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Monday, January 25 2010

Intersex-Genitalverstümmelung in Kinderkliniken: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

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Meine 2 Cent:

1) Die Kinderchirurgen, KInderurologen und Kindergynäkologen führen das Skalpell, sie verursachen die Schäden unmittelbar und persönlich.

Auch wenn sie dies möglicherweise guten Glaubens tun, stehen sie trotzdem in der Verantwortung, erst recht, wenn die Eingriffe seit langem experimentell erfolgen, d.h. ohne dass je klinisch getestet wurde, ob sie für die Operierten überhaupt eine Verbesserung bringen, und wie es mit den Nebenwirkungen ausschaut. Und nochmals erst recht, wenn schon so viele Fälle unzufriedener Erwachsener publik sind, auch in offiziellen Studien.

Da sie zumeist Kleinkinder zwangsoperieren, schützen die Verjährungsfristen die Zwangsoperateure perfiderweise meist vor gerichtlicher Verfolgung. Schon viele betrogenen Eltern und erwachsene geschädigte Zwitter haben versucht, einen Zwangsoperateur vor Gericht zu bringen – erfolglos. Erst 2007 gelang es Christiane Völling als erster – und immer noch einziger! –  praktisch in letzter Minute vor Eintritt  der absoluten Verjährung ihren früheren Chirurgen anzuzeigen und ihn in einem dreijährigen Verfahren über zwei Instanzen erfolgreich auf 100'000.-- Euro Schmerzensgeld zu verklagen. Wäre Christiane wie die meisten Zwitter schon als Kleinkind operiert worden, wäre auch ihr Zwangsoperateur ungestraft davongekommen.

Chirurgen, die jahrzehntelang Zwitter systematisch zwangsoperieren, ohne jegliche Evidenz, auch nach über 50 Jahren noch, ja, ohne sich überhaupt je glaubwürdig um Evidenz zu bemühen, sind offensichtlich gewissenlose Serientäter, sowohl als Individuen wie auch als Kaste, und gehören gerichtlich bestraft, solange sie noch weiter wehrlose Kinder zwangsoperieren statt aktiv zur Wiedergutmachung beizutragen.

Stammvater der heutigen Zwangsoperateure ist der US-Urologe Hugh Hampton Young (Johns Hopkins University, Baltimore), der in den 1920er und 1930er Jahren die Verstümmelungstechniken zur Serienreife brachte und damit eine der Voraussetzungen zur systematischen Kleinkinderverstümmelung ab 1950 schuf. Young war aber nicht der einzige, der bereits vor 1950 wehrlose Kinder verstümmelte, weitere frühe Verstümmler sind beispielsweise der Argeninier Carlos Lagos García (1880-1928), der Franzose Louis Ombrédanne (1871- 1956) und der deutsche NS-Medizyner Hans Christian Naujoks (1892-1956).
 
2) Die Endokrinologen koordinieren die Zwangsbehandlungen, liefern die Vorgaben für die Zwangsoperateure und sind zu über 90% (in einem Drittel davon zusammen mit einem Kinderchirurgen) diejenigen, welche meist überforderten Eltern die Verstümmelungen und sonstigen medizinisch nicht notwendigen Zwangsbehandlungen aufdrängen.

Obwohl sie sich bei den Verstümmelungen selber die Finger direkt nicht schmutzig machen, pfeifen auch sie seit über 50 Jahren auf jegliche Evidenz, genau gleich wie die Zwangsoperateure, mit denen sie ebensolange eng zusammenarbeiten. Die Endokrinologen sind deshalb als Individuen wie auch als Kaste genau gleich offensichtlich gewissenlose Serientäter, und gehören genau gleich gerichtlich bestraft, solange sie noch weiter wehrlose Kinder zwangsoperieren lassen statt aktiv zur Wiedergutmachung beizutragen.

Leider konnte bisher noch kein einziger Endokrinologe gerichtlich belangt werden (auch bei Christiane Völlings Prozess konnte wegen Verjährung ausser dem Chirurgen niemand mehr belangt werden).

Historisch war es der US-Endokrinologe Lawson Wilkins (Baltimore University Hospital), der 1950 die systematischen Genitalverstümmelungen an Kleinkindern "erfunden" hatte bzw. in die klinische Praxis einführte. Prominente europäische Endokrinologen wie z.B. Andrea von Prader (Kinderspital Zürich) und Jürgen Bierich (Universitätsklinik Hamburg / Kinderklinik Tübingen) arbeiteten eng mit Wilkins zusammen und waren massgeblich an der weltweiten Durchsetzung der systematischen Kleinkinderverstümmelungen beteiligt.

3) Psychologen und Psychiater sind in der Regel erstmal vergleichsweise nur am Rande konkret an den Zwangsoperationen mitbeteiligt.

In den meisten mir bekannten Fällen denke ich, oft überforderte Eltern und jungen Zwittern fahren deutlich besser, wenn sie nach der Geburt von kompetenten analytischen Psychologen oder notfalls klinischen Psychologen bzw. Psychiatern beraten (als wenn sie, was leider immer noch die Regel ist, Endokrinologen und Kinderchirurgen in die Hände fallen):

Das künftige Gehalt der Psychologen und Psychiater ist nämlich (im Gegensatz zu den Kinderchirurgen und Endokrinologen) im weiteren Verlauf nicht zwingend davon abhängig, ob das Kleinkind auch möglichst bald zwangsoperiert wird. Wohl kaum zufällig kommen zumindest ansatzweise solidarische Stimmen, sofern es sowas unter praktizierenden Medizinern überhaupt gibt, noch am ehesten aus den Reihen der analytischen Psychologen und Psychiater bzw. klinischen Psychologen.

Allerdings gilt sinngemäss auch das Umgekehrte, nämlich dass für Psychologen und Psychiater eine Zwangsoperation ebenfalls nicht zwingend finanziell unattraktiv ist. Wohl kaum zufällig wird mehreren seit längerem vorgeworfen, Windfahnen zu sein, und den Psychologen und Psychiatern als Kaste, seit mehr als 50 Jahren je nach politischer Grosswetterlage immer mal wieder den Endokrinologen und Zwangsoperateuren praktisch zuzuarbeiten (sowie auch theoretisch, siehe unten).

(Womöglich ein und dieselben Personen, die vorher noch Verständnis für die Leiden der Zwangsoperierten zeigten, und ev. auch später wieder zeigen wird – und manche Zwitter, die sich hüten würden, auf einen offensichtliche Kollegen der Zwangoperateure und Endokrinologen hereinzufallen, kriechen solchen Windfahnen trotzdem immer wieder auf den Leim).

Von Fall zu Fall müssen Psychiater und Psychologen wo nötig jedesmal zur Rechenschaft gezogen werden – moralisch, öffentlich und wo nötig auch gerichtlich, und als Kaste haben sie ebenfalls einen Teil zur Wiedergutmachung beizutragen.

Bisher wurde leider noch nie ein fehlbarer Psychologe oder Psychiater angeklagt, obwohl es auch unter ihnen offensichtlich gewissenlose Serientäter gibt – vor Gericht gehen sie im Gegenteil noch als "Sachverständige" ein- und aus, wobei sie oft gar Zwangsoperierten zum Schaden noch den Spott nachliefern.

Fälschlicherweise wird heute meist der neuseeländische Psychologe, Geschlechtertheoretiker und Sexologe John Money (Johns Hopkins University Hospital, Baltimore) öffentlich als Alleinverantwortlicher für die Praxis der Verstümmelungen im Kleinkindesalter vorgeschoben. "Erfunden" wurde diese Praxis jedoch 1950 vom Endokrinologen Lawson Wilkins (siehe oben). Tatsächlich lieferte Money 1955 mit seiner berühmten "Optimal Gender [!] Policy" den theoretischen Überbau für die systematischen Kleinkinderverstümmelungen – jedoch erst nachträglich, als diese schon 5 Jahre klinische Praxis waren. Im weiteren betätigte er sich jedoch nur zu geren als Sparchrohr der Verstümmler und wurde so und durch seine skrupellosen "Zwilligsexperimente" fraglos ein gewissenlos agierender Serientäter.

4) Die Politiker hätten in Europa als Verantwortliche für Spitäler usw. erst recht die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die (ansonsten autonome) Ärztezunft sich an übergeordnete Spielregeln hält wie z.B. Verfassung, Menschenrechte, ratifizierte (UN-)Abkommen und -Pakte zum Schutze der Kinder, benachteiligter Geschlechter, usw. Hierbei haben sie seit Jahrzehnten schmählich versagt.

Schlimmer noch, jedesmal wenn die Leiden der Opfer vor ihnen laut wurden, hielten sie zuerst ihre Ohren zu und mehrten anschliessend die Leiden gar noch mit Spott und Medizynersprüchen, vgl. z.B. diverse Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen der letzten 15 Jahre belegen.

Auch wenn angesichts dessen, womit speziell Politiker sonst noch allem straflos davonkommen, hier wohl am wenigsten Hoffnung auf Erfolg besteht, die Verantwortlichen vor Gericht zu bringen: auch die Politiker sind sowohl als Individuen wie auch als Kaste gewissenlose Serientäter gehören für ihr alles andere als unerhebliches Verschulden zur Rechenschaft gezogen und bestraft, und der Staat als Brötchengeber der Zwangsoperateure & Co. hat einen angemessenen Teil an Wiedergutmachung zu leisten.

5) Eltern, die ihre Kinder zwangsoperieren lassen, sind in der Regel erst selbst mal Opfer der Zwangsoperateure & Konsorten. Die erst hinterher erfahren, dass sie belogen wurden, oder dass ihnen zumindest nicht die ganze Wahrheit erzählt wurde.

Wohl die meisten Eltern, wenn sie von Anfang an wüssten, was sie ihren Kindern letztlich antun, hätten es nie so weit kommen lassen, und hätten heute ein besseres Verhältnis zu ihren Kindern. So viele Eltern werden sich erst hinterher bewusst, worin genau sie da letztlich "einwilligten", und bereuen es hinterher ehrlich.

Doch es gibt auch Ausnahmen – wie z.B. diejenigen Eltern, die erst vor kurzem ihr erst wenige Monate altes Kind unbedingt kastrieren lassen wollen, obwohl noch nicht mal eine Diagnose feststand, und als das erste Spital sich gar weigerte, suchten sie einfach eines mit weniger Skrupeln und liessen dort ihr Kind kastrieren noch bevor es ein Jahr alt war.

Solchen und anderen verantwortungslosen Eltern gehört eindringlich ins Gewissen geredet (und nicht einfach weggeschaut wie es mitunter auch in "medizynunabhängigen" Selbsthilfegruppen geschieht), über die Existenz solcher Fälle muss öffentlich aufgeklärt und unmissverständlich daran Kritik geübt werden. (Ebenso, wenn medizynergesteuerte "Eltern- und Patienteninitiativen" öffentlich Zwangseingriffe propagieren und verharmlosen.) Ansonsten brauchen aber auch diese Eltern erstmal Hilfe. Stellen sie sich aber taub und zwingen trotzdem ihrem Kind unbeirrbar weitere Zwangseingriffe auf, werden auch sie zu Wiederholungstätern.

Zur Rechenschaft gezogen gehören jedoch auch hier zunächst mal all die gewissenlosen Serientäter, die verzweifelten Eltern immer noch als Lösung anbieten, ihr eigenes Kind verstümmeln zu lassen.

NB: Diese Liste ist nicht vollständig. Seit langem sind z.B. auch Genetiker an den Verstümmelungen mitbeiteiligt (auch historisch: der deutsche Genetiker Richard Goldschmidt hatte in den 1915 den Terminus "Intersex" geprägt, in Anlehnung an Magnus Hirschfeld und Karl Heinrich Ulrichs). Ebenso weitere medizinische, wissenschaftliche und politische Instanzen, Standesorganisationen und Interessensgruppen ...

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Siehe auch:
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken - eine Genealogie der TäterInnen
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller "Genitalkorrekturen"
- Intersex-Genitalverstümmelung in Kinderkliniken: Typische Diagnosen und Eingriffe

Tuesday, November 24 2009

"Verunsicherung und Ängste": Reaktionen und Kommentare zur Kritik am "Netzwerk Intersexualität" / "Euro-DSD"

5. Treffen "Netzwerk Intersexualität/DSD" in Kiel, 6.9.2008
Nella versucht den Medizinern ins Gewissen zu reden

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Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Mit abschätzigen Terminologien/Diagnosen und erst recht mit dem Skalpell sind Mediziner Zwittern gegenüber regelmässig alles andere als zimperlich. Weitaus empfindlicher reagieren sie, wenn sie deswegen unmissverständlich kritisiert werden – erst Recht, wenn diese Kritik unbequemerweise öffentlich erfolgt. Aktuelles Beispiel:

Unter Mitwirkung zentraler ExponentInnen von "Netzwerk Intersexualität/DSD" und "EuroDSD" wurden am Jahreskongress 2009 der Kinder-EndokrinologInnen in Kiel vom 13.-15.11. am Freitag und am Sonntag an zwei Programmschwerpunkten "DSD/Störungen der Geschlechtsentwicklung" u.a. Zwangsoperationen und sonstige menschenrechtswidrige Praktiken an wehrlosen Zwitterkindern vorgestellt und propagiert – einmal mehr ohne Beteiligung von Betroffenen, obwohl dies eine Bedingung war bei der Vergabe deutscher Bundes-Fördergelder des BMBF.

Für diesen Blog am 13.11. der Anlass zu erneuerter konkreter Kritik am starrsinnigen Beharren von "Netzwerk Intersexualität/DSD" und "Euro-DSD" u.a. auf kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und weiteren menschenrechtswidrigen Zwangsbehandlungen.

Eine Pressemitteilung vom 14.11. der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fasste tags darauf verschiedene Kritikpunkte noch einmal zusammen und bekräftigte sie.

Kritikpunkte, die das "Netzwerk Intersexualität/DSD" resp. "EuroDSD" inzwischen nicht mehr einfach nur überhört haben wollen, sobald sie öffentlich gemacht werden (im Gegensatz etwa zu "internen" Anfragen Betroffener zur Behandlungsverbesserung). So erhielt Zwischengeschlecht.org auf die Pressemitteilung bisher folgende 3 Reaktionen:

  • "Netzwerk Intersexualität/DSD"- und "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort (Lübeck) beschwerte sich am 16.11. in einer kurzen Mail (mit CC an 3 "DSD"-KollegInnen), die Pressemitteilung sei "unsachlich und unrichtig" und warf Zwischengeschlecht.org vor, "die Bevölkerung mit solchen Äußerungen so [zu] verunsichern." >>> mehr
     
  • Paul-Martin Holterhus vom "Netzwerk Intersexualität/DSD"- und "Euro-DSD"-Standort Kiel (wo die kritisierte Jahrestagung stattfand), einer der von Olaf Hiort auf CC gesetzen KollegInnen, zeigte sich gleichentags 16.11. ebenfalls besorgt, die "reißerische Sprache" ohne "wissenschaftliche Grundlage [...] erzeugt in der Tat Verunsicherung und Ängste" (mit CC an 4 "DSD"-KollegInnen sowie an die Elterngruppe von XY-Frauen und XY-Frauen selbst). Immerhin – eine Premiere – argumentierte Paul-Martin Holterhus in einem ausführlicheren PS auch sachlich (wobei er u.a. den Kritikpunkt, Netzwerk und "EuroDSD" würden Betroffene nicht angemessen beteiligen, während Eltern einseitig bevorzugt werden, allerdings gleich selbst noch einmal bestätigte).  >>> mehr
     
  • Am 17.11. "distanzier[te]" sich darauf einE (von Holterhus auf CC gesetzteR) SprecherIn der XY-Frauen Elterngruppe "von solchen Aktionen" und forderte Zwischengeschlecht.org zum "zurückrudern" auf. 

Aus Nellas Antwort im Namen von Zwischengeschlecht.org an Paul-Martin Holterhus vom 17.11. (mit CC an alle von ihm angeschriebenen):

Ob Sie und Olaf Hiort es glauben oder nicht, auch uns geht es um Fakten: [...]

[T]äglich [erfahren] mehr Menschen von den Zwangsbehandlungen an wehrlosen Kindern vor ihrer Haustüre, sind betroffen, schockiert und empört.

Wie ich sinngemäss schon letztes Jahr in Kiel in meinem Referat sagte: kosmetische Genitaloperationen an Kindern sind in unserer Gesellschaft moralisch und politisch nicht mehrheitsfähig. [...] Beteiligte Mediziner und Institutionen hätten jetzt noch die Gelegenheit, die logischen Konsequenzen zu ziehen. [...]  >>> mehr

Siehe auch:
- PRESSEMITTEILUNG: Euro-DSD: Lübecker Zwitterstudie frisiert
- "Euro-DSD"-Zwangsoperateure: APE/AGPG Jahrestagung 2009 in Kiel
- PRESSEMITTEILUNG: Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen
- Wie das "Netzwerk Intersexualität/DSD" seine Versprechen bricht
- Mein Rücktritt als 1. Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V.
- Intersexuelle Menschen e.V. distanziert sich stillschweigend vom "Netzwerk DSD" 
- Netzwerk DSD/Intersexualität und wir Intersexuellen - Mitsprache geht anders
- Rede 5. Treffen Netzwerk Intersexualität Kiel 6.9.2008 
- Wie das "Netzwerk DSD" die "Lübecker Studie" frisiert
- Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln aufgefordert
- "Medizinische Intervention als Folter" - Michel Reiter 30.6.2000   

Sunday, November 15 2009

PRESSEMITTEILUNG - "EuroDSD": Lübecker Zwitterstudie frisiert

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>>> Bericht zur Tagung    >>> Die frisierte Studie    >>> Kommentare zur Kritik

Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 14.11.2009:

Menschenrechte auch für Zwitter!

An einer Tagung in Kiel debattieren Mediziner des "EuroDSD-Consortiums" dieses Wochenende über künftige Ausweitungen der genitalen Zwangsoperationen und weiteren menschenrechtswidrigen Zwangsbehandlungen an Zwitterkindern – einmal mehr ohne Beteiligung der Betroffenen.

Am Sonntag zudem im Programm: Eine weitere Präsentation der frisierten Ergebnisse der "Lübecker Studie".

Bezahlt wurde die "Lübecker Studie", damals noch unter dem Label "Netzwerk Intersexualität/DSD" (2003-2008), vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Eine Bedingung des BMBF war, dass die Betroffenen und ihre Organisationen angemessen mit einbezogen werden müssten. Stattdessen wurden die Betroffenen von den Netzwerk-Medizinern Mal für Mal vertröstet und hingehalten. Versprechen, Zusagen und Abmachungen wurden vom "Netzwerk Intersexualität/DSD" regelmässig gebrochen. Konkrete Vorschläge etwa von Selbsthilfegruppen zur dringlichen Verbesserung der Lage der Betroffenen wurden vom "Netzwerk DSD/Intersexualität" jeweils ignoriert bzw. gar nicht erst darauf eingetreten.

Ende 2008 veröffentlichte "erste Ergebnisse" der "Lübecker Studie" konstatierten (wie schon die ebenfalls BMBF-finanzierte "Hamburger Studie 2007") noch das Offensichtliche: Je häufiger Zwitter als Kleinkinder genital zwangsoperiert wurden, desto mehr klagen sie als Erwachsene über verlorene sexuelle Empfindungsfähigkeit und damit einhergehende weitere sexuelle Probleme. Anlässlich einer Anhörung im Bundestag in Frühjahr 2009 wurden diese Ergebnisse jedoch von VertreterInnen des "Netzwerk DSD" kurzerhand umfrisiert zur Behauptung, unabhängig von der Zahl kosmetischer Genital-OPs im Kindesalter gäbe es diesbezüglich angeblich keine Unterschiede.

Dass das "Netzwerk DSD/Intersexualität" sich nicht an die Finanzierungsvorgaben des BMBF hielt und die Betroffenen auch weiterhin als blosse Objekte behandelt, hatte für die betreffenden Mediziner bis heute keine Folgen.

Mittlerweile sind die BMBF-Gelder aufgebraucht. Die betreffenden Mediziner alimentieren sich bis 2011 von EU-Geldern und firmieren neu unter der Bezeichnung "EuroDSD Consortium". Damit müssen sie die Betroffenen neu nicht einmal mehr alibimässig miteinbeziehen.

Ohne jede Beteiligung von Betroffenen und ihren Organisationen diskutieren sie nun in Kiel weiterhin ungestört u.a. über "Erstellung bzw. Überarbeitung der Leitlinien DSD und Hypospadie" zu künftigen, menschenrechtswidrigen Zwangsbehandlungen an wehrlosen Zwitterkindern – obwohl auch "Euro-DSD"-Chef Olaf Hiort wiederholt öffentlich bestätigte, dass für diese kosmetischen Genitaloperationen weder eine medizinische Notwendigkeit noch Qualitätskontrollen bestehen.

Dabei scheut "Euro-DSD" offensichtlich das Licht der Öffentlichkeit: Die betreffenden Programmpunkte tauchten im offiziellen Onlineprogramm auf der Tagungshomepage bis zum Schluss gar nicht erst auf, sondern wurden erst mit Datum vom 27. Oktober lediglich als Download 'öffentlich' gemacht.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert:

1) Gesetzliche Massnahmen zur sofortigen Beendigung aller Zwangseingriffe an Zwittern, Aufhebung/Verlängerung der Verjährungsfristen und Bestrafung aller TäterInnen!
2) Zwangsbehandelte Zwitter sind unverzüglich und umfassend zu entschädigen!
3) Rechtliche Anerkennung der Zwitter inkl. optionalem 3. Geschlechtseintrag für Zwitter!
4) Intersexualität als nicht-pathologische biologische Besonderheit muss auf allen Ebenen in allen biologischen und sozialen Fächern unverzüglich in den Lehrplan aufgenommen werden!
5) Umgehende Schaffung verbindlicher "Standards of care", inkl. psychologischer Beratung und Peer Support, unter Einbezug der betroffenen Menschen und ihrer Organisationen! 

Vollständige Meldung mit Quellenlinks:
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2009/11/13/Euro-DSD%3A-4.-APE-AGPD-Jahrestagung-2009

Freundliche Grüsse

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Schweizerische Selbsthilfegruppe Intersex.ch
Mitglied Intersexuelle Menschen e.V.
Mitglied XY-Frauen
Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse_at_zwischengeschlecht_dot_info

Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info

>>> Bericht zur Tagung    >>> Die frisierte Studie    >>> Kommentare zur Kritik

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen

Friday, November 13 2009

"Euro-DSD"-Zwangsoperateure: transsexuell = intersexuell??!

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Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

>>> Pressemitteilung 14.11.09     >>> Kommentare zur Kritik

Heute begann in Kiel anlässlich der APE/AGPD-Jahrestagung eine Veranstaltungsreihe unter Mitwirkung der "Arbeitsgruppe DSD/Störungen der Geschlechtsentwicklung" von APE/AGPD und "Euro-DSD" (vormals "Netzwerk Intersexualität/DSD"). Dabei wurden unter anderem die "wichtigsten Publikationen" vorgestellt (wohl nicht zuletzt Eigenwerbung zur frisierten "Lübecker Studie").

Weiter konnten die Zwangsbehandler heute (wie üblich ohne Beteiligung der Betroffenen!) ungestört über "Erstellung bzw. Überarbeitung der Leitlinien DSD und Hypospadie" zu künftigen Zwangsbehandlungen an wehrlosen Zwitterkindern debattieren.

(Diese Programmpunkte waren zudem im Onlineprogramm nicht aufgeführt. Sämtliche relevanten Programmpunkte sind hier dokumentiert.)

Auf Sonntag 15.11. ist zudem einen weiterer Vortrag speziell über die frisierte Lübecker Zwitterstudie angekündigt.

Das "Netzwerk Intersexualität/DSD" als die deutsche Allianz der Zwangoperateure und ihrer Zuarbeiter in Endokrinologie, Sexologie und Psychologie/Psychiatrie wurde 2003-2008 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) alimentiert, entsprechend einem Antrag des Bundestags vom 12.6.2001 (DS 14/6259).

Eine Bedingung des BMBF war, dass die Betroffenen und ihre Organisationen angemessen mit einbezogen werden müssten. Stattdessen wurden sie von den Medizynern Mal für Mal vertröstet und hingehalten. Versprechen, Zusagen und Abmachungen wurden vom "Netzwerk Intersexualität/DSD" Mal für Mal gebrochen und die Betroffenenvetreter_innen über den Tisch gezogen. Vorschläge zur konkreten Verbesserung der Lage der geschädigten Betroffenen wurden Mal für Mal ignoriert.

Der Unmut unter den Zwangsoperierten wächst. 2009 distanzierte sich Intersexuelle Menschen e.V., der dem "Netzwerk DSD/Intersexualität" lange die Stange gehalten hatte, stillschweigend vom "Netzwerk DSD".

Mittlerweile sind die BMBF-Gelder alle aufgebraucht. Die altbekannten Zwangsoperateure & ZuliefererInnen (wenn auch ohne die Hamburger Fraktion) finanzieren sich heuer aus EU-Geldern, firmieren unter dem entsprechend angepassten, neuen Logo "Euro-DSD" und müssen endlich die Betroffenen nicht einmal mehr alibimässig mit einbeziehen.

2009 begann das "Netzwerk DSD" die Lübecker Evaluationsstudie nach den Bedürfnissen der Zwangsoperateure umzuschreiben. Ende 2008 veröffentlichte "erste Ergebnisse" der "Lübecker Studie" konstatierten (wie schon die ebenfalls BMBF-finanzierte "Hamburger Studie 2007") konstatierten noch das Offensichtliche: Je häufiger Zwitter als Kleinkinder genital zwangsoperiert wurden, desto mehr klagen sie als Erwachsene über verlorene sexuelle Empfindungsfähigkeit und damit einhergehende weitere sexuelle Probleme. Anlässlich einer Anhörung im Bundestag in Frühjahr 2009 wurden diese Ergebnisse zum ersten Male kurzerhand umfrisiert zur Behauptung, unabhängig von der Zahl kosmetischer GenitalOPs im Kindesalter gäbe es diesbezüglich angeblich keine Unterschiede.

Schon seit längerem kritisiert dieser Blog, dass es den in "Netzwerk DSD" und "Euro-DSD" versammelten Zwangsoperateuren letztlich bloss darum geht, nach dem Motto "alter Wein in neuen Schläuchen" die menschenrechtswidrigen Zwangsoperationen einfach als neu "genderoptimiert" und "todsicher" unverändert weiter zu praktizieren.Obwohl auch "Euro-DSD"-Chef Olaf Hiort öffentlich zugibt, dass für diese kosmetischen Genitaloperationen keine medizinische Notwendigkeit und auch keine Qualitätskontrolle besteht.

Weiter holen die Zwangsoperateure heute in Kiel dazu aus, unter dem Motto "Transsexualität, ein neues aktuelles Thema. Diskussion über die Aufnahme der Problematik in die Arbeitsgruppe DSD" wohl Zwitter künftig zusätzlich auch als geistig gestört zu verkaufen. Ein cleverer Schritt zur Ausweitung der "Patientengruppe" – der zudem auf ungeteilte Begeisterung stossen wird nicht zuletzt bei allen "Wir sind nämlich auch intersexuell"-Trans-Fraktionen, die sich schon lange nach einer offiziell anerkannten organischen Störung sehnen, ebenso wie bei allen PolitikerInnen und GendertheoretikerInnen, die (unter Ausblendung der Menschenrechtsaspekte) seit eh und je Zwitter gern systematisch mit Transsexuellen und anderen "Genderthemen" gleichsetzen bzw. "verwechseln". Welche der da verwursteten Gruppen bei der ganzen Aktion als zusätzlicher Verlierer herauskommt, ist einmal mehr jetzt schon absehbar.

Wie lange und wie weit deutsche Betroffenenorganisationen sich das alles noch ohne öffentlichen Widerspruch gefallen lassen, bleibt abzuwarten.

Nachträge 1-2:   >>> Pressemitteilung 14.11.09   >>> Mediziner-Kommentare zur Kritik

Nachtrag 3:

Wie Zwischengeschlecht.info inzwischen in Erfahrung bringen konnte, stiess das von Anette Richter-Unruh (Bochum) und Susanne Krege (Krefeld) propagierte Ansinnen, "Transsexualität" als "neues aktuelles Thema" in die "Arbeitsgruppe DSD" aufzunehmen, offenbar auf wenig Begeisterung; insbesondere "Euro-DSD"-Chef Olaf Hiort (Lübeck) habe sich deutlich dagegen ausgesprochen.

Auch der Vortrag über die frisierte Version der "Lübecker Studie" von Ute Thyen (Lübeck) vom Sonntag sei alles andere als unwidersprochen geblieben. An diesem Programmpunkt sass auch eine Delegation von Intersexuelle Menschen e.V. im Publikum, eine offizielle Stellungnahme von IMeV zur Problematik ist jedoch nach wie vor nicht erhältlich.

Siehe auch:
- Wie das "Netzwerk Intersexualität/DSD" seine Versprechen bricht
- Wie das "Netzwerk DSD" die "Lübecker Studie" frisiert
- Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln aufgefordert
- Mein Rücktritt als 1. Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V.
- Intersexuelle Menschen e.V. distanziert sich stillschweigend vom "Netzwerk DSD" 
- 5. Treffen Netzwerk Intersexualität Kiel 6.9.2008 
- Netzwerk DSD/Intersexualität und wir Intersexuellen - Mitsprache geht anders
- "Medizinische Intervention als Folter" - Michel Reiter 30.6.2000

Thursday, July 16 2009

"Wie Zwitter um Anerkennung kämpfen" @ Stern-TV 15.7.09 22:15

Kann ein Zwitter Sünde sein?

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Leider erst allzu spät machten die Protagonist_innen auf diese Sendung aufmerksam mit dem vollständigen Titel: "Weder Mann noch Frau: Wie Zwitter um Anerkennung kämpfen".

Laut dem >>> Eintrag zur Sendung auf der Stern-TV Homepage (>>> alte Version) inkl. einem Glossar ist die Sendung gelungen – abgesehen von kleinen Schnitzern, z.B. "Jedes Jahr kommen in Deutschland rund 120 Zwitterkinder zur Welt" (noch Netzwerk-Chef Olaf Hiort geht laut der Hamburger Anhörung von mindestens 160 aus, vgl. Protokoll S. 18 – s. a. Die grosse "Intersex"-Statistiklüge). Auch diese Sendung bedeutet einmal mehr klar schlechte Nachrichten für alle Zwangsoperateure und wird weitere Menschen auf die Menschenrechtsverletzungen durch die genitalen Zwangsoperationen aufmerksam machen! Hipp, Hipp!! 

Wednesday, July 15 2009

Intersexuelle Menschen e.V. distanziert sich stillschweigend vom "Netzwerk DSD"

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!Seit längerer Zeit steht der Verein "Intersexuelle Menschen e.V." von verschiedenen Seiten in der Kritik für sein unkritisches Verhältnis gegenüber dem "Netzwerk DSD/Intersexualität". Dies umso mehr, als durch das "Netzwerks DSD" zigfach Versprechen gebrochen und zentrale Anliegen der Zwitter demonstrativ nicht zur Kenntnis genommen wurden. Nun stoppte der Verein seine öffentliche Unterstützung des Netzwerkes – allerding ohne dies publik zu machen oder sonst irgend eine öffentliche Kritik zu formulieren.

Das "Netzwerk Intersexualität" (wie das heutige "Netzwerk DSD" ursprünglich hiess) existierte von 2003-2008. Es war ausschliesslich bundesfinanziert durch das BMBF und entstand nicht zuletzt auf Grund eines Antrags 14/6259 der Bundestagsfraktion DIE LINKE vom 12.06.2001 (>>> mehr).

In diesem Antrag wurde bereits festgelegt, dass das Netzwerk nicht selbstherrlich operieren darf, sondern "Interessenvertretungen von Intersexuellen" einbeziehen muss. Namentlich aufgeführt wurde im Antrag die von Michel Reiter mitbegründete "AGGP[G] (Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie)". Leider existierte diese bereits nicht mehr, als das "Netzwerk" schliesslich in die Gänge kam, und die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Selbsthilfegruppen waren entweder den Medizynern gegenüber allzu unkritisch ("AGS Eltern- und Patienteninitiative") oder der dem "Netzwerk" offensichtlich nicht gewachsen, um wirksam Paroli bieten zu können ("XY-Frauen", "Intersexuelle Menschen e.V.").

Im Gegenteil wurden insbesondere von Mitgliedern des aktuellen Vorstands von "Intersexuelle Menschen e.V." jahrelang jegliche konkreten Bestrebungen abgeklemmt, das "Netzwerk Intersexualität/DSD" endlich in die Pflicht zu nehmen und falls nötig auch öffentlich und politisch unter Druck zu setzen. Dies jeweils nach dem Motto "Wir haben den Fuss in der Türe, wir dürfen jetzt nicht zu laut auftreten, sonst verlieren wir alles" (ohne jeweils kritisch zu überprüfen, woraus dieses "alles" überhaupt bestand). So liessen sich Delegierte des Vereins eins ums andere Mal vom "Netzwerk" zu neuen Aussprachen und "Elefantenrunden" einladen, wo eins ums andere Mal schöne mündliche Versprechungen gemacht wurden, denen allerdings nie Taten folgten (oder nur schon ein versprochenes schriftliches Protokoll mit den Zusagen in schriftlicher Form).

Da das Netzwerk ausschliesslich von öffentlichen Geldern des BMBF finanziert wurde, hätte öffentlicher und politischer Druck durchaus Wirkungen zeigen können. Stattdessen legitimierte der Verein das "Netzwerk" jahrelang öffentlich mit folgender Ankündigung auf seiner Homepage:

Welches sind die Ziele von Intersexuelle Menschen e.V.?

[...] Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Akquisition von Fördergeldern der öffentlichen Hand zur Unterstützung der Arbeit sowohl von Intersexuelle Menschen e.V., als auch der einzelnen Selbsthilfegruppen und deren Mitglieder.
Zudem streben wir eine enge Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Intersexualität an, das im Rahmen des Förderprogramms „Seltene Erkrankungen“ beim Bundesministerium für Bildung und Forschung gegründet wurde und die Forschungsanstrengungen unterschiedlicher Teams von Wissenschaftlern im Bereich der Intersexualität bündelt (www.netzwerk-is.de).

Insbesondere der letzte Satz wurde von verschieden Aktivist_innen seit längerem kritisiert.

2009 ist nun die Netzwerkfinanzierung ausgelaufen und das ehemalige "Netzwerk" damit Geschichte. Anfang Jahr wurde deshalb die Nachfolgeorganisation "Netzwerk DSD" aus der Taufe gehoben, die Gelder fliessen nun vornehmlich aus EU-Kassen via die inzwischen ebenfalls neu gegründete Orgnisation "Euro DSD" (Olaf Hiort, 1. Vorsitzender des "Netzwerk DSD", ist auch bei "EuroDSD" der verantwortliche "Koordinator").

Ironie des Schicksals: Just nun, wo es nix mehr bringt, wurde im letzten Frühjahr schliesslich doch noch zunächst der oben zitierte, kritisierte Satz von der IMeV-Vereinspage entfernt, dito auch von der XY-Frauen-Page. (Mittlerweile wurde auf der Vereinshomepage auch der Rest des Abschnitts gestrichen.)

Dies alles klammheimlich, ohne dass es je öffentlich erklärt oder begründet wurde, geschweige denn, dass das "Netzwerk DSD" jemals öffentlich für seine gebrochenen Versprechen und das Unterlassen jeglicher konkreten Hilfe für geschädigte Zwitter angeprangert oder gar zur Rechenschaft gezogen wurde.

Die Medizyner freut's ...

Siehe auch:
- Wie das "Netzwerk Intersexualität/DSD" seine Versprechen bricht     
- Netzwerk DSD/Intersexualität und wir Intersexuellen - Mitsprache geht anders
- Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln aufgefordert
- Wie das "Netzwerk DSD" die "Lübecker Studie" frisiert
- Mein Rücktritt als 1. Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V.
- 5. Treffen Netzwerk Intersexualität Kiel 6.9.2008 
- "Medizinische Intervention als Folter" - Michel Reiter 30.6.2000

Thursday, July 9 2009

Protokoll 2. Ausschusssitzung Hamburg: Laut Senat für Zwitter Geschlechtseintrag "Nicht bekannt" jetzt schon möglich

Das >>> Protokoll zur 2. Sitzung (PDF) des Ausschusses für Gesundheit und Verbraucherschutz zum Thema "Politischer Handlungsbedarf bei der Regelung für ärztliche Behandlungen von Hermaphroditen" vom 2. Juni 2009 ist jetzt erhältlich. Es handelt sich um die Nachfolgesitzung der Anhörung vom 29. April 2009 zum selben Thema. Schwerpunkt waren diesmal Stellungnahmen des Senats zu den Ergebnissen der Anhörung.

Die Bombe war zweifellos, nach Auffassung des Senats sehe

das Personenstandsgesetz in Deutschland [...] aktuell keine Verpflichtung vor, bei der Anmeldung des Kindes nach der Geburt auch das Geschlecht festzulegen. Wenn das Geschlecht zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt sei, könne dies auch so eingetragen werden. Es werde derzeit eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz diskutiert, nach der auch der Eintrag beim Standesamt, dass das Geschlecht nicht festgestellt sei, zulässig sei. Es werde danach keine Frist gesetzt, innerhalb der das Geschlecht festgelegt werden müsse. (S. 3)

Sieht fast so aus, als würde der seinerzeitige Prozess von Michel Reiter um Anerkennung eines 3. Geschlechtseintrags "zwittrig" doch noch späte Früchte tragen, obwohl er seinerzeit in 2 Instanzen unterlag ...

Nachtrag: >>> Thread dazu im Hermaphroditforum

Nach wie vor zu keinen konkreten Stellungnahmen durchringen kann sich der Senat auch betreffend der von RechtsexpertInnen und EthikerInnen weitgehend unbestrittenen Widerrechtlichkeit der genitalen Zwangsoperationen und Zwangskastrationen an Zwittern (vgl. auch seine wirklich beschämenden Antworten auf die Grossen Anfragen). 

Einmal mehr versteckt er sich hinter den nicht minder beschämenden Ausreden der Bundesregierung und führt weiter insbesondere die auf diesem Blog bereits eingehend kritisierte, nebulöse aktuelle AWMF-Leitline mehrfach ins Feld, die aus durchsichtigen Gründen u.a. behauptet, eine klare Trennung von "kosmetische" vs. medizinisch indizierte Operationen sei angeblich nicht möglich (AWMF-Leitlinie, "Chirurgische Therapie"). Tatsache ist demgegenüber, dass die weitaus häufigsten Eingriffe, die sog. "Klitorisreduktionen" und "Penisaufrichtungen" klar ausschliesslich kosmetisch sind, während lediglich Operationen medizinisch indiziert sind, wenn es z.B. darum geht, einen blockierten Harnabfluss zu ermöglichen, oder bestehende (und nicht medizynerseits eingebildete!) Tumore zu entfernen.

Auf die Stichworte "Menschenrechtsverträge" und "UNO" waschen sich die Delegierten des Senats die Hände wie gehabt in Unschuld rsp. in der altbewährte Zauberformel "sei ihnen nicht bekannt", garniert mit den üblichen schönen Ankündigungen: "Es müsse überprüft werden, ob es Auswirkungen auf deutsche Regelungen gebe." (S. 5)

Empörend auch, wie der Senat ohne Belege behauptet, "Die Einschätzung der Mediziner dazu [= Notwendigkeit medizinischer Eingriffe] habe sich in den letzten Jahren dramatisch verändert." (S. 2) Tatsache ist, noch die frisierte Version der "Lübecker Studie" belegt, dass nach wie vor 87% der Kinder zwischen 4 und 12 Jahren genital zwangsoperiert sind, über ein Viertel davon hat 3 und mehr Zwangsoperationen hinter sich! (Zum Vergleich: Von den heute Erwachsenen sind 90% genital zwangsoperiert, davon ebenfalls über ein Viertel mindestens 3 mal.) (Tabelle "Operationen nach Altersgruppen", S. 4)

Einmal mehr verbreitet der Senat ungehemmt das Medizynermärchen, Zwangskastrationen an Intersexuellen seien gar keine Kastrationen und würden deshalb nicht unter das "Kastrationsgesetz" fallen (S. 6). Tatsache ist, die Medizyner selbst sprechen oft genug von "Castratio", und auch die heute eher favorisierte Umschreibung "Gonadektomie" bedeutet dasselbe.

Auch in Sachen Statistiklüge hält es der Senat strikt mit den Medizynern, indem er ungeniert widersprüchliche Angaben zur Häufigkeit von Zwittern von sich gibt und ansonsten alles lieber weiterhin im Ungewissen belässt rsp. auf die strikt "individuelle Betrachtung des Einzelfalls" beschränkt haben will (S. 2), statt der Sache endlich auf den Grund zu gehen und verlässliche Zahlen zu beschaffen sowohl zum Vorkommen wie auch der "Behandlung" der Zwitter, sowie auch zum Verhältnis kosmetische vs. wirklich medizinisch notwendige Eingriffe.

Bezeichnend auch, wie der Senat pauschal weiter behauptet, "Formalrechtlich könnten Eltern ihre Einwilligung zu Operationen jeder Art geben", sowie, "es gebe nur einen Eingriff, nämlich die Sterilisation, zu dem die Eltern ihre Einwilligung nicht erteilen könnten" (die dann bei den Zwittern laut Senat ja gar keine Sterilisation bzw. Kastration ist, siehe oben). Ähm, schon mal was von übergeordneten Menschenrechten gehört, oder vom Grundgesetz auf körperliche Unversehrtheit?! Für den Senat offensichtlich alles "nicht bekannt[e]" Fremdwörter, bzw. auf Zwitter anscheinend nicht anwendbar.

Fazit: Es ist noch ein weiter Weg für die Urforderung dieses Blogs "Menschenrechte auch für Zwitter!", und ohne massiven zusätzlichen politischen, öffentlichen und juristischen Druck bleibt das wohl schlicht eine Fata Morgana bzw. ein frommer Wunschtraum.

Siehe auch:
- Hamburg: Ausschuss-Protokoll + Nachfolgesitzung 2.6.09 
- "Netzwerk DSD"-Chef Olaf Hiort: "keine Qualitätskontrolle" bei Zwangsoperationen an Zwittern 
- Hamburger Senat reiht sich ein unter die MittäterInnen
- Antwort der Bundesregierung zur 2. Kleinen Anfrage – Leugnen, Wegschauen, Schweigen wie gehabt ...   

Saturday, June 20 2009

"DSDnet"/"Euro-DSD"/etc.-Chef Olaf Hiort: "keine Qualitätskontrolle" bei Intersex-Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken

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Menschenrechte auch für Zwitter!

Wie schon im entsprechenden Post nachgetragen, streicht Michel Reiter in einer treffenden Analyse des Protokolls (PDF) der parlamentarischen Anhörung in Hamburg (--> 14.6.09) einige vielsagende Zitate heraus wie z.B. "Es gibt keine Qualitätskontrolle" (obwohl im Gesundheitswesen Qualitätsmanagement eigentlich vorgeschrieben wäre) und erläutert näher, was das konkret bedeutet.

Prädikat: Unbedingt lesen! (--> 14.6.09)

Das ganze entsprechende Zitat von "EuroDSD"- und "Netzwerk Intersexualität/DSD"-Chef Prof. Dr. Olaf Hiort (im PDF-Protokoll auf S. 40) lautet übrigens:

Es gibt keine Qualitätskontrolle, und alleine in Hamburg würde ich drei oder vier Krankenhäuser benennen können, die solche Operationen durchführen oder durchgeführt haben.

Mit Verweis auf ein Beispiel für "soziale Indikation[en]" (statt medizinische Notwendigkeit) für "solche Operationen" in AWMF-Leitlinien und der "Illegalität dieser Sichtweise" hebt Michel  weiter ein Zitat von Konstanze Plett im Anhörungsprotokoll hervor (PDF S. 18):

"Ich habe in Diskussionen auch gehört, ja, weil die Eltern an ihrem ungewöhnlichen Kind leiden, muss das Kind irgendwie unauffällig gemacht werden. Aber das ist aus juristischer Sicht nun überhaupt nicht vertretbar, dass ich einen Menschen behandle, um andere Menschen zu kurieren. Also Heileingriff geht immer nur an dem Menschen selber, der betroffen ist."

Bleibt zu befürchten, dass das "Netzwerk DSD" und die Nachfolgeorganisationen "EuroDSD", "NSDnet", "DSD-Life" etc. der Politik und der Öffentlickeit vermehrt frisierte Versionen z.B. der "Lübecker Studie" als Nachreichung der bisher fehlenden "Qualitätskontrolle" bzw. als "wissenschaftliche Rechtfertigung" und sonstige Lippenbekenntnisse zur Vertuschung/Fortführung der menschenrechtswidrigen Zwangsoperationen verkaufen wird – und die Bundesregierung als langjährige Mittäterin weiterhin noch so gern mitspielt ...

Nachtrag: Wichtiger Vorschlag von Einhorn, wie gegen die Verfälschung der "Lübecker Studie" vorgegangen werden kann, hier in den Kommentaren.

>>> Olaf Hiort: "Genitalverstümmelungen durchaus im Interesse der Betroffenen"
>>> Olaf Hiort: "Erwachsene Betroffene haben kein Recht zu kritisieren"
>>> Olaf Hiort: "Genitalverstümmelung der übliche Weg - wegen den Eltern"
>>> Olaf Hiort: "Intersexuelle nur Bruchteil aller Genitalverstümmelten"

Wednesday, June 17 2009

Wie das "Netzwerk DSD"/"Euro DSD" die "Lübecker Studie" frisiert

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>>> "EuroDSD": Lübecker Zwitterstudie frisiert (Pressemitteilung 14.11.09)

58% aller Kinder von 0-3 Jahren sind zwangsoperiert. 87% aller Kinder von 4-12 Jahren sind zwangsoperiert. 91% aller Jugendlichen sind zwangsoperiert. 90% aller Erwachsenen sind zwangsoperiert. (BMBF-Studie mit 434 Proband_innen, 2009)>>> PDF 2.3 Mb -> S. 3 (Vortrag Berlin 27.05.2009, Folie 6)
Nach wie vor sind 90% aller Diagnostizierten zwangsoperiert :-(

Menschenrechte auch für Zwitter!

Bisher hoben sich die BMBF-finanzierten Netzwerk-Studien wohltuend ab von unseriösen Vorgängerprojekten à la Meyer-Bahlburg, die von vornherein auf Pro-Zwangsops designt waren und prompt auch Resultate brachten, die frappant an realkommunistische Wahlresultate erinnerten.

>>> Das Corpus Delicti als PDF (2.34 MB):
Martina Jürgensen: "Klinische Evaluationsstudie im Netzwerk DSD/Intersexualität: Zentrale Ergebnisse", Vortrag 27.05.2009

Die diversen Veröffentlichungen zur "Hamburger Studie" und die Vorabveröffentlichung der "Lübecker Studie" wirkten demgegenüber einiges glaubwürdiger und redeten immer (zumindest auch) Klartext. Einige Beispiele:   >>> mehr

  • Zwangsoperierte Zwitter haben eine höhere Selbstmordrate als nicht-traumatisierte Nicht-Zwitter, vergleichbar mit traumatisierten Frauen nach körperlicher Misshandlung oder Kindesmissbrauch. (Schützmann/Brinkmann/Richter-Appelt, Arch Sex Behav. 2009 Feb;38(1):16-33)

  • Genital zwangsoperierte Zwitter haben signifikant mehr Angst vor sexuellen Kontakten und mehr Angst vor Verletzungen beim Geschlechtsverkehr als "nur" zwangskastrierte. (Vortrag von Hertha Richter-Appelt, 19.4.2009)

  • "Menschen, die mehr als drei Operationen im Zusammenhang mit der besonderen Geschlechtsentwicklung erlebt haben, haben im Bereich körperliche Schmerzen eine niedrigere Lebensqualität als Menschen mit wenigen oder gar keinen Operationen." (Vorabbericht zur Lübecker Studie, S. 22)

But the times they are a-changing!

Mittlerweile sind die Hamburger ja aus dem "neuen" Netzwerk DSD und der Nachfolgeorganisation "EuroDSD" irgendwie draussen. Und aus Lübeck weht nicht erst seit gestern nicht nur für Zwitter, die an der Studie teilnahmen und auf weitere Veröffentlichungen mit Klartext gehofft hatten, ein mittlerweile deutlich rauherer Wind .

Schon nach der Vorabveröffentlichung Ende 2008 waren Stimmen laut geworden, die befürchteten, künftige "offizielle" Publikationen würden auf Kosten der Zwangsoperierten wohl wieder mehr auf medizynerfreundlich getrimmt (--> 3. e) Kritische Anmerkungen).

Weiter hatte das "Netzwerk DSD" unter den Zwischengeschlechtlichen weitherum Empörung ausgelöst wegen des mehrfach gebrochenen Versprechens, Teilnehmende würden die Publikation im Voraus zu lesen bekommen mit der Möglichkeit zu Kommentaren (ähnlich der DGKJ-Leitlinie). Ausserdem war Zusammenarbeit mit Zwitterorganisationen Bedingung bei der Vergabe der BMBF-Gelder für das Netzwerk!

Doch noch die pessimistischten düsteren Vorahnungen wurden nun vom "Netzwerk DSD"/"EuroDSD" an einem Vortrag über die "Lübecker Studie" an einem Fachgespräch im Bundestag vom 27.05.2009 deutlich übertroffen!   >>> Bericht von Kitty

Betreffend der zentralen Frage, ob die Zwangsoperierten durch diese menschenrechtswidrigen Eingriffe mit oft verheerenden Folgen in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt werden, behauptete die von Lübeck als Expertin an die 2. Anhörung der Bundestagsfraktion der Grünen delegierte Martina Jürgensen schamlos und mit noch krasserer Durchgängigkeit als seinerzeit Meyer-Bahlburg, nämlich 100% ausnahmslos:

  • keine Unterschiede bei der LQ [Lebensqualität] (Gesamtwert) bei unterschiedlichen medizinischen Interventionen

bzw.

  • keine Unterschiede zwischen operierten und nicht-operierten Personen

usw.

Wie gesagt, durchgängig 100%ig das selbe Fazit, egal ob es sich um die Lebensqualität, psychische Gesundheit oder "psychosexuelle Entwicklung" von Kinder, Jugendlichen oder Erwachsenen handelt – JEDESMAL, wenn überhaupt ein Vergleich Zwangsoperiert–Nichtoperiert gemacht wird!

Kommt dazu: Von den über Dreijährigen Teilnehmer_innen der Studie waren laut dem Vortrag ingsesamt nach wie vor 87%-91% Prozent kosmetisch zwangsoperiert – davon ein Fünftel mindestens 3 Mal! Willkommen im 21. Jahrhundert!

58% aller Kinder von 0-3 Jahren sind zwangsoperiert. 87% aller Kinder von 4-12 Jahren sind zwangsoperiert. 91% aller Jugendlichen sind zwangsoperiert. 90% aller Erwachsenen sind zwangsoperiert. (BMBF-Studie mit 434 Proband_innen, 2009)
--> PDF S. 3
>>> Das Corpus Delicti als PDF (2.34 MB)

Unter den anwesenden Zwischengeschlechtlichen war die Konsternierung gross, und noch ein Arzt sagte mir später im Gespräch, eine solche Verfälschung hätte er nicht erwartet.

Zwar räumte Martina Jürgensen einmal mehr ein, auch laut der "Lübecker Studie" gäbe es einen "grossen"

  • Problembereich von Jugendlichen und Erwachsenen mit DSD: Partnerschaft und Sexualität [vgl. auch Vorabbericht]

Just bei diesem "grossen Problembereich" unterschied Martina Jürgensen dann übrigens nicht mehr nach Operierten und Nicht-Operierten. (Auch über die – auch laut der Lübecker Studie notorisch schlechte – Behandlungszufriedenheit der Zwangsoperierten schwieg sie sich durchgehend vormehm aus.)

In der auf den Vortrag folgenden Diskussionsrunde sprach ich Martina Jürgensen sowohl auf die u.a. ihrem eigenen Vorabbericht widersprechende Behauptungen an, Operierte hätten insgesamt keinerlei Nachteile gegenüber Nicht-Zwangsoperierten Zwittern, wie auch auf die Auslassung des Vergleichs zwischen Zwangsoperierten und Nicht-Operierten ausgerechnet beim zentralen "grossen Problem".

Im ersten Anlauf wollte Martina Jürgensen grösstenteils gar nicht verstehen, worum es ging. Als ich nochmals nachhakte, gab sie dann zu verstehen, jetzt wisse sie, was ich meine, aber durch ein grössere Vergleichsgruppe als bei den Resultaten der Vorabveröffentlichung hätten sich deshalb die Resultate geändert, ausserdem bestehe auch bezüglich des Problemfelds Sexualität und Partnerschaft keine Unterschiede zwischen Zwangsoperierten und Nicht-Operierten, da gebe es "keine Korrelation". Danach war die Diskussion dazu (welche die Gesprächsleiterin der Grünen am liebsten schon vorher abgeklemmt hätte) zu Ende.

Mittlerweile traue ich Martina Jürgensen et. al. und dem "Netzwerk DSD"/"Euro DSD" voll und ganz zu, dass sie solches (und weiteres) auch künftig in den "offiziellen" Publikationen zur Studie bevorzugt absondern werden. So besehen macht es auch durchaus Sinn, dass das "Netzwerk DSD" es vorzieht, langjährige Versprechen gegenüber den Studienteilnehmer_innen zu brechen und und lieber hinter den Rücken der Zwangsoperierten zu publizieren.

Mal abgesehen davon, dass bei Vergleichen innerhalb der Untersuchungsgruppe (wie z.B. Zwangsoperierte vs. Nicht-Operierte) die Vergleichsgruppe gar keine Rolle spielt (!), und es schlicht weltfremd ist, zu behaupten, dass Zwangsoperierte zwar laut Vorabbericht der "lübecker Studie" häufiger "körperliche Schmerzen" im Genitalbereich haben (S. 22), dies aber angeblich ausgerechnet im "grossen Problembereich [...] Partnerschaft und Sexualität" keine Auswirkungen haben soll.

Dass das "Netzwerk DSD"/"EuroDSD" solches offiziell so rumposaunt (und die Grüne Bundestagsfraktion es prompt nicht bemerkt haben will, s.a. bei Kitty), ist ein herber Schlag ins Gesicht und eine klare Kriegserklärung an alle Zwangsoperierten, die mit ihrer Behandlung nicht zufrieden sind (auch laut der Vorabveröffentlichung der "Lübecker Studie" klar die Mehrheit!).

Diese Desinformation ist die offensichtlich Antwort des "Netzwerks der unverbesserlichen Zwangsoperateure" auf die neu erstarkte Zwitterbewegung, auf das zunehmend öffentlich bekannt werden der Menschenrechtsverletzungen durch die genitalen Zwangsoperationen und der Forderung der Zwangsoperierten nach "Menschenrechte auch für Zwitter!"

>>> Das Corpus Delicti als PDF (2.34 MB):
Martina Jürgensen: "Klinische Evaluationsstudie im Netzwerk DSD/Intersexualität: Zentrale Ergebnisse", Vortrag 27.05.2009

An der Veranstaltung waren übrigens auch mehrere Mitglieder sowohl von IVIM (die vor Beginn ein Faltblatt verteilten) wie auch von Intersexuelle Menschen e.V. anwesend. Bisher haben beide Organisationen noch nicht öffentlich Stellung zu diesem ungeheuerlichen Vorgang bezogen ...

Nachtrag: Wichtiger Vorschlag von Einhorn, wie gegen die Verfälschung der "Lübecker Studie" vorgegangen werden kann, hier in den Kommentaren.

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Fakten und Zahlen

>>> "EuroDSD": Lübecker Zwitterstudie frisiert (Pressemitteilung 14.11.09)

Siehe auch:
- Bericht von Kitty über das Fachgespräch vom 27.5.09 und das Corpus delicti
- Fachgespräch der Grünen, Berlin Mi 27.5.09 14-18h  
-
"Netzwerk DSD"/"Euro DSD": Ethik-Empfehlungen als Feigenblatt für Zwangsoperateure 
-
Wie das "Netzwerk Intersexualität/DSD" seine Versprechen bricht   
- "Euro-DSD"-Zwangsoperateure: transsexuell = intersexuell??! 
-
Netzwerk DSD/Intersexualität und wir Intersexuellen - Mitsprache geht anders
- Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln aufgefordert
- 5. Treffen Netzwerk Intersexualität Kiel 6.9.2008
- "Netzwerk DSD"-Chef Olaf Hiort: "keine Qualitätskontrolle" bei Zwangsoperationen an Zwittern  
- "Medizinische Intervention als Folter" - Michel Reiter 30.6.2000  

Sunday, June 7 2009

Zwitter: Akzeptieren statt zwangsoperieren! – Oliver Tolmein (2002)

Menschenrechte auch für Zwitter!

Die Zwitter Medien Offensive™ war schon da!

Oliver Tolmein:

Hermaphroditen: Akzeptieren statt therapieren

Dr. med. Mabuse 137, 2002

>>> http://www.tolmein.de/bioethik,recht,82,hermaphroditen.html

Gelungener, leider beklemmend aktuell gebliebener Artikel ... Oliver Tolmein ist Anwalt, Journalist, FAZ-Blogger und Co-Regisseur von "Das verordnete Geschlecht" (2001) und gehörte mit der Rechtsprofessorin Konstanze Plett zu den ersten Nicht-Zwittern, die öffentlich konkrete gesetzliche Massnahmen zum Schutz der Menschenrechte inkl. körperliche Unversehrtheit auch der Zwitter forderten. Durch die verstärkten Zwitter-Lobbyoffensiven der letzen 2 Jahre, das zuvor nie dagewesene Medienecho und die Rüge des UN-Ausschusses CEDAW erhält diese langjährige, wichtige Forderung aktuell neuen Aufwind (vgl. z.B. die Beiträge der beiden an der parlamentarischen Anhörung in Hamburg). Einige Ausschnitte aus dem Artikel (meine Hervorhebungen):

[...] Der Diskurs um die Behandlung von Zwittern gewinnt vielmehr gerade im Kontext der bioethischen Debatte, in deren Zentrum die Frage nach dem Verständnis von Mensch-Sein und die Akzeptanz von Differenzen steht, an Bedeutung. [...] Anders nämlich als viele menschliche Abweichungen vom Normalbild, die als Behinderungen qualifiziert werden, lässt sich Zwittertum unsichtbar machen und, nach den Vorstellungen zumindest der Medizin und der Jurisprudenz, heilen. [...]

Der fehlende Bedarf steht in krassem Gegensatz zur Invasivität der Eingriffe, die von den Betroffenen oft genug als Verstümmelung wahrgenommen werden: Die Verkleinerung der Klitoris oder gar deren Amputation, das Einsetzen einer Neovagina, die Entfernung von Hoden oder die Verlegung der Harnröhre. Da die Eingriffe im Kleinkindalter vorgenommen werden, können die Patienten in diese irreversiblen und folgenreichen Behandlungen nicht selbst einwilligen. Rechtsgrundlage für die folgenreichen Eingriffe, die meist mit Hormontherapien kombiniert werden, die Vermännlichung oder Verweiblichung verhindern sollen, ist deswegen das elterliche Sorgerecht aus § 1626 BGB. Das Sorgerecht ist allerdings nicht Ausdruck der elterlichen Macht über das Kind, sondern soll dem Bedürfnis der Kinder nach Schutz und Hilfe Rechnung tragen und ihnen helfen, sich zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln. Folglich findet das elterliche Sorgerecht seine Grenzen dort, wo es zweifelhaft erscheint, ob es dem Kind nützt. Für medizinische Maßnahmen gibt es beispielsweise § 1631c BGB als Ausnahme, der die Sterilisation des Kindes verbietet, weil sich, wie aus den Gesetzgebungsunterlagen hervorgeht, die Erforderlichkeit und die Auswirkungen der Sterilisation bei Minderjährigen schwer beurteilen lassen (BT-Drucksache 11/4528)

Bislang sind in der deutschen juristischen und medizinischen Fachliteratur die im Zuge der Geschlechtszuweisung vorgenommenen Eingriffe nicht grundlegend problematisiert worden. [...] Selbst die Einschränkung der ärztlichen Aufklärungspflicht über den Anlaß und das Ausmaß der Behandlung gegenüber älteren, zumindest teilweise einsichtsfähigen Kindern oder Jugendlichen wie sie sich in der medizinischen Literatur findet, wird von Juristen kommentarlos akzeptiert: "Es wäre verfehlt sie (Patienten mit sog. testikulärer Feminisierung, Anm. O.T.) über die Art ihrer Anomalie aufzuklären, weil man dann aus einem gesunden Menschen einen kranken, von Zweifeln gequälten machen würde. Sie ist lediglich über ihre ... unwiderrufliche Sterilität zu unterrichten, welche man am besten mit dem Fehlen des Uterus begründen kan. Damit finden sie sich meist ab." (Kern, Gynäkologie)

Angesichts der Schwere und der Irreversibilität der Eingriffe im Zuge der Geschlechtszuweisung ist diese Zurückhaltung schwer verständlich: Wenn bei Kindern die Sterilisation, die zwar folgenreich, die aber zugleich ein vergleichsweise leicht durchzuführender, einmaliger Eingriff ist, verboten wird, ist nicht einzusehen, wieso die vollständige oder teilweise Entfernung der Klitoris, oder die mit zahlreichen, psychisch erheblich belastenden Folgeeingriffen verbundene Einsetzung einer künstlichen Vagina erlaubt sein soll, wenn nur die Eltern zustimmen. [...] Das Urteil des Amtsgerichts München, das sich mit Michel Reiters Antrag auf Zuerkennung des Geschlechts "Zwitter" beschäftigt hat, zeigte sich über die medizinische Behandlungspraxis ebenfalls besorgt und plädierte in einer für die Entscheidung von Reiters Antrags allerdings nicht unmittelbar bedeutsamen, Passage für ein Verbot der geschlechtszuweisenden Eingriffe im Kleinkindalter analog dem Sterilisationsverbot des § 1631c BGB. Dieser Weg wird auch in anderen Rechtskulturen beschritten. [...]

Möglicherweise als Reaktion auf diese Ansätze, das Thema verstärkt auf politischem und rechtlichem Terrain zu diskutieren, macht sich nun künftig auch die Wissenschaft verstärkt Gedanken über Zwitter. [...] Professor Olaf Hiort, der Sprecher der Forschergruppe ["Netzwerk DSD / Intersexualität"], will herausfinden, wie die Genitalentwicklung im Detail abläuft [...]. Dass sich durch eine gesellschaftliche Anerkennung von Zwittern auch die Situation für die Medizin grundsätzlich verändern könnte, dass aus Patienten dann Menschen ohne Behandlungsbedarf würden, kann sich Hiort nicht vorstellen.

[...] [M]anche Zwitter [stehen] dem Interesse der Wissenschaft an ihnen skeptisch gegenüber. Denn die Forschung, die sich darauf konzentriert die hormonellen und genetischen Mechanismen im Detail zu erkunden, kann für eine auf Anerkennung und gegen Diskriminierung gerichtete Strategie durchaus kontraproduktiv sein. [...]

Aber der Diskurs über Zwitter gerät nicht nur in Konflikt mit einem medizinischen Diskurs, der Abweichungen schnell als Krankheit begreift, die behandelt werden muß. Auch mit anderen Debatten beispielsweise um Transsexualität oder die Konstruktion von Geschlechtern, wie sie im Gender-Bereich heute gängig sind, läuft das Engagement von Zwittern um ihre Anerkennung nicht selbstverständlich parallel: Sie beharren ja nicht nur darauf, dass die herrschenden Vorstellungen von Geschlecht hinterfragt werden müssen, für sie ist Geschlecht gleichzeitig nicht nur eine Frage von Konstruktionen, sondern durchaus auch eine biologische Wirklichkeit, die allerdings nicht in das strikt duale Schema paßt, in die sie derzeit gerastert wird. Werden Zwitter also als dereinst als Zwitter anerkannt, müssen wahrscheinlich nicht nur die Bewahrer konservativer Vorstellungen von Mann und Frau umdenken, sondern auch etliche ihrer Kritiker.

>>> http://www.tolmein.de/bioethik,recht,82,hermaphroditen.html

Siehe auch:
- Sonja Rothärmel: "Rechtsfragen der medizinischen Intervention bei Intersexualität" (PDF)   

Monday, June 1 2009

IGM in Hamburg: Ausschuss-Protokoll + Nachfolgesitzung 2.6.09

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!Di 2.6. findet die öffentliche Nachfolgesitzung des Gesundheitsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft statt zum Thema "Politischer Handlungsbedarf bei der Regelung für ärztliche Behandlungen von Hermaphroditen". Rathaus, Raum 186, 17h
>>>
Der dabei debattierte Bericht der Anhörung (PDF)

Inzwischen liegt auch das aufschlussreiche >>> Wortprotokoll der Anhörung vom 29.4.09 (PDF) vor, das zeigt, dass es der Bürgerschaft (im Gegensatz zum Senat) offenbar ernst ist! (Trotz einiger kleiner Schnitzer: Es müsste durchgehend heissen John Money statt Jean Manny, S. 28, 30; CAIS statt CAES, S. 28, 29; CEDAW statt CHDW, S. 44.)

Nachtrag: Treffender Post von Michel Reiter zum Protokoll (--> 14.6.09) u.a. mit vielsagenden Medyziner-Zitaten daraus und was das konkret bedeutet. Siehe auch: "Netzwerk DSD"-Chef Olaf Hiort: "keine Qualitätskontrolle" bei Zwangsoperationen an

Siehe auch:
- Oliver Tolmein: Bericht von der Anhörung v. 29.4.09 auf FAZ-Online
- "Gratuliere, es ist ein Zwitter!" - Jungle World 7.5.09
- Hamburg: Erneut historische Grosse Zwitter-Anfrage!!
- Hamburger Senat reiht sich ein unter die MittäterInnen

Saturday, May 9 2009

"Gratuliere, es ist ein Zwitter!" - Jungle World 7.5.09

Die Zwitter Medien Offensive™ lässt grüssen!

Jungle World war neben Gigi meines Wissens nach die zweitwichtigste Zeitschrift, die Michel Reiters Texten und Aktivitäten zugunsten der Zwitter schon zu AGGPG-Zeiten mehrfach Raum und Unterstützung gab. Anlässlich der Anhörung vor der Bürgerschaft in HH vom 29.04.09 greift nun auch >>> Jungle World mit einem gelungenen Artikel von Ron Steinke diese noble Tradition wieder auf (wie schon Gigi zu Christianes Prozess) und bringt Klartext:

Eine dringende medizinische Notwendigkeit für »geschlechtszuweisende« Eingriffe gebe es nie, erläuterte der Lübecker Medizinprofessor [und "EuroDSD"-Chef] Olaf Hiort. Weil viele Eltern in Sorge um ihr Kind annehmen, dass es für die Operation im Säuglings­alter dennoch zumindest eine soziale Notwendigkeit gibt, setzen Ärzte trotzdem noch immer in vier von fünf Fällen das Skalpell an. Dies ergab eine aktuelle Studie der Universität Lübeck.

Ausführlicher geht der Bericht ein auf die schon in der taz erwähnten Bestrebungen zur Änderung des Personenstandsrecht zu Gunsten von Zwittern:

Die Bezeichnung »Zwitter« war in Deutschland einst sogar in amtlichen Dokumenten zu finden. Einigen In­tersexuellen schwebt Ähnliches für die Zukunft vor. Anders als heute stellte es im preußischen Recht des 19. Jahrhunderts nämlich kein Problem dar, ins Geburtenregister nicht »männlich« oder »weiblich«, sondern etwas Drittes eintragen zu lassen. Die Hamburger SPD-Politikerin Anja Domres etwa erwog, ob nicht das Personenstandsrecht wieder in dieser Weise geöffnet werden könnte. Das würde zwar die Situation verunsicherter Eltern nicht einfacher machen. Denn nicht die Ämter sind es, die Eltern und Ärzte dazu zwingen, die Kinder schmerzhaften Operationen zu unterziehen (die Behörden zwingen sie »nur« dazu, die Frage nach dem Geschlecht in bestimmter Wei­se zu beantworten). Eher sind es die vorherrschenden Vorstellungen von Geschlecht.

Ganz unbeeinflusst von rechtlichen Vorschriften sind diese aber vielleicht auch nicht, weshalb die offizielle Anerkennung eines »dritten Geschlechts« etwa auch zu den Forderungen des Vereins Intersexuelle Menschen gehört. Dem Anliegen von Queer- und Transgender-Gruppen, die behördliche Registrierung von Geschlechtern abzuschaffen, läuft das natürlich zuwider. Aber zumindest, so der Gedanke, braucht ein Kind, das ein anerkanntes Geschlecht hat, keines mehr auf dem OP-Tisch »zugewiesen« zu bekommen.

Dass anerkannt wird, dass ein 3. Geschlecht für Zwitter für diese positiv wäre und auch die Zwangsoperateure zusätzlich unter Druck setzen würde, während gleichzeitig die beliebte Medizyner-Ausrede "Die Personenstandseintragung zwingt uns zum zwangsoperieren" zurückgewiesen wird, find ich doch schon mal voll Klasse. Hipp, hipp!!

Ob jedoch die IMeV-Forderung nach einem "optionalen 3. Geschlechtseintrag für Zwitter" (vgl. 5.) dem Anliegen, die Geschlechter gelegentlich ganz abzuschaffen, wirklich zuwiderläuft, wage ich zu bezweifeln.

Meine 2 cent:

Bemerkenswert, dass sowohl das neu gegründete "Netzwerk Intersexualität/DSD" wie auch die Nachfolgeorganisation "Euro-DSD" Trotz zugegebenerweile fehlender medizinischer Indikation krampfhaft an den kosmetischen Zwangsoperationen an Zwitterkindern festhalten.

Ein optionales 3. Geschlecht nur für Zwitter hat aktuell die grössten realpolitischen Chancen und wäre zugleich der wohl durchschlagendste Beitrag zur schnellstmöglichen Abschaffung der Geschlechter überhaupt. Oder sagt mir wer n besseren konkreten Vorschlag, dem "unsinkbaren" 2-Geschlechtersystem so richtig einen Eisberg vor den Bug zu setzen, als durch die offizielle Einführung eines optionalen 3. Geschlechtseintrags für Zwitter – sowie durch gesetzliche Massnahmen zur Beendigung der genitalen Zwangsoperationen an Zwittern?

>>> http://jungle-world.com/artikel/2009/19/34441.html

(gefunden via Intersex-Feed)

Siehe auch:
- Für eine schlagkräftige Zwitter-Lobby JETZT!
- Oliver Tolmein: Bericht von der Anhörung auf FAZ-Online
- Vorabbericht zur Anhörung taz hamburg
- Hamburg: Erneut historische Grosse Zwitter-Anfrage!!
- Hamburger Senat reiht sich ein unter die MittäterInnen

Thursday, April 30 2009

"Intersexualität: Identität unterm Skalpell" - taz hamburg 28.4.09

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> Vorabbericht zur Anhörung von gestern vor dem Gesundheitsausschuss der hamburgischen Bürgerschaft.

Kommentar: Nach wie vor ist jeder Artikel, der die genitalen Zwangsoperationen und weiteren Menschenrechtsverletzungen an "Intersexuellen" überhaupt thematisiert, erstmal ein guter Artikel.

Erst recht, wenn er konkrete Fakten prominent herausstreicht, z.B.:

"Betroffene berichten von entwürdigenden und schmerzhaften Behandlungsmethoden, schildern, wie sie als medizinische Versuchsobjekte dienten und im Glauben aufwuchsen, sie seien verabscheuungswürdige Monster, ohne jemals den Grund für die Torturen zu erfahren.

Eine Studie des Hamburger Instituts für Sexualforschung aus dem Jahr 2007 bewies, dass die es bei Intersexuellen doppelt so oft zu selbstverletzendem Verhalten und Selbstmord kommt wie bei der Normalbevölkerung."

(Naja, mal abgesehen vom m.E. eher unüberlegten Einsatz des Begriffs "Normalbevölkerung". Wie dito von "Identität" im Titel – hallo, Eiken Bruhn: Bitte mal die eigene Brille einen Moment ablegen. Danke.) 

Lucie Veith, die Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V., darf eine Lanze brechen für das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde – auch für junge Zwitter:

"Regelmäßig, erzählt die 53-Jährige, habe sie als Beraterin ihres Selbsthilfevereins Kontakt zu verzweifelten Eltern oder Jugendlichen, die zu ihr kämen, wenn die Operation und die Hormongaben nicht mehr rückgängig gemacht werden können. "Das sind Menschenrechtsverletzungen", sagt sie und verweist auf einen Bericht der Vereinten Nationen vom Februar, der die Bundesregierung auffordert, die Menschenrechte von Intersexuellen besser zu schützen. "

Die "SPD-Gesundheitspolitikerin" Anja Domres, Verfasserin einer der historischen Grossen Anfragen in der Bürgerschaft, relativiert bei der ersten Nennung sogleich, dass die Bürgerschaft den "Ärzten keine Vorschriften machen könnten. Sie hoffe aber, "eine breite Diskussion" anzustoßen" und propagiert "eine Bundesratsinitiative zur Änderung des Personenstandrechts [...], das eine Festlegung auf eins von zwei Geschlechtern vorschreibt". Der Artikel lässt allerdings offen, worin die "Änderung des Personenstandrechts" konkret bestehen soll. Ein optionales 3. Geschlecht für Zwitter fordert aktuell Intersexuelle Menschen e.V., schon Michel Reiter klagte dieses Recht 2000 vor Gericht ein, unterlag jedoch in den beiden ersten Instanzen.

Hochgradig unerträglich wird der Artikel, wo er Medizynerlügen und -Verdrehungen unwidersprochen lässt, wenn z.B. Olaf Hirt (1. Vorsitzender "Netzwerk DSD/Intersexualität" und "Projektleiter" von "Euro-DSD") unhinterfragt behaupten darf, dass genitale Zwangsoperationen an wehrlosen Kindern doch "durchaus im Interesse der Betroffenen sein können": "Schließlich, das hat die Hamburger Intersex-Studie ergeben, gibt es erwachsene Intersexuelle, die mit ihrer damaligen Behandlung zufrieden sind." Dass diese Zufriedenen auch laut der von "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort ins Feld geführten Hamburger Studie klar die Minderheit sind, während die grosse Mehrheit nicht nur NICHT zufrieden ist, sondern vielfach zudem körperlich und seelisch massiv geschädigt oder längst tot, davon schweigt Olaf Hiort vornehm – und auch die taz.

Oder wenn der Netzwerk-Psychologe Knut Werner-Rosen (einmal mehr) unhinterfragt "Intersex-AktivistInnen" mit Zwangsoperateuren gleichsetzen darf: "Knut Werner-Rosen warnt [...] davor, den Betroffenen jetzt mit umgekehrtem Vorzeichen vorzuschreiben, was richtig für sie sei." Sprich, die "Intersex-AktivistInnen" (Medizynerdeutsch = erwachsene zwangsoperierte Zwitter) sollen bloss den "Betroffenen" (Medizynerdeutsch = die Eltern der zu operierenden Kinder) nicht dreinreden können, wenn sie ihre Kleinkinder ohne deren Einwilligung genital zwangsoperieren lassen wollen. Obwohl die grosse Mehrzahl der Zwangsoperierten hinterher ein Leben lang nicht nur körperlich geschädigt, sondern auch massiv traumatiert sind, mit ähnlichen schweren Folgeschäden wie nach Kindesmisshandlung oder Folter. Aber davon schweigt Knut Werner-Rosen vornehm – und auch die taz hakt nicht nach.

Es ist noch ein weiter Weg ...

>>> http://www.taz.de/regional/nord/nord-aktuell/artikel/1/identitaet-unterm-skalpell/

[PS In eigener Sache: Aus verschiedenen Gründen kriegte ich leider die Kurve nicht zur Anhörung in Hamburg, weshalb aus dem angekündigten Bericht vor Ort nichts wird, sorry.]

Tuesday, April 28 2009

Testo-Studie: Doch keine Placebos

Innerhalb der Selbsthilfegruppen bestand die Befürchtung, zusätzlich zu den längeren Absetzungen jeglicher HET zu Beginn und in der Mitte der geplanten klinischen Studie würden auch Placebos verabreicht, was die Absetzung noch einmal drastisch verlängert hätte. Der Studienverantwortliche Olaf Hiort gibt hierzu Entwarnung:

"Wir haben uns auf Grund der zu erwartenden kleinen Zahl an Teilnehmenden dafür entschieden, dass ein sogenannten doppel-blindes Cross-over Design verfolgt wird.  Dabei kommt kein Placebo zum Einsatz, sondern die Hormone werden als Gelpräparation geruchs- und verpackungsneutral geliefert und auf die Haut aufgetragen und nach einer bestimmten Zeitvorgabe gewechselt."

(Im Anschluss an die Pressemitteilung zum Thema hatte Nella plötzlich doch noch eine Antwort von Olaf Hiort auf ihre offizielle Stellungnahme erhalten. Leider ging Olaf Hiort weder darin noch in der folgenden Mail je inhaltlich auf die eigentliche Stellungnahme ein bzw. auf den pragmatischen flankierenden Vorschlag zur Behebung des Problems, dass zwangskastrierte Zwitter eine adäquate HET nach wie vor aus der eigenen Tasche bezahlen müssen ...)

Siehe auch:
- "Netzwerk DSD" plant Testostudie für Zwangskastrierte mit CAIS
- Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln aufgefordert
- PRESSEMITTEILUNG: Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen

Monday, April 20 2009

Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen

PRESSEMITTEILUNG von Zwischengeschlecht.org vom 20.04.2009

Das Problem ist altbekannt: Viele Zwitter werden nicht nur genital zwangsoperiert, sondern zusätzlich zwangskastriert und benötigen deshalb für den Rest ihres Lebens eine so genannte "Hormonersatztherapie (HET)". Da die meisten dieser Zwangskastrierten "zu Mädchen gemacht" werden, besteht die HET prinzipiell aus Östrogen – obwohl viele Zwitterkörper "von Haus aus" Testosteron produzieren (und dieses je nach Bedarf in körpereiges Östrogen umwandeln – Zwitter mit so genanntem "Androgen-Insuffizienz-Syndom (AIS)").

Diese Östrogen-HETs wurden nie klinisch getestet, den Zwangsoperierten werden Präparate aufgezwungen, die eigentlich nur für Frauen in der Menopause zugelassen sind, d.h. sie erfolgen experimentell als "Off Label-Use". Obwohl negative Folgen seit längerem auch in der medizinischen Literatur bekannt sind (unter anderem Depressionen, Adipositas, Stoffwechsel- und Kreislaufstörungen, Osteoporose, Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten und Libidoverlust), weigern sich die Mediziner bis heute, zwangskastrierten Zwittern eine HET nach Bedarf und Wunsch zuzugestehen.

Mehrere Betroffene begannen schliesslich, auf eigene Faust Testosteron zu nehmen, viele davon mit positiven Resultaten. In Deutschland, Österreich und in der Schweiz weigern sich die Mediziner jedoch, für Testosteron Rezepte auszustellen, die von der Kasse übernommen werden – bezeichnenderweise gerne mit der Ausrede, eine HET mit Testosteron sei "Off Label-Use" ... Sprich, die Zwangskastrierten müssen eine adäquate HET noch aus der eigenen Tasche bezahlen! Seit Jahren besteht deshalb die Forderung an die Mediziner und insbesondere das "Netzwerk Intersexualität/DSD" bzw. "Euro-DSD", diesem Unfug endlich ein Ende zu bereiten.


"Netzwerk DSD": Unrealistische Studie statt praktische Hilfe

Als Reaktion auf diese Forderung kündigt nun Prof. Olaf Hiort, 1. Vorsitzender "Netzwerk DSD",  eine "Klinische Studie zur Testosteronsubstitution bei kompletter Androgenresistenz" an, mit dem Ziel einer künftigen Kostenübernahme von Testosteron wenigstens bei Zwangskastrierten mit CAIS.

Die Teilnahme an dieser Studie, und insbesondere das Monate lange Absetzen jeglicher HET vor bzw. zwischen den Blindversuchen, über die Dauer eines ganzen Jahres, bedeutet aber für die teilnehmenden Zwangskastrierten ein Jahr lang massive körperliche und seelische Strapazen, die beispielsweise für das Berufsleben je nach dem auch bleibende negative Auswirkungen haben können. O-Ton Prof. Hiort: "Ich hoffe, diese mail schreckt Sie jetzt nicht zu sehr ab."

Aufgrund dieser ruinösen Teilnahmebedingungen ist es sehr unwahrscheinlich, dass sich die geforderten mindestens 30 Proband_innen finden lassen. Es ist deshalb von vornherein unrealistisch, dass die Studie überhaupt zustande kommt. Sie entpuppt sich somit als Alibiübung, um den schwarzen Peter weiterhin den Betroffenen zuschieben zu können.


Zwangskastrierte fordern Rechte statt Almosen - das "Netzwerk DSD" schweigt

Anstelle der unrealistischen Studie gäbe es durchaus pragmatischere Möglichkeiten zur praktischen Hilfe. Die negativen Folgen von Östrogen-HETs und die positiven Wirkungen von Testosteron-HETs bei vielen Betroffenen ist durch eine Vielzahl von Fallbeispielen erwiesen, die auch dem "Netzwerk DSD" bekannt sind.

Für viele Zwangskastrierte ist es zudem sehr störend, wie das "Netzwerk DSD" permanent unterschlägt, dass auch die Östrogen-HETs nie klinisch getestet wurden und somit ebenfalls einen "Off Label-Use" darstellen. Diese scheinheilige Ungleichbehandlung ist klar entwürdigend und diskriminierend.

Die inzwischen zurückgetretene 1. Vorsitzende von Intersexuelle Menschen e.V. Daniela Truffer forderte deshalb im Namen des Vorstands das "Netzwerk DSD" zu einer Stellungnahme auf betreffend realistischerer Möglichkeiten, den durch die Medizin geschädigten Zwangskastrierten endlich zu ihrem guten Recht zu verhelfen.

Wie stets bei Anfragen Betroffener kam von Seiten des Netzwerks DSD bisher keine Antwort ...


Weitere Informationen:

Zwangskastrationen an Zwittern und ihre Folgen
http://kastrationsspital.ch

Die geplante klinische Testosteronstudie
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2009/03/26/Netzwerk-DSD-plant-Testostudie-fur-Zwangskastrierte-mit-CAIS

Aufruf um Stellungnahme an "Netzwerk DSD"
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2009/04/02/Ersatzhormone-fur-Zwangskastrierte-auf-Kasse-Netzwerk-DSD-zum-Handeln-aufgefordert


Freundliche Grüsse

n e l l a
Daniela Truffer
presse_at_zwischengeschlecht.info
+41 (0)76 398 06 50
http://zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Zwischengeschlecht.org
Mitglied XY-Frauen
Mitglied Intersexuelle Menschen e.V.

Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info


Siehe auch:

- "Netzwerk DSD" plant Testostudie für Zwangskastrierte mit CAIS
- Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln aufgefordert
- PRESSEMITTEILUNG: Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen
- Testo-Studie: Doch keine Placebos

Thursday, April 2 2009

Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln aufgefordert

Nella hat inzwischen im Namen von Intersexuelle Menschen e.V. Prof. Olaf Hiort und das "Netzwerk DSD" betreffend der geplanten "Klinische[n] Studie zur Testosteronsubstitution bei kompletter Androgenresistenz" in einer >>> offiziellen Stellungnahme (auch) zu praktischem Handeln aufgefordert zugunsten aller Zwangskastrierten, die eine adäquate Hormonersatztherapie nach wie vor aus eigener Tasche bezahlen müssen:

[...] Es ist mehr als unwürdig, dass zwangskastrierte Zwitter sich mit Ärzten und Krankenkassen herumschlagen müssen, weil Testosteronsubstitution bei XY-chromosomalen Intersexuellen, die als "Frau" leben, als Off Label-Use gilt. Faktisch sind wir der Willkür bzw. dem Wohlmeinen oder gar Mitleid der uns jeweils behandelnden ÄrztInnen ausgeliefert.

Wir wollen aber kein Wohlmeinen oder Mitleid, sondern unser gutes Recht! [...] Nicht umsonst fordert Intersexuelle Menschen e.V. [...] "Evaluierung von Wirkungen und Machbarkeit der verschiedenen Hormonersatztherapien nach den individuellen Bedürfnissen und Wünschen der betroffenen Menschen (Testosteron, Östrogen oder beides)" für alle Betroffenen. [...]

Was ausserdem bei Ihrer Argumentation für die geplante Studie aus unserer Sicht sehr stört, ist die Unterschlagung der Tatsache, dass es sich auch bei der Östrogen-HET um einen Off Label-Use handelt. [...] Diese scheinheilige Ungleichbehandlung ist klar entwürdigend und diskriminierend.

Leider hatte es es das Netzwerk meines Wissens nach in all den vergangenen Jahren versäumt, uns von uneingewilligten Kastrationen betroffene Menschen konkret dabei zu unterstützen, damit wir, mit welcher Diagnose auch immer, unsere Hormonersatztherapie frei wählen und anstandslos bezahlt kriegen. Als offizielle Fachstelle für Intersexualität hätten Sie uns und unseren Bedürfnissen mehr als einmal Gehör verschaffen und sich für sie stark machen können. Oder habe ich etwas verpasst? An Rückmeldungen aus Betroffenenseite hat es – wie Ihre Mail zeigt – wohl kaum gemangelt.

Wenn es Ihnen Ernst ist mit dem Ziel der geplanten Studie, "XY-Frauen" eine von der Krankenkasse anerkannte Testosteronsubstitution zu ermöglichen, bitte ich Sie deshalb dringend, zusätzlich auch andere Möglichkeiten nach Kräften zu verfolgen.

Und um konkrete Unterstützung bei einem Vorschlag, der dieselben Ziele hat:

  • Menschen mit CAIS (und andere XY-chromosomale Zwitter), die eine HET mit Testosteron wünschen oder neu auf eine solche umstellen möchten, sollen bei Ihren Kontakten mit ÄrztInnen, Krankenkassen und Apotheken mit einem in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk herausgegeben Infoblatt unterstützt werden. Darin ist kurz und knapp der aktuelle Wissensstand betreffend Hormonersatztherapien bei xy-chromosomalen Intersexuellen festgehalten. Das Netzwerk bestimmt zudem eine Ansprechperson, die ihren Namen und Kontaktdaten auf dieses Papier setzt, welche sich bereit erklärt, Betroffene bei Problemen mit der Testosteronsubstitution zu unterstützen. Mit diesem Infoblatt können Betroffen bei Bedarf ihre Ärzte auffordern, diesen Experten des Netzwerks zu kontaktieren und sich zu informieren. 
  • Dieses Infoblatt soll betroffenen zwischengeschlechtlichen XY-Menschen konkret helfen, auf Wunsch eine von der Krankenkasse bezahlte HET mit Testosteron zu ermöglichen, Ärzte dazu zu verpflichten, entsprechende Rezepte auszustellen und eine bedingungslose Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse einzufordern. Das Netzwerk könnte so konkret zur Beendigung der aktuellen unwürdigen Situation helfen, ohne dass zuerst etwa völkerrechtliche oder juristische Instanzen bemüht werden müssten. 

>>> Das vollständige Schreiben ans "Netzwerk DSD"

Siehe auch:
- "Netzwerk DSD" plant Testostudie für Zwangskastrierte mit CAIS
- Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln aufgefordert
- PRESSEMITTEILUNG: Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen
- Testo-Studie: Doch keine Placebos

Wednesday, April 1 2009

Stellungnahme von Intersexuelle Menschen e.V. zur geplanten klinischen Studie zur Testosteronsubstitution

1.4.2009 8:15 Uhr

Lieber Olaf Hiort

Gerne lasse ich Ihnen wie gewünscht eine Stellungnahme zur geplanten klinischen Studie zur Testosteronsubstitution bei kompletter Androgenresistenz zukommen.

Intersexuelle Menschen e.V. begrüsst die geplante Studie und möchte Ihnen in diesem Zusammenhang jede mögliche Unterstützung zukommen lassen. Wir haben uns über Ihre vielversprechende Nachricht sehr gefreut: Endlich eine Studie, die beweisen soll, dass es Menschen mit CAIS mit einer Testosteron-HET psychisch und physisch besser geht! Ich hatte ihr Mail sowohl über den Vereinsverteiler wie auch über den XY-Frauen-Verteiler weitergeleitet und potentielle Teilnehmerinnen darum gebeten, eine Teilnahme zu prüfen.

Wie Sie in Ihrer Mail erwähnen, sind es Berichte von "XY-Frauen" die Sie dazu bewogen haben, die Finanzierung dieser Studie zu beantragen. Berichte einerseits über Probleme mit der Östrogen-HET und einem gesteigerten Wohlbefinden nach der Umstellung auf eine Testosteronsubstitution, andrerseits  betreffend der nach wie vor mit einer Testosteronsubstitution verbundenen Probleme mit Ärzten, die sich oft weigern, übernahmepflichtige Rezepte auszustellen, weshalb viele von uns eine adäquate HET von der Krankenkasse nicht erstattet bekommen, wie Sie ansprechen oft mit der "Begründung" Off Label-Use.

Intersexuelle Menschen e.V. begrüsst deshalb insbesondere das Ziel der Studie, "XY-Frauen" eine von den Krankenkassen bezahlte Testosteron-HET zu ermöglichen. Es ist mehr als unwürdig, dass zwangskastrierte Zwitter sich mit Ärzten und Krankenkassen herumschlagen müssen, weil Testosteronsubstitution bei XY-chromosomalen Intersexuellen, die als "Frau" leben, als Off Label-Use gilt. Faktisch sind wir der Willkür bzw. dem Wohlmeinen oder gar Mitleid der uns jeweils behandelnden ÄrztInnen ausgeliefert.

Wir wollen aber kein Wohlmeinen oder Mitleid, sondern unser gutes Recht! Nicht umsonst ist dies Teil unserer Forderungsliste, vgl. 2) Schaffung verbindlicher "Standards of care" unter Einbezug der betroffenen Menschen und ihrer Organisationen. (Zur Forderungsliste vermissen wir übrigens nach wie vor eine Stellungnahme des Netzwerks, obwohl wir seinerzeit darum baten – dürfen wir Sie als 1. Vorsitzenden des "neuen" Netzwerks deshalb noch einmal darum bitten?)

Wir erachten deshalb die von Ihnen angestrebte Studie für eine grosse Chance für unsere Anliegen. Wie Sie selber bemerken, ist es aber "sehr schwer", heute "eine Medikamentenstudie offiziell durchzuführen", und wirken die Teilnahmebedingungen doch eher abschreckend. Nicht zuletzt ist das geforderte mehrmalige, monatelange Absetzen jeglicher HET für die Teilnehmerinnen physisch und psychisch sehr strapaziös, wofür zum Beispiel kaum ein Arbeitnehmer Verständnis hätte. Das Zustandekommen dieser Studie mit mindestens 30 Teilnehmerinnen ist deshalb meines Wissens nach alles andere als von vornherein gesichert.

Weiter beschränkt sich die Studie ausschliesslich auf Menschen mit kompletter Androgenresistenz. Nicht umsonst fordert Intersexuelle Menschen e.V. aber  "Evaluierung von Wirkungen und Machbarkeit der verschiedenen Hormonersatztherapien nach den individuellen Bedürfnissen und Wünschen der betroffenen Menschen (Testosteron, Östrogen oder beides)" für alle Betroffenen. Es ist wie gesagt mehr als unwürdig, dass insbesondere für sämtliche Zwangskastrierten nach wie vor eine adäquate HET "nach den individuellen Bedürfnissen und Wünschen" immer noch nicht selbstverständlich ist.

Was ausserdem bei Ihrer Argumentation für die geplante Studie aus unserer Sicht sehr stört, ist die Unterschlagung der Tatsache, dass es sich auch bei der Östrogen-HET um einen Off Label-Use handelt. Die Hormonersatztherapie mit Östrogene bei Intersexuellen ist meines Wissens nach nie klinisch getestet worden, es handelt sich um Präparate, die eigentlich nur für Frauen in der Menopause zugelassen sind oder zur Schwangerschaftsverhütung dienen. Obwohl die negativen Folgen einer contrachromosomalen Hormonersatztherapie seit längerem auch in der medizinischen Literatur bekannt sind. Trotzdem ist dort Off Label-Use plötzlich kein Argument mehr. Diese scheinheilige Ungleichbehandlung ist klar entwürdigend und diskriminierend.

Leider hatte es es das Netzwerk meines Wissens nach in all den vergangenen Jahren versäumt, uns von uneingewilligten Kastrationen betroffene Menschen konkret dabei zu unterstützen, damit wir, mit welcher Diagnose auch immer, unsere Hormonersatztherapie frei wählen und anstandslos bezahlt kriegen. Als offizielle Fachstelle für Intersexualität hätten Sie uns und unseren Bedürfnissen mehr als einmal Gehör verschaffen und sich für sie stark machen können. Oder habe ich etwas verpasst? An Rückmeldungen aus Betroffenenseite hat es – wie Ihre Mail zeigt – wohl kaum gemangelt.

Wenn es Ihnen Ernst ist mit dem Ziel der geplanten Studie, "XY-Frauen" eine von der Krankenkasse anerkannte Testosteronsubstitution zu ermöglichen, bitte ich Sie deshalb dringend, zusätzlich auch andere Möglichkeiten nach Kräften zu verfolgen.

Und um konkrete Unterstützung bei einem Vorschlag, der dieselben Ziele hat:

Menschen mit CAIS (und andere XY-chromosomale Zwitter), die eine HET mit Testosteron wünschen oder neu auf eine solche umstellen möchten, sollen bei Ihren Kontakten mit ÄrztInnen, Krankenkassen und Apotheken mit einem in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk herausgegeben Infoblatt unterstützt werden. Darin ist kurz und knapp der aktuelle Wissensstand betreffend Hormonersatztherapien bei xy-chromosomalen Intersexuellen festgehalten. Das Netzwerk bestimmt zudem eine Ansprechperson, die ihren Namen und Kontaktdaten auf dieses Papier setzt, welche sich bereit erklärt, Betroffene bei Problemen mit der Testosteronsubstitution zu unterstützen. Mit diesem Infoblatt können Betroffen bei Bedarf ihre Ärzte auffordern, diesen Experten des Netzwerks zu kontaktieren und sich zu informieren.

Dieses Infoblatt soll betroffenen zwischengeschlechtlichen XY-Menschen konkret helfen, auf Wunsch eine von der Krankenkasse bezahlte HET mit Testosteron zu ermöglichen, Ärzte dazu zu verpflichten, entsprechende Rezepte auszustellen und eine bedingungslose Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse einzufordern. Das Netzwerk könnte so konkret zur Beendigung der aktuellen unwürdigen Situation helfen, ohne dass zuerst etwa völkerrechtliche oder juristische Instanzen bemüht werden müssten.

Ich danken Ihnen herzlich für Ihre baldige Stellungnahme zu diesem Vorschlag (sowie dem Netzwerk für das Feedback zur Forderungsliste). Und wünsche der geplanten Studie gutes Gelingen!

Freundliche Grüsse

Daniela Truffer
1. Vorsitzende Intersexuelle Menschen e.V.

Siehe auch:
- "Netzwerk DSD" plant Testostudie für Zwangskastrierte mit CAIS
- Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln aufgefordert
- PRESSEMITTEILUNG: Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen
- Testo-Studie: Doch keine Placebos

Thursday, March 26 2009

"Netzwerk DSD" plant Testostudie für Zwangskastrierte mit CAIS

Das Problem ist altbekannt: Viele Zwitter werden nicht nur genital zwangsoperiert, sondern in der Regel ebenfalls bereits als Kinder mit der Pauschal-Ausrede "Krebsgefahr" zusätzlich zwangskastriert und benötigen deshalb für den Rest ihres Lebens eine so genannte "Hormonersatz Therapie (HET)". Da die meisten dieser Zwangskastrierten "zu Mädchen gemacht" werden, besteht die HET prinzipiell aus Östrogen – obwohl viele Zwitterkörper "von Haus aus" Testosteron produzieren (und dieses je nach Bedarf in körpereiges Östrogen umwandeln – Zwitter mit so genanntem "Androgen-Insuffizienz-Syndom (AIS)").

Diese Östro-HETs wurden nie klinisch getestet, den Zwangsoperierten werden Präparate aufgezwungen, die eigentlich nur für Frauen in der Menopause zugelassen sind, d.h. die Östro-HETs erfolgen (seit Jahrzehnten!) experimentell als "Off Label-Use". Obwohl die negativen Folgen von Östro-HET bei Zwittern, deren Körper eigentlich Testo brauchten, seit längerem auch in der medizinischen Literatur bekannt sind (unter anderem Depressionen, Adipositas, Stoffwechsel- und Kreislaufstörungen, Osteoporose, Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten und Libidoverlust), weigern sich die Mediziner bis heute, zwangskastrierten Zwittern eine HET nach Bedarf und Wunsch zuzugestehen.

Mehrere Betroffene begannen schliesslich, auf eigene Faust Testo zu nehmen, viele davon mit positiven Resultaten. Jedoch weigern sich die Mediziner meist, den Betroffenen Rezepte auszustellen, die von der Kasse übernommen werden – bezeichnenderweise gern mit der Ausrede, HET mit Testo sei "Off Label-Use" ... Sprich, die Zwangskastrierten müssen eine adäquate HET noch aus der eigenen Tasche bezahlen! Seit Jahren besteht deshalb die Forderung an die Mediziner und insbesondere das Netzwerk, diesem Unfug endlich ein Ende zu bereiten.

Am 6.3.2009 ging nun beim Dachverband der Selbsthilfegruppen Intersexuelle Menschen e.V. eine Mail ein von Prof. Olaf Hiort mit dem Betreff "Klinische Studie zur Testosteronsubstitution bei kompletter Androgenresistenz". Eine solche war schon seit längerem im Gespräch. Nachdem jedoch letztes Jahr die Netzwerk-Gelder ausliefen und eine Fortsetzung der Finanzierung letzten Sommer abgelehnt wurde, lag das Projekt zunächst auf Eis. Olaf Hiort hatte es nun "bei einem anderen Förderprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) eingereicht", und dort sei es "als sehr gut bewertet worden".

Bei der Studie geht es laut Olaf Hiort darum, dass die Testosteronsubstitution bei CAIS ("Betroffene mit anderen Formen von DSD/Intersexualität sind von der Studie ausgeschlossen") in Zukunft zugelassen, sprich "vom Gesetzgeber und von den Krankenkassen" anerkannt wird.

Damit liegt der Ball nun bei den Zwittern. IMeV und die Selbsthilfegruppen suchen zur Zeit nach potientiellen Kandidat_innen, die mitmachen – was jedoch nicht nur einfach sein wird, da die Teilnehmenden drastischen körperlichen und seelischen Strapazen ausgesetzt werden.

Mein Kommentar:

Auf den ersten Blick eine erfreuliche und vielversprechende Nachricht: Endlich eine Studie, die beweisen soll, dass es CAIS-Menschen mit Testosteron besser geht! Auf den zweiten Blick sieht das Ganze jedoch etwas anders aus.

Obwohl ich das im ersten Augenblick dachte, geht es bei dieser Studie nicht darum, Kastrationen zukünftig als noch unsinniger darzustellen und deshalb letztlich abzuschaffen. Diese Studie tangiert den Kastrationsgrund "Krebsgefahr" nicht. Es geht lediglich um den "Off Label-Use".

Dagegen ist im Grunde genommen auch nichts einzuwenden. Viele von uns wären froh darum, sich nicht mehr mit renitenten Medizinern und Krankenkassen rumschlagen zu müssen.

Die "Versuchskaninchen" müssen sich jedoch für diese Studie einem sehr drakonischen Regime unterziehen:

"Es ist eine zweizeitige Behandlung mit Testosteron gegen Östrogene vorgesehen, wobei das Präparat 'geblindet' wird, d. h. die Behandelte weiß nicht, welches Präparat sie gerade bekommt.  Die Behandlungsdauer ist insgesamt mit einem Jahr angesetzt, dabei dürfen 2 Monate vor Behandlungsbeginn keine Hormone eingenommen werden und zwischen den beiden Therapiearmen jeweils auch einen Monats nichts..  Also ein langwieriger Vorgang, um die Effekte der Behandlung zu erfassen.  Dies würde an 4 Zentren in Deutschland erfolgen, die festgelegt werden.  Es sind ingesamt 8 Vorstellungstermine vorgesehen. Natürlich werden den Studienteilnehmern keine Kosten entstehen."

Nur, wenn mindestens 30 CAIS-Frauen bereit sind, an dieser Studie teilzunehmen, kriegt das Netzwerk diese vom BMBF bewilligt und bezahlt.

Bei dieser Studie mitzumachen, und insbesondere über Monate jeweils jede HET abzusetzen, bedeutet aber für die betreffenden Zwitter ein Jahr lang massive körperliche und seelische Probleme, die beispielsweise für das Berufsleben je nach dem auch bleibende negative Auswirkungen haben können. O-Ton Hiort: "Ich hoffe, diese mail schreckt Sie jetzt nicht zu sehr ab." Aufgrund dieser heftigen "Auflagen" wird Prof. Hiort eventuell keine 30 Proband_innen zusammen kriegen, die diese hormonellen Strapazen und sonstigen Unannehmlichkeiten auf sich nehmen werden wollen oder können.

In diesem Fall kann sich das Netzwerk dann künftig darauf berufen, dass die Betroffenen leider nicht interessiert sind, und sich die Hände in Unschuld waschen – statt endlich dafür zu sorgen, dass künftig ALLE zwangskastrierten Zwitter Hormone nach ihren Bedürfnissen und Wünschen von der Kasse bezahlt kriegen (und nicht nur solche mit CAIS)! Weil dies wäre nun wirklich das allermindeste, was uns zwangskastrierten Zwittern zustünde!

Dass man die Anerkennung der Testosteronsubstitution bei CAIS-Menschen und anderen Zwittern "vom Gesetzgeber und von den Krankenkassen" auch auf anderem Wege  erreichen könnte, und erst noch ohne Risiken und Nebenwirkungen, wird regelmässig unterschlagen. Ebenso, dass auch die Östrogensubstitution ebenfalls klar einen "Off Label-Use" darstellt.

Wenn also bei Östro trotz "Off Label-Use" problemlos ordentliche Rezepte möglich sind, trotz der erwiesenen Schäden, so sollte das eigentlich auch für Testosteron der Fall sein – alles andere ist unethisch, diskriminierend und unsere Menschenrechte einmal mehr mit Füssen tretend. Dies zumindest meine Meinung. Woran es dazu jedoch nach wie vor hapert, ist genügend öffentlicher Druck, nicht zuletzt von Seiten des Netzwerks ...

Trotzdem wäre es wie gesagt sehr zu begrüssen, wenn die Studie stattfinden würde, und ich möchte alle potentiellen Kandidat_innen dazu aufrufen, eine Teilnahme zu prüfen.

Nella

Siehe auch:
- Ersatzhormone für Zwangskastrierte auf Kasse! "Netzwerk DSD" zum Handeln aufgefordert
- PRESSEMITTEILUNG: Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen
- Testo-Studie: Doch keine Placebos

Monday, March 16 2009

Treffen "Netzwerk DSD" vom 28.2.09 in Lübeck

In kleinerem Rahmen als auch schon fand das erste Treffen des "neuen" Netzwerk DSD statt (vormals "Netzwerk Intersexualität"). Nachdem die seinerzeitigen Forschungsgelder Ende letztes Jahr ausliefen, wurde am letzten Treffen vom 6.9.08 beschlossen, das Netzwerk als Verein mit neuen Statuten und neuem Namen weiterlaufen zu lassen, um die etablierten Kontakte zwischen den beteiligten Kliniken weiterzupflegen. Das neue Netzwerk ist zudem eingebunden in "Euro DSD".

Von Seiten der Selbsthilfegruppen war für Intersexuelle Menschen e.V. und XY-Frauen diesmal Elisabeth "Museli" Müller ("Hermaphrodit Müller bitte, ich bin keine Frau") mit dabei. Auch die AGS Eltern- und Patienteninitiative war wiederum durch eine Mutter und eine betroffene Person vertreten.

Viel Platz nahmen bei dieser ersten Sitzung Interna in Anspruch. Bedauerlicherweise startet das "neue" Netzwerk ziemlich "chirurgenlastig", der neue Vorstand besteht aus einem Endokrinologen und zwei ChirurgInnen: Olaf Hiort (1. Vorsitzender, zugleich "Projektleiter" bei "EuroDSD"), Susanne Krege (2. Vorsitzende), Lutz Wünsch (Kassenwart). Ausführlich besprochen wurde die neue Satzung des Vereins (mehr dazu im Bericht vom letzten Treffen).

In einem 2. Teil wurde es dann für die Vertreter_innen der Selbsthilfegruppen spannend: Viele der Anwesenden sprachen sich für eine Verbesserung der psychologischen Unterstützung aus ("psychosoziale Versorgung von DSD-Patienten" im Jargon der anwesenden MedizinerInnen). Die einseitig ausschliesslich durch Endokrinologen und Chirurgen vorgenommene "Beratung" der Eltern wie der (in der Folge – Überraschung! – nach wie vor meist zwangsoperierten) jungen Zwitter wird schon seit 1992 von allen Selbsthilfegruppen einhellig kritisiert – und stattdessen erstmal umfassende und kompetente psychologische Unterstützung gefordert! Trotzdem ist es heute noch so, dass funktionierende psychologische Betreuung durch spezialisierte Fachkräfte (entgegen anderslautenden Lippenbekenntnissen auch aus dem Netzwerk) nach wie vor klar die Ausnahme darstellt. Letzten Angaben zufolge ist z.B. sogar in der Netzwerk-Hochburg Lübeck die psychologische Versorgung für das laufende Jahr nicht wirklich gesichert. Zu oft wird auch von Medizinerseite der Kontakt zu den Selbsthilfegruppen Trotz anderslautender Versprechen bewusst nicht hergestellt. Neuen Zündstoff erhielt die Ur-Forderung der Selbsthilfegruppen nach psychologischer Unterstützung nicht zuletzt durch die jüngste Lübecker Netzwerkstudie, die klar zeigt, dass Betroffene mit psychologischer Unterstützung eine bessere Lebensqualität haben. Forderungen und vor allem konkrete Schritte durch das Netzwerk zur allgemeinen Sicherstellung der "psychosoziale[n] Versorgung" für ALLE Zwitter und ihre Angehörigen wären demnach klar zu begrüssen – Fortsetzung folgt ...

Von Seiten der Selbsthilfegruppen wurde auch der unter Betroffen klar abgelehnte und als Affront und Unwort empfundene Begriff "Störung" kritisiert, der nun in der neuen Satzung durchgegend verwendet wird (im "alten" Netzwerk wurde das englische "Disorder" jeweils noch stillschweigend mit "Besonderheit" "übersetzt"). Von Seiten der AGS-Initiative wurde auf Milton Diamonds "freundlichere Beschreibung" "Varieties of Sex Development" hingewiesen, was unter den Anwesenden überraschenderweise überwiegend auf Zustimmung gestossen sei. Elisabeth Müllers Beitrag zur Diskussion:

Mein Kommentar dazu: es gelte hier nicht, irgendwelche großzügigen Freundlichkeiten zu verteilen, sondern den zwischengeschlechtlichen Menschen schlichtweg Menschenrechte zu gewähren. Zu Krege sagte ich: "Ihnen sagt doch auch keiner, daß Sie eine gestörte Körper- und Geschlechtsentwicklung haben".

Für zwangsoperierte und dadurch traumatisierte Zwitter kostet es aus naheliegenden Gründen immer starke Nerven, bei Mediziner-Veranstaltungen mit dabei zu sein. Vorletzen Herbst war es bei einem Netzwerktreffen in Buchum zudem zu unschönen Szenen gekommen, als viele Mediziner und ein Psychologe bei einem Vortrag von Betroffenen lauthals pöbelnd den Saal verliessen (eins / zwei) – eine unrühmliche Tradition seit 2000. Wie schon beim letzten Treffen scheint es auch dem "neuen" Netzwerk wichtig, dies künftig besser zu machen. Wie Elisabeth Müller berichtet, habe es bei ihr einzig mit der Anrede nicht auf Anhieb geklappt:

Als mir Versammlungleiterin Ute Thyen sehr höflich und mit Achtung  das Wort erteilte "Bitte, Frau Müller", habe ich mit beherrschter Stimme richtig gestellt, daß ich Hermaphrodit Müller sei.

Kommentar: Noch 1999 wurde Michel Reiter in Berlin von der Teilnahme an einem Kongress durch die Security kurzerhand ausgeschlossen. Offensichtlich haben die Proteste der letzten anderthalb Jahrzehnte zumindest einiges bewirkt. Bleibt zu hoffen, dass nicht zuletzt durch die neu erstarkte Zwitterbewegung die Mediziner auch künftig damit leben müssen, dass wo immer sie sich treffen, auch Vertreter_innen der betroffenen Menschen dabei sind und respektvoll angehört werden müssen!

Schön zu erfahren auch, dass die langjährige, begründete Kritik am menschenverachtenden Unwort "Störung" anscheinend mittlerweile auch im "Netzwerk der Geschlechtsentwicklungsgestörten" langsam anzukommen scheint. Zu schön, wenn nun das Netzwerk (und alle angeschlossenen Spitäler und vertretenen Standesorganisationen) in Namen (und Statuten) demnächst "freundlicher" würde(n) – auch und erst recht in den Behandlungsleitlinien! Denn nicht zuletzt dort hapert's nach wie vor gewaltig! Fortsetzung folgt ...

Siehe auch:
- 5. Netzwerk-Treffen Kiel 6.9.08: Intersexualität ade - DSD ahoi!
- Lübeck: Doch psychologische Versorgung auch 2009?
- Tagung RECHTE VON KINDERN IN MEDIZIN UND FORSCHUNG
- Netzwerk Intersexualität und wir Intersexuellen - Mitsprache geht anders

Sunday, September 14 2008

Die grosse "Intersex"-Statistik-Lüge

Frage: Wieviele "Intersexuelle" — Pardon: "geschlechtsentwicklungsmässig Gestörte" bzw. "DSD-Patienten" — gibt's nun wirklich?

Antwort: Schweigen ...

Und egal wieviele "hochgerechnete" Zahlen auch herumgereicht werden: Letztlich weiss es niemand genau.

Der Staat weiss es nicht, will es nicht wissen und besteht darauf, dass alle Zwitter lediglich als "Mann" oder "Frau" erfasst werden. Der einzige Stand, der über exakte Zahlen verfügen könnte, sind ausgerechnet die Medizyner, deren Jahrzehnte lange moralische Korruptheit speziell gegenüber dieser besonderen "Patientengruppe" deren aktuellen Probleme grösstenteils überhaupt erst verschuldete.

Wenn Medizyner zu sehr vertuschen

Zwar geben die Medizyner mittlerweile vermehrt zu, dass "früher Fehler gemacht" wurden (sprich heute nicht mehr, da ist die "Behandlung besser""auch wenn entsprechende Studienergebnisse noch konsolidiert werden müssen"). Stets sorgsam ausgeblendet bleiben allerdings die realexistierenden Opfer dieser "früheren Fehler". Auch aus den exakten Statistiken. Nach wie vor wurde die Zahl der in Deutschland lebenden "Intersexuellen" nie konkret erfasst, sondern (aber nur wenns denn wirklich sein muss) lediglich "hochgerechet", von den Medizynern aktuell nach folgenden Schlüssel:

  • 1:1000 rsp. 80'000-100'000 Personen in Deutschland — wenn es darum geht, sich Zugang zur "Patientengruppe" zu verschaffen (Quelle: Finke/Höhne: "Intersexualität bei Kindern", Bremen: Uni-Med 2008, S. 4)

Der Rest war Schweigen, wegschauen, Akten verloren ...

Und auf keinen Fall die aktuellen Daten rausrücken, bewahre. Lieber nach wie vor gar nicht erst erheben! (Obwohl in Bundestag neue Anfragen vorliegen, gibt es "offiziellen Zahlen", die jünger sind als 2004.)

Oft berufen sich die Medizyner (wie auch bei anderen "kritischen" Themen) auf "Datenschutz" — obwohl statistische Daten genau nicht unter Datenschutz stehen, sondern im Gegenteil von öffentlichem Interesse sind.

So können die Medizyner die Statistik dann jeweils nach Lust, Laune und Bedarf "hochrechnen". Den Vogel schiesst dabei einmal mehr das "Netzwerk DSD" ab, das dabei offenbar noch nicht einmal rechnen kann, sondern allen Ernstes behauptet, 80'000'000 : 5'000 = 8'000-10'000:

Laut Statistik liegt die Häufigkeit bei 1:5.000; d.h., dass eines von 5000 Kindern mit DSD zur Welt kommt. Demnach leben in Deutschland heute ungefähr 8.000 bis 10.000 Menschen mit DSD. (Quelle: http://www.netzwerk-dsd.uk-sh.de/teen-is/index.php?id=62#Frage2)

Und niemand wills gemerkt haben ...

»Die meisten Fälle sind medizinisch keine Notfälle« Professor Olaf Hiort, Kinder- und Jugendarzt am Universitätsklinikum Lübeck(Apotheken-Umschau, 1.6.11)

Auch in der Anhörung vor der Hamburger Bürgerschaft drückte sich "Netzwerk DSD"- sowie "Euro DSD"-Chef Olaf Hiort bewusst kryptisch aus (mensch beachte auch die verräterische Formulierung "danach wurde nicht gefragt"):

Dazu hat meine Kollegin Frau Thyen eine umfangreiche Untersuchung gemacht. [...] Das heißt, 160 Kinder wären das in zwei Jahren, also es bleibt bei 80 pro Jahr. Wobei man die in Berücksichtigung nehmen muss, die quasi so unauffällig wirken zum Zeitpunkt der Geburt, dass die Diagnosestellung erst sehr viel später erfolgt; das kann durchaus sein, danach wurde nicht gefragt. Das heißt, das verdoppelt die Zahl sicherlich noch einmal. (Protokoll S. 18)

Das heisst, bei "sicherlicher Verdoppelung" wären es in Deutschland mindestens 160 Geburten pro Jahr! Kurioserweise behandelt aber nur schon die Klinik in Lübeck, wo Hiort und Thyen arbeiten, laut eigenen Aussagen auf der "EuroDSD"-Homepage über 100 "DSD Patient_innen" pro Jahr:

During the last 15 years, approximately 1750 DSD patients were cared for at the University of Lübeck

Und einmal mehr wills niemand gemerkt haben ...

Ein beliebter Trick ist auch, die Definition von Intersexualität so einzuengen, dass am Ende das gewünschte statistische Resultat herauskommt, vgl. dazu etwa die Formulierung verräterische Formulierung "schwerwiegendere[...] Abweichungen" im offiziellen Statement der Bundesregierung zum Thema: "Die Gesamtzahl der schwerwiegenderen Abweichungen der Geschlechtsentwicklung liegt in Deutschland etwa 8 000 bis 10 000." (Drucksache 16/4786).

Dabei gab etwa gegenüber dem ZDF "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort unumwunden zu: "Leichtere Fehlbildungen des Genitale sind relativ häufig [...]. Hierzu gehört zum Beispiel die Hypospadie, eine Fehlöffnung der Harnröhre beim Jungen." Dass auch diese "Leichtere[n] Fehlbildungen" alle ohne medizinische Notwendigkeit möglichst rasch chirurgisch "korrigiert" werden (oft mit schrecklichen Komplikationen), liess Hiort allerdings vornehm aus ... 

Fazit: Mindestens jedes 1000. Kind landet auf dem OP-Tisch!

Zwischengeschlecht.org und andere Betroffenenorganiatonen (z.B. ISNA) gehen bis zum Bekanntwerden verlässlicher Zahlen weiterhin aus von einem Vorkommen von mindestens 1:1000, d.h. mindestes jedes 1000. Neugeborene ist "undeutig" bzw. "atypisch" genug, um den Rest seines Lebens mit höchster Wahrscheinlichkeit menschenrechtswidrigen genitalen Zwangsoperationen, Zwangskastrationen, Zwangshormonbehandlungen oder sonstigen nicht-eingewilligten Zwangseingriffen ausgeliefert zu sein! Die Intersex Society of North America geht gar davon aus, dass auf 1000 Geburten 1-2 Kinder kosmetisch genitaloperiert werden.

(Zwar wird in der Fachliteratur über Intersexualität oft auch die Zahl von "nur" 1:2000 genannt, vgl. etwa Ulla Fröhling: "Leben zwischen den Geschlechtern" oder Claudia Lang: "Intersexualität". Vgl. ebenfalls Netzwerk-Pressemitteilung der Universität Lübeck (Hiort/Thyen/Holterhus/Richter-Appelt): "Bei einer von 2000 Geburten lässt sich das Geschlecht des Neugeborenen nicht exakt bestimmen." Diese Zahl geht jedoch von einer verengenden "Intersex"-Definition aus, die nicht alle kosmetischen Genitaloperationen an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen berücksichtigt und z.B. "Hypospadie" ausschliesst.)

Das heisst, allein in Deutschland wird JEDEN TAG mindestens ein Kind genital zwangsoperiert!

Bei ca. 680'000 Geburten pro Jahr in Deutschland (Stand 2006, "Die niedrigste Geburtenzahl seit dem Ende des 2. Weltkrieges", Quelle: Statistisches Bundesamt (PDF), Wiesbaden 2007) kommen demnach jährlich ca. 680 "uneindeutige" bzw. "atypische" Kinder auf die Welt. Wird zusätzlich berücksichtigt, dass sogar laut der frisierten Version der nternationalen "Lübecker Studie" nach wie vor 90% aller Kinder und Jugendlichen mindestens 1x kosmetisch "genitalkorrigiert" wird, und mehr als jedes 5. Zwitterkind über 12 Jahren sogar mindestens 2x zwangsoperiert ist, folgt daraus, dass allein in Deutschland JEDEN TAG mehr als ein wehrloses Zwitterkind genital zwangsoperiert wird! Plus in der Schweiz und in Österreich zusätzlich JEDE WOCHE je mindestens eines! 

58% aller Kinder von 0-3 Jahren sind zwangsoperiert. 87% aller Kinder von 4-12 Jahren sind zwangsoperiert. 91% aller Jugendlichen sind zwangsoperiert. 90% aller Erwachsenen sind zwangsoperiert. (BMBF-Studie mit 434 Proband_innen, 2009)

>>> BMBF-finanzierte "Lübecker Studie" mit 434 Proband_innen (2009)


Zwangsoperationen, Zwittertabu und Statistiklügen müssen aufhören!

Freiwillig werden die Medizyner kaum von ihren menschenrechtswidrigen Zwangsbehandlungen absehen – sonst sie hätten sie inzwischen längst getan.

Umso wichtiger ist es, auf politischem Wege Druck aufzusetzen, sprich: in parlamentarischen Vorstössen immer wieder aktuelle Zahlen/Statistiken zu verlangen. Z.B. wieviele "geschlechtlich gestörte" Kinder kommen jährlich in "Behandlung", wie sieht die Diagnosenverteilung aus, welche "Störungsbehebungs-Massnahmen" werden zu welchem Zeitpunkt ergriffen, werden auch die Eltern betreut und wenn ja wie, ist Peer Support für Eltern und Kinder gewährleistet, und wie stehts aktuell auch mit den übrigen Punkten der Forderungliste, dem Schattenbericht usw.? Bzw., weshalb hat sich da ein weiteres Jahr lang immer noch nichts entscheidendes getan? Und dabei Bundesregierung und Medizyner jedes Mal erneut auf ihre gesammelten Ausreden und Lügen zu behaften.

Die Behandlung "geschlechtsentwicklungsmässig gestörter" Patient_innen ist offensichtlich ein hochsensibler und dabei tabuisierter Bereich, in dem "früher" regelmässig schändlich versagt wurde, wie z.T. sogar die Mediziner zugeben und u.a. die Netzwerkstudien auch statisch erhärten.

Folglich ist kontinuierliches Monitoring angesagt, und wo das nicht verfügbar ist (d.h. für "Intersexuelle" – Pardon: "DSD-Patienten" – eigentlich fast in allen Bereichen), wäre es höchste Zeit.

Auch, soweit das überhaupt noch möglich ist, für Wiedergutmachung für die realexistierenden Opfer der "früheren Behandlungsfehler"!

Siehe auch:
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller chirurgischen Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken
Streicheleinheiten für die Bundesregierung
- Faule Eier für "die Bundesregierung"!
- Diskussion auf dem Hermaphroditforum

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