Tuesday, January 17 2012

2 weitere historische Fälle von Genitalamputation an Kindern mit "zu grosser Klitoris" dokumentiert

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)

Noch immer ist in der Öffentlichkeit viel zu wenig bekannt, wie sich die heutigen Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken mit historischen medizinischen Verbrechen zusammenhängen, z.B. mit von Frauenärzten lange Zeit empfohlenen "Klitoris"amputationen bei scheinbar medizinischen Indikationen wie "Onanie", "Tribadismus" ("Lesbianismus") und "Hypertrophie" ("Übergrösse") bis zu Genitalamputationen und anderen menschenverachtenden Humanexperimenten in Nazi-KZs. Sowie dass, während bei "richtigen Frauen" (und Männern) solche Praktiken längst als zu Recht als barbarisch und unhaltbar erkannt und gestoppt wurden, Kinder mit "atypischen" a.k.a. "unfertigen" Genitalien die einzigen sind, bei denen diese unmenschlichen Praktiken letztlich bis heute andauern.

Dieser Blog hat dazu den seinerzeitigen >>> Post zur Genealogie der heutigen Verstümmelungen um 2 weitere historisch belegte Fälle ergänzt:

• 1875 amputierte ein Dr. Berendes in Deutschland einem 4-jährigen "Mädchen [...] auf Wunsch der Eltern [...] die angeblich hypertrophische Clitoris". (Franz Ludwig von Neugebauer: Hermaphroditismus beim Menschen, 1908, S. 282)

• 1892 "schnitt" Henri Albert Hartmann (1860-1952) in Paris "bei einem 7jähr. Mädchen, welches hartnäckig masturbierte, auf Wunsch der Mutter hin die hypertrophische Klitoris ab". (Franz Ludwig von Neugebauer: Hermaphroditismus beim Menschen, 1908, S. 234)

Weitere sachdienliche Hinweise jederzeit willkommen!

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter 

Aktuelle Veranstaltungen

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Kann ein Zwitter Sünde sein?

Vorschau auf einige Vorträge, in denen "Intersex" auf die eine oder andere Weise eine titelgebende Rolle spielt:

Göttingen, 19. Januar 2012
Friederike Maaßen: „Und was ist es jetzt?“ - Hebammen im Umgang mit Intersexualität bei Neugeborenen
>>> Ankündigung  >>> neuer Ort & Zeit  >>> Kommentare dazu "Der Vortrag stellt eine Abschlussarbeit vor, die Intersexualität in Medizin und Gesellschaft beleuchtet und momentane politische Bewegungen aufgreift. Es kommen Hebammen zu Wort, die ein Kind mit uneindeutigem Geschlecht entbunden haben. Sie erzählen von ihren Erfahrungen im Umgang mit Eltern und Ärzt*innen. Zudem berichten Lehrkräfte für Hebammenwesen, wie Intersexualität in den Lehrplan aufgenommen werden kann, um zukünftige Hebammen für das Thema zu sensibilisieren."
Interessant und hochaktuell klingender Vortrag zu einem wichtigen Thema: Hebammen bringen bekanntlich bessere Voraussetzungen mit zu einem menschlichen Umgang mit Zwitterkindern als die in den Kliniken tonangebenden Genitalabschneider. Nachdem was und Hebammen erzählten, findet jedoch ungünstiger Weise aktuell eher eine Entmachtung der Hebammen statt zugunsten der Verstümmler – mit den bekannten Folgen für die betroffenen Kinder. Während wir gleichzeitig von den Medizynern selbst zu hören bekommen, ene Hebamme würde in ihrer Laufbahn höchstens 0.5 mal ein Zwitterkind zur Welt bringen, weshalb das Thema in der Hebammen-Schulung nix verloren habe, sondern das Kind vielmehr schnell den Medizynern zu übergeben sei – mit den bekannten Folgen. Schön, dass sich das das (geistes-)wissenschaftliche Interesse hier mal auf ein konkretes Thema richtet (statt dass es wie sonst so oft bloss um Gender-Blabla geht).
Nachtrag: Dieser Blog bedauert sehr, dass ausgerechnet die Gleichstellungsbüros und Fachschaftsräten der Sozialwissenschaftlichen und Philosophischen Fakultät und der AStA der Uni Göttingen diesen Vortrag nicht zulassen wollen. Offensichtlich sind sie nicht in der Lage, die Wichtigkeit des Themas (und damit verbunden die Dringlichkeit der Verhinderung künftigen Leids von durch Verstümmelung bedrohten Kinder) zu erkennen. Es ist noch ein weiter Weg ... (Und für manche ist er offensichtlich öfters gar noch etwas länger.)

Dresden, 18.-20. Januar 2012
"Transgender und Intersex in Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft" – Internationale und Interdisziplinäre Konferenz
>>> Ankündigung  >>> Programm (PDF)  >>> letzte Änderungen  >>> Pressemitteilung 9.1.
>>> Offener Brief von Zwischengeschlecht.org vom 18.01.2012 
"[...] treffen sich führende Wissenschaftler_innen der Transgender- und Intersex-Forschung, Künstler_innen sowie Sprecher_innen von Betroffenenorganisationen zu einer internationalen Konferenz [...] Ein Hauptanliegen der Konferenz "Transgender und Intersex in Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft" besteht darin, die biologisch-medizinische Perspektive auf Transgender und Intersex mit einer kulturwissenschaftlichen zu verknüpfen sowie die Erkenntnisse der Wissensform Kunst einzubeziehen.[...] Ein weiteres wesentliches Ziel der Konferenz ist es, Betroffenen Gehör zu verschaffen und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren." (Pressemitteilung 1 + 2)
Soweit für diesen Blog ersichtlich, handelt es sich entgegen der vollmundigen Pressemitteilung letztlich leider bloss wieder um die übliche Vereinnahmung der Leiden der real allermeist genitalverstümmelten Zwitter durch privilegierte Dritte, namentlich LGBT & Gender Studies. Während unverändert 90% aller Zwitterkinder uneingewilligt verstümmelt werden (wohlbemerkt auch durch praktische alle Institutionen, an denen die Vortragenden sonst ihre Brötchen verdienen, ebenso wie durch die veranstaltende TU Dresden selbst!), sind die meist grausamen Schicksale der Betroffenen – bzw. die Projektionen Aussenstehender auf "die Zwitter" – einmal mehr bloss Material und Gegenstand "wertfreier" Wissenschaft und Kunst, die sich um die realen Implikationen ihrer "interdisziplinären Diskurse" auf die wirkliche Welt einen Dreck zu kümmern scheint. Soweit diesem Blog ersichtlich wurden von "Intersex"-Seite weder Betroffene noch ExpertInnen eingeladen, die eine konkrete Praxis betreffend Beendigung der Verstümmelungen vorzuweisen hätten, noch geht es irgendwo konkret um die Menschenrechte der verstümmelten Kinder, noch macht sich die ganze Veranstaltung in irgendeiner Form konkret für sie stark. Allem Anschein nach folglich eine ethisch stark fragwürdige Angelegenheit, bei der "Intersex" einmal mehr als mitgemeintes Anhängel zwecks Fördergeldereintreibens für Anliegen privilegierter Dritter herhalten muss – während sowohl in Dresden wie auch den Institutionen der "führenden Wissenschaftler_innen" täglich widerspruchslos weiterverstümmelt wird ...

Hamburg, 25. Januar 2012
Michaela, eine Ärztin aus Halle: Umgang von Medizin und Gesellschaft mit intersexuellen Menschen
>>> Ankündigung (neu)  Empfehlenswerter Vortrag einer Ärztin, die weder Kinder verstümmelt noch Verstümmelungen gut heisst, sondern fundiert argumentiert, warum kosmetische Genitaloperationen an Kindern diesen letztlich nicht Gutes tun, im Rahmen einer Reihe, bei der im Dezember bereits die "Klinefelters" zu Gast waren, und veranstaltet von der "AG Queer Studies", die sich auch sonst schon durch praktische Solidarität und durch konstruktive Auseinandersetzung mit unreflektierten Vereinnahmungen hervortat – auch sowas gibt's zum Glück.

Vorankündigung:
23. Februar 2012 – Daniela "Nella" Truffer im Thurgauer Frauenarchiv (Schweiz)

>>> Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter  

Thursday, January 12 2012

"Intersexualität: 'Wie eine Kastration'" - Die Zeit, 12.1.12

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>>> Nachtrag zu den Kommentaren

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Kann ein Zwitter Sünde sein?>>> Gelungener Artikel von Martin Spiewak und Britta Verlinden in Form eines Streitgespräches zwischen Lucie Veith (Intersexuelle Menschen e.V.) und Olaf Hiort (Chef "EuroDSD"/"Netzwerk DSD/Intersexualität").

Lucie Veith bringt entschieden Klartext wie noch nie, Olaf Hiort seine uns von den friedlichen Aktionen von Zwischengeschlecht.org her bestens bekannte Leier von wegen "Sicher weiß ich jedoch, dass unsachliche Vorwürfe gegen Ärzte den Betroffenen nicht nützen".

Sogar das Reizthema "Hypospadie-Korrektur-OPs" wird kurz angesprochen, wenn auch (noch?) etwas weniger entschieden als andere Verstümmelungformen.

Meine 2 Cent: Höchst erfreulich, dass Lucie Veith im neuen Jahr anscheinend definitiv vom Medizyner-Kuschelkurs herunterzukommen scheint, für den Intersexuelle Menschen e.V. seit Jahr und Tag bekannt bzw. berüchtigt ist. Und nun ihrerseits genau die deutsche und deutliche Wortwahl verwendet (z.B. "Genitalverstümmelung", "zurechtschnippeln", "kastriert", "Moratorium"), für die sie Daniela "Nella" Truffer seinerzeit im Verein rücksichtslos mobbte mit der Begründung: "Wir haben den Fuss in der Tür und dürfen es uns mit den Ärzten nicht verderben". Wenn das mal kein guter Anfang ist ...

>>> Nachtrag: Wie die aktuell 99 Kommentare auf der Welt-Homepage einmal mehr eindrücklich demonstrieren, ist die Vermischung der Menschenrechtsproblematik der Verstümmelungen mit Genderpolitik, wie sie einerseits Hiort propagiert (von wegen Klos an der Ethikratveranstaltung, an der Hiort in Tat und Wahrheit durch Abwesenheit glänzte), und andrerseits Lucie Veith wenig überraschend ebenso ("Geschlechtlichkeit ist kein Entweder-oder", "Ziel muss es sein, Kinder ohne Stereotypen zu erziehen", "Die Gesellschaft ist schon heute viel weiter" usw.) einer breiten Diskussion um die Menschenrechtsverletzungen in den Kinderkliniken alles andere als förderlich. Sondern die Diskussion biegt im Gegenteil promt auf "Geschlechterpolitik" ab, und das eigentliche Thema der Menschenrechtsverletzungen wird schlicht unter den Teppich gekehrt. Was zu beweisen war ...

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Kosmetische GenitalOPs: Ausklammerung von "Hypospadie" unethisch
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter   

Monday, January 2 2012

"Richtige" Menschen vs. "unfertige" Zwitter (Diamond / Beh: "Die Probleme der Informierten Einwilligung und der genitalen Chirurgie an Kleinkindern")

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1) Eine der fiesesten Ausreden der Medizyner gegenüber überforderten Eltern und einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit ist die Behauptung, Zwitterkinder seien "unfertig entwickelte", "unvollständige" (Unter-)Menschen, und die Genitalverstümmelungen würden folglich bloss dazu dienen, diese "unvollständigen" Kinder zu "vervollkommnen" und zu "richtigen" Menschen zu machen – eine "Argumentation", die der infame John Money bereits 1968 popularisierte in seiner Publikation "Sex Errors of the Body" (auf Deutsch 1969 erschienen unter dem Titel "Körperlich-sexuelle Fehlentwicklungen").

Diese "Argumentation" von "richtigen" Menschen vs. "unfertige" bzw. "fehlentwickelte" (Unter-)Menschen a.k.a. "Intersexuelle" liegt auch den Medizyner-Kampfbegriffen von "korrigierenden" und "rekonstruktiven" chirurgischen Genitaleingriffen zugrunde, ebenso der aktuellen Nomenklatur "Störungen der Geschlechtsentwicklung" (ein Kampfbegriff, der unter Medizynern übrigens schon lange vorher gängig war, u.a. findet er sich auch in einem Eintrag in Nellas Krankenakte aus den 1970er Jahren).

Dass es sich bei dieser "Argumentation" in Tat und Wahrheit um eine gravierende Unterlassung der ärztlichen Aufklärungspflicht handelt, hatten Milton Diamond und Hazel Glenn Beh bereits 2000 belegt in ihrem bahnbrechenden Aufsatz "Ein zum Vorschein kommendes ethisches und medizinisches Dilemma: Sollten Ärzte geschlechtsangleichende Operationen an Kleinkindern mit uneindeutigen Genitalien durchführen?". Da dieser wichtige Punkt in diesem längeren Aufsatz mit seinen vielen Themen leicht unterzugehen droht, nachfolgend eine Teilveröffentlichung des entsprechenden Abschnittes, der es auch sonst in sich hat. Die Problematik der Behauptung von der "unfertig entwickelten" Zwitterkindern steht unter "2. Vermittlung unvollständiger Informationen". Der gesamte Aufsatz auf Deutsch findet sich auf intersex.schattenbericht.org. 

INHALT
Die Probleme der Informierten Einwilligung und der genitalen Chirurgie an Kleinkindern
1.  Die Atmosphäre der Eile
2.  Vermittlung unvollständiger Informationen
3.  Die Durchsetzung des Schweigens
4.  Unterlassung der Mitteilung der Ungewißheit des Langzeit-Ergebnisses
5.  Ignorierung des Rechts des Kindes auf eine offene Zukunft
Fussnoten
Anmerkung der Übersetzer

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Saturday, December 31 2011

2012 wird heiß ...

2. Friedlicher Protest vor dem "Royal College of Surgeons of England" anlässlich des
Genitalverstümmler-Weltkongresses "IV. World Congress of the International Society
for Hypospadias and Intersex Disorders (ISHID 2011)"
: Schildergitarren-Wettbewerb
zu "I'm a Pedo Surgeon", London 18.09.2011. (Bild: Nella)

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Menschenrechte auch für Zwitter!

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 Dieser Blog wünscht allen einen guten Rutsch –

 wir sehn uns, wo die Action ist ...



Liebe Freund_innen der Zwitterbewegung

Das letzte Jahr war intensiv, doch wir haben einiges erreicht:

Bei den Anhörungen des Deutschen Ethikrates und der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin in der Schweiz, bei politischen Initiativen im Bundestag und im schweizerischen Nationalrat sowie in zahlreichen Medienberichten von NZZ-Format bis dpa – überall war Zwischengeschlecht.org an vorderster Front mit dabei und konnte erfolgreich durchsetzen, dass die Forderung nach körperlicher Unversehrtheit auch für Zwitter und nach Beendigung der Genitalverstümmelungen unüberhörbar Thema war.

In Aachen, Berlin, Hamburg, London, Lübeck, St. Gallen und Tübingen haben wir mit meist mehrtägigen friedlichen Protestaktionen die TäterInnen unübersehbar daran erinnert, dass wehrlose kleine Kinder verstümmeln NICHT OK ist – und mit zahlreichen Informationsveranstaltungen, Teilnahme an Diskussionen, Pressemitteilungen und dem viel gelesenen Weblog Zwischengeschlecht.info maßgeblich dazu beigetragen, dass immer mehr Menschen von den täglichen Genitalverstümmelungen in unseren Kinderkliniken erfahren.

Dies alles hätten wir nicht schaffen können ohne eure ideelle, tatkräftige und auch finanzielle Unterstützung!

Um auch 2012 weiterhin erfolgreich zum Wohle von Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen einstehen zu können, sind wir auf eure großzügige Hilfe jetzt dringend angewiesen – damit wir auch nächstes Jahr den TäterInnen virtuell und vor Ort Paroli bieten können.

Sich häufende juristische Drohungen und Unterlassungserklärungen von nicht genannt sein wollenden Medizinern und Kliniken legen zudem nahe, dass wir gewappnet sein müssen, unser Recht auf Aufklärung über die medizinischen Verbrechen an Zwittern eher früher als später aufwendig zu verteidigen. Das kostet nicht nur Nerven, sondern auch Geld.

Die künftig einmal unversehrt aufwachsenden Kinder werden es euch danken!

Wir wünschen euch frohe Festtage und einen guten Rutsch.

Liebe Grüße

Daniela Truffer / Markus Bauer / Zwischengeschlecht.org

Mobile +41 (0) 76 398 06 50
info_at_zwischengeschlecht.org

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Spendenkonto: http://zwischengeschlecht.org/post/Spenden 

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Wednesday, December 28 2011

Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: "Täter, Mitläufer und Apologeten: Wer ist an dem Bösen Schuld?"

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Kann ein Zwitter Sünde sein?Um die Verbrechen in den Kinderkliniken endlich zu stoppen, ist es notwendig, die TäterInnen öffentlich zu benennen. Solange die TäterInnen nicht in der Öffentlichkeit blossgestellt und dadurch unmissverständlich damit konfrontiert werden, was nicht nur ihre Opfer, sondern auch die meisten MitbürgerInnen von ihren Taten halten, werden sie von ihrem schädlichen Tun offensichtlich nicht ablassen – weil sonst hätten sie es schon lange getan, seit sie durch die öffentlichen Klagen und Proteste Betroffener seit 20 Jahren wissen, dass sie ihren "Patienten" nicht das Gute tun, das sie vorgeben, aber insgesamt offensichtlich zu verstockt sind, um aus diesem durchaus vorhandenen Wissen die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.

Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, die gesellschaftliche Verantwortung von uns allen einzufordern und aufzuarbeiten, um – wie von mehreren Betroffenenorganisationen auch im Diskurs des Deutschen Ethikrates klar gefordert – anschliessend eine gesellschaftliche Aussöhnung herbeizuführen.

Ein differenziertes Instrumentarium dazu bietet ein Vortrag des Bioethikers Erich H. Loewy, gehalten anlässlich des 2. Symposions "Zur Geschichte der NS-Euthanasie in Wien" vom 8. und 9. Mai 2000 im Psychiatrischen Krankenhaus der Stadt Wien mit dem vollständigen Titel  "Täter, Mitläufer und Apologeten: Wer ist an dem Bösen Schuld? Können wir es in Zukunft verhindern?". Nachfolgend einige relevante Ausschnitte, >>> ganzen Text lesen dringend empfohlen!

[...] über Schuld oder über Verantwortung zu sprechen darf nicht zu einem Abwälzen dieser Verantwortung die wir alle tragen werden. Falls wir wirklich etwas gegen Greuel wie die, die hier geschehen sind unternehmen wollen, so ist es wichtig, daß wir uns nicht mit der Frage wer Schuld war begnügen, sondern daß wir uns auch unserer eigenen Verantwortung klar werden. Es ist deswegen wichtig den Unterschied zwischen Schuld und Verantwortung auszuarbeiten und daraus Konsequenzen zu ziehen.

Um ethisch schuldig zu sein, müssen gewisse Kriterien erfüllt werden. Leute, die wir schuldig heißen müssen: 1) was sie tun bewußt tun; 2) wissen, daß was sie tun verwerflich, oder schlecht ist und 3) die Möglichkeit, es anders zu tun haben. [...] Wenn ich etwas unwissend tue – mir nicht klar ist, daß Mord ein Verbrechen ist – so werde ich nicht für schuldig, sondern für Geisteskrank erklärt werden.

Schuld kann größer, oder kleiner sein. Wenn man unter schwerem Zwang steht, so tut man zwar was man tut wissend, aber man hat allenfalls weniger Wahl – etwas Anderes tun zu können wird erschwert. Wenn man allerdings etwas anderes hätte tun können, so hat man die Wahl – mit einer Pistole konfrontiert könnte man sich zwar weigern mitzumachen, aber wenn man es unter solchem Druck tut, so wäre es vielleicht verständlich. Allerdings wird diese “Pistole” [...] überschätzt: die Wahl war öfters nicht zwischen mittun, oder sterben, sondern zwischen mittun, oder seine Karriere nicht fördern. [...]

Falls man etwas tut, von dem man die Folge nicht wirklich weiß, wäre die Schuld eine viel kleinere. Der Mann, der die Fahrpläne für Züge nach Auschwitz gemacht hat, ohne zu wissen, wo diese Züge hingehen sollten, wäre nicht in demselben Sinne schuldig wie der Kollege, der es sehr wohl wußte. Leider aber wußten es die Meisten die die Fahrpläne machten genau, oder sie haben es absichtlich nicht wissen wollen.

Obwohl Unwissen als mildernder, oder sogar entschuldigender, Umstand gelten kann, so kann Unwissen an und für sich schuldig oder unschuldig sein. “Ich wußte es nicht, weil ich es nicht hätte wissen können” ist etwas ganz anderes als “ich hätte es mehr oder weniger leicht wissen können, wollte es aber nicht wissen – um nicht zu wissen habe ich mich abgewendet.” Es ist klar daß in dem “ich wollte es nicht wissen” bereits ein Wissen oder wenigsten ein Ahnen steckt. Falls ich etwas tatsächlich nicht hätte wissen können, so wäre ich nicht schuldig – ich habe nichts bewußt getan. Falls ich es aber nicht wissen wollte so wußte ich ja bereits etwas – genug allenfalls um zu wissen daß ich davon nichts wissen will. Falls ich etwas nicht wissen will, so habe ich meinen Willen zwischen das Wissen können und das sehr wohl Wissen mit voller Absicht gestellt. Und dann bin ich allerdings schuldig – schuldig nicht nur für was geschehen ist sondern auch schuldig weil ich absichtlich Wissen abgelehnt habe. Wissen ablehenen heißt einem Willen Ausdruck geben.

Es stellt sich die Frage: was ist das was man gewußt, oder nicht gewußt hat? [...]

Verantwortung für etwas zu haben heißt, für etwas zu sorgen, für etwas zuständig zu sein. Es ist eine bestimmte Beziehung zu Anderen, zur Gesellschaft, zur Natur und zu sich selbst. Man kann das Wort verschieden verstehen. Kausalverantwortung bedeutet, daß man in die Kausalkette ohne, oder mit Schuld verstrickt ist. Kausalverantwortung kann schuldig sein – etwa “ich habe es mit voller Absicht getan”, oder “es war was geschehen ist zwar nicht meine Absicht, aber ich konnte was geschehen wird voraussehen und habe es trotzdem getan”. Andererseits kann Kausalverantwortung unschuldig sein “ich konnte es nicht verhindern (oder voraussehen), aber es ist durch mein Tun oder Lassen geschehen – meine Bremsen haben versagt und ich bin in ein anderes Auto hineingefahren.”

Andererseits kann Verantwortung eine Rollenverantwortung sein – als Lehrer oder Arzt habe ich gewisse Verantwortungen. [...] Als Arzt hat man einem Patienten gegenüber eine Verantwortung die ein Laie nicht hat. Ein Ehegatte hat Verantwortungen, die jemand anderer nicht hat.

Und vor allem haben wir als Menschen menschliche Verantwortung -- als Mensch bin ich für meine Mitmenschen verantwortlich. [...]

Schuld ist immer persönlich, Kollektivschuld ist absurd. Verantwortung kann, allerdings, eine kollektive sein. Da ich in einer gewissen Gesellschaft lebe, bin ich für das, was diese Gesellschaft tut oder läßt verantwortlich. [...]

Man kann für etwas keine Schuld haben (also nicht selbst in die Kausalkette verstrickt sein), aber trotzdem dadurch, daß etwas auch ohne sein Dazutun geschehen ist verantwortlich sein. Da ich nicht in der Sklavenzeit gelebt habe, trage ich für die Sklaverei keinerlei persönliche Schuld. Da ich, allerdings, als weißes, männliches in Amerika wohnendes Wesen täglich und ohne es zu wollen durch die Tatsache und durch die historischen Gegebenheiten bevorzugt werde, habe ich die Pflicht, Alles um die Benachteiligung, die Folge der Sklaverei ist gut zu machen – wenn ich das nicht tue, so werde ich für die weitere Benachteiligung Schuld tragen.

Als Miglied einer Gesellschaft, die Kinder, Behinderte und andere Schwache, als  “lebensunwert” deklariertes Leben ermordet hat, trage ich eine gewisse Verantwortung. [...]

Wenn wir noch immer heute Leute behaupten hören, daß entweder sie, oder ihre Eltern und Großeltern “von nichts gewußt haben”, so muß man sich fragen, was dieses “nichts” eigentlich war.

Meine 2 Cent:

Dieselben Fragen stellen sich bekanntlich z.B. auch bei Genitalabschneiderverbänden, der Bundesregierung, dem Berliner Senat, dem Bremer Gesundheits-Staatsrat u.v.a.m., die betreffend der Folgen der täglichen Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken für die Opfer über Jahrzehnte und zum Teil bis heute ebenfalls behaupten, von "nichts" gewusst haben zu wollen – und bei praktisch allen westlichen Gesellschaften, die diese unmenschliche Praxis seit 60 Jahren unwidersprochen in ihrer Mitte dulden ... 

>>> Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter 
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen   

Sunday, December 18 2011

Schweiz: Anhörungen der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK-CNE) zum Thema "Intersexualität/DSD"

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>>> Öffentliche Vorstellung NEK-Stellungnahme in Bern, 09.11.2012
>>> Die Stellungnahme online als PDF (206 kb) 

Als Reaktion auf 2 von Zwischengeschlecht.org initiierte parlamentarische Anfragen im Frühjahr 2011 führt aktuell die schweizerische Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK-CNE) im Auftrag des Bundesrates nicht-öffentliche Anhörungen zum Thema "Intersexualität/DSD" durch. Dabei steht zuerst jeweils einen 10-15 minütiger Redebeitrag eines geladenen Sachverständigen auf dem Programm, gefolgt von einer weiteren Viertelstunde Befragung durch die Mitglieder der Nationalen Ethikkommission.

Den Auftakt machte Nella im Namen der Betroffenen, bei der Befragung unterstützt durch yours truly a.k.a. Markus Bauer. Die beiden unmittelbar folgenden Anhörungen waren betroffenen Eltern gewidmet, darunter Karin Plattner von der CH-Elternselbsthilfe.

Die weiteren von der Nationalen Ethikkommission angefragten Sachverständigen bleiben geheim, auch die (anonymisierten) Protokolle der Befragungen sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Ich hatte deshalb am Schluss der Befragung im Namen von Zwischengeschlecht.org die Ethikkommission auf den hohen öffentlichen Aufklärungsbedarf über dieses Tabuthema hingewiesen und die Mitglieder gebeten, als Beitrag dazu ausnahmsweise die anonymisierten Protokolle aller Anhörungen öffentlich zugänglich zu machen. Dieser Blog wird seinerseits das ihm mögliche tun, um Transparenz herzustellen:

>>> Nellas Redebeitrag zur NEK-Anhörung vom 15.12.11

>>> Schriftliche Stellungnahme von Zwischengeschlecht.org (PDF, 460 kb)
>>>
Fehlende Einsicht der Täter - Nationale Ethikkommisson (NEK-CNE)  
>>> Verstoss gegen die Menschenrechte - Nationale Ethikkommisson (NEK-CNE)  

Daniela "Nella" Truffer: Redebeitrag zur Anhörung der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK-CNE), Bern 15.12.11

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>>> Schweiz: Anhörungen Nationale Ethikkommission (NEK-CEK) 2011-2012  

Daniela Truffer (Bild: NZZ Format, 10.03.2011)

Sehr geehrte Mitglieder der Nationalen Ethikkommission

Mein Name ist Daniela Truffer, ich bin Gründungsmitglied der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org. Ich möchte mich bedanken, dass ich hier im Namen der Betroffenen sprechen darf. Zahllose Betroffene setzen grosse Hoffnung in die Nationale Ethikkommission. Möge die aktuelle Anhörung dazu führen, dass endlich entscheidende Schritte unternommen werden für ein Leben in Unversehrtheit und Würde auch für Menschen mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen.

Ihrem Wunsch entsprechend möchte ich zunächst ein wenig von mir erzählen.

Ich bin 1965 mit einem schweren Herzfehler und uneindeutigem Genitale geboren. Aufgrund meines Herzfehlers wurde ich ein paar Tage nach meiner Geburt notgetauft, da die Mediziner davon ausgingen, dass ich nicht lange überleben würde. Meine Eltern durften mich drei Monate nicht nach Hause nehmen. Mein Vater musste arbeiten, meine Mutter reiste so oft wie möglich aus dem weit entfernten Bergdorf in die Stadt, durfte mich jedoch nur durch eine Glasscheibe anschauen.

Wie die meisten Betroffenen habe ich Bruchstücke der Wahrheit über mein Schicksal erst nach Jahrzehnte langem Nichtwissen und Verdrängen aus meiner Krankenakte erfahren. Wie den meisten Betroffenen wurde auch mir vom zuständigen Spital auf Anfrage zunächst beteuert, es seien keine Akten mehr vorhanden. Erst nach weiterem Insistieren waren dann plötzlich doch noch da vorhanden und ich erhielt schliesslich einige wenige Seiten, weiter sei nichts mehr vorhanden. Erst als ich mit dem Anwalt drohte, erhielt ich einige Tage später ein dickes Paket.

Endlich hatte ich es nun schwarz auf weiss:

Aufgrund meines uneindeutigen Genitales konnten die Ärzte nicht sagen, ob ich ein Mädchen oder ein Junge bin. Später fand man Hoden im Bauchraum und einen männlichen Chromosomensatz XY. Wie 50% aller XY-Intersexuellen habe ich keine genaue Diagnose.

Der Befund meines äusseren Genitales laut Krankenakte:

Prima vista aussehend wie bei AGS. Der Penis ist 2 cm lang, das Scrotum nicht ausgebildet, sondern in Form von zwei Labia majora vorhanden. Kein Sinus urogenitalis, beim Perineum befindet sich die Mündung der Urethra.

Trotz meines lebensbedrohenden Herzfehlers wurde ich Anfang September 1965 im Alter von 2 1/2 Monaten kastriert. Meine Hoden, Nebenhoden und Samenstränge wurden in den Mülleimer geworfen. Zugleich wurde der Sinus urogenitalis zum ersten Mal "eröffnet". Diese Eingriffe wurden laut Krankenakte ohne Einwilligung meiner Eltern vorgenommen und wurden ihnen verschwiegen. Erst später entschieden sich die Ärzte dann doch anders, Zitat Krankenakte:

Entgegen dem früheren Entschluss, den Eltern nichts über die genitale Situation zu sagen, kamen wir nach reiflicher Überlegung überein, den wahren Sachverhalt trotzdem mit den Eltern zu besprechen, [...].

1. Es bestehe ein Herzvitium, welches strengster Kontrolle bedürfe.

2. Ihr Kind sei ein Mädchen und dieses Geschlecht sei ein für allemal festgesetzt.

3. Bei der Operation hatte sich folgender Befund gezeigt: es sei kein Uterus vorhanden gewesen, die Keimdrüsen seien missgebildet gewesen und hätten entfernt werden müssen. Die Vagina sei kurz.

4. Während der Pubertät, d.h. mit etwa 10 – 11 Jahren, müsse das Kind unbedingt strengestens überwacht werden, und es müsse zur rechten Zeit mit einer hormonellen Behandlung eingesetzt werden.

5. Nach der Pubertät müsse eine weitere korrektive Operation (gemeint Vaginalplastik, die Details wurden selbstverständlich nicht mit den Eltern besprochen) durchgeführt werden.

(17. September 1965)

Die Kastration wurde später als Fehler beurteilt, Zitat Krankenakte:

7. Weiteres Procedere: Ich habe den Fall unmittelbar nach der Cystoskopie nochmals mit Herrn Prof. Bettex besprochen. Es liegt seiner Ansicht nach ein männliches Geschlecht mit Hypospadie vor. Obwohl er selbst bei der früheren Beurteilung und vor der Castratio anwesend war, glaubt er retrospektiv doch, dass ein Fehler begangen wurde. Die Situation ist nun jedoch so, dass auf diesem Wege fortgefahren werden muss und aus dem kleinen Patienten ein Mädchen gemacht werden muss. Zur Frage der Vaginalplastik äussert er sich so, dass diese sobald wie möglich durchgeführt werden sollte und nicht erst dann, wenn sich das Kind darüber im Klaren wird.

Auch meine Eltern wurden laut Krankenakte weiterhin belogen und zudem angewiesen, mit niemandem "über die Geschlechtfrage" zu reden. Noch am 3.2.1972 wurden meine Eltern im Glauben gelassen, es seien "missgebildete Ovarien" entfernt worden. Zu einem anderen Zeitpunkt wurde ihnen gesagt, es sei "fraglich", ob "das Mädchen Kinder haben könne". Mir selbst gegenüber wurde noch am 21.8.1979 behauptet, ich hätte eine "Gebärmutter", die allerdings "so klein sei, dass keine Menses zu erwarten seien".

Ich wurde dann doch älter als zunächst prognostiziert. Wegen Voruntersuchungen zur Herzoperation war ich im Alter von 6 1/2 Jahren im Februar 1972 im Krankenhaus. Aufgrund einer Infektion konnten diese Voruntersuchungen jedoch nicht durchgeführt werden. Und da ich schon mal dort war, wurde kurzerhand (Zitat Krankenakte) "die Gelegenheit benutzt, die schon 1965 geplante Genitalkorrektur vorzunehmen". Zugleich erneute "Eröffnung des Sinus urogenitalis".

Aus dem Bericht nach der Operation vom 10.2.1972:

Wichtig für den Wochenenddienstarzt: Falls die Eltern Auskunft über die Kleine wünschen, ist es wichtig zu wissen, was den Eltern über das Mädchen von der "Med. Klinik " gesagt wurde. Es steht in den vorangehenden Seiten unter "Besprechung mit den Eltern".
Post. Op.: Kind zeigt die Zeichen des Schocks.Nachblut. [...]

Starke Hämatome bds. der Clitoris. Rechts bläulich-schwärzliche Verfärbung. Beginn einer Nekrose?

Schwester "Annemarie" war dann für die Wundversorgung und das "nachts beide Hände anbinden" zuständig.

Als ich die Unterlagen zu dieser Operation in meiner Krankenakte fand, dachte ich zuerst an einen Irrtum, meinte, es müsse sich um Unterlagen aus einer anderen Akte handeln. Diese Operation war so traumatisierend, dass ich sie komplett aus meinem Gedächtnis gelöscht hatte. Neben der Erkenntnis, dass ich massiv operiert wurde, hat es mich sehr erschüttert, dass ich das dermassen verdrängt hatte, weil es zu schrecklich war. Ich habe mich dadurch geschützt, hatte mir sogar eine Ersatzerinnerung zurecht gelegt, die darauf beruhte, dass meine Mutter auf mein Nachfragen sagte, dass man mir nur ein bisschen überschüssige Haut entfernt habe, ambulant.

Mit Empörung las ich weiter in der Krankenakte:

Die vorgesehene Clitorisversenkung wurde in Anwesenheit der Eltern mit dem Kinde besprochen. Daniela ist auch mit der Operation einverstanden.

Aufgrund dieser Operation habe ich wiederkehrende Phantomschmerzen, regelmässige Blasenentzündungen sowie ziehende, stechende und pulsierende Schmerzen im Genitalbereich.

Aufgrund der Kastration und der "Hormonersatztherapie" mit körperfremden Östrogenen leide ich unter Stoffwechselproblemen, Hitzewallungen, Müdigkeit, Schwindelgefühlen, und vor einigen Jahren hat man bei mir eine Vorstufe zur Osteoporose diagnostiziert.

Dennoch hatte ich Glück, denn ich habe noch sexuelle Empfindungen, wenngleich oft verbunden mit Überempfindlichkeit oder Schmerzen.
Ich kenne viele Betroffene, die keinerlei sexuelle Empfindungen mehr haben oder andere, die bei sexueller Erregung sehr starke Schmerzen haben. Ich kenne Betroffene, die haben seit Jahren eine offene Wunde zwischen den Beinen, die nicht verheilen kann. Die meisten Betroffenen, die ich kenne, haben keine sexuellen Beziehungen, sind massiv traumatisiert.

Mit achtzehn Jahren wurde bei mir eine Vaginalplastik durchgeführt, in die ich als einzige Operation bewusst einwilligte, da mir gesagt wurde, dass ich "so" nie einen Freund haben könne. Ich habe mir aber geschworen, dass es die letzte sein soll und dass ich danach nie wieder zu einem Arzt gehen würde. Nach dieser Operation hatte ich Jahre lang Alpträume, es sei nicht die letzte gewesen, es stünde mir eine ganz schlimme bevor, in der mein Rumpf vom Unterkörper getrennt werden soll.

Heute habe ich dank einer zehnjährigen Psychoanalyse einen inneren Frieden gefunden, kann wieder vermehrt Nähe und Liebe zulassen. Und dennoch ist es schwierig. Ich fühle mich wie jemand, der nach vierzig Jahren aus dem Koma erwacht ist, seine Hände betrachtet und realisiert, wie die Zeit vergangen ist und wie wenig er vom Leben hatte. Mein körperlicher Urzustand ist unwiederbringlich verloren, meine Würde wurde mir genommen.
Ich werde mein Leben lang unter den Folgen dieser menschenverachtenden Behandlung leiden. Ich bleibe Flickwerk, geschaffen von Medizinern, verletzt, vernarbt. Ich muss mich neu erfinden, wenn ich weiter leben will.

Die prägenden Gefühle aus meiner Kindheit sind Scham, Angst, Ekel, sich verstecken müssen. Die Erwachsenen schienen immer peinlich berührt, meine Eltern waren verunsichert, es wurde einfach nicht darüber geredet.

Ich kenne Betroffene, die haben Jahre lang gedacht, sie seien todkrank, weil offensichtlich etwas war, aber niemand mit ihnen Klartext reden wollte.
Die meisten Betroffenen, die ich kenne, haben ein sehr schlechtes Verhältnis zu ihren Eltern.

Dass ich als Mädchen aufgezogen wurde, war für mich nicht das Problem, ich habe auch nicht das Bedürfnis, jetzt als Mann zu leben. Traumatisierend hingegen waren die Operationen, die Schmerzen, die Angst und die Lügen.

Wäre ich heute erst geboren und in die Fänge der Mediziner geraten, wären Prof. Bettex' seinerzeitige nachträgliche Bedenken wohl von Anfang an zum Tragen gekommen: Statt Kastration und Klitorisverkürzung hätte man wohl eine chirurgische Hodenverlagerung sowie eine Hypospadiekorrektur und Penisaufrichtung durchgeführt und mich zum Jungen gemacht. Sprich: dasselbe in hellblau statt rosarot.

Ich kenne aktuell den Fall eines dreijährigen Kindes, das als Bub aufwächst. Den Eltern wurde gesagt, es brauche nur eine Hypospadieoperation und dann sei alles gut. Jetzt sind es mittlerweile schon drei "Korrekturen". Ich weiss von einer Vielzahl Betroffener, bei denen mehr als ein Dutzend mal "nachgebessert" werden musste. Die ursprünglich keine medizinischen Probleme hatten, mittlerweile aber heftige. Die Mediziner selbst bezeichnen solche Fälle zynischerweise als "Hypospadiekrüppel".

Auch dem obigen Kind wird es wohl wenig nützen, ob es sich nun in der Geschlechterrolle wohl fühlt oder nicht, denn es wird wegen diesen uneingewilligten kosmetischen Eingriffen sein Leben lang psychische und physische Probleme haben.
Auch bei XX-Intersexuellen liegt bei allen mir persönlich bekannten Beispielen die eigentliche Problematik nicht darin, ob sie nun chirurgisch zu Mädchen oder zu Buben gemacht werden, sondern in den psychischen und physischen Folgen dieser uneingewilligten irreversiblen Eingriffe im Kindesalter.

Als problematisch ist in diesem Zusammenhang auch einzustufen, dass in der Schweiz solche Eingriffe über die Invalidenversicherung als Geburtsgebrechen lediglich bis zum 20. Altersjahr übernommen werden, was den Druck der behandelnden Ärzte auf möglichst frühzeitige Operationen zusätzlich erhöht.

Ich selbst bin wohl nur dank Psychotherapie überhaupt noch am Leben und in der Lage, heute hier vor Ihnen zu sprechen. Als besonders stossend empfinde ich dabei, dass für die aus meiner Perspektive verstümmelnden Eingriffe die Kosten stets problemlos übernommen wurden, ich jedoch anschliessend gezwungen war, ein Drittel der Kosten meiner Psychotherapie aus der eigenen Tasche zu bezahlen.

Mir persönlich ist es nicht möglich, auf eine adäquate Hormonersatztherapie mit Testosteron umzusteigen, da dann mein "versenktes" beziehungsweise eingenähtes Genital zu wachsen beginnt, was zu starken Schmerzen führt. Ich kenne jedoch zahlreiche kastrierte XY-Intersexuelle, denen es mit Testosteron viel besser geht als mit Östrogen. Das Testosteron müssen diese jedoch, im Gegensatz zum sie krankmachenden Östrogen, aus der eigenen Tasche bezahlen.

Ich kenne weiter Betroffene, die als Frau leben, denen der Abschluss einer Versicherung zusammen mit dem Partner verweigert wurde, weil herauskam, dass sie chromosomal männlich sind.

Ich kenne eine Betroffene, der kurz vor Abschluss des Adoptionsverfahrens die Adoption eines lang ersehnten Kindes verweigert wurde, weil herauskam, dass sie chromosomal männlich ist.

Denselben Problemen sehen sich umgekehrt auch XX-Intersexuelle ausgesetzt, die als Männer leben.

Allen Lippenbekenntnissen der behandelnden Mediziner zum Trotz werden heute noch 90% aller Kinder und Jugendlichen durchschnittlich mehrfach genitaloperiert, werden die Hälfte der Kinder und 20% der Jugendlichen nach wie vor gar nicht oder unzureichend aufgeklärt. Weiter beurteilen Eltern "die behandelnden Ärzte/Ärztinnen schlechter als Eltern von Kindern mit anderen chronischen Erkrankungen", was unter anderem darauf schliessen lässt, dass auch Eltern heute noch nicht vollumfänglich aufgeklärt werden.

Wie alle mir bekannten Betroffenen hätte auch ich mir komplette Aufklärung gewünscht und keine Operationen ohne meine informierte Zustimmung. Das wäre sicher alles auch nicht einfach gewesen, aber mit dem Gefühl leben zu müssen, dass über einen bestimmt wurde, macht einen kaputt. Und mit den Narben und Schmerzen, mit den psychischen Problemen und mit den gesundheitlichen Folgen. Sofern nicht eine lebensbedrohliche Situation oder sonst eine unmittelbare, zwingende medizinische Indikation vorliegt, dürfen solche schwerwiegenden Entscheide deshalb nur von den Betroffenen selbst gefällt werden.

Mediziner sollen künftig nur für medizinisch notwendige Behandlungen zugezogen werden. Ansonsten sollen spezialisierte Psychologen und Sozialpädagogen Ansprech- und Kontaktpersonen für die Eltern sein. Für den berühmten "psychosozialen Notfall" der Eltern braucht es ein Skalpell am Kind, sondern psychologische und sozialpädagogische Betreuung für die Eltern, und gegebenenfalls später auch für die betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst.

Seit bald 20 Jahren klagen Betroffene die Zerstörung der sexuellen Empfindsamkeit und die Missachtung der körperlichen Unversehrtheit öffentlich an und fordern die Beendigung uneingewilligter kosmetischer Eingriffe, das Recht auf vollumfängliche Aufklärung und Selbstbestimmung, die Aufarbeitung eines dunklen Kapitels der Medizingeschichte und eine gesellschaftliche Aussöhnung.

Im Namen der heutigen Betroffenen, vor allem aber im Namen der heute noch Ungeborenen, bitte ich die Nationale Ethikkommission inständig um Hilfe, für ein Leben in Unversehrtheit und Würde auch für uns. Vielen Dank!

>>> Schweiz: Anhörungen Nationale Ethikkommission (NEK-CEK) 2011-2012  

>>> Schriftliche Stellungnahme von Zwischengeschlecht.org (PDF, 460 kb)
>>>
Fehlende Einsicht der Täter - Nationale Ethikkommisson (NEK-CNE)  
>>> Verstoss gegen die Menschenrechte - Nationale Ethikkommisson (NEK-CNE) 

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter  

Tuesday, December 6 2011

Heute und morgen in Funk und Fernsehen: Wiederholung "Kontext" (DRS2, 6.+7.12.), "Quarks & Co" (WDR, 6.12.)

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>>> Nachtrag 

Kann ein Zwitter Sünde sein?

Heute und morgen wird auf Radio DRS2 jeweils morgens um 9:06-09:35h und abends um 18:30-19:00h die preisgekrönte 2-teilige Sendung von Katharina Bochsler über "Intersexualität" wiederholt (der vor allem empfehlenswerte 2. Teil folgt morgen 7.12. zu denselben Zeiten, die Sendung kann auch jederzeit >>> online nachgehört und/oder heruntergeladen werden).

Heute abend 6.12. wird zudem auf WDR im "Wissenschaftsmagazin Quarks & Co" von 21:00-21:45h ein Beitrag über "Transsexualität" ausgestrahlt, laut [ursprünglicher] >>> Vorschau ist darin abschliessend auch ein Clip mit dem Titel "Intersexualität: Weder Frau noch Mann?" enthalten, angekündigt wie folgt:

"Ist es ein Mädchen oder ein Junge? Das ist die erste Frage, die sich Eltern nach der Geburt ihres Kindes stellen. Meistens ist sie leicht zu beantworten, dabei ist das keine Selbstverständlichkeit; schon kleinste Abweichungen im Chromosomensatz lassen die Grenzen zwischen den Geschlechtern verschwimmen."

Ob dabei auch Konstruktives und Relevantes (z.B. Menschenrechte im Allgemeinen und Recht auf körperliche Unversehrtheit im Besonderen) enthalten sein wird oder nur "gestörtes Medizyner-Blabla", wird sich zeigen ... Auch dieser Clip sollte (wie ebenfalls der Rest der Sendung) nach erfolgter Ausstrahlung für einige Zeit >>> online verfügbar sein.

Nachtrag: In der Sendungsübersicht ist der "Intersex"-Beitrag inzwischen nicht mehr aufgeführt, sondern nur noch >>> separat erhältlich hier (inkl. Transkript). Der Kurzbeitrag ist nicht besonders seriös recherchiert, wichtiger scheinen "Quarks & Co" eh animierte Grafiken von fragwürdiger Aussagekraft. Relativ bemerkenswert dagegen die Schlusssätze (abgesehen von der "obligaten" Reduzierung der Problematik auf die "Richtigkeit" der "Geschlechtswahl" unter Auslassung der Folgen der Operationen an sich inkl. Verlust des sexuellen Empfindens, Narben, Schmerzen etc.):

"Werden Kinder mit Merkmalen beider Geschlechter geboren, finden auch heute noch unmittelbar nach der Geburt Operationen an ihnen statt. Die Mediziner richten sich dabei häufig nur nach dem ersten Augenschein und liegen daher meist falsch. Die betroffenen Kinder leiden ihr ganzes Leben unter dieser Fehlentscheidung."

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter

Sunday, November 27 2011

"Das dritte Geschlecht" - Welt am Sonntag, 27.11.11

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Die Zwitter Medien Offensive™ verkehrt sich in ihr Gegenteil?!

Kann ein Zwitter Sünde sein?>>> Schlecht recherchierter und typisch vereinnahmender Artikel von Judith Luig, die bestimmt noch nie um die Unversehrtheit ihrer eigenen Genitalien fürchten musste, dafür aber offensichtlich unter einer Überdosis Vereinnahmung a.k.a. "persönliche Geschlechtsidentitätsuche" leidet sowie unter einer Überdosis "heimliche Sympathien für GenitalverstümmlerInnen in Kinderkliniken". Passend dazu wurde das Ganze von der Welt veröffentlicht in der Rubrik "Lifestyle".

(Nachtrag: Die >>> ursprüngliche Version des Onlineartikels von 06:22h kam noch mit oben zitiertem kurzem Titel und ohne Bilder daher. Die >>> spätere Version von 17:58h trägt neu den "passend" ausgebauten Titel "Identität: Das dritte Geschlecht – männlich, weiblich, intersexuell" und strotzt vor voyeuristischen Bildstrecken mit transsexuellen Models, "Frauen in Männerkleidung", "Marmorfigur eines schlafenden Hermaphroditen im Pariser Louvre", "Das Geheimnis des weiblichen Sexualorgans", "Variationen der [weiblichen] Schamhaarfrisuren" usw. – ein Schelm, wer Böses dabei denkt ...)

(Nachtrag 2: In der "Welt"-Onlineredaktion geht es offenbar her und zu wie im Zwangsoperationssaal: Mittlerweile hat's der Artikel schon auf eine dritte "nachgebesserte" Version gebracht mit dem Titel "Geschlechtsidentität: Männlich, weiblich – und bald auch intersexuell?" – und kurz darauf gar schon auf die >>> vierte, nochmals "nachkorrigierte" Version von 19:09h mit nochmals "vereindeutigtem" Titel "Das dritte Geschlecht: Männlich, weiblich – und bald auch intersexuell?")

Stichwort "schlecht recherchiert":

• Zitat Welt: "Der Mediziner Olaf Hiort, der sich seit Längeren mit "geschlechtsangleichenden Operationen" beschäftigt, spricht von "mehreren Tausend", Vertreter von Interessengruppen sogar von 40 000 Menschen in Deutschland." Fakt bleibt, Betroffenenorganisationen, der CEDAW-Schattenbericht und auch medizynische Fachbücher (z.B. Pschyrembel Wörterbuch Sexualität) sprechen demgegenüber seit Jahr und Tag von 80'000-120'000 Betroffenen.

• Zitat Welt: "Frau, die sich in den Medien Karin Plattner nennt." Fakt bleibt, die sich als seröse Journalistin ausgebende Judith Fleig hat offensichtlich noch nie mit der sehr wohl realen Karin Plattner gesprochen, oder nur schon mal deren Namen gegoogelt

• Zitat Welt: "Bislang sieht das Gesetz vor, dass das Kind spätestens nach einer Woche eingetragen werden muss. Mit Namen und Geschlecht." Fakt bleibt, §7 Personenstandsverordnung (PSTV) lautet seit dem 01.01.2009 wie folgt (vgl. auch die Hebammenbroschüre von Intersexuelle Menschen e.V. (PDF) --> S. 13): (1) Fehlen Angaben oder Nachweise für die Beurkundung eines Personenstandsfalls, kann das Standesamt die Beurkundung zurückstellen. Die Beurkundung des Personenstandsfalls ist in diesem Fall in angemessener Frist nachzuholen.

Die Liste liesse sich fortsetzen ....

Stichworte "Vereinnahmung" & "Medizynerpropaganda":

Die Tendenz hinter dem Artikel offenbart sich rasch durch einen Vergleich der benutzten Worte und angesprochenen Themen mit den darin unterschlagenen.

a) "Zufällig" glänzen von Betroffenenorgansiationen seit 15 Jahren als zentral gesetzte Begriffe und Fakten konsequent durch Abwesenheit (im Gegensatz übrigens zu Ethikrat und Bundestag, die solche durchaus in die Betrachtung aufnahmen):

Körperliche Unversehrtheit: 0
Menschenrechtsverletzung (oder nur schon Menschenrecht): 0
Genitalverstümmelung: 0
Parallelen zur weiblichen Genitalverstümmelung: 0
Verlust der sexuellen Empfindsamkeit als reale Folge der Verstümmelungen: 0
physisches Leiden als Folge der Verstümmelungen: 0
Kastration: 0
usw.

b) Stattdessen wimmelt der Artikel vom Titel bis zum Schlussatz von zentral gesetzter "Genderkacke", mit der die allermeisten Betroffenen sehr wenig bis gar nichts am Hut haben (auf denen aber Interessensgruppen Dritter, die regelmässig auf Kosten verstümmelter Zwitter ihr eigenes politisches Süppchen kochen, stets herumreiten):

Geschlecht[...]: 14
Geschlechtsidentität: 3
Geschlechtseintrag: 2
Störung der Persönlichkeit: 1
usw.

Passend dazu wird weiter die zentrale Forderung der Betroffenen, nämlich "keine kosmetischen Eingriffe bzw. keine medizinisch nicht unmittelbar notwendige Eingriffe ohne informierte Zustimmung der Betroffenen selbst" im Artikel umformuliert zur Frage, "Ob man ohne die Zustimmung des Kindes medizinisch eingreifen darf, auch wenn das Leben des Säuglings oder Kleinkindes gar nicht unmittelbar bedroht ist [...]." 

Da hilft es leider kaum noch, wenn zwischendurch die Bundesvorsitzende von "Intersexuelle Menschen e.V." (was im Artikel nicht offengelegt wird) "Lucie Veit[h] [!], die Operationen ohne medizinische Indikation "Menschenversuche" nennt" oder kurz auf die von diesem Blog seit Jahr und Tag angeführte Statistik der VerstümmlerInnen selbst verweisen darf, wonach "58 Prozent aller betroffenen Kinder [...] bevor sie vier Jahre alt seien bereits eine Operation hinter sich" haben – dass die über 4-Jährigen durchgehend zu teils über 90% verstümmelt sind, bleibt bequemerweise unerwähnt ...

Noch weniger hilft es, wenn Ebenfalls-IMeV-Vorstandsmitglied Claudia Kreuzer (ebenfalls ohne Offenlegung) im Vorbeigehen "lebenslange[...] Traumata der Betroffenen" durch die Operationen anspricht – was sie allerdings gleich selber disqalifiziert, indem sie Opfern von Verstümmelungen an erster Stelle dadurch hervorgerufene "Störung[en] der Persönlichkeit" unterjubelt ... 

Meine 2 Cent:

Alle, die schon mit Medien zu tun hatten, wissen, dass diese bzw. JournalistInnen oft vor allem ihre eigene Agenda pflegen und mensch dort schnell mal "leicht" anders zitiert wird als eigentlich gemeint. Und dass deshalb Medienarbeit grosse Sorgfalt und Aufmerksamkeit erfordert und (im Gegensatz zu weitverbreiteten Vorstellungen) letztlich mit einem gerüttelten Mass an Verantwortung beladene, tatsächliche Knochenarbeit bedeutet.

Jedoch insbesondere bei Veröffentlichungen in der Sonntagspresse, bei denen mensch in der Regel problemlos auf Gegenlesen und ggf. nachträglichen Korrekturen zumindest der eigenen Aussagen bestehen kann, wäre es wohl fraglos möglich, mehr Klartext zu platzieren als in obigem Machwerk. Was zur möglichst baldigen Beendigung der täglichen Genitalverstümmelung in hiesigen Kinderkliniken bekanntlich dringend Not täte ...

Es ist nach wie vor entscheidend, das Thema in der Öffentlichkeit und insbesondere in den Medien präsent zu halten, um über die medizynischen Verbrechen in den Kinderkliniken aufzuklären (und es bleibt zu hoffen, dass auch dieser schlechte Artikel dazu immer noch einen Betrag leisten vermag). Doch ohne genügend Klartext und standhaftem Bestehen auf zentralen Begriffen wie "körperliche Unversehrtheit", "Menschenrechtsverletzungen", "physisches Leid durch Genitalverstümmelungen" usw. verkehrt sich diese Absicht früher oder später womöglich schnell mal in ihr Gegenteil ... (Nachtrag: Mit der bebilderten Neuversion des Artikels wohl eher früher als später ...)

>>> "Genitalkorrekturen" in Kinderkliniken: Westliche Form der Genitalverstümmelung
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter

Saturday, November 26 2011

"Europäischer Journalistenpreis 2010" für Britta Dombrowe und "Tabu Intersexualität"

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Standbild aus "Tabu Intersexualität"

2 Tage nach einer Auszeichnung für eine Radiosendung zum Thema in der Schweiz und 2 Tage vor der historischen Bundestagsdebatte räumte auch in Deutschland eine Journalistin einen Preis ab für eine Produktion mit bewegenden Interviews mit Betroffenen.

Nämlich die Filmemacherin Britta Julia Dombrowe den ('sinnigerweise' von Bayer gesponserten) >>> "Europäischen Journalistenpreis 2010" des Verbands Deutscher Medizinjournalisten (VDMJ) für ihre letztjährige >>> Arte-Doku "Tabu Intersexualität" u.a. mit Christiane Völling und der unversehrt aufwachsenden Inge und ihrer Familie (auch Daniela "Nella" Truffer und yours truly a.k.a Markus Bauer hatten darin einen Cameo-Auftritt, siehe Bild oben). Britta Julia Dombrowe erhielt den Preis zusammen mit dem Dokumentarfilmer John A. Kantara.

"Tabu Intersexualität" polarisierte seinerzeit Betroffene stark – auch dieser Blog hatte einige konkrete Kritikpunkte, kam jedoch unter dem Strich zu einem positiven Verdikt
(>>> ausführliche Besprechung). 

Besonders (selbst-)entlarvend waren im Film (später auf diesem Blog als Teiltranskripte veröffentlichte) Aussagen von Seriengenitalabschneidern, namentlich von "EuroDSD"-Chef >>> Olaf Hiort (Lübeck) und die des nicht minder berüchtigten Kinderchirurgen >>> Pierre Mouriquand (Frankreich).

In einem >>> Interview der Regisseurin Britta Julia Dombrowe zum Film hatte sie zur Entstehung von "Tabu Intersexualität" obendrein u.a. öffentlich zu Protokoll gegeben:

2007 arbeitete ich an einem Film über afrikanische Frauenbeschneidung. Ich sprach mit einer Medizinhistorikerin, die sagte: ,Wir regen uns darüber auf, wie andere Länder die Genitalien manipulieren. Dabei passiert es mit intersexuellen Menschen in europäischen Krankenhäusern sehr häufig, dass Genitalien angeglichen werden.’ Das hat mich schockiert. So bin ich drangeblieben. Ich konnte die Diskrepanz nicht vertragen, dass wir uns einerseits darüber aufregen, was anderswo passiert – gleichzeitig wird es bei uns hinter verschlossenen OP-Türen ganz ähnlich gemacht.

Viele Menschen sind so nachhaltig traumatisiert, dass sie Probleme mit Sexualität und Partnerschaft haben. Auch die Organe, die man ihnen anoperiert hat, werden oft nicht als lustspendende Organe empfunden. Die meisten sagen: Ich wäre am liebsten so geblieben, wie ich war.

Zuvor hatte Britta Julia Dombrowe u.a. die Veröffentlichung von >>> Christiane Völlings bewegender Autobiographie als Co-Autorin unterstützt.

Dieser Blog gratuliert der engagierten Journalistin Britta Julia Dombrowe für den verdienten Preis – und hofft, dass dadurch noch mehr BürgerInnen von den heute noch andauernden Genitalverstümmelungen und sonstigen medizinischen Verbrechen in unseren Kinderkliniken erfahren werden!

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter  

Thursday, November 24 2011

Historische Debatte im Bundestag: "Intersex"-Genitalverstümmelungen stoppen – keine Genderpolitik auf Kosten der Opfer (17/5528)

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!»Aktion von Zwischengeschlecht.org, 6.2.2011 (Bild: NZZ Format)

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Nachtrag [UPDATED]:

Das war eine historische Debatte! Besonders erfreulich, dass – entgegen dem vereinnahmenden ursprünglichen Antrag der Grünen, vgl. untenstehende Pressemitteilung – praktisch alle RednerInnen sich sehr konkret und kritisch über kosmetische Genitaloperationen ausließen (sogar die Parallelen zur weiblichen Genitalverstümmelung wurden explizit erwähnt), und dass durchs Band betont wurde, dies sei erst der Anfang und dass Taten folgen müssen. Dies alles wird den Druck auf die Zwangsoperateure fraglos weiter erhöhen. Somit ist es trotz aller Vereinnahmung (siehe unten) ironischerweise auch das Verdienst des "Intersex"-Antrags 17/5528 der Grünen, einen historischen politischen Prozess konkret in Bewegung gesetzt zu haben. Dafür von diesem Blog an alle Beteiligten ein herzliches Danke!

Mittlerweile sind alle gehaltenen Redebeiträge als Videos zum online nachhören/herunterladen verfügbar:

>>> Gesamtaufnahme der 17/5528-Debatte mit allen gehaltenen Redebeiträgen (43:44)
>>>
Einleitung d. Vizepräsidentin Petra Pau (00:21)    >>> Monika Lazar (B90/Grüne, 05:20)
>>> Dr. Peter Tauber (CDU/CSU, 09:26)    >>> Christel Humme (SPD, 06:14)
>>> Sibylle Laurischk (FDP, 07:13)    >>> Rede Linke zu Prot. geg., VP Petra Pau (00:06)
>>> Jürgen Klimke (CDU/CSU, 7:49)    >>> Angelika Graf (Rosenheim) (SPD, 6:44)
>>> Überweisung durch Vizepräsidentin Petra Pau (00:26)

Sibylle Laurischk (FDP): "dass niemand das Recht hat,
an den Genitalien eines Kindes oder Jugendlichen
herumzuschneiden"

Ebenso ist das >>> schriftliche Protokoll (PDF, 1.4MB) online (Debatte zum Antrag 17/5528 siehe S. 17174-17181 sowie 17183-17184), inkl. dem direkt zu Protokoll gegebenen >>> Redebeitrag von Barbara Höll (Die Linke) im Anhang (S. 17183-17184).

>>> Kommentare auf dem Hermaphroditforum 
>>> Pressemitteilung des Bundestages, 25.11.2011
>>> Preseemitteilung der SPD, 25.11.2011 

Siehe auch:
- CEDAW im Bundestag: Nach bekanntem Muster
- Bundesregierung deckt weiterhin ZwangsOPs (16/13269)
- Bundesregierung: Leugnen, Wegschauen, Schweigen wie gehabt ... (16/13270)
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen
- Faule Eier für "die Bundesregierung"! 


Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 23. November 2011:

Bundestag: "Intersex"-Genitalverstümmelungen stoppen – keine Genderpolitik auf Kosten der Opfer (Do 24.11.2011, 19:20-20:15h)

INHALT
1.  Jeden Tag wird ein wehrloses Kind verstümmelt
2.  Verstoß gegen Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit
3.  "Wir operieren das inzwischen 4-10 Mal pro Woche"
4.  Grüne: "Geschlechterpolitik" auf Kosten der Verstümmelten
5.  Keine Tätersprache, bitte!
6.  Körperliche Unversehrtheit ist das erste Gebot!
7.  Diskussion über gesetzliches Verbot notwendig
Anhang: Aktuelle Stellungnahmen

1.  Diagnose "auffälliges Genitale": Jeden Tag wird in Deutschland in einer Kinderklinik mindestens ein wehrloses Kind irreversibel genitalverstümmelt.

Die Mediziner nennen es "korrigierende" und "angleichende Eingriffe", neuerdings auch "Rekonstruktionen".

Überlebende Betroffene berichten ihrerseits von Genitalverstümmelungen, von uneingewilligten Zwangsoperationen ohne Evidenz und medizinische Notwendigkeit, von Zwangskastrationen und von medizinischer Folter.

2.  Kosmetische Genitaloperationen an Kindern verstoßen gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit

Seit 1950 propagieren und praktizieren Mediziner systematisch medizinisch nicht notwendige Genitaloperationen an Kindern mit "atypischen Genitalien". Laut BMBF-finanzierten Studien werden in Deutschland 90% dieser Kinder durchschnittlich mehrfach kosmetisch genitaloperiert – mit verheerenden Folgen und hohen Komplikationsraten.

Seit 1993 klagen Betroffene öffentlich über "Verlust der sexuellen Empfindsamkeit" und "Verletzung der körperlichen Unversehrtheit" und fordern die Beendigung von kosmetischen Eingriffen ohne informierte Zustimmung der Betroffenen selbst.

Die Mediziner jedoch stellen sich taub und verstümmeln unbeirrbar weiter bis heute:

3.  "Wir operieren das inzwischen vier bis zehn Mal pro Woche",

gibt etwa in der gestern mit dem "Europäischen Journalistenpreis" ausgezeichneten ARTE-Dokfilm "Tabu Intersexualität" von Jutta Dombrowe ein bekannter Kinderchirurg zu Protokoll.

Und: Es gebe keine Garantie, "dass sich bei einer Klitorisreduktion die Empfindsamkeit nicht verändern würde. Das kann keiner."

Der Lübecker "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort rechtfertigt in derselben Dokumentation kosmetische Genitaloperationen an Kindern seinerseits lakonisch als "in unserer Gesellschaft letztendlich der übliche Weg".

4.  Grüne: "Geschlechterpolitik" auf Kosten der Verstümmelten

Seit 15 Jahren sind Betroffene solcher nicht-eingewilligter Eingriffe auch (scheinbar) Thema im Bundestag. Das nächste Mal morgen Donnerstag, 24.11.2011, von 19:20–20:15 Uhr (Drucksache 17/5528).

Jedoch, statt endlich die Beendigung kosmetischer Genitaloperationen in den Kinderkliniken ins Zentrum zu stellen, soll nach dem Antrag der Grünen konkret einmal mehr einzig am Personenstandsrecht gedreht werden.

Angestrebtes Ziel der Grünen: dass künftig "bei der Angabe „Geschlecht“ nicht nur zwei Antworten möglich sind" – bekanntlich ein politisches Anliegen ganz anderer Interessensgruppen (die wohlbemerkt noch nie um die Unversehrtheit ihrer eigenen Genitalien zu fürchten brauchten!).

Dabei wehren sich Betroffene von kosmetischen Genitaloperationen in Kinderkliniken seit langem explizit gegen solche politischen Vereinnahmungen durch Dritte.

Stattdessen wünschen sich Betroffene vom Bundestag, dass ihr ureigenes, legitimes und begründetes Anliegen nach Beendigung der Verstümmelungen endlich ernst genommen und konkret angepackt wird – statt letztlich einmal mehr bloß chancenlose "Genderpolitik" auf ihre Kosten zu betreiben.

5.  Keine Tätersprache, bitte!

Erst unter ferner liefen und ohne konkrete gesetzgeberische Konsequenzen werden im Antrag der Grünen kosmetische Genitaloperationen beschönigend umschrieben als "prophylaktische[s] Entfernen und Verändern von Genitalorganen [...] bei intersexuellen Kindern".

Das ist Tätersprache! Kosmetische Eingriffe als "Prophylaxe" ausgeben zu wollen würde keinem Betroffenen einfallen.

6.  Körperliche Unversehrtheit ist das erste Gebot!

Im Gegensatz zum aktuellen Antrag der Grünen stellen Betroffenenverbände wie "Intersexuelle Menschen e.V.", "IVIM" und "Zwischengeschlecht.org" in ihren Forderungslisten einhellig die Beendigung der nicht-eingewilligten "Behandlungen" an erste Stelle.

Ein spezieller "Geschlechtseintrag in der Geburtsurkunde" für "intersexuelle" Kinder, wie von den Grünen in ihrem Namen propagiert, fordert dagegen kein einziger Betroffenenverband.

(Im Gegenteil sprechen sich Betroffene seit langem ausdrücklich GEGEN einen solchen amtlichen Eintrag aus, wegen der begründeten Befürchtung, dass dadurch bedrohte Kinder von überforderten Eltern erst recht zur Verstümmelung freigegeben werden.)

7.  Diskussion über gesetzliches Verbot der Verstümmelungen notwendig

Seit 20 Jahren klagen Betroffene den Ärzten und der Öffentlichkeit ihr Leid. Trotzdem operieren die Mediziner unkontrolliert weiter – unbeirrbar im Wissen, dass sie wegen der Verjährungsfristen und der Traumatisierung der Opfer juristisch kaum belangt werden können.

Während Genitalverstümmelungen in Afrika verurteilt und juristisch bekämpft werden, sind die Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken vor der eigenen Haustüre nach wie vor kein Thema.

Betroffene fordern: Die Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken müssen so schnell wie möglich gestoppt werden!

"Eines der dunkelsten Kapitel der Medizingeschichte" (Apotheken Umschau, 01.06.2011) muss beendet und anschließend öffentlich aufgearbeitet, das "Unrecht der Medizinversuche" (Oliver Tolmein) muss gesellschaftlich anerkannt und so weit wie noch möglich ausgesöhnt werden.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

Freundliche Grüße

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org

Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse_at_zwischengeschlecht.info

http://zwischengeschlecht.org
Regelmäßige Updates: http://zwischengeschlecht.info
 


ANHANG: AKTUELLE STELLUNGNAHMEN

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)

a)  UN-Ausschuss gegen Folter (2011)
b)  Terre des Femmes (2004)
c)  OLG Köln (2008)
d)  Amnesty Deutschland (2010)
e)  Deutscher Ethikrat (2011)

a)  UN-Ausschuss gegen Folter: "Verstümmelung", "Zwangsoperationen an Intersex-Kindern", "nicht notwendige Operationen"

Am 04.11.2011 befasste sich in Genf der UN-Ausschuss gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CAT) zum ersten Mal mit Genitaloperationen in Kinderkliniken – und fand dabei deutliche Worte.

b)  Terre des Femmes: "gleich schädlich wie weibliche Genitalverstümmelung"

2004 kam ein Artikel in der TDF-Zeitschrift "Menschenrechte für die Frau" zu folgendem Ergebnis, auf welches die Terre des Femmes bis heute verweist: Genitalverstümmelungen an Zwittern sind als körperlich vergleichbar schädlich einzustufen wie Genitalverstümmelungen an Frauen; Zwitter leiden außerdem im Vergleich noch an zusätzlichen seelischen (Folge-)Schäden.

Eine Einschätzung, die seit längerem von immer mehr FGM-ExpertInnen geteilt wird, darunter Marion Hulverscheidt (2000), Hanny Lightfoot-Klein (2003/2007) und Fana Asefaw (2005).

c)  OLG Köln: "Selbstbestimmungsrecht in ganz erheblichem Maße verletzt"

2007 gelang es Christiane Völling, die als Ausnahme erst im Alter von 18 Jahren operiert wurde, als erster und bisher immer noch einziger Betroffener, ihren ehemaligen Chirurgen zu verklagen, unmittelbar vor Eintritt der absoluten Verjährung. 2008 erkannte das OLG Köln letztinstanzlich das "Selbstbestimmungsrecht [...] in ganz erheblichem Maße verletzt" (5 U 51/08).

d)  Amnesty Deutschland: "fundamentaler Verstoß gegen körperliche Unversehrtheit"

2010 verabschiedete die Deutsche Sektion von Amnesty International eine Motion und wertete darin "die medizinische Praxis [...] als fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte (Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf Selbstbestimmung und Würde und auf Nicht-Diskriminierung)".

e)  Deutscher Ethikrat: "Recht der Betroffenen auf körperliche Unversehrtheit"

Auf Februar 2012 erarbeitet aktuell der Deutschen Ethikrat im Auftrag der Bundesregierung eine Stellungnahme zur Problematik. In einer ersten Einschätzung vom 15. Juni 2011 hielt der Deutsche Ethikrat u.a. fest:

"Ein zentraler Punkt ist das Recht der Betroffenen auf körperliche Unversehrtheit. [...] Hier findet das Elternrecht seine Grenzen und auch dies spricht dafür, mit solchen Eingriffen so lange wie möglich zu warten, damit die betroffenen Intersexuellen selbst entscheiden können."

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

Mobile +41 (0) 76 398 06 50
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Sunday, November 20 2011

"Prix Média 2011" für "Kontext"-Sendung über "Intersexualität" mit Daniela "Nella" Truffer und Ernesta

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Sendungsmacherin Katharina Bochsler >>> räumte einen "Prix Média 2011" der "Akademien der Wissenschaften Schweiz" ab für ihre 2-teilige "Kontext"-Sendung auf Radio DRS2 im Oktober 2010 unter den Titeln >>> "Geschlechter jenseits von Mann und Frau" / "Wenn der Arzt das Geschlecht bestimmt", u.a. mit Interviews mit Daniela "Nella" Truffer und Ernesta.

Während der 1. Teil unnötig "geschlechtsidentitätsfixiert" daherkam, brachte der 2. Teil hauptsächlich Klartext (siehe auch Ankündigung oben) und wurde auch von diesem Blog hochgelobt.

Im Januar 2011 wurde das Material für eine einteilige "Input"-Sendung auf DRS3 >>> "Jenseits von Mann und Frau: Leben mit Intersexualität" umgearbeitet, die ebenfalls mit Klartext nicht geizte (vgl. das Teiltranskript von Nella hier).

Alle 3 Sendungen können weiterhin online nachgehört und heruntergeladen werden.

Dieser Blog gratuliert der engagierten Sendungsmacherin Katharina Bochsler für den verdienten Preis – und hofft, dass dadurch noch mehr BürgerInnen von den heute noch andauernden Genitaklverstümmelungen und sonstigen medizinischen Verbrechen in unseren Kinderkliniken erfahren werden!

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter  

Thursday, November 17 2011

"Interview mit Seelenlos von Zwischengeschlecht.org (by Zara Paz)" - Youtube 13.11.11

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>>> 13-minütiger Clip von Zara Paz mit yours truly a.k.a. Markus Bauer, aufgenommen anlässlich der 3. Friedlichen Protestes vor dem Campus-Virchow-Klinikum  der Charité. Danke! Geplant waren noch weitere Interviews mir den Teilnehmer_innen der friedlichen Mahnwache drinnen auf dem Charité-Gelände vor dem Eingang zum Genitalabschneidertreffen "JA-PED 2011", was leider daran scheiterte, dass der 2. Akku der ausgeliehenen Kamera nicht funktionierte.

>>> Infoseite zu den Protesten           >>> Bericht 1. Mahnwache 

Wednesday, November 16 2011

"Interview mit Zwischengeschlecht.org" - freie-radios.net, 15.11.11

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Nella und Seelenlos überreichen Offenen Brief an Charité,
Campus Virchow, 13.11.2011 (Bild: Zara Paz)

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> 6 1/2 minütiges Interview von Zara Paz mit Daniela "Nella " Truffer und yours truly zum online nachhören und herunterladen. Danke! Aufgenommen am Sonntag nach 3 Tagen Mahnwache nonstop ...

Aus der Kurzbeschreibung: "Vom 11. bis 13.11. protestierte die Menschenrechtsgruppe "Zwischengeschlecht.org" anlässlich der 6.JA-PED-Konferenz vor dem Virchowklinik in Berlin-Wedding gegen genitalverstümmelnde OPs an Kindern und Jugendlichen."

>>> Infoseite zu den Protesten           >>> Bericht 1. Mahnwache  

Monday, November 14 2011

Charité: 1. Friedliche Mahnwache mit kleinen Zwischenfällen

1. Protestaktion draussen vor dem "Campus Virchow-Klinikum" der "Charité", Berlin 11.11.11

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>>> Infoseite zu den Protesten  >>> Offener Brief Charité   >>> Offener Brief JA-PED

STOP Genitalverstümmelung in Kinderkliniken!

Das diesjährige Genitalabschneidertreffen "JA-PED 2011" fand innerhalb des "Campus Virchow-Klinikum" der "Charité" statt und somit auf Privatgelände.

Deshalb fragten wir vorgängig bei der "Charité" um eine Genehmigung für zeitlich und von der Teilnehmer_innenzahl begrenzte, friedliche Mahnwachen auf dem Vorplatz des eigentlichen Tagungsgebäudes für die Zeiten, während denen drinnen die "Behandlung" von Menschen mit "atypischen Geschlechtsmerkmalen" auf der Tagesordnung stand, was uns die Charité freundlicherweise auch bewilligte.

Wer jedoch dachte, damit könnte die 1. friedliche Mahnwache ohne Weiteres ebenso über die Bühne gehen, sah sich durch hochrangige "Charité"-Medizyner bald einmal eines besseren belehrt ...

Nachfolgend ein Gedächtnisprotokoll von Nella über Geschehnisse während der 1. friedlichen Mahnwache vor der "JA-PED 2011":

Während vor dem Haupteingang der Charité Plakate aufgestellt und Flugblätter verteilt werden, steht am Nachmittag eine weitere Delegation von Zwischengeschlecht.org vor dem eigentlichen Tagungsort, dem Eingang zum Campus 3 und verteilt ihrerseits wie gewohnt Flyer und macht mit Plakaten und T-Shirts auf die Menschenrechtsverletzungen an Zwittern aufmerksam.

Wie üblich sind die Reaktionen gemischt: vom freundlichen Lächeln und aufmunternden Daumen hoch (Ich finde das gut, was Sie da machen!) bis zur säuerlichen Miene oder dem angestrengten Wegschauen ist alles vertreten. Einzelne schütteln gar den Kopf und lachen über unsere Botschaft. Vereinzelt kommen Gespräche zustande, natürlich immer wieder mal das obligate "Wir verstehen Sie, aber heute läuft das ganz anders!" Wie so oft ist dagegen den Nicht-Medizinern sofort klar, was wir meinen: "Die sollen doch selber entscheiden dürfen!" Soweit, so gewohnt.

1. friedliche Manhwache direkt vor dem Eingang zur "JA-PED", Berlin 11.11.11

Bald nach unserem Eintreffen kommt auch ein Herr von der Security und möchte wissen, was wir da tun und ob wir eine Genehmigung haben. Ich zeige ihm die Genehmigung und er wünscht uns einen schönen Nachmittag.

Etwa eine halbe Stunde später kommt ein sichtlich aufgeregter Heiko Krude gelaufen, stellvertretender Klinikdirektor am "Institut für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie" der "Charité": Was machen Sie hier, wer hat Ihnen die Erlaubnis erteilt, hier hinzustehen? Das tolerieren wir nicht.

Ich: Wir haben eine Genehmigung der Charité, die habe ich dem Herrn von der Security soeben gezeigt.

Heiko Krude: Wer hat Ihnen diese Genehmigung erteilt, das möchte ich genau wissen.

Ich: Das kann Ihnen der Herr von der Security sagen, dem habe ich die Genehmigung gezeigt.

Herr von der Security (kommt herbeigelaufen): Ja, die Genehmigung ist vorhanden.

Krude: Was ist das für eine Genehmigung, wer genau hat sie erteilt? Ich will diese Genehmigung sehen.

Ich gebe nach: OK, hier ist sie.

Heiko Krude liest und tippt die Telefonnummer ins Handy, die auf der Genehmigung steht. Spricht mit jemanden, beschwert sich: Da hat doch tatsächlich die Charité diese Bewilligung erteilt.
Anschliessend zu mir: Da haben Sie Glück gehabt, die wussten nicht Bescheid, wussten nicht, was hier läuft, wie das läuft. Ja, Sie haben jetzt eine Genehmigung, aber das tolerieren wir hier nicht. Sagt's und verschwindet durch den Eingang zur Tagung und ignoriert uns für den Rest des Tages.

Wir haben uns kaum erholt, da kommt der "JA-PED"-Tagungsleiter Dirk Schnabel, Oberarzt am "Institut für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie" der "Charité" und Vorstandsmitglied der "Arbeitsgemeinschaft und Sektion Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie (APE)" der "Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)", dasselbe in Grün:

Wer uns erlaubt habe, hier zu stehen?

Ich: Sie sind nun schon der Dritte, dem ich die Bewilligung zeigen muss.

Auch Dirk Schnabel will unbedingt die Bewilligung sehen und beginnt seinerseits aufgeregt herumzutelefonieren, bevor er unvermittelt davonläuft, Handy immer noch am Ohr.

Später am Nachmittag kommt Dirk Schnabel wieder auf uns zu, diesmal sichtlich freundlicher, er sei sich nicht sicher, ob er eventuell eine Mail von uns verpasst habe. Er finde es schade, wir hätten ja auch mit den anderen Selbsthilfegruppen einen Infotisch drinnen aufstellen können.

Ich: Wir sind keine Selbsthilfegruppe, sondern eine Menschenrechtsgruppe und machen Öffentlichkeitsarbeit. Wir machen eine Mahnwache hier draussen und keinen Infotisch drinnen.

Dirk Schnabel: Ich wollte nur sicher sein, nichts verpasst zu haben.

Als es eindunkelt, stellen wir Grablichter in einer Reihe unter ein Plakat.

Zuerst kommt ein Herr der Security und weist uns darauf hin, dass wir die Kerzen nicht auf den Rasen stellen dürfen. (Es ist jedoch kein Rasen, sondern blanke Erde.)

Wir stellen die Kerzen also auf die Steinplatten, die an den Nicht-Rasen angrenzen. Wenig später kommt eine Dame der Security: Sie haben eine Genehmigung für diese Kundgebung?

Ich: Ja.

Dame der Security: Haben Sie auch eine Genehmigung, offene Feuerstellen aufzustellen?

Wir müssen in der Folge die Kerzen für unsere Mahnwache auslöschen, weil auf dem Klinikgelände offene Feuerstellen nicht erlaubt sind.

Was kommt wohl als nächstes, fragen wir uns, doch für heute waren keine weiteren Zwischenfälle zu verzeichnen. 20:00 Uhr ziehen wir pünktlich und halberfroren von dannen. Morgen früh um 08:30 Uhr werden wir zurück sein ...

>>> Infoseite zu den "JA-PED"- und "Charité"-Protesten 
>>> Charité-Kinderklinik "etabliert" neues Verstümmler-"Zentrum" 
>>> Zitty 14/2013: Heute noch Intersex-Genitalverstümmelungen in der "Charité"
 

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter  

1. Protestaktion draussen vor dem "Campus Virchow-Klinikum" der "Charité", Berlin 11.11.11

Sunday, November 13 2011

Heute bis Sonntag: "STOP Genitalverstümmelungen in der Charité!" Friedliche Proteste, Berlin 10.-13. November 2011

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>>> Coole Videoankündigung zu den Protesten – Danke!

Menschenrechte auch für Zwitter!

Zwischengeschlecht.org on Facebook

Berlin, 11.–13. November: FRIEDLICHE PROTESTE GEGEN "6. JA-PED" & "CHARITÉ" GENITALVERSTÜMMLER 
Fr 11.11. 08:30-20h  Sa 12.11. 08:30-18h  So 13.11. 08:30-14h
Ort: Vor Eingang Campus Virchow-Klinikum, Augustenburger Pl.
+ INFO: Do 10.11. 19h  Haus der Demokratie und Menschenrechte

>>> mehr Info      >>> Flugblatt (PDF, 2MB)   
>>> Offener Brief Charité    >>> JA-PED 2011 | 2010

Helft mit, die TäterInnen daran zu erinnern, dass wehrlose Kinder zu verstümmeln NICHT OK ist! Wir sehn uns, wo die Action ist ...  

>>> Pressemitteilung: Genitalverstümmelungen in Berlin - Betroffene protestieren 
>>> 2011: 15 Jahre gewaltfreier Widerstand gegen VerstümmlerInnen in Kinderkliniken

Tuesday, November 8 2011

"Intersex"-Genitalverstümmelungen: Charité-Kinderklinik "etabliert" neues "überregionales Zentrum"

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Ah, ein Zwitter! Da müssen wir gleich ein paar lebenserhaltende Massnahmen... öhm... - ABSCHNEIDEN!!!

Die Berliner Charité hat eine lange und unwürdige Geschichte von unethischen "Humanforschungen" und medizinisch nicht notwendigen, kosmetischen Genitaloperationen an wehrlosen Kindern mit "atypischen Genitalien". Dieses "dunkle Kapitel der Medizingeschichte" (Apotheken Umschau 1.6.2011) reicht in der Charité noch über das "3. Reich" hinaus bis mindestens ins Jahr 1831 zurück, als im vom damaligen Charité-Direktor Johann Nepomuk Rust (1775-1840) herausgegebenen "Handbuch der Chirurgie" ein "übergrosser Kitzler [...] bei jungen Mädchen" indirekt als Indikation zum "wegschneiden" freigegeben wurde.

Im 21. Jahrhundert führte bisher vor allem das Charité-"Institut für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie" diese unwürdige Tradition fort, allen voran dessen spätestens seit 2002 als "Serienverstümmlerin" kritisierte Direktorin Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich, ihr Stellvertreter PD Dr. Heiko Krude sowie die ebendort tätige Dr. med Birgit Köhler

Allein ein prominenter Pädo-Chirurg fehlte zwischendurch im "Otto Heubner Centrum für Kinder- und Jugendmedizin" des "Campus Virchow-Klinikum" der "Charité-Universitätsmedizin", so dass Grüters & Co. jeweils eigens die berüchtigte Verstümmlerin Pfrof. Dr. Claire Nihoul Fékété aus Frankreich einfliegen liessen.

Friedliche Mahnwache der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org vor dem 'Campus Virchow Klinikum' der 'Charité', 11.11.2011Bild: Protest + Offener Brief Kinderklinik "Charité", Berlin 11.11.2011

Im August 2011 konnte nun auch diese "Lücke" wieder geschlossen werden: Seither wütet im Campus Virchow als Chefverstümmler der aus Krefeld abgeworbene Prof. Dr. Martin Westenfelder ("knapp 4.000 Hypospadien, über 160 Feminisierungsoperationen bei intersexuellen Differenzierungsstörungen") in der eigens für ihn neu eingerichteten "Abteilung für Kinderurologie und plastisch rekonstruktive Urologie" (Abteilungsleiter: Prof. Dr. med. Martin Westenfelder, Oberärzin: Dr. med. Anja Lingnau, Direktor der übergeordneten Urologischen Klinik: Prof. Dr. med. Kurt Miller).

Nachtrag 2012: Zwar wurde Westenfelder Anfang 2012 unfreiwillig in die Pension zurückgeschickt. Seinen Chefposten übernahm neu die Oberärztin Dr. med. Anja Lingnau. Als neuer internationaler Star-"Genitalrekonstrukteur" im Rentenalter wurde ab Februar zusätzlich der nicht minder berüchtigte Prof. Dr. med. "Gerne noch etwas weiter experimentieren" Ricardo González verpflichtet (verstümmelt aktuell weiterhin auch in Hannover, Zürich und Buenos Aires).

Hier verstümmelt der Chef: Der Eingang zur neuen Abteilung
mit "vertrauenserweckender" Beschriftung (Herbst 2011)

Mit der für Westenfelder neu geschaffenenen "Abteilung für Kinderurologie und plastisch rekonstruktive Urologie" hat die Charité offenbar Grosses vor.

Ein (2012 unveränderter) >>> hauseigener Werbezettel (PDF) verspricht vollmundig:

"Die Charité etabliert in der Klinik für Urologie ein Zentrum für Kinderurologie und plastisch-rekonstruktive Urologie, um überregional die Behandlung komplexer kinderurologischer Erkrankungen auf höchstem Niveau sicherzustellen."

Tatsächlich preist der Waschzettel unter der üblichen Rubrik "Korrekturen angeborener Fehlbildungen" u.a. das ganze Spektrum medizinisch nicht notwendiger, menschenrechtswidriger kosmetischer Genitaloperationen an wehrlosen Kindern ungehemmt öffentlich an:

am männlichen Genitale
 » Korrektur von Maldescensus testis [...]
 » Korrektur aller Penisanomalien wie Hypospadie, Epispadie,
    Penisschaftverkrümmung, Penistorsionen und -Deviationen [...]

am weiblichen Genitale
 » Behandlung der Labiensynechie, der Scheideneingangs-
    strikturen und der Scheidenaplasie.
 » Anomalien des Sinus urogenitalis

am intersexuellen Genitale, Störungen der 
sexuellen Differenzierungen
 » Morphologische Abklärung und, entsprechend der
    Geschlechtszuweisung, die adäquate
[sic!] Feminisierungs- oder
    Maskulinisierungsoperationen.
 » Scheidenaufbau und Erweiterung

Fazit: Deutlicher geht's ja kaum mehr. Trotzdem bleibt zu befürchten, dass leider auch künftig in Berlin kaum wer etwas gemerkt haben will – und der Berliner Senat weiterhin jegliche Kenntnis von "derartigen Eingriffen oder Therapien" rundheraus öffentlich leugnen wird ...

>>> Zitty 14/2013: Heute noch Intersex-Genitalverstümmelungen in der "Charité"  
>>> Charité leugnet Intersex-Genitalverstümmelungen
>>> PD. Dr. Heiko Krude: "Nicht verstümmeln wäre Gewalt"
>>> Prof. Dr. Ricardo Gonzalez: "Gerne noch etwas weiter experimentieren"
>>> Dr. Med. Birgit Köhler: Verstümmeln "zum Schutz der sexuellen Integrität"
>>> Prof. Dr. Anette Grüters-Kieslich als "Serienverstümmlerin" kritisiert
>>> Prof. Dr. Claire Nihoul-Fékété: Verstümmeln "zur Verbesserung der Optik"

>>> Berlin 10.-13.11.11: Infoabend + Proteste gegen Charité-VerstümmlerInnen & Co.
>>> Bericht 1. Friedliche Mahnwache 11.11.11

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter  

Genitalabschneider, wir kriegen euch! Zwangsoperateure, passt bloss auf!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Monday, November 7 2011

UN-Ausschuss gegen Folter verurteilt kosmetische Genitaloperationen an Zwitterkindern als "Verstümmelung", "Zwangsoperationen" und "nicht notwendige Operationen"

 >>> Nachtrag 8.11. - Antworten der Bundesregierung

>>> Friedlicher Protest vor der UNO, Genf 26.01.2009

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)

Letzten Freitag 4. November tagte in Genf das UN-Committee against Torture in seiner 47. Session über die Einhaltung des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (CAT) in Deutschland und stellte den VerteterInnen der Bundesrepublik diesbezüglich mehrere kritische Fragen auch betreffend kosmetische Genitaloperationen in Kinderkliniken. Eine weitere Beratung dazu ist auf nächsten Dienstag ab 15 Uhr angesetzt, danach folgen schriftliche Empfehlungen. Anlass dazu war ein >>> Schattenbericht von Intersexuelle Menschen e.V. (Berichterstatterin: Lucie Veith) in Kooperation mit der Humboldt Law Clinic.

Über die Beratungen vom 4. November liegt nun eine höchst erfreuliche
>>> englischsprachige UN-Pressemitteilung vor. Darin werden kosmetische Genitaloperationen in Kinderkliniken von den UN-ExpertInnen Claudio Grossmann und Myrna Kleopas gleich mehrfach kritisch erwähnt, und zwar zum Teil sowohl "vermännlichende" wie auch "verweiblichende" OPs, und wiederholt mit deutlichen Worten!

Bereits in den einleitenden Abschnitten ist die Rede von "Zwangsoperationen an Intersex-Kindern" ("forced surgery on inter-sex children").

Im Abschnitt "Fragen von Ausschuss-ExpertInnen" wird Komitee-Experte Claudio Grossmann u.a. zitiert wie folgt:

Er sagte, diese Kinder würden oft gezwungen sich Operationen zu unterziehen, um ihre Genitalien entweder männlichen oder weiblichen Genitalien übereinstimmend zu machen, was oft Entfernung oder Verstümmelung beispielsweise der Klitoris oder der Gonaden beinhalte. Sowohl die Kinder wie auch die Eltern würden nicht angemessen über die damit einhergehenden Massnahmen informiert. Würden medizinische Kräfte geschult zu sexueller und körperlicher Vielfalt, ebenso wie über die Notwendigkeit, Eltern über die Folgen nicht notwendiger Operationen an den Genitalien ihrer Kinder?

(Englischer Originalwortlaut: He said that those children were often forced to undergo surgery on their genitals to make them conform to either male or female genitalia, often involving removal or mutilation of, for example, the clitoris or gonads. Both the children and their parents were not properly informed of the procedures involved. Were medical persons being trained on sexual and physical diversity, as well as the need to inform parents of the consequences of unnecessary surgery on their children’s genitalia?)

Weiter unten wurde die Komitee-Expertin Myrna Kleopas zum Thema zitiert wie folgt:

Bestünden irgendwelche Pläne, die medizinische Praxis der frühzeitigen Geschlechtsbestimmung von Intersex-Kindern zu überarbeiten, zu diskutieren und zu analysieren? Die gängige Praxis basiere auf der Abhilfe der Errichtung einer identität, dass, wenn ein Kind chirurgisch verändert würde, um wie ein Mädchen auszuschauen, es sich auch zu einem Mädchen entwickeln würde. Neue Forschung hätte ergeben, dass dies nicht notwendigerweise der Fall sei. Weiter, was begründet Zustimmung im Deutschen Recht, speziell in medizinischen Fällen, die Operationen an Geschlechtsorganen von Personen beinhalten?

(Englischer Originalwortlaut: Were there any plans to revise, discuss and analyse the medical practice of early determination of sex in inter-sex children? The current practice was based on the relief of establishing an identity, that if a child was surgically changed to look like a girl, she would then develop into a girl. New research has established that that was not necessarily the case. Furthermore, what constituted consent in German law, particularly in medical cases involving surgery to an individual’s sexual organs?)

Dieser Blog bleibt gespannt auf die weiteren Beratungen des Komitees am nächsten Dienstagnachmittag, ebenso auf die schriftlichen Empfehlungen. Schon jetzt dürfte sich aber abzeichnen, dass der Druck auf GenitalverstümmlerInnen und Zwangsoperateure nicht nur in Deutschen Kinderkliniken weiter wachsen wird – ebenso auf ihre HelfershelferInnen in Politik und Justiz ... Dafür allen Beteiligten ein herzliches Dankeschön!

(Dank an Marion Böker für den Hinweis!)

Nachtrag 8.11.2011:

Heute Nachmittag beantwortete eine Delegation der Bundesregierung die Fragen des Komitees – zumindest bezüglich Intersex allerdings ziemlich ausweichend, inkl. peinlichen Fettnäpfchen ("Leute, die sich als Intersex identifizieren") und mit den üblichen Ausreden ("Operationen an Kleinkindern erst seit einigen Jahren bekannt" – tatsächlich gibt's schon seit 15 Jahren parlamentarische Anfragen dazu und Proteste Betroffener). Alles in allem wird alles auf den Ethikrat abgeschoben, das Problem der Verjährung ausgelassen.
>>> Englische UN-Pressemitteilung zur Fragestunde
>>> Videomitschnitt der Fragestunde (--> 28.-34. Minute, Dank an Simon für den Hinweis!)

>>> GenitalOPs in Kinderkliniken: "Westliche Form der Genitalverstümmelung" 
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter

>>> Zwangs-Genital-OPs: Ausklammerung von "vermännlichenden" OPs unethisch
>>> IMeV-Schattenbericht CAT 2011: Häufigste Genitalverstümmelungen ausgeblendet

Saturday, November 5 2011

"Repro-Report Teil 5: Intersexualität " - rdl 5.10.11

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Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Kann ein Zwitter Sünde sein?

>>> Interessantes Feature von Karin Beier und Hanna Vöhringer zum online Nachhören auf Radio Dreyeckland, ausgestrahlt zufälligerweise am Vortag der Proteste gegen Live-Genitalverstümmelungen in Tübingen 2005-2011. Unter anderen kommen darin zu Wort: Sally Gross (Intersex South Africa), Daniela "Nella" Truffer (Zwischengeschlecht.org) und Lucie Veith (Intersexuelle Menschen e.V.). Dafür ein fettes Dankeschön!

Die Sendereihe "Repro Report" war übrigens ein Gemeinschaftsprojekt der AG Bildung im Informationszentrum 3. Welt (iz3w) und LaRadio – dem FrauenLesbenRadio aus Freiburg.

Einziger Wermutstropfen: Das Intersex-Feature war zwischendurch etwas gar genderlastig, sowie einseitig auf "verweiblichende" Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken ausgerichtet, die mittlerweile wohl häufigeren "vermännlichenden" kosmetischen Verstümmelungen ("Hypospadiekorrekuren") blieben leider aussen vor ... vielleicht ein andermal?

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Kosmetische GenitalOPs: Ausklammerung von "Hypospadie" unethisch
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter    

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