>>> Petition
„Verjährungsfrist für sexuellen Missbrauch im Zivilrecht
aufheben“
Ein weiterer "Blick über den eigenen Tellerrand hinaus":
Wie immer, wenn ein Thema die Schlagzeilen beherrscht, versuchen sich auch
die PolitikerInnen eine Scheibe abzuschneiden. So auch in der gegenwärtigen
Debatte um sexualisierte Gewalt gegen Kinder. Wieviel von den schönen
Absichtsbekundungen dann auch verwirklicht wird, bleibt abzuwarten.
Traurig genug, dass am lautstark geforderten "runden Tisch der
Bundesregierung" nach wie vor nicht klar ist, ob dort
auch die Betroffenen nur schon angehört werden. (Zum "runden Tisch" vgl.
weiter die
heutige Pressemitteilung der Deutschen Kinderhilfe e.V.)
Trotzdem ist's fürs erste erfreulich, dass z.B. Bundesjustizministerin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sich immerhin schon mal verbal-öffentlich
für die Opfer sexualisierter Gewalt einsetzen. So z.B. am 9.3. in der
Süddeutschen Zeitung:
[...] Leutheusser-Schnarrenberger (FDP)
forderte die katholische Kirche auf, die Aufklärung von Missbrauchsfällen
konsequenter anzugehen als bisher. "Es braucht ein klares Signal an die Opfer,
wie zum Beispiel das Gespräch über freiwillige Wiedergutmachungen in den
Fällen, in denen die rechtliche Verjährung eingetreten ist."
Dies wäre "ein Stück Gerechtigkeit, auch wenn sich das erlittene Unrecht
materiell nicht aufwiegen lässt", sagte Leutheusser-Schnarrenberger [...]. Es
dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass nur Fälle zugegeben werden, die sich
nicht länger bestreiten lassen, fügte die Ministerin hinzu.
Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, eine praktizierende
Katholikin, appelliert an ihre Kirche, Opfer zu entschädigen, richtet ihren
Appell aber auch an Träger weltlicher Einrichtungen wie etwa die
Odenwaldschule, wo es ebenfalls Missbrauchsfälle gab. "Überall dort, wo
systematischer Missbrauch über längere Zeit vertuscht wurde, muss Aufklärung
geschaffen werden, damit sich das nicht wiederholt." Eine symbolische
Entschädigung "wäre ein angemessenes Angebot an die Opfer von damals", sagte
sie [...].
Prompt wurde dies auch auf Spiegel
Online aufgegriffen, wobei auch weitergehende Forderungen nach
Verlängerung/Aufhebung der Verjährung formuliert wurden (wie Norbert Denef
diese seit Jahren zunächst erfolglos im Bundestag und nun vor dem Europäischen
Menschengerichtshof fordert >>> Petition):
"Entschädigungsansprüche verjähren zu schnell"
Vermehrt wurden in FDP und Union Stimmen laut, die eine Verlängerung der
zivilrechtlichen Verjährungsfristen fordern. Für eine entsprechende Änderung
sprachen sich Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sowie der
FDP-Politiker Max Stadler aus. Stadler sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung",
die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren für Ansprüche auf
Schmerzensgeld und Schadenersatz sei deutlich zu kurz. Der FDP-Rechtsexperte
Hartfrid Wolff will die Verjährungsfrist für Ersatzansprüche daher auf 30 Jahre
anheben. Unionsfraktionsvize Günter Krings sprach sich ebenfalls für längere
zivilrechtliche Fristen bei Missbrauch aus. "Entschädigungsansprüche der Opfer
laufen heute in der Regel ins Leere, weil sie zu schnell verjähren", sagte er
der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Viele Betroffene fänden erst nach Jahren oder
Jahrzehnten die Kraft, sich zu offenbaren. "Eine Verzehnfachung der
Verjährungsfrist auf 30 Jahre würde in den allermeisten Fällen Abhilfe
schaffen."
Dito
auch im Stern:
Vor allem Mitglieder der christlichen Parteien fordern zudem schärfere
Gesetze, um künftig auch in jahrzehnte-alten Missbrauchsfällen die Täter
bestrafen zu können. [...] Der FDP-Rechtsexperte Hartfrid Wolff will die
Verjährungsfrist für Ersatzansprüche daher auf 30 Jahre anheben.
[...] Viele Opfer seien erst nach vielen Jahren in der Lage, sich mit
ihrem Leid auseinanderzusetzen, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe.
CSU-Chef Horst Seehofer und seine Justizministerin Beate Merk sprachen sich wie
Wolff für eine längere Verjährungsfrist von mindestens 30 Jahren aus. Bislang
liegt die Frist bei 10 Jahren, in besonders schweren Fällen bei 20 Jahren -
gerechnet vom 18. Geburtstag des Opfers an.
Laut der ARD-Tagesschau sprach sich auch Bundesbildungsministerin
Annette Schavan (CDU) für verlängerte Verjährungsfristen aus. Einzig
Grünen-Chef Cem
Özdemir will davon nichts wissen.
Wenig überraschend hält laut einer epd-Pressemeldung
die katholische Kirche nichts von Entschädigungen:
Der Beauftragte für Fälle sexuellen Missbrauchs in
der katholischen Kirche, Stephan Ackermann, geht nicht davon aus, dass die
Missbrauchsopfer finanzielle Entschädigung verlangen. "Sie wollen über ihr
Schicksal sprechen", sagte der Trierer Bischof [...].
Betroffene sind da offensichtlich anderer Meinung (werden aber leider nach
wie vor weniger öffentlich wahrgenommen), wie folgender Offener Brief von Helmut Jacob
beweist:
Wollen Sie auch nur noch ein bisschen Glaubwürdigkeit zurück erobern, so
richten Sie gemeinsam mit der Evangelischen Kirche umgehend einen Opferfonds
ein, aus dem dringende soziale und therapeutische Maßnahmen bezahlt werden.
[...]
Bleibt abzuwarten, wieviele konkrete Taten den obigen schönen Worten der
PolitikerInnen folgen werden ...
>>> Petition
„Verjährungsfrist für sexuellen Missbrauch im Zivilrecht
aufheben“
>>>
Pressemitteilung Deutsche Kinderhilfe e.V. zum Runden
Tisch
>>> Netzwerk Betroffener
von sexualisierter Gewalt
Siehe auch:
-
Prozesse wegen sexualisierter Gewalt an Kindern: "Die Lawine rollt"
-
Vom Mut der Betroffenen von sexualisierter Gewalt lernen (1)
-
Vom Mut der Betroffenen von sexualisierter Gewalt lernen (2)
-
Vom Mut der Betroffenen von sexualisierter Gewalt lernen (3)
-
"Runder Tisch Heimerziehung": Betroffene zum 2. Mal gedemütigt und
erpresst
- Alle Posts zu
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