der real allermeist genitalverstümmelten Zwitter durch privilegierte Dritte, namentlich LGBT & Gender Studies. Während unverändert 90% aller Zwitterkinder uneingewilligt verstümmelt werden (wohlbemerkt auch durch praktische alle Institutionen, an denen die Vortragenden sonst ihre Brötchen verdienen, ebenso wie durch die veranstaltende TU Dresden selbst!), sind die meist grausamen Schicksale der Betroffenen – bzw. die Projektionen Aussenstehender auf "die Zwitter" – einmal mehr bloss Material und Gegenstand "wertfreier" Wissenschaft und Kunst, die sich um die realen Implikationen ihrer "interdisziplinären Diskurse" auf die wirkliche Welt einen Dreck zu kümmern scheint. Soweit diesem Blog ersichtlich wurden von "Intersex"-Seite weder Betroffene noch ExpertInnen eingeladen, die eine konkrete Praxis betreffend Beendigung der Verstümmelungen vorzuweisen hätten, noch geht es irgendwo konkret um die Menschenrechte der verstümmelten Kinder, noch macht sich die ganze Veranstaltung in irgendeiner Form konkret für sie stark. Allem Anschein nach folglich eine ethisch stark fragwürdige Angelegenheit, bei der "Intersex" einmal mehr als mitgemeintes Anhängel zwecks Fördergeldereintreibens für Anliegen privilegierter Dritter herhalten muss – während sowohl in Dresden wie auch den Institutionen der "führenden Wissenschaftler_innen" täglich widerspruchslos weiterverstümmelt wird ...

Hamburg, 25. Januar 2012
Michaela, eine Ärztin aus Halle: Umgang von Medizin und Gesellschaft mit intersexuellen Menschen
>>> Ankündigung (neu)  Empfehlenswerter Vortrag einer Ärztin, die weder Kinder verstümmelt noch Verstümmelungen gut heisst, sondern fundiert argumentiert, warum kosmetische Genitaloperationen an Kindern diesen letztlich nicht Gutes tun, im Rahmen einer Reihe, bei der im Dezember bereits die "Klinefelters" zu Gast waren, und veranstaltet von der "AG Queer Studies", die sich auch sonst schon durch praktische Solidarität und durch konstruktive Auseinandersetzung mit unreflektierten Vereinnahmungen hervortat – auch sowas gibt's zum Glück.

Vorankündigung:
23. Februar 2012 – Daniela "Nella" Truffer im Thurgauer Frauenarchiv (Schweiz)

>>> Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter  

Wednesday, October 26 2011

"Widersprüchliches um Magnus Hirschfeld"

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Auf die >>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 17.10.11 über Magnus Hirschfelds Wirkung bezüglich heutige Genitalverstümmelungen an Zwittern ging über den Sündikat-Verteiler am 20.10.11 eine >>> Replik von Ulrike Klöppel [TGNB/TrIQ/IVIM] und Rainer Herrn [Magnus Hirschfeld Gesellschaft]. Darin wurden uns mehrfach Aussagen unterschoben, die in der Pressemitteilung gar nicht standen. Gleichzeitig wurden die darin konkret angesprochenen Kritikpunkte ausgeblendet wurden und Magnus Hirschfeld stattdessen einmal mehr pauschal zum Zwitter-Wohltäter hochstilisiert. Am 22.10.11 ging die >>> Rückantwort von Zwischengeschlecht.org dazu wiederum über den Sündikat-Verteiler.

Vielleicht kommt es ja irgandwann doch mal noch zu einer sachbezogenen Diskussion über die Folgen von Hirschfelds Werk und Vermächtnis für heutige genitalverstümmelte Zwitter?

(Bild: Dr. Magnus Hirschfeld entsorgt ein amputiertes Zwitter-Lustorgan.  – Standbild aus Rosa von Praunheims Hirschfeld-Filmbiographie "Der Einstein des Sex".)

>>> Offener Brief an Rosa von Praunheim
>>> Magnus Hirschfeld – bestbezahlter Genitalverstümmler seiner Zeit

Thursday, October 20 2011

"Ich möchte ein stumpfes, rostiges Messer nehmen ..." Heidi Walcutt - Zwitter, die kein Blatt vor den Mund nehmen 1

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Heidi Walcutt in 'Hermaphrodites speak!'"Ich möchte einfach ein stumpfes, rostiges Messer nehmen und anfangen Ärzten die Genitalien abzuhacken und sagen: 'Da, du Hurensohn! Was denkst du, wie es sich anfühlt!!'"
- Heidi Walcutt (20.10.1961–10.11.2010)

Das übersetzte Zitat stammt aus dem Video "Hermaphrodites speak!", aufgenommen am 1. internationalen "ISNA Retreat" vor 15 Jahren im Herbst 1996; just dieser Ausschnitt war auch zu sehen im diesjährigen Film "Intersexions"

Von Heidi Walcutt ist zudem ein berührendes Gedicht "Ode to a Life" bekannt sowie die autobiografischen Texte "Time for a Change" und "Physically Screwed by Cultural Myth: The Story of a Buffalo Children’s Hospital Survivor" (in: "Hermaphrodites with Attitude" Fall/Winter 1995-96, PDF --> S. 10) und ein Leser_innenbrief ebendort --> S. 12.

Heidi Walcutts obiges unverblümtes Zitat (das wohl so oder in ähnlicher Form auch anderen Zwangsoperierten schon durch den Kopf ging) und der ungeschminkte Ausdruck ihrer Wut auf ihre Peiniger und deren KollegInnen erregte damals schon Aufsehen und schockierte viele, so dass ihre Aussage auch in der ISNA-Broschüre "Teaching Intersex Issues" (PDF 1.29MB --> S. 7) aufgegriffen wurde: "Warum ist diese Wut schockierend, wenn man bedenkt, was ihr und anderen angetan wurde? Was sagt diese Wut aus über die bisherigen Intersex-Behandlungen?"

Vielleicht liesse sich da noch hinzufügen: "Und was über die politisch Verantwortlichen, die prinzipiell "auf die andere Seite schauen", die "Behandlungen" öffentlich verleugnen und ungehindert weiterlaufen lassen?"

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben  
>>> Dokumentation "Intersex Genital Mutilations" (PDF, 2.4 MB)   [ TRIGGER!!! ]

(Um Missverständnissen vorzubeugen: Dieser Blog befürwortet Redefreiheit, Offenheit, Transparenz und gewaltfreien Widerstand – Maulkörbe, Denkverbote, Geheimnistuerei sowie Gewalt als Mittel zum Erreichen unserer politischen Ziele befürwortet er NICHT.)

Saturday, October 8 2011

Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: "Immer noch wird so früh wie möglich operiert" - Ernst Bilke

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Ernst Bilke: „Immer noch wird so früh wie möglich operiert. Eltern können mit Uneindeutigkeit nicht leben, also wird gehandelt. Später operieren wäre oft möglich, es wäre auch möglich, die Entwicklung des Kindes abzuwarten. Doch die plastischen Chirurgen genießen ihr Experimentierfeld und sind stolz auf ihre Resultate. Die Argumente älterer Intersexueller werden ignoriert. Die Arbeit der Selbsthilfegruppen sei angeblich nicht hilfreich, weil sie die Eltern verunsichern. ‘Bedauerliche Einzelfälle leidvoller Erfahrung’, sagte man mir, ‘dürfen nicht dazu führen, eine optimale Behandlung zu verhindern und das Vertrauen der Eltern in die Ärzteschaft zu erschüttern.’“

Der Baden-Württemberger Ernst Bilke weiss, wovon er spricht als Betroffener von endlosen „maskulinisierenden Korrekturoperationen“ wegen „Hypospadie“, die erst aufhörten, als er alt genug war, sich weiteren „Nachbesserungen“ erfolgreich zu verweigern – zum Bedauern seines Arztes, der „das Ergebnis gerne vervollkommnet“ hätte.

>>> Ernst Bilke: "Die Wut ist gut versteckt" - Biographie mit "Hypospadie"
>>> Hypospadie: "Kindheit voller Schmerz, Operationen und Isolation" (Tiger Devore)

>>> Kosmetische GenitalOPs: Ausklammerung von "Hypospadie" unethisch
>>> IMeV-Schattenbericht CAT 2011: Häufigste Genitalverstümmelungen ausgeblendet 

Tuesday, October 4 2011

Hypospadie: "Meine Kindheit war angefüllt mit Schmerz, Operationen, Hauttransplantationen und Isolation" (Tiger Howard Devore)

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Dr. Tiger Howard Devore ist aktiv in der US-Selbsthilfegruppe "Hypospadias & Epispadias Association (HEA)", die sich für das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen stark macht, und spricht sich seit Jahren immer wieder öffentlich gegen kosmetische Genitaloperationen an Kindern aus.

Laut John Money war Tiger Devore 1984 der erste Intersexuelle, der sich öffentlich im Fernsehen in einer Sendung mit Oprah Winfrey äusserte. Auf seiner Homepage stellt Dr. Tiger diesen und eine Vielzahl weiterer Clips zur Verfügung. Besonders eindrücklich sind seine kürzlichen Auftritte in "Intersexions" (2011) und "Genital Mutilation: America's Double Standard" (2011).

Tiger Devores autobiografischer Text >>> "Aufwachsen im chirurgischen Mahlstrom" ist eines der eindrücklichsten Zeugnisse über den Unsinn der kosmetischen "Hypospadie-KorrekturOPs" an Kindern und das dadurch verursachte, erhebliche und lebenslange Leid. Nachfolgend einige Auszüge:

Ich verbrachte viele Jahre mit chirurgischen Operationen, deren einziger Sinn darin bestand, aus meiner Penisspitze pinkel zu können ["Hypospadiekorrektur"]. Ich bin insgesamt sechzehn mal an meinen Genitalien operiert worden. Bis zum Alter von zehn Jahren schon zehn mal, ziemlich genau einmal pro Jahr. Wenn sie meine Harnröhrenöffnung da gelassen hätten wo sie war: am Penisschaft nahe der Hoden, hätten mir mindestens zwölf Operationen erspart bleiben können.

Meine Kindheit war angefüllt mit Schmerz, Operationen, Hauttransplantationen und Isolation. Ich weiß noch, wie das war, wenn die Schulferien begannen, und die anderen Kinder irgendwo hinfuhren, um Spaß zu haben. Ich musste in den Ferien ins Krankenhaus, damit ich nicht zu viel vom Unterricht versäumte. Wenn die Ferien vorüber waren, kehrte ich in die Schule zurück, oft waren die letzten Operationsnarben noch nicht einmal verheilt. Manchmal hingen mir zu Schulbeginn noch die Schläuche aus dem Körper, man sah die Nähte und Narben, und ich konnte kaum laufen.

Jedes Jahr operierten sie mich, und ich konnte zusehen und fühlen, wie die plastische Chirurgie jedes Mal wieder in sich zusammenfiel. Das hätte auch ihnen auffallen müssen – außer Arroganz und Inkompetenz gab es für viele der Eingriffe, die sie an mir ausführten, keinen Grund.

Die Harnröhre, durch die die meisten Männer pinkeln, ist nicht aus normaler Haut, sondern aus speziellem Endothel, das den Kontakt mit Urin aushält und auch wenn es immer feucht und warm ist, nicht in sich zusammenfällt oder sich ständig entzündet. Die Röhre, die sie mir aus Haut von anderen Körperteilen schufen, löste sich ständig auf und ich bekomme regelmäßig Blasenentzündungen. Und ich muss mich immer noch hinsetzen beim Pinkeln. Ich war niemals ohne Fisteln, diesen Löchern in meinem Penis, wo die Methode versagt hatte. Die gesamte Harnröhre musste zweimal komplett erneuert werden, mit unfangreichen Hauttransplantaten. Wenn sie mich doch nur im Sitzen hätten pinkeln lassen, dann hätten weder ich noch meine Familie all das ertragen müssen – die Kosten, die Schmerzen, die wiederholten Operationen, die Medikamente, die immer wiederkehrenden Transplantatabstoßungen und die Fisteln aus denen der Urin floss. Ich hätte gut damit leben können, aus dem Schaft meines Penis zu pinkeln, statt aus der Spitze, aber dafür nicht in der Empfindsamkeit beeinträchtigt zu sein.

>>> Tiger Howard Devore: "Aufwachsen im chirurgischen Mahlstrom" (1997)

>>> Kosmetische GenitalOPs: Ausklammerung von "Hypospadie" unethisch
>>> IMeV-Schattenbericht CAT 2011: Häufigste Genitalverstümmelungen ausgeblendet

 

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter 

 

Saturday, October 1 2011

Häufigste Intersex-Genitalverstümmelungen ausgeblendet: IMeV-Schattenbericht zur UN-Folterkonvention (CAT 2011)

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Intersexuelle Menschen e.V. (Berichterstatterin: Lucie Veith) hat in Kooperation mit der Humboldt Law Clinic einen weiteren Schattenbericht bei der UNO in Genf eingereicht, diesmal zum "Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CAT)" (>>> PDF 668 KB). Der Bericht wird anlässlich der 47. CAT Session im November 2011 in Genf behandelt werden.

Leider rückt der Bericht (wie schon der vorherige CESCR-Bericht) einmal mehr schamlos die Partikularinteressen (C)AIS-Betroffener ins Zentrum, sprich Kritik an "Gonadektomie (Kastration)" (S. 17f.) und "Feminisierende Operationen" (S. 18ff.), die als einzige konkret behandelt werden, und zwar unter gleichzeitiger expliziter Ausblendung der wohl häufigsten "Diagnose" für Genitalverstümmelungen in hiesigen Kinderkliniken, nämlich "Hypospadie" und weitere "vermännlichende Korrektureingriffe".

Zwar fordert der Schattenbericht in seinen Empfehlungen vollmundig die "Beendigung jeglicher kosmetischer Operationen an den Genitalien von Kindern" (S. 29), doch das verkommt zur Farce, wenn in der konkreten Kritik zum wiederholten Male ausschliesslich auf die Bedürfnisse und Partikularinteressen einer bestimmten Minderheit eingegangen wird. Zudem steht auch hier diese Forderung wiederum erst an 2. Stelle NACH der Forderung nach Beendigung der Gonadektomien.

Paradoxerweise behandeln die angehängten, hochinteressanten Fallberichte auch das durch "vermännlichende" Verstümmelungen angerichtete Leid, bzw. zumindest derjenige von Christiane Völling (S. 39f.). Das Stichwort "Hypospadie" taucht im Fallbericht Nr. 4 (S. 38) ein einziges Mal im ganzen Bericht auf, der Fallbericht scheint jedoch Zusammenhang mit dem verherigen Schattenbericht die Lesart nahezulegen, wäre das Kind "in Richtung männlich korrigiert" worden (statt wie geschildert "verweiblichend operiert"), wäre ja alles OK.

Weiter wird im Fallbericht Nr. 3 (S. 37f.) eine entgegen dem audrücklichen Willen der Eltern vorgenommene "Peniskorrektur" kritisiert, jedoch gleichzeitig eine "fertilisierende operative Hodenverlagerung" unkommentiert als positiv und erwünscht dargestellt.

Dies alles, obwohl Betroffene solcher Eingriffe auch in Deutschland seit langem sowohl "Hypospadie-" und "Peniskorrekturen" (--> Ernst Bilke) wie auch "fertilisierende operative Hodenverlagerungen" als medizinisch nicht notwendige Eingriffe kritisieren und von dadurch verursachten Traumen und lebenslangen Schmerzen berichten. Zudem wurde bekanntlich die Wirksamkeit der "fertilisierenden operativen Hodenverlagerungen" nie wissenschaftliche belegt.

Erst recht, weil bei Intersexuelle Menschen e.V. nach wie vor (C)AIS-Betroffene klar überproportional an den Schalthebeln sitzen, gilt leider unverändert das schon zum letzten CESCR-Schattenbericht angemerkte Fazit:

Ein Verein, der wie Intersexuelle Menschen e.V. für sich in Anspruch nimmt, alle Zwitter zu repräsentieren, deren elementare Menschenrechte mit Füssen getreten werden, müsste hier DRINGEND von der steten Beschränkung des Blickwinkels auf die eigene, persönliche "Besonderheitsperspektive" wegkommen, hin zu einer angemessenen und realitätsentsprechenden Würdigung ALLER Menschenrechtsverletzungen gegen die körperliche Unversehrtheit an Kindern und Erwachsenen mit "auffälligen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen.

>>> http://intersex.schattenbericht.org 

>>> Kosmetische GenitalOPs: Ausklammerung von "Hypospadie" unethisch 
>>> Hypospadie: "Kindheit voller Schmerz, Operationen und Isolation" (Tiger Devore) 
>>> Ernst Bilke: "Die Wut ist gut versteckt" - Biographie mit "Hypospadie"
>>> "Sehr taube Eichel": Erfahrungsberichte zu "Hypospadiekorrekturen"

>>> Warum nicht alle Bio-Zwitter gleich nicht-privilegiert sind   

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