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Aus aktuellem Anlass ein weiterer "Blick über den eigenen Tellerrand hinaus":
INHALT:
1. Vom Petitionsausschuss des Bundestages
zum "Runden Tisch Heimerziehung"
2. Zum zweiten Mal gedemütigt und erpresst
3. "schlau geheuchelter Kompromiss"
4. Kommentar: Altbewährte Methoden
5. Für alle, die nachher wieder sagen werden,
sie hätten das alles ja gar nicht wissen können ...
1. Vom Petitionsausschuss des Bundestages
zum "Runden Tisch Heimerziehung"
Wir ehemaligen Heimkinder wurden über Jahre hinweg in meist kirchlichen Heimen systematisch gedemütigt und misshandelt, viele von uns auch sexuell missbraucht und als „Arbeitssklaven“ ausgebeutet.
Wir waren den Jugendämtern und dem Heimpersonal schutzlos ausgeliefert.
Lange Zeit hat man uns zum Schweigen gebracht, doch...
JETZT REDEN WIR!!!
Vor langen Jahren waren überlebende ehemalige Heimkinder den Petitionsausschuss des Bundestags um Hilfe angegangen, noch vor den Betroffenen von sexualiserter Gewalt, und aktuell Zwittern und solidarischen Nicht-Zwittern.
Ehemalige Heimkinder hatten als bisher einzige insofern "Erfolg", dass der Petitionsausschuss auf ihre Anliegen eintrat und nach 2-jährigen Beratungen ein "Runder Tisch Heimerziehung" einberufen wurde, dessen Abschlussbericht nun am letzten Montag in Berlin vorgelegt wurde. Der "Verein ehemalige Heimkinder e.V." organisierte eine unmittelbar anschliessende Gegenkonferenz im Namen der übergangenen Betroffenen:
- "Ehemalige Heimkinder fühlen sich verraten"
- Betroffene kritisieren den Plan als "billige Abspeisung"
2. Zum zweiten Mal gedemütigt und erpresst
Die menschenverachtende „Erziehungs“- Praxis in deutschen Heimen wird zurzeit aufgearbeitet. Dazu hat der Deutsche Bundestag einen „Runden Tisch Heimerziehung“ einberufen, der im Januar 2010 einen Zwischenbericht vorlegte. Mit diesem Bericht sind wir nicht einverstanden!
Denn noch immer wird ignoriert...
- dass in den Heimen systematisch Menschenrechte verletzt wurden
- dass die in den Heimen geleistete Arbeit Zwangsarbeit war
Betroffene waren beim "Runden Tisch Heimerziehung" zwar formal vertreten (wie auch beim "Runden Tisch Kindesmissbrauch"), jedoch letztlich nur als Alibi:
Gegenüber den TäterInnen und ihren Organisationen waren ehemalige Heimkinder eine kleine Minderheit mit einer noch kleineren Zahl von Stimmen, als einzige Gruppe durften sie zudem ihre Delegierten nicht frei wählen, die grösste Interessenvertretung erhielt keinen Zugang, und den Zugelassenen wurde (wiederum als einziger Interessensgruppe am "Runden Tisch") rechtlicher Beistand willkürlich verwehrt.
--> Presseerklärungen vom 27.3.09 + 30.6.10
3. "schlau geheuchelter Kompromiss"
Am 13.12.10 legte nun der "Runde Tisch Heimerziehung" seinen Abschlussbericht mit einem "schlau geheuchelten Kompromiss" vor. Die verbleibenden BetroffenenvertererInnen waren wegen des ungenügenden Ergebnisses drauf und dran gewesen, den "Runden Tisch" aus Protest zu verlassen, wurden dann aber mit potentiell re-traumatisierenden Drohungen erpresst, sie würden so "alles kaputt machen" und wären noch selber schuld daran.
>>> Pressemitteilung Verein ehemaliger Heimkinder e.V., 13.12.10 (PDF)
>>> "Der Runde Tisch war ein Kasperle-Theater" (Rolf Breitfeld, Betroffenenvertr.)
>>> Diskussion unter Betroffenen 1 (in KOmmentaren) >>> Diskussion 2
>>> Zusatzbericht von 4 BetroffenenvertreterInnen am Runden Tisch
>>> Zusatzbericht zum Runden Tisch von Rolf Kappeler (PDF)
>>> Einige Medienberichte, Kommentare und eine Solidaritätserklärung dazu auf NetzwerkB.org:
- Heimkinder können auf “ein bisschen” Entschädigung hoffen
- Betroffene von sexualisierter Gewalt erklären sich solidarisch mit den Heimkindern
- Zum zweiten Mal gedemütigt
>>> "Von Staat und Kirche verraten" - Pressekonferenz VEH e.V. 13.12.10:
>>> Pressemappe (PDF) >>> Video >>> Medienspiegel
Auch dieser Blog solidarisiert sich mit den Forderungen der ehemaligen Heimkinder, ebenso mit den Forderungen der Betroffenen von sexualisierter Gewalt!
4. Kommentar: Altbewährte Methoden
Durch jahrelange, hartnäckige Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit haben engagierte ehemalige Heimkinder es als erste geschafft, genügend Druck aufzubauen, dass der Bundestag schliesslich einen "Runden Tisch Heimerziehung" einberief, um ihre berechtigten Forderungen zu überprüfen und umzusetzen. Soweit sind die Zwitter leider noch nicht.
Trotzdem sollte der Ausgang des "Runden Tisches Heimerziehung" auch Zwittern und ihren Interessensvertretungen zu denken geben – insbesondere, wie die VertreterInnen der ehemaligen Heimkinder wohl weder als erste (noch als letzte) durch unfaire und unproportionale Untervertretung sowie Verweigerung rechtlichen Beistands über den "Runden Tisch" gezogen und anschliessend durch emotionale Erpressung unter Druck gesetzt wurden.
Denn dieselben "Methoden" rsp. altbewährten BürokratInnen- und PolitikerInnentricks werden mit grosser Wahrscheinlichkeit immer noch gängig sein, falls es auch die Zwittern dereinst gelingt, genügend Druck aufzubauen, dass Bundesregierung und Bundestag auch ihre berechtigten Forderungen nicht mehr länger nach bekanntem Muster einfach nur ableugnen können (in dem sie z.B. schamlos behaupten, die Betroffenen wären mit den Zwangsoperationen ja zufrieden, siehe u.a. Antwort 16/4786 S. 3).
Z.B. die von ehemaligen Heimkindern und ihrer Rechtsvertretung u.a. in der Presseerklärung vom 30.6.10 beschriebene Hinhaltetaktik mit unverbindlichen VIP-"Kaffeekränzchen mit einem warmen Händedruck am Ende" bzw. blossen leeren Versprechungen:
Genau dies hat das BMBF-finanzierte "Netzwerk Intersexualität/DSD" mit Zwittern ja schon mehrfach erfolgreich durchexerziert.
Dito 2009 der Bundestags-"Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe" ...
... sowie ähnlich ebenfalls 2009 letztlich auch die Hamburgische Bürgeschaft ...
... und 2010 der Deutsche Ethikrat.
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ...
>>> "Verwahrloste Schwererziehbare" in der "Anstalt Freistatt" | mehr Bilder
5. Für alle, die nachher wieder sagen werden,
sie hätten das alles ja gar nicht wissen können ...
Wir klagen an...
- weil wir geschlagen wurden
- weil wir missbraucht und vergewaltigt wurden
- weil wir gefoltert wurden
- weil wir in dunklen Kellerzimmern eingesperrt wurden
- weil wir seelisch zu Grunde gerichtet wurden
- weil wir unzureichend ausgebildet wurden
- weil wir zu Zwangsarbeit herangezogen wurden
- weil man uns medizinische Hilfe versagte
- weil man bis heute die Verbrechen an uns leugnet oder verharmlostWir fordern von Kirche und Staat...
- Leistet Wiedergutmachung wie zuvor in Irland, Kanada und den USA!
- Verzichtet auf Verjährungsansprüche!
- Öffnet die Archive zur Akteneinsicht!
- Gewährleistet unabhängige Forschung!
- Stoppt die Aktenvernichtung!>>> Flugblatt zur Demo in Berlin, 15.4.10 (PDF)
"(...) oft jahrelange Qualen, sexuellen Missbrauch und Zwang zur Arbeit, den man aber um Gottes Willen nicht Zwangsarbeit nennen soll. Angeblich um keine unziemlichen Vergleiche mit den Zwangsarbeitern während der Nazizeit zu ziehen. In Wahrheit aber, um den Rechtsstaat Bundesrepublik nicht in Verruf zu bringen. (...)Deutsche Justiz und Täter werden geschont
(...) es soll keine nachträgliche rechtliche Einzelfallprüfung geben, angeblich um die Opfer nicht weiter zu traumatisieren - aber wohl eher um die deutsche Justiz und die Täter und Täterinstitutionen zu schonen.
Manche Opfer fühlen sich durch den Druck am Runden Tisch ein zweites Mal gedemütigt und erpresst. Die ohnehin wenigen Vertreter der Opfer sahen sich einer Übermacht professioneller Vertreter der Täterinstitutionen gegenüber. Sie wollten nicht mit leeren Händen aus den ungleichen Verhandlungen kommen. Deshalb haben sie dem unbefriedigenden Ergebnis zugestimmt.
(...) ein gutes Omen für vergleichbare Verfahren, etwa für den Runden Tisch zum Thema sexuellen Missbrauch, ist das nicht." Tagesschau.de 13.12.10
Verein ehemaliger Heimkinder e.V. | jetzt-reden-wir.org
Siehe auch:
- Prozesse wegen sexualisierter Gewalt an Kindern: "Die Lawine rollt"
- Vom Mut der Betroffenen von sexualisierter Gewalt lernen (1)
- Vom Mut der Betroffenen von sexualisierter Gewalt lernen (2)
- Vom Mut der Betroffenen von sexualisierter Gewalt lernen (3)
- Alle Posts zu "Blick über den eigenen Tellerrand hinaus"