Die anderen

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Friday, June 5 2009

Gender Studies und Zwitterkampf

Kathrin Zehnder (Co-Herausgeberin eines empfehlenswerten Buches zum Thema sowie Klartext redende Expertin und Autorin in den Medien, z.B. hier, hier und hier) hielt im Wintersemester 2008/2009 am Zentrum für Gender Studies der Unversität Basel ein Seminar zum Thema "Intersexualität". Für die Abschlussitzung lud sie Karin Plattner von der Schweizerischen Elternselbsthilfe und mich zu einer Diskussionsrunde ein. Dazu hatten die StudentInnen Fragen vorbereitet. Ich konnte eine Woche nach dem 3. Prozesstag von Christiane Völling leider nicht schon wieder auf der Arbeit fehlen und frei nehmen, um an eine Veranstaltung zu gehen. Zusammen mit Seelenlos habe ich aber die Fragen der Studis schriftlich beantwortet:
  • Wie beurteilst du momentan die Situation der Intersex-Bewegung im deutschsprachigen Raum? Welche Erfolge und Rückschläge gibt es zu verzeichnen? Wie viele Menschen stehen hinter "Intersexuelle Menschen e.V." und was sind die kurzfristigen und langfristigen Zielsetzungen? Gibt es eine internationale Vernetzung?

Die deutschsprachige Intersex-Bewegung steht auch nach 13 Jahren (Gründung der AGGPG 1996) immer noch am Anfang. Zwar ist die Ausgangslage in Deutschland mittlerweile besser dank den kontinuierlichen Anfragen im Bundestag durch Die Linke, woraus auch die wegweisenden jüngsten Evaluationsstudien resultierten ("Hamburger Studie" sowie "Lübecker Studie", vgl. https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/12/04/Weltweit-grosste-Zwitter-Studie-straft-Bundesregierung-Lugen). Auch Michel Reiters Prozesse um Anerkennung eines 3. Geschlechtseintrags für Zwitter brachten trotz mangelndem direkten Erfolg einiges in Bewegung. Jüngste Erfolge sind die vermehrte Beachtung Intersexueller und ihrer Proteste gegen die Zwangsoperationen in den Medien und natürlich Christianes sensationeller Prozessieg gegen ihren ehemaligen Zwangsoperateur, ebenso die Rüge an die Bundesrepublik durch den UN-Ausschuss CEDAW. Der Wahlprüfstein Nr. 9 des LSVD zur kommenden Bundestagswahl in Deutschland ist ebenfalls ein Meilenstein. Auch die Anfragen und die parlamentarische Anhörung in Hamburg sowie die aktuellen kleinen Anfragen im Bundestag sind Erfolge der verstärkten Lobbyarbeit der letzten Jahre. Als Reaktion auf unseren Protest vor dem Kinderspital finden nun mit den Ärzten Gespräche statt, über deren Inhalt aber vorläufiges Stillschweigen vereinbart wurde. Unser wichtigstes Ziel ist die sofortige Beendigung der genitalen Zwangsoperationen.  Noch immer stehen viel zu wenige solidarische Nicht-Zwitter hinter diesem Ziel. Zwar drücken sich viele Mediziner inzwischen öffentlich z.T. vorsichtiger aus, praktisch wird jedoch allen Lippenbekenntnissen zum Trotz munter weiter zwangsoperiert. Mangels Kapazitäten ist es mit der internationalen Vernetzung insbesondere mit nicht-deutschsprachigen Ländern noch nicht weit her.

  • Du forderst die Möglichkeit eines optionalen 3. Geschlechtseintrags für Zwitter im Rechtssystem. Ist es denkbar, dass dieser Eintrag auch für Menschen mit biologisch eindeutigen Geschlechtskörpern eine Option wäre?

Die Forderung nach einem optionalen 3. Geschlecht nur für Zwitter verfolgt 2 Ziele: Sichtbarmachung von und Schutzmöglichkeiten spezifisch für Zwitter. Aus diesen Gründen wäre eine Ausweitung durch Einschluss z.B. auch von Transgendern klar kontraproduktiv. Wenn schon, brauchte es für diese eine eigene, klar getrennte Eintragsmöglichkeit, was aber politisch aktuell absolut chancenlos ist. Deshalb wollen sie sich ja auch immer bei den Zwittern mit dranhängen, obwohl nur sie allein davon profitieren und den Zwittern im Gegenteil schaden, weil die Zwitter dadurch einmal mehr unsichtbar gemacht und ihnen spezifischer Schutz verunmöglicht wird.

  • Siehst du auch Überschneidungen in den jeweiligen Anliegen von Trans- und Intersexualität? Worin besteht die Problematik einer gemeinsamen Politik von Intersexuellen, Transsexuellen und anderen Gruppierungen?

Aus Sicht der Zwitter gibt es kaum konkrete Überschneidungen: Transsexuelle wollen OPs und beneiden uns oft dafür, dass wir sie aus ihrer Sicht "nachgeworfen bekommen", während Zwitter sich gegen die Zwangsops wehren. Zwar leiden auch Transsexuelle unter Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen, jedoch in einem klar geringeren Masse als zwangsoperierte Zwitter. Die meisten Transsexuelle sind offensichtlich gar nicht fähig, sich in unsere spezifische Problematik hineinzuversetzen (gilt wohl auch umgekehrt). Da zudem in der Öffentlichkeit Zwitter nach wie vor meist mit Transsexuellen verwechselt bzw. in einen Topf geworfen werden, wäre ein gemeinsamer Auftritt ebenfalls kontraproduktiv bzw. würde nur den Transsexuellen nützen und den Zwittern schaden. Es ist kein Zufall, dass zumeist Transsexuelle eine Zusammenarbeit wollen oder sich als Intersexuelle ausgeben, umgekehrt jedoch praktisch nie. Trotzdem haben wir gemeinsame Feinde. Aktuell ist jedoch die einzige sinnvolle Politik gegenseitige Solidarität bei spezifischen Anliegen, z.B. Beendigung der Zwangsoperationen an Zwittern einerseits sowie Reform/Abschaffung des TSG andrerseits, jedoch nicht gemeinsam vereint, sondern nach dem Motto "Getrennt marschieren, gemeinsam zuschlagen".

  • Du grenzt dich auch von den Gender Studies ab – was kritisierst du? Siehst du auch gemeinsames Potential von wissenschaftlicher Auseinandersetzung (z.B. die Dissertation von Kathrin Zehnder) und Intersex-Bewegung? Hast du Wünsche an die Geschlechterforschung (z.B. an der Universität Basel)?

Die meisten Zwitter haben erstmal keine Probleme mit Gender und Identität, sondern mit massiven Menschenrechtsverletzungen durch genitale Zwangsoperationen und sonstige nicht-eingewilligte Zwangseingriffe, die in ihren Auswirkungen vergleichbar sind mit denen von Folter und sexuellem Kindesmissbrauch, was aber bei Gender Studies regelmässig unter den Tisch fällt. Gender Studies haben deshalb bei Zwittern den in der Regel verdient schlechten Ruf, dass sie Zwitter lediglich als Kanonenfutter und Versuchskaninchen missbrauchen zum Aufzeigen der Konstruiertheit von Geschlecht etc., sprich für ihren eigenen Forschungsgegenstand, wobei in der Regel die konkreten Schicksale und Lebensbedingungen und politischen Kämpfe der Zwitter ebenso  ausgeblendet werden wie ethische und menschrechtliche Aspekte. Es gibt nur sehr wenige ExponentInnen der Gender Studies, die den Kampf der Zwitter (auch) konkret unterstützen, obwohl da wohl ein grosses Potential bestünde. Kathrin Zehnders Engagement ist leider die Ausnahme und nicht die Regel. Obwohl diesbezügliche konkrete Forderungen von Zwittern seit Jahren bestehen, vgl. z.B.:
Emi Koyama / Lisa Weasel: "Von der sozialen Konstruktion zu sozialer Gerechtigkeit. Wie wir unsere Lehre zu Intersex verändern." In: Die Philosophin Nr. 28, Tübingen: Edition Diskord, 2003, S. 79-89.
Weitere Forderungen an die Gender Studies sind die Aufarbeitung der eigenen Geschichte: Feminismus und Gender Studies sind wesentlich von genau den Theorien John Moneys geprägt, die den Zwittern soviel Leid brachten und immer noch bringen. Hier ist eine kritische Aufarbeitung nach wie vor ausstehend, vgl. auch "Die Rede von der psychischen Intersexualität": https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2007/12/11/Die-Rede-von-der-psychischen-Intersexualitat, sowie: Gabriele Dietze: "The Cutting Edge of Gender Studies. Die Geburt der Kategorie Gender aus dem Geist des Skalpells."  a.k.a "Schnittpunkte. Gender Studies und Hermaphroditismus." In: Dietze / Hark (Hg.): "Gender kontrovers. Genealogie und Grenzen einer Kategorie." Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag, 2006, S. 46-68.

Auch in Basel werden genitale Zwangsoperationen an Zwittern durchgeführt und in wissenschaftlichen Werken und Institutionen propagiert. Wie wär's mal (auch) mit öffentlicher Denunziation dieser menschenrechtswidrigen Praktiken und mit praktischen politischen Vorstössen (z.B. kleine Anfragen bei den politisch verantwortlichen Stellen) oder konkreten Aktionen vor Ort statt immer nur Genderdebatten?

  • Was würdet ihr euch für ein Verständnis von Intersexualität in der Medizin wünschen?

Seit über 13 Jahren fordern Zwitter die Beendigung der genitalen Zwangsoperationen und (stattdessen) insbesondere psychologische Unterstützung sowie Peer Support für Zwitter und Eltern. Bisher hat sich die Medizin stets nur unter Druck bewegt, jedoch nie wesentlich, sondern immer nur mit schön klingenden Statements und unverbindlichen Zusagen, während unverdrossen weiter zwangsoperiert wird (vgl. z.B. die Aussagen von Prof. Mullis, es würden in der Schweiz keine Zwangsoperationen mehr durchgeführt, wobei er sich anschliessend gleich selbst einen Lügner straft – was den meisten LeserInnen scheints aber gar nicht auffällt). Oder es werden wie in Deutschland wohlklingende ethische Richtlinien verfasst, die aber faktisch nicht befolgt und lediglich als Feigenblatt benutzt werden, um ungestört weiter zu zwangsoperieren. Nach wie vor ist psychologischer Support die Ausnahme und nicht die Regel, und verweigern die Mediziner den Eltern und den Betroffenen Hinweise auf Selbsthilfegruppen. Die Medizin müsste sich endlich den ethischen und rechtlichen Tatsachen stellen und konkrete Taten folgen lassen sowie ihre Verfehlungen aufarbeiten. Dies würde einschliessen, dass es sich bei Zwittern um biologische Varianten der Natur handelt und nicht um "gestörte" Menschen. Zwangsoperateure müssen arbeitslos werden, was Eingriffe an Zwitterkindern anbelangt. Dazu werden sie sich freiwillig jedoch nie durchringen, nicht zuletzt, weil es um ihre Pfründe geht. Stattdessen müssen nach wie vor viele Zwangskastrierte adäquate Ersatzhormone aus der eigenen Tasche bezahlen.

  • Auf www.zwischengeschlecht.info wird kritisiert, dass zahlreiche Menschenrechtsorganisationen und Antidiskriminierungsstellen zu den gewaltsamen Operationen an intersexuellen Menschen schweigen. Wie könnte man politisch Vorgehen, um die gewünschte Aufmerksamkeit zu erregen? Welche Unterstützung wäre dafür nötig?

Es braucht Druck in der Öffentlichkeit, in der Politik und vor Gericht. Den Verantwortlichen auf allen Ebenen muss ständig das Leben schwer gemacht und das zwangsoperieren vermiest und sie selbst öffentlich geoutet, angeprangert und wo immer möglich juristisch belangt werden. Es braucht konkrete Gesetzesvorschläge zur Beendigung der Zwangsoperationen und zur Entschädigung der Opfer. Diese Forderungen müssen in alle Parteien hineingetragen werden. Hier sind (auch) solidarische Nicht-Zwittern gefragt!

  • Ihr habt beide eine eigene Gruppierung gegründet, um Euch für die Anliegen intersexueller Menschen stark zu machen. Welche gemeinsamen Perspektiven habt ihr und inwiefern arbeitet ihr zusammen?

Auf der Selbsthilfeebene ist die eine Gruppe für die Eltern zuständig und die andere für die Zwitter selbst. Politisch haben beide dieselben Ziele und arbeiten zusammen, z.B. bei Verhandlungen mit Ärzten oder in der Öffentlichkeit. Inzwischen entstand aus der Betroffenenselbsthilfe mit Zwischengeschlecht.org eine 3. Gruppe, die sich als Menschenrechtsgruppe definiert (und nicht als Selbsthilfegruppe) und die auch solidarischen Nich-Zwittern offen steht.

  • Was muss sich in der Gesellschaft ändern, damit intersexuelle Menschen darin ein "gutes Leben" führen können?

Die Zwangsoperationen müssen abgeschafft und politisch und juristisch geächtet und die Zwitter rechtlich anerkannt werden. Opfer müssen entschädigt werden.

Siehe auch:
- Zwitter als Kanonenfutter für die Transgender- und Queer-Agenda?
- "Genitalverstümmelung ein afrikanisches Problem?"     

Wednesday, June 3 2009

"Weibliche Genitalverstümmelung" - Podiumsdiskussion Berlin Mo 15.6.09

Menschenrechte auch für Zwitter!

Montag, 15. Juni 2009, 18:00-21:00h
Abgeordnetenhaus von Berlin,
Niederkirchstraße 5, 10117 Berlin, Raum 311

Veranstalterin: Familienzentrum BALANCE
Anmeldung:
veranstaltungen_at_fpz-berlin.de oder Anmeldeformular (PDF)

Aus dem Anmeldeformular:

Das Berliner Familienplanungszentrum fungiert seit einigen Jahren als Ansprechpartner auf dem Gebiet der Genitalverstümmelung/Beschneidung (FGM/FCM). [...] Schwerpunkt auch [...] Aufklärung und Information über Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Implementation des Themas FGM in der täglichen Sexualpädagogik mit Schulklassen.  

Aus der Einladung per Mail:

Veranstaltungsziel soll unter anderem die Umsetzung der von Terres des Femmes eingeleiteten bundesweiten Kampagne gegen weibliche Genitalverstümmelung auf Berliner Ebene sein. Wir wollen Fachkräfte vereinen und eine Berliner Kampagne zur Präventions- und Aufklärungsarbeit zu Genital-Verstümmelung /-Beschneidung (FGM / FCM) sowie zur fachgerechten medizinischen und psychosozialen Versorgung für betroffene und bedrohte Mädchen / Frauen initiieren.

Dr. Benjamin Hoff als Berliner Staatssekretär für Gesundheit wird die Fachtagung eröffnen.

Vielleicht schaffts wer dort vorbei und weist gebührend darauf hin, dass in Deutschland immer noch täglich wehrlose kleine Zwitterkinder genital verstümmelt werden – auch in Berlin?!

(Danke an Renate Rampf vom LSVD für den Hinweis)

Siehe auch:
- Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung (Lightfoot-Klein: "Der Beschneidungsskandal") 
- "Genitalverstümmelung ein afrikanisches Problem?" 
- Bundesärztekammer gegen genitale "Zwangsoperationen" – natürlich nur bei "Mädchen und Frauen" ... 
- Internationaler Tag gegen Mädchenbeschneidung (aber die Zwitter operiert nur ruhig weiter, sind ja keine Frauen, äh, Menschen ...)
- Schweiz: Terre des Femmes und Amnesty gegen Zwangsoperationen an Zwittern 
- Zwitter und Patriarchat aus feministischer Perspektive  

Monday, June 1 2009

IGM in Hamburg: Ausschuss-Protokoll + Nachfolgesitzung 2.6.09

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!Di 2.6. findet die öffentliche Nachfolgesitzung des Gesundheitsausschusses der Hamburgischen Bürgerschaft statt zum Thema "Politischer Handlungsbedarf bei der Regelung für ärztliche Behandlungen von Hermaphroditen". Rathaus, Raum 186, 17h
>>>
Der dabei debattierte Bericht der Anhörung (PDF)

Inzwischen liegt auch das aufschlussreiche >>> Wortprotokoll der Anhörung vom 29.4.09 (PDF) vor, das zeigt, dass es der Bürgerschaft (im Gegensatz zum Senat) offenbar ernst ist! (Trotz einiger kleiner Schnitzer: Es müsste durchgehend heissen John Money statt Jean Manny, S. 28, 30; CAIS statt CAES, S. 28, 29; CEDAW statt CHDW, S. 44.)

Nachtrag: Treffender Post von Michel Reiter zum Protokoll (--> 14.6.09) u.a. mit vielsagenden Medyziner-Zitaten daraus und was das konkret bedeutet. Siehe auch: "Netzwerk DSD"-Chef Olaf Hiort: "keine Qualitätskontrolle" bei Zwangsoperationen an

Siehe auch:
- Oliver Tolmein: Bericht von der Anhörung v. 29.4.09 auf FAZ-Online
- "Gratuliere, es ist ein Zwitter!" - Jungle World 7.5.09
- Hamburg: Erneut historische Grosse Zwitter-Anfrage!!
- Hamburger Senat reiht sich ein unter die MittäterInnen

Sunday, May 24 2009

Erneute Anfrage um Unterstützung an Deutschen Ethikrat

Auf Christianes Einladung zum Zwitterprozess kam eine Antwort vom Deutschen Ethikrat (zum Vergrössern unten ins Bild klicken, dann evtl. nochmals ins Bild klicken zum aufklappen).

Dass der schreibende Leiter der Geschäftsstelle darin erneut um Zustellung eines Urteils anfragt, zeigt mir, dass meine seinerzeitige Anfrage um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat von diesem nie wirklich zur Kenntnis genommen wurde, da Christianes Prozess in der Sache ja längst entschieden ist und ich die entsprechenden Urteile unter Punkt 4. a) bereits in meiner Anfrage erwähnt und verlinkt hatte.

In meiner Antwort, die ich untenstehend dokumentiere, fragte ich den Deutschen Ethikrat deshalb erneut dringend um Unterstützung zur Beendigung der an uns Zwittern nach wie vor täglich verübten, massiven Menschenrechtsverletzungen an. Fortsetzung folgt ...

Subject:       Ihr Schreiben vom 6.5.2009 betreffend Zwitterprozess
From:       presse_at_zwischengeschlecht.info
Date:       Sun, May 24, 2009 15:09
To:       "Dr. Joachim Vetter" <vetter_at_ethikrat.org>
Cc:       "Ulrike Florian" <florian_at_ethikrat.org>

Sehr geehrter  Herr Vetter

Im Namen von Christiane Völling bedanke ich mich für Ihre Antwort auf ihre Einladung vom 22. April 2009 sowie für Ihr Interesse am Urteil.

Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass der Deutsche Ethikrat bei laufenden Gerichtsverfahren neutral bleibt. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie darauf hinweisen, dass der Prozess in der Sache mit dem Urteil des Oberlandesgerichts vom 03.09.2008 mit Aktenzeichen 5 U 51/08 letztinstanzlich abgeschlossen ist und der fehlbare Chirurg rechtskräftig verurteilt ist. Das aktuelle Verfahren dreht sich nur noch um die Höhe des Christiane Völling zustehenden Schmerzensgeldes.

In seinem Urteil kam nach dem Landgericht auch das auch Oberlandesgericht zum Schluss: "[Es] bedarf [...] keiner näheren Erörterung, dass das Selbstbestimmungsrecht der Klägerin in ganz erheblichem Maße verletzt worden ist. Damit fehlte es an einer wirksamen Einwilligung der Klägerin in die Operation, so dass sie ohne Zweifel rechtswidrig war."

Das vollständige Urteil ist online abrufbar auf der Homepage des Oberlandesgerichtes:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koeln/j2008/5_U_51_08beschluss20080903.html

Bereits das Landgericht hatte mit Urteil vom 06.02.2008 mit Aktenzeichen 25 O 179/07 festgehalten: "Der Kläger hat in die Operation durch den Beklagten nicht wirksam eingewilligt." Weiter rügte das LG, dass Christiane Völling, wie ebenfalls bei Zwittern generell üblich, auch ihre "Chromosomenkonstitution" verschwiegen worden war.

Auch das vollständige Urteil des Landgerichts ist online verfügbar:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/koeln/lg_koeln/j2008/25_O_179_07grundurteil20080206.html

In diesem Zusammenhang möchte ich Sie ausdrücklich erneut auf meine Anfrage um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat per E-Mail vom 10.12.2008 mit Betreff "Intersexualität: Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen" (zHd. von Frau Ulrike Florian) hinweisen. Bereits dort hatte ich beide Urteile unter Punkt 4. a) referiert sowie verlinkt. Frau Florians Absage mit Datum vom 19.01.2009 auf meine Bitte um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat ging CC auch an Sie. Sollten Sie meine Anfrage nicht mehr gleich verfügbar haben, ist sie ebenfalls online abrufbar:
https://blog.zwischengeschlecht.info/pages/Aufforderung-um-Unterstutzung-an-Deutschen-Ethikrat

Ich bitte Sie dringend um eine Wiedererwägung meiner Anfrage um Unterstützung zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Jeder Tag, an dem den massiven Menschenrechtsverletzungen an Zwittern nicht endlich wirksam Einhalt geboten wird, fordert neue Opfer, denen irreversible Schäden angetan werden!

Für eventuelle Fragen stehe ich Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.

Freundliche Grüsse

Daniela Truffer
Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org

Nachtrag: Immerhin ist seit dem 3.4.09 im Jahresbericht 2008 des Ethikrats an den Bundestag (16/12510 >>> PDF-Download) auf S. 13 offiziell festgehalten, dass der Ethikrat "Hilfegesuche von Betroffenen" auch zum Thema "Intersexualität" erhalten hatte. 

Siehe auch:
- Aufforderung um Unterstützung an Deutschen Ethikrat
- Deutscher Ethikrat reiht sich ein unter die MittäterInnen
- Amnesty International zum x-ten Mal zur Unterstützung aufgefordert 

Thursday, May 14 2009

Zwitterprozess: Nächste Runde / Demo 20.5. 14:00 h LG Köln

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Auch nach dem Sieg auch in 2. Instanz muss die Intersexuelle Christiane Völling weiter um ihr Recht kämpfen:

Am 3. September 2008 hatte das Oberlandesgericht Köln den Chirurgen, der Christiane Völling seinerzeit ohne Einwilligung die inneren Geschlechtsorgane entfernte, definitiv zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verurteilt. Der 5. Senat des OL urteilte einstimmig, der Zwangsoperateur habe Christiane Völling "nicht hinreichend aufgeklärt und sie daher mangels wirksamer Einwilligung schuldhaft in ihrer Gesundheit und ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt" (5 U 51/08).

Es war das erste Verfahren überhaupt, wo es einem intersexuellen Menschen gelungen war, einen Chirurgen wegen genitalen Zwangsoperationen vor den Richter zu bringen, kurz vor Ablauf der absoluten Verjährungsfrist. Auch heute noch werden Zwitter systematisch zwangsoperiert. Da den Zwittern selbst jeweils die wahre Natur der Eingriffe verheimlicht wird, besteht für die meisten gar keine Möglichkeit, die Mediziner vor Gericht zu bringen, weil die Taten vorher längst verjährt sind.


Chirurg will auf keinen Fall zahlen

Das Verfahren geht nun am 20. Mai 2009 wieder zurück ans Landgericht, wo über die Höhe des Schmerzensgeldes verhandelt wird. Der verurteilte Chirurg Prof. Dr. L. will "partout nicht zahlen", wie er bekannt gab: "Er ließ das Gericht wissen, dass er aus damaliger medizinischer Sicht alles richtig gemacht habe. Und deshalb in keinem Fall bereit sei zu zahlen." (Express, 23.3.2009) Einen Vergleichsvorschlag des Gerichts habe Prof. Dr. L. abgelehnt.

Obwohl sich das Verfahren schon 2 Jahre hinzieht, lässt sich Christiane Völling durch die erneute Hinhaltetaktik von Prof. Dr. L. nicht zermürben: "Da ist er an die Falsche geraten!"


Kundgebung vor dem Landgericht Köln

Die genitalen Zwangsoperationen an Zwittern müssen so schnell wie möglich beendet werden!

Zwischengeschlecht.org fordert "Menschenrechte auch für Zwitter!" und ruft auf zur Kundgebung unmittelbar vor der Verhandlung:

Mittwoch, 20. Mai 2009, 14:00 Uhr
Landgericht Köln, Luxemburger Straße 101, 50939 Köln

Tuesday, May 5 2009

Fachgespräch der Grünen, Berlin Mi 27.5.09 14-18h

Die aktuelle Zeitlinie 2009 mal über den Daumen gepeilt:

  • Seit 50 Jahren werden Zwitterkinder systematisch zwangsoperiert.
  • Seit 13 Jahren protestieren Zwangsoperierte in Deutschland öffentlich dagegen.
  • Seit 7 Jahren sind die Grünen am Debattieren. Und noch kein bisschen gescheiter.
  • Die Medizyner operieren dankend weiter ...

Immer, wenns ums Thema geht und die Abgeordneten der Bundestagsfraktion der Grünen auf ihren mangelnden Beitrag zur sofortigen Beendigung der genitalen Zwangsoperationen angesprochen werden, kramen sie die olle Anhörung von 2002 hervor mit ihren vollmundigen Ankündigungen. Konkret politisch für die Zwitter etwas getan haben sie seither – nichts.

Doch nun tun sie ja was. - Überraschung! - Ja, was denn? - Na, was habt ihr denn gedacht?!

Genau, die Grünen debattieren mal wieder:

>>> Fachgespräch 27.5.09 14h Bundestag [offline]
[ --> archiviert hier! (Danke!) ]

Einmal mehr sind als "Experten" hauptsächlich die üblichen Medizyner geladen vom "Netzwerk DSD/Intersexualität" ...

Hingehen! Obacht, elektronische Anmeldung erforderlich! Anmeldeschluss 18.5.!!

Nachtrag 1: Offener Brief von Michel Reiter an die Grünen (--> 6.5.09)

Nachtrag 2: Faltblatt von IVIM zum Fachgespräch

Nachtrag 3: Bericht von Kitty über das Fachgespräch

Nachtrag 4: Fachgespräch: Wie das "Netzwerk DSD" die "Lübecker Studie" frisiert

Nachtrag 5: Dokumentation zur Tagung mit Vortragstexten (publiziert 2011, PDF)  

Siehe auch:
- Menschenrechtsverletzungen an Intersexuellen: Yogyakarta untaugliches Instrument
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- CEDAW: Schriftliche Empfehlungen an die Bundesregierung
- Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen
- "Netzwerk DSD/Intersexualität" und wir Intersexuellen - Mitsprache geht anders
- Wie das "Netzwerk DSD/Intersexualität" seine Versprechen bricht
- Weiße Kittel mit braunen Kragen, reloaded
- DIE LINKE: Streicheleinheiten für die Bundesregierung
- LSVD: Menschenrechte für Zwitter als Wahlprüfstein!    

http://fmt.blogsport.de/zwitter

Die Zwitter Medien Offensive™ ohne Ende!

>>> vollfettes Dankeschön nach Potsdam!

Wer alle Texte schon kennt – Respekt!

Tuesday, April 28 2009

Katrin Ann Kunze ist tot

Kat an der Demo zu Christianes 1. Prozesstag, Köln, 12.12.07.

Katrin Ann Kunze, Mitbegründerin von XY-Frauen und Intersexuelle Menschen e.V. und langjähriges Vorstandsmitglied, hat sich letzte Woche das Leben genommen.

Kat war eine profilierte Kämpferin für die Rechte der Zwitter, bekannt für ihre Auftritte in den Büchern "Leben zwischen den Geschlechtern" von Ulla Fröhling (2003) und "Intersexualität" von Claudia Lang (2006), im Film "Die Katze wäre eher ein Vogel" von Melanie Jilg (2007) und in Medieninterviews. Aus ihrer Feder stammte auch der Webauftritt von Intersexuelle Menschen e.V.

Wir sind fassungslos und vermissen sie.

>>> Kats Geschichte in ihren eigenen Worten

Interviews:  Die Zeit 00 / Freitag 44/02 / WDR 7.1.05

>>> Vortrag "My favourite Gospel Songs" 2004 (PDF-Download)

>>> Bilder Gemeinschaftsausstellung 2007

>>> Nachruf Westdeutsche Zeitung


Siehe auch:
- "Unseres Wissens zufolge unternehmen 80% der Intersexen Suizidversuche, hiervon 25% erfolgreich" - AGGPG 1998

Monday, April 27 2009

Amnesty International zum x-ten Mal zur Unterstützung aufgefordert

Die genitalen Zwangsoperationen und sonstigen nicht-eingewilligten Zwangseingriffe an Zwittern sind die wohl gravierendste Menschenrechtsverletzung in den westlichen Demokratien seit dem 2. Weltkrieg. Ihre Bekämpfung ist deshalb eine der dringlichsten Aufgaben aller, die sich die Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen auf die Fahnen schreiben – bzw. sollte es sein!

Die Realität sieht anders aus: Mindestens seit 1996 wurden wohl alle einschlägigen Menschenrechtsorganisationen eins ums andre Mal angefragt, beim Kampf gegen die genitalen Zwangsoperationen Solidarität zu beweisen – eins ums andere Mal war die Reaktion "Tut uns Leid, nicht unser Ding" (Amnesty '96, Terre des Femmes '96, Deutscher Ethikrat '09).

Trotzdem nahmen letzten Winter mehrere Zwangsoperierte im Namen von Intersexuelle Menschen e.V. bei Amnesty wieder Anlauf, konkret bei der deutschen Sektion von MERSI Amnesty. Einmal mehr hatten die Zuständigen keine Ahnung von den gravierenden Menschenrechtsverletzungen an Zwittern, noch sahen sie Möglichkeiten, sich ev. mal etwas schlauer zu machen: "Ausserdem muß ich Ihnen gestehen, dass ich es bisher auf Grund von Überlastung mit anderen Fällen noch nicht geschafft habe, auf Ihrer doch recht umfangreichen Website nach passenden Fallbeispielen und Passagen zu Menchenrechtsverletzungen zu recherchieren." Auch die Zentrale in London habe ebenfalls keine Position zu den Menschenrechtsverletzungen an Zwittern, noch Informationen dazu.

Immerhin liess der betreffende Mitarbeiter verlauten, er habe von der Londoner Zentrale den Auftrag erhalten, sich schlau zu machen und zu rapportieren, weshalb er um Informationen ersuche. Da diese Angelegenheit seither innerhalb von IMeV nicht mehr weiter verfolgt wurde, liess Nella nun dem Amnesty-Mitarbeiter im Namen der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org eine detaillierte Übersicht zum Thema zukommen mit der erneuten Bitte um Abklärung und Erwägung von künftiger Unterstützung.

Laut einer umgehenden ersten Rückmeldung hat der Mitarbeiter dieses Schreiben nun an den deutschen Vorstand weitergeleitet mit der Bitte, sich beim internationalen Sekretariat erneut dafür einzusetzen, dass Amnesty sich der drängenden Problematik endlich annimmt.

Nachtrag: Eine entsprechende Aufforderung ging am 15.8.09 zusätzlich auch an die Schweizer Sektion von Amnesty – einmal mehr hiess es in der Absage: "Amnesty International hat bisher [...] keine offizielle Position zu Intersex und Zwangsoperationen erarbeitet."

Fortsetzung folgt ...

>>> Der erneute Aufruf um Unterstützung

Wednesday, April 8 2009

LSVD: Zwitter-Wahlprüfstein und Resolution einstimmig angenommen!

Letztes Wochenende stimmte der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) an seinem 21. Verbandstagung vom 4./5. April in Berlin-Schöneberg auf Antrag des Bundesvorstandes ab über einen Zwitter-Wahlprüfstein "Menschenrechtsverletzungen an Intersexuellen bekämpfen!" sowie über die Zwitter-Resolution "Menschenrechte von Intersexuellen schützen"

Wie die Delegierte von Intersexuelle Menschen e.V., Lucie Veith berichtet, wurden beide Anträge einstimmig angenommen!

Allen Beteiligten ein fettes Dankeschön!

Siehe auch:
- Lesben- und Schwulenverband Deutschland fordert Menschenrechte für Zwitter! 
- LSVD: Menschenrechte für Zwitter als Wahlprüfstein! 
- Bundestagswahl 2009: 4 von 5 Bundestagsparteien fordern Selbstbestimmungsrecht für Zwitter! 
- CSD Konstanz & Kreuzlingen fordert Selbstbestimmung für Zwitter  

Sunday, April 5 2009

OII Deutschland / IVIM setzt neu "Recht auf körperliche Unversehrtheit" an 1. Stelle der Forderungsliste

Nachdem auf diesem Blog seit längerem mehrfach kritisiert wurde, dass OII Deutschland / IVIM, statt das für Zwitter zentrale Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde hochzuhalten, dieses auf ihrer Zwitter-Forderungsliste in unwürdiger LGBT-Tradition "Gender" rsp."Geschlechtsidentität" und "sexueller Orientierung" unterordnet bzw. hinten anstellt (wie auch TrIQ, TGNB & Co., die es z.T. gleich ganz weglassen), wurde die IVIM-Forderungsliste nun unterdessen überarbeitet – und siehe da:

Die "Internationale Vereinigung Intergeschlechtlicher Menschen (IVIM)", die Sektion Deutschland von "Organisation Intersex International (OII)", stellt in der am 25.3.09 aufdatierten Version ihrer Forderungsliste statt "Dekonstruktion von Geschlecht" neu "Das Recht auf körperliche Unversehrtheit" an die erste Stelle, gefolgt von "2. Das Recht auf Schutz vor medizinischer und/oder psychologischer Misshandlung, Bevormundung und Zwang".

Herzlichen Glückwunsch!

Der logische nächste Schritt wären nun entsprechende konkrete Aktionen ...

Saturday, April 4 2009

LSVD: Menschenrechte für Zwitter als Wahlprüfstein!

Nebst über den Antrag "Menschrechte von Intersexuellen schützen" stimmt der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) dieses Wochenende an der 21. Verbandstagung vom 4./5. April in Berlin-Schöneberg wiederum auf Antrag des Bundesvorstandes ebenfalls ab über "Zehn Schritte zu Gleichstellung und Respekt. Lesben- und schwulenpolitische Prüfsteine zur Bundestagswahl 2009".

>>> PDF-Download "Prüfsteine zur Bundestagswahl 2009"

Als Wahlprüfstein Nr. 9 (von 10) ist darin wiederum auch die Forderung nach Menschenrechte für Zwitter enthalten:

9. Menschenrechtsverletzungen an Intersexuellen bekämpfen!

Menschen sind in der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland entweder männlich oder weiblich. Alle Neugeborenen werden binnen kurzer Zeit nach der Geburt im Geburtsregister des Standesamtes mit Nennung des Geschlechtseintrages eingetragen. Menschen, die mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren werden, haben bislang keinen rechtlichen Schutz. Obwohl körperlich gesund, werden die Betroffenen in der Mehrzahl der Fälle von frühstem Kindesalter an irreversiblen medikamentösen und chirurgischen Eingriffen unterzogen. Diese Zwangsbehandlungen stellen einen erheblichen Verstoß gegen das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde dar. Die Zwangsanpassungen an die rechtlich geforderte Zweiteilung der Geschlechter sind eine schwerwiegende Form der Diskriminierung. 

Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, dass in Zukunft chirurgische und/oder medikamentöse bzw. hormonelle Eingriffe nur mit der informierten Einwilligung der betroffenen Menschen erfolgen dürfen? 
Was werden Sie dafür tun, um Sorge zu tragen, dass Menschen mit einer Besonderheit der geschlechtlichen Entwicklung ein Recht auf freie Entfaltung und Selbstbestimmung gewährleistet wird?

Damit kommt der LSVD als erste LGBT-Organisiation einer Urforderung dieses Blogs nach (eins / zwei), nämlich Menschenrechte für Zwitter (namentlich das zentrale "Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde") als eigenständigen Punkt in die Agenda aufzunehmen, statt die Zwitter bloss "mitzumeinen" rsp. bestenfalls in der "gottgegebenen Reihenfolge" nach "sexuelle Identität" und "sexuelle Orientierung" usw. zuhinterst anzustellen (wie dies im andern Antrag teilweise leider immer noch der Fall ist). Dafür allen Beteiligten ein fettes Danke!!!

Erneut griff der LSVD bei diesem Antrag auf Textbausteine von Intersexuelle Menschen e.V. und Zwischengeschlecht.org zurück, wie sie u.a. in der Forderungsliste des Vereins und im CEDAW-Schattenbericht enthalten sind.

Auch an den übrigen Wahlprüfsteinen gibts übrigens aus meiner Sicht nix zu mosern, im Gegenteil ...

Auch dieser zweite Antrag muss dieses Wochenende erst noch von der Verbandstagung genehmigt werden. Einmal mehr sind wir gespannt auf das Abstimmungsresultat und hoffen auf das Beste! Nachtrag: Der Wahlprüfstein wurde einstimmig angenommen!

Nachtrag 2: Nun liegen auuch die Antworten der Parteien vor – und siehe da: 4 von 5 Bundestagsparteien fordern Selbstbestimmungsrecht für Zwitter!  

Siehe auch:
- Lesben- und Schwulenverband Deutschland fordert Menschenrechte für Zwitter! 
- LSVD: Menschenrechte für Zwitter als Wahlprüfstein! 
- Bundestagswahl 2009: 4 von 5 Bundestagsparteien fordern Selbstbestimmungsrecht für Zwitter! 
- CSD Konstanz & Kreuzlingen fordert Selbstbestimmung für Zwitter  

Wednesday, March 25 2009

LSVD: Änderungen am Zwitter-Antrag

Wie berichtet, legt der Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland der kommenden Verbandstagung vom 4./5. April einen Antrag vor, der sich für Menschenrechte auch für Zwitter stark macht. Daran wurden zwischenzeitlich Änderungen vorgenommen, m.E. teils zum besseren, teils auch nicht. Nach der Einschätzung des Bundesvorstandes hat der Antrag gute Chancen, angenommen zu werden. Wir drücken die Daumen! An der Verbandstagung wird Lucie Veith für Intersexuelle Menschen e.V. ein Referat halten. Die konkreten Änderungen im Antrag mit Kommentar >>> hier unter Nachtrag 25.3.

Siehe auch:
- Lesben- und Schwulenverband Deutschland fordert Menschenrechte für Zwitter! 
- LSVD: Menschenrechte für Zwitter als Wahlprüfstein! 
- Bundestagswahl 2009: 4 von 5 Bundestagsparteien fordern Selbstbestimmungsrecht für Zwitter! 
- CSD Konstanz & Kreuzlingen fordert Selbstbestimmung für Zwitter 

Sunday, March 22 2009

Spendenaktion für Christiane erfolgreich!

Christiane während eines der vielen, vielen Interviews. Köln, 12.12.07.

Wie berichtet, muss Christiane Völling dem Landgericht Köln 2000.-- Euro bezahlen, damit ihr Prozess fortgesetzt wird. Nach einem Spendenaufruf hier und durch Intersexuelle Menschen e.V. gingen nun, zusammen mit dem Ertrag der 1. Spendenaktion, innert der nötigen Frist genügend Spenden ein, um diese Auflage zu bezahlen! Hip, hip!

Christiane teilt dazu mit, dass sie sich ganz herzlich bei allen Spender_innen bedanken möchte, die "so eine Fortführung meines Prozesses ermöglichten und mich auf diese Art und Weise wissen und spüren ließen, dass ich nicht alleine bin, gerade und insbesondere in meiner derzeitigen schwierigen Lage".

Auch wir von Zwischengeschlecht.info möchten uns dem anschliessen und sagen allen Spender_innen Danke!

Christianes Prozess, der von ihr unter erheblichem finanziellen Risiko geführt wird und ihr durch den dadurch entstandenen Medienrummel und die allgemeine Belastung auch persönlich eine ganze Menge abverlangt, ist und bleibt ein historisches Ereignis für alle Zwitter in ihrem Kampf gegen genitale Zwangsoperationen und sonstige nicht-eingewilligte Zwangseingriffe – und Christianes Sieg gegen ihren ehemaligen Chirurgen ein Meilenstein in diesem Ringen! Umso schöner, dass ihr nun von der wachsenden Zwitterbewegung inkl. solidarischen Nicht-Zwittern die praktische Solidarität zuteil wurde, die sie zur Weiterführung ihres bahnbrechenden Prozesses braucht.

Fortsetzung folgt ...

PS: Spenden sind auch weiterhin hochwillkommen! Falls Christiane die Spenden nicht mehr braucht, geht das gesammelte Geld in einen Fonds und wird für weitere Prozesse verwendet!

Intersexuelle Menschen e.V.
Konto 0963128202
Postbank Hamburg
BLZ 200 100 20
Verwendungszweck: Solidarität mit Christiane

Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt. Für Beträge unter 100 € genügen der Einzahlungsbeleg und der Kontoauszug. Für Zuwendungen über 100 € stellt der Verein Spendenbescheinigungen aus.

Christianes Prozess auf diesem Blog:
- Christiane Völlings Geschichte
- 1. Pressemitteilung
- Demoaufruf 1. Prozesstag
- Berichterstattung 1. Prozesstag
- Pressespiegel 1. Prozesstag
- Warum Christiane Völling zur Transsexuellen gemacht werden soll
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- Berichterstattung und Pressespiegel 2. Prozesstag
- Christiane: Der Kampf geht weiter
- Bericht provisorischer Entscheid OLG
- Bericht definitiver Entscheid OLG
- Pressespiegel definitiver Sieg vor OLG  

Thursday, March 19 2009

Lesben- und Schwulenverband Deutschland fordert Menschenrechte für Zwitter!

Der Vorstand des Lesben und Schwulenverbands Deutschland (LSVD) legt der 21. Verbandstagung vom 4./5. April in Berlin-Schöneberg einen Antrag "Menschrechte von Intersexuellen schützen. Intersexualität als gesellschaftliches Tabu bekämpfen" zur Abstimmung vor, der detailliert Menschenrechte auch für Zwitter fordert.

>>> PDF-Download

Darin zeigt sich der LSVD "schockiert über die Berichte über Menschenrechtsverletzungen, die in der Bundesrepublik Deutschland an zwischengeschlechtlichen [...] Menschen begangen wurden" und dankt Intersexuelle Menschen e.V. und XY-Frauen, "die diese Fakten im Rahmen des CEDAW-Alternativberichtes aufgearbeitet und veröffentlich haben".

Zur Beschreibung der Problematik greift der LSVD wiederholt auf Pressemitteilungen und Grundsatztexte von Intersexuelle Menschen e.V. und Zwischengeschlecht.org zurück sowie auf die Forderungsliste des Vereins, deren 5 Kernpunkte ebenfalls wörtlich übernommen werden. Weitere Abschnitte befassen sich fundiert mit den Diskriminierungen durch das Personenstandsrecht (inkl. Hinweis auf den Prozess von Michel Reiter): "Intersexuelle Menschen werden rechtlich gezwungen ihre Identität zu verleugnen." Auch die Yogyakarta-Prinzipien werden ins Feld geführt.

Kommentar: Na bitte, es geht doch! Der LSVD-Bundesvorstand macht einen mutigen ersten Schritt und zeigt, dass Solidarität mit Zwittern statt Vereinnahmung machbar ist, indem er die Forderungen des Vereins zu einem grossen Teil wörtlich aufnimmt und unterstützt, inkl. Einforderung des für Zwitter zentralen Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde.

Ich persönlich bin zwar – nicht zuletzt aufgrund der Vorgänge im Bundestag – nach wie vor sehr skeptisch, was das Winken mit Yogyakarta und insbesondere das Voranstellen von "sexuelle Orientierung und geschlechtliche Identität" vor das Recht auf körperliche Unversehrtheit den Zwittern konkret bringen soll, aber es ist klar, dass der LSVD letztlich auch profitieren will, und das ist m.E. auch zumindest nicht illegitim, solange es in der vorliegenden Form geschieht.

Zwar handelt es sich erst um einen Antrag, der am Verbandstag am 4./5. April noch genehmigt werden muss. Ich hoffe aber auf alle Fälle auf das Beste und sag schon jetzt allen an diesem Antrag Beteiligten DANKE!!!  Nachtrag: Die Resolition wurde einstimmig angenommen!

(Danke an Hänselodergretel für den Hinweis.)

Siehe auch:
- LSVD: Menschenrechte für Zwitter als Wahlprüfstein! 
- Bundestagswahl 2009: 4 von 5 Bundestagsparteien fordern Selbstbestimmungsrecht für Zwitter! 
- CSD Konstanz & Kreuzlingen fordert Selbstbestimmung für Zwitter 

Nachtrag 25.3.09: Der Antrag wurde inzwischen nochmals überarbeitet. Einige Änderungen sind m.E. Verbesserungen, andere jedoch nicht:

Sehr gut finde ich z.B., dass es nun Zeile 18ff. heisst: "Trotz der Varianz ihrer geschlechtlichen Anlagen sind bei der Mehrheit dieser Menschen keine  medizinischen Interventionen notwendig.", statt wie vorher "Neben der Varianz ihrer geschlechtlichen Anlagen liegen bei ihnen in der Mehrzahl der Fälle keine weiteren Merkmale vor." Auch Z. 25 die Änderung von "uneindeutigen Genitalien" zu "zwischengeschlechtlichen Genitalien" finde ich sehr gut.

Nicht gut finde ich hingegen z.B. die Änderung von alt Z. 10 "uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen" zu neu Z. 9 "männlichen und weiblichen Geschlechtsmerkmalen" – dadurch wird einmal mehr den immer noch verbreiteten, irrigen "Hermaphroditen-Mythen" von "Mann und Frau zugleich" Vorschub geleistet. Warum nicht z.B. "sogenannt uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen" oder "nicht eindeutig männlich oder weiblich zuordnungsbaren Geschlechtsmerkmalen"? Sehr schade finde ich auch, dass der Hinweis alt Z. 53 "Intersexuelle Menschen kommen in keiner offiziellen Statistik vor." ersatzlos gestrichen wurde. Warum bloss? Die Weigerung durch Medizyner und Bundesregierung, das (laut Ärzten zunehmend häufigere) Vorkommen zwischengeschlechtlicher Menschen (und damit auch die Häufigkeit der Zwangsoperationen!) verbindlich statistisch zu erfassen und die damit verbundenen Zahlenmanipulationen zwecks Verhinderung von Monitoring sind ein zentrales Problem, das ruhig erwähnt statt ausgelassen werden dürfte.

Gekürzt wurde übrigens auch der Titel des Antrags: von alt "Menschrechte von Intersexuellen schützen. Intersexualität als gesellschaftliches Tabu bekämpfen" zu neu "Menschenrechte von Intersexuellen schützen".

Friday, March 6 2009

CEDAW: Offener Brief des Deutschen Juristinnenbundes erwähnt Zwitter

Der djb hatte das CEDAW-Geschehen regelmässig verfolgt. In einem Offenen Brief an die CEDAW-Verantwortliche der Bundesregierung, Familienministerin von der Leyen, redete der djb am 4.3. (dem Vortag der CEDAW-Bundestagsdebatte) einmal mehr Klartext – und erwähnt erstmals "inter- und transsexuelle Frauen":

Und warum wird die Aufforderung an die Bundesregierung, in zwei Jahren einen Zwischenbericht über die getroffenen Maßnahmen [...] über die Zusammenarbeit mit den Verbänden von inter- und transsexuellen Frauen vorzulegen, überhaupt nicht erwähnt?

Danke!!

Der Offene Brief ist auch auf der CEDAW-Page des Deutschen Frauenrates enthalten. Dort gibts ebenfalls Klartext über die versammelten Ausweichmanöver der Bundesregierung in Sachen CEDAW – sowie einen Eintrag über den Zwitter-Schattenbericht noch aus dem alten Jahr:

Schattenbericht für Intersexuelle

18.12.2009 - Menschenrechte auch für Zwitter fordert der Verein Intersexuelle Menschen e.V. und hat daher einen eigenen CEDAW-Schattenbericht am 15. Dezember in Berlin vorgestellt.

Nach offiziellen Schätzungen leben etwa 80.000 bis 120.000 medizinisch mit dem Begriff „intersexuell“ („DSD“) klassifizierte Menschen in der Bundesrepublik Deutschland.

Viele von ihnen werden systematisch medizinisch nicht notwendigen und traumatisierenden Zwangsbehandlungen unterworfen. Diese stellten einen erheblichen Verstoß gegen ihr Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde dar, so der Verein, der die vollständige Umsetzung und Anwendung der Menschenrechte auch für Intersexuelle fordert.

Staatenbericht ignoriert Nöte der Intersexuellen

Intersexualität berührt eine Vielzahl universeller Menschen- und Frauenrechte. Mit ihrem Schattenbericht will der Verein Intersexuellen Menschen e.V. über die physische, psychische und soziale Situation intersexueller Menschen in Deutschland aufklären und die vollständige Umsetzung der Menschenrechte auch für intersexuelle Menschen durchzusetzen. Im 6. Staatenbericht der Bundesregierung zu CEDAW fänden die Anliegen intersexueller Menschen kein Gehör, bemängelt die Lobby für Intersexuelle. Deutschland dürfe als CEDAW-Vertragsstaat die schweren Menschenrechtsgefährdungen und -verletzungen an intersexuellen Menschen nicht mehr länger ignorieren.

Kommentar zum Frauenrat-Eintrag: Wenn da nur dieses Wort im letzten Satz nicht wäre! Lieber Frauenrat, "Menschenrechtsgefährdungen" an "Intersexuellen" ist a) die Untertreibung des Jahrzehnts: Die Menschenrechtsverletzungen an Zwittern sind in den "westlichen Demokratien" seit dem 2. Weltkrieg die wohl massivsten Menschenrechtsverletzungen überhaupt!! Und b) ein ziemlich peinlicher Griff in die falsche Schublade.

Ansonsten auch hier: Danke!!

Siehe auch:
- Schattenbericht Intersexuelle Menschen e.V.
- Schattenbericht: Bundesregierung leugnet Menschenrechtsverletzungen an Zwittern 
- Zwitter-Demos vor der UNO 26.1.
- Weitere Medienberichte zu Genf
- Genf: UNO mahnt Bundesregierung
- CEDAW: Schriftliche Empfehlungen an die Bundesregierung
- Oliver Tolmein zu CEDAW-Empfehlungen
- CEDAW: Offener Brief des Deutschen Juristinnenbundes erwähnt Zwitter
- CEDAW im Bundestag: Nach bekanntem Muster

Wednesday, March 4 2009

Reitschule Bern zeigt ganzen März Zwitterfilme

Die Reitschule Bern ist ein selbstverwaltetes Kulturzentrum mit einer im wahrsten Sinne des Wortes bewegten Geschichte seit über 25 Jahren. Das Kino in der Reitschule widmet seinen Zyklus für den Monat Märzden Zwittern! Danke!!!

Am Do 5.3. gibt es zudem um 19:30h eine Einführung ins Thema durch die versierte Sozialwissenschaftlerin Kathrin Zehnder, unter Zwittern bekannt u.a. als Co-Herausgeberin des empfehlenswerten Buches "Intersex". Geschlechtsanpassung zum Wohl des Kindes?, das u.a. auch einen Beitrag von Karin Plattner von der Schweizerischen Elternselbsthilfe enthält.

Im Anschluss ist eine Diskussion vorgesehen – schön wäre es, wenn darauf auch in Bern die am dortigen Inselspital trotz gegenteiliger Lippenbekenntisse nach wie vor praktizierten genitalen Zwangsoperationen vermehrt öffentlich kritisch hinterfragt würden oder gar konkret politisch unter Beschuss gerieten ...

Nachfolgend ein Überblick über den Zyklus und die einzelnen Filme.

Aus der Einleitung zum Filmzyklus:

In der Schweiz leben zwischen 8000 und 20 000 Menschen, die medizinisch nicht klar geschlechtlich einordbar sind. Im Filmzyklus Intersexualität möchten wir intersexuellen Menschen eine Stimme geben und Filme zum Thema zusammen schauen. Was ist Geschlecht eigentlich? Gibt es wirklich nur die zwei, die auf Formularen anzukreuzen sind oder müssen wir unsere Geschlechterkonzepte überdenken?

Einmal mehr scheint es also womöglich (noch) eher um die "Feinheiten von Gender" zu gehen als um den aktuellen Kampf der Zwitter gegen genitale Zwangsoperationen und um Selbstbestimmung. Das Programm jedoch ist hochkarätig – und böte eigentlich zur Genüge Material aus erster Hand für einen kurzen Überblick über mehr als ein Jahrzehnt politischen Zwitterkampf:

Im Eröffnungsfilm "Die Katze wäre eher ein Vogel" (2007) am Do 5.3. / Fr 6.3. / Sa 28.3. erzählt u.a. ein Urgestein des organiserten Zwittertums, die Mitbegründerin von XY-Frauen und Intersexuelle Menschen e.V., Katrin Ann Kunze (siehe auch: Die Zeit 00 / Freitag 44/02). Weitere Interviewte sind unter anderem Lucie Veith (siehe auch: OB Netzwerk Sept 07 / taz 6.11.07 / Deutschlandfunk 6.7.08), Co-Autorin des Schattenberichts, der diesen Januar in Genf vor der Uno verhandelt und von der schweizerischen Gruppe Zwischengeschlecht.org mit Mahnwachen und einer Demo begleitet wurde, und Christiane Völling (im Film noch Thomas), die in Köln 2008 in zweiter Instanz einen vielbeachteten, beispiellosen Prozess gewann gegen den Chirurgen, der ihr – wie bei Zwittern üblich – ohne ihre informierte Einwilligung die inneren Geschlechtsorgane entfernte und sie dadurch laut Gericht "schuldhaft in [ihrem] Selbstbestimmungsrecht verletzt[e]" (siehe auch: Christianes Geschichte / Planetopia 16.12.07 Video / Kulturzeit 25.6.08).

Fr 6.3. / Sa 28.3. läuft mit "Das verordnete Geschlecht" (2001) DER deutschsprachige Zwitterfilm überhaupt, mit Interviews und Berichten von politischen und anderen Aktionen u.a. mit Michel Reiter, der mit Heike Bödeker in der Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie (AGGPG) 1996 die deutschsprachige Zwitterbewegung überhaupt begründete, und mit seinem Aufsehen erregenden Prozess über zwei Instanzen um sein Recht auf Personenstand "zwittrig" das Thema der massiven Menschenrechtsverletzungen an Zwittern zu Beginn des 21. Jahrhunderts erstmals einer breiteren Öffentlichkeit nahebrachte (siehe auch: Zeit-Magazin 28.1.99 / GEO Wissen 26/00 / Arranca 14 / Vortrag 30.6.00). Michel Reiter hielt viele Vorträge, u.a. am 3.7.01 auch einen in der Reitschule (PDF-Download) ...
Ebenfalls mit von der Partie: Elisabeth "Hermaphrodit Müller, bitte, ich bin keine Frau", ebenfalls Mitbegründerin von XY-Frauen und Intersexuelle Menschen e.V., heute noch als Aktivistin dabei, aus Funk und Fernsehen auch bekannt als "Zwitter Eli" sowie berühmt für ihre Zarah Leander-Adaption "Kann ein Zwitter Sünde sein?" (siehe auch: dradio 20.3.06 / advaita 14/06 (PDF) / MDR 18.1.08 (mp3 15.1 MB)
Weiter bemerkenswert an diesem Film: Co-Filmemacher Oliver Tolmein, Rechtsanwalt und Publizist u.a. mit einem exzellenten Blog "Biopolitik" auf FAZ-Online, der sich nach wie vor engagiert für die Menschenrechte (auch) der Zwitter einsetzt.

Sa 7.3. / Sa 14.3. / Fr 20.3. zeichnet "Erik(A) - der Mann, der Weltmeisterin wurde" (2005) die Geschichte der erfolgreichen österreichischen Sportlerin Schinegger nach, die nach einer Geschlechtskontrolle des Olympischen Komitees als "Scheinzwitter" mit männlichem Chromosomensatz von der Teilnahme ausgeschlossen wurde, sich darauf freiwillig Operationen unterzog und anschliessend als Mann seine Karriere fortsetzte. Eine aussergewöhnliche Biographie, die auf den ersten Blick nichts mit dem Kampf der Zwitter zu tun hat – ausser, dass sie treffend illustriert, wieviel besser es Zwittern geht, wenn sie das Glück haben, nicht als Kinder zwangskastriert und zwangsoperiert werden, sondern untraumatisiert aufwachsen und später möglichst freie Entscheidungen über sich selbst treffen können – für die allermeisten Zwitter nach wie vor eine Utopie, wie auch ein aktuelles, denkwürdiges scheinbares Dementi aus dem Inselspital einmal mehr beweist.

Ebenfalls aus Österreich kommt der am Fr 13.3. / Do 19.3. gezeigte "Tintenfischalarm" (2005) und erzählt die bewegende Geschichte von Alex, dem wie so vielen anderen Zwitterkindern mit der "Begründung" "Pseudohermaphroditus masculinus" die Hoden und das Lustorgan kurzerhand amputiert wurden, damit das "uneindeutige" Kind künftig als Mädchen durchginge. Auch bei Alex ein letztlich vergebliches, für das Opfer aber extrem schmerzhaftes und zerstörerisches "Experiment" scheinbar mitgefühlloser Medizyner. Alex beginnt eine Flucht nach vorn und entkommt so dem Schicksal von über 30% seiner Geschlechtsgenoss_innen, die sich selbst das Leben nehmen (siehe auch: Alex Jürgens Geschichte / "Tintenfischalarm"-Bio 2006 / Presseheft (DOC). Alex ist Mitbegründer der österreichischen Selbsthilfegruppe intersex.at.

Mit "XXY" (2007) steht zu guter Letzt Sa 21.3. / Fr 27.3. der wohl allererste SPIELFILM über einen Zwitter (Nachtrag: Diese Ehre gehört "Both" (2005) von Lisett Barcellos) im Programm, der letztes Jahr zu Recht weltweit Furore machte. Trotz des leider unglücklich gewählten, missverständlichen und nicht ganz ungefährlichen Titels (ein herzliches Dankeschön in dieser Beziehung an den CH-Verleiher Xenix, der seiner Verantwortung gerecht wurde und aktiv mithalf, Medien und Öffentlichkeit zu informieren – ein Beispiel, das darauf auch in Deutschland Schule machte!) waren die allermeisten Zwitter von dem stimmungsvollen Film begeistert und feierten ihn als "menschlichen Film über Zwitter". Eine Zwitter-Utopie, wo endlich einmal auch zwischengeschlechtliche Menschen so richtig mit einer Protagonist_in mitfiebern können, die_der allen Schwierigkeiten zum Trotz schliesslich von beiden Eltern so akzeptiert wird, wie sie_er ist, den drohenden Zwangsoperationen (einmal mehr) glücklich entgeht und sein_ihr Selbstbestimmungsrecht erfolgreich durchsetzen kann! Zwitter-Aktivist_innen nahmen "XXY" international als Aufhänger, um auf ihren Kampf gegen genitale Zwangsoperationen öffentlich aufmerksam zu machen.

Wer übrigens im Zwitter-Zyklus des Reitschule-Kinos Beiträge zur schweizer Zwitterbewegung um Zwischengeschlecht.org und intersex.ch vermisst, von der in den letzten 18 Monaten auch über die Landesgrenzen hinaus entscheidende Impulse ausgingen, die u.a. auch die Berliner "Gigi, Zeitschrift für sexuelle Emanzipation" aufhorchen liessen, kann sich hier online einen durchaus geigneten, kurzen Vorfilm zu Gemüte führen: Letzten Sommer schaffte es die "Tagesschau" in einem gelungenen Beitrag über einen Protest vor dem Zürcher Kinderspital in nur 2'22" viel Wesentliches knackig auf den Punkt zu bringen – schon der einleitende Moderator liess es sich nicht nehmen, an einem Sonntagabend in der Hauptausgabe das Wort "kastriert" noch extra zu betonen ...

Vorführzeiten siehe: http://www.reitschule.ch/reitschule/kino/index.shtml

Siehe auch: 2008: Eine neue Zwitterbewegung! (Jahresrückblick, Teil 1)

Monday, March 2 2009

Hamburg: Erneut historische Grosse Zwitter-Anfrage!!

Nach den bisher 3 kleinen Anfragen der SPD noch im alten Jahr und einer Grossen Anfrage von DIE LINKE im Januar reicht nun die SPD in der Hamburgischen Bürgerschaft eine weitere Grosse Anfrage nach – von erneut historischen Ausmassen!

Nicht nur wird der Senat akribisch auf seine zahlreichen faulen Ausreden und leeren Versprechungen behaftet. Zum ersten mal überhaupt werden die (ironischerweise vom Bund finanzierten) grossen Zwitterstudien der letzten Jahre, nämlich die "Hamburger Studie" von 2007 sowie die "Lübecker Studie" von 2008, konsequent ins Feld geführt – sowohl der Hamburger Senat wie auch die Bundesregierung hatten diese Studien (wohl wegen der an Deutlichkeit kaum zu wünschen übriglassenden Beweise für die gravierenden Schäden durch die Zwangseingriffe) bisher stets kategorisch ausgeklammert. Dito die Forderungsliste von Intersexuelle Menschen e.V. Weiter macht sich die Anfrage überzeugend für ein offizielles 3. Geschlecht für Zwitter stark!

Ein weiterer Erfolg der Zwitter-Öffentlichkeitsarbeit nicht zuletzt dieses Blogs!

Noch braucht es wohl eine ganze Menge weiteren öffentlichen und politischen Druck, bevor der Hamburger Senat (und andere Verantwortliche inkl. Bundesregierung) die massiven, verfassungs- und menschenrechtswidrigen medizinischen Verbrechen an Zwittern endlich nicht mehr leugnen – und, ebenfalls längst überfällig, ihre dunklen Allianzen mit den Medizynern überdenken, sowie die historischen Verbindungen der Zwangseingriffe an Zwittern zurück ins "3. Reich" aufarbeiten.

Trotzdem, u.a. mit der kürzlichen Rüge der UNO an die Bundesregierung, der auf Mittwoch 29. April 2009 in Hamburg festgesetzen "Expertenanhörung" zum Thema und nicht zuletzt auch mit dieser erneut exzellenten Grossen Anfrage sind entscheidende erste Schritte auf dem langen Weg getan!

(Danke an Michel Reiter für den Hinweis)

Drucksache 19/2413
Schriftliche Große Anfrage "Zwischengeschlechtliche Menschen"
der Abgeordneten Anja Domres, Dr. Peter Tschentscher, Thomas Böwer, Dr. Martin Schäfer, Elke Badde, Dr. Monika Schaal und Fraktion (SPD) vom 20.02.09
Nachtrag: Link zum PDF-Download Große Anfrage 19/2413
http://www.spd-fraktion-hamburg.de/buergerschaft/grosse-anfragen/b/10749.html

Da der SPD-Server leider öfters down ist und die Anfrage in der Hamburger Parlamentsdatenbank noch nicht heruntergeladen werden konnte, nachfolgend der Text der Grossen Anfrage:

In der Bundesrepublik Deutschland leben mehr als 80.000 Hermaphroditen. Vier Fünftel von ihnen wurden ohne eigene Zustimmung im Kindesalter im Rahmen eines sogenannten „geschlechtsangleichenden Eingriffs“ zum Teil mehrfach operiert. Ein Großteil von ihnen empfindet dies heute als fremdbestimmte Festlegung auf ein Geschlecht, mit dem er sich so nicht identifiziert sowie als Verstümmelung und als Beraubung seiner Menschenrechte. Viele sind traumatisiert und haben massive psychische und physische Schäden davon getragen. Die Hamburger Studie 2007 (vgl. http://www.springer.com/medicine/thema?SGWID=1-10092-2-513709-0) und die Lübecker Studie 2008 (http://www.netztwerk-dsd.uk-sh.de/fileadmin/documents/netzwerk/evalstudie/ Bericht_Klinische_Evaluationsstudie.pdf) zeigen außerdem, dass die Behandlungs-unzufriedenheit von Betroffenen und deren Eltern eklatant hoch ist und insbesondere betroffene Kinder und Jugendliche ihre Lebensqualität deutlich niedriger bewerten als eine Vergleichsgruppe von Nichtbetroffenen.

Angesichts dessen, dass in anderen Gesellschaften als Zwitter Geborene ohne einen sogenannten „geschlechtsangleichenden Eingriff“ gesund alt werden, stellt sich die Frage, ob bei uns eine solche Operation wirklich auch immer medizinisch indiziert ist oder ob nicht bereits die Verletzung einer Norm-Vorstellung des behandelnden Arztes oder die Befürchtung späterer psychosozialer Beeinträchtigungen (Hänseleien) als medizinische Indikationen verstanden werden. Wenn dem so ist, ist nicht das Geborensein als Zwitter das Übel, das (operativ) bekämpft werden muss, sondern ein überholtes Bewusstsein in der Gesellschaft. Dieses zu ändern muss absoluten Vorrang haben vor einer irreversiblen operativen Festlegung auf ein anderes Geschlecht! Auch die Hamburger Studie kommt zu dem Ergebnis, dass im überwiegenden Teil der Fälle eine medizinische Indikation nicht vorhanden sei, weshalb ein Hinausschieben der Entscheidung und Behandlung in ein entscheidungsfähiges Alter zu überlegen wäre. Es scheine daher in den meisten Fällen sinnvoll zu sein, die Entscheidung pro oder contra „geschlechtskorrigierender“ Eingriffe auf ein Alter zu verlegen, in dem die Patienten urteils- und einwilligungsfähig sind.

Es gilt, Gesellschaft, Medizin und Politik für diese Fragen zu sensibilisieren.

Deswegen fragen wir den Senat:

1. Sind dem Senat bzw. der Fachbehörde die Ergebnisse der Hamburger Intersex-Studie 2007 und der Lübecker Studie 2008 bekannt? Wenn ja, wie werden sie bewertet? Wenn nein, gedenkt der Senat bzw. die Fachbehörde sich damit zu befassen? Wenn nochmals nein, warum nicht?

2. Die Hamburger Intersex-Studie 2007 kommt unter anderem zu dem Ergebnis: „Alle Personen der Studie erhielten medizinische Interventionen, obwohl nur für wenige eine medizinische Indikation gegeben ist.“ Stimmt der Senat darin überein, dass entsprechende Interventionen rechtswidrig sind und im Falle von Operationen den Straftatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung erfüllen? Wenn ja, sieht der Senat bzw. die Fachbehörde mittlerweile die Notwendigkeit sich mit der Frage der Entschädigung der Opfer zu beschäftigen?

3. Der Senat stellt in seiner Antwort in Drucksache 19/1678 zu 15. und 16. Möglichkeiten der Hilfe für Genitaloperierte vor. Darunter psychologische und psychotherapeutische Hilfe sowie Nachsorge- und Versorgungsmöglichkeiten für Genitaloperierte im UKE. Stimmt der Senat der Auffassung zu, dass es besser wäre, überflüssige Operationen zu vermeiden, als erst zu operieren und dann hinterher Nachsorge- und Weiterversorgungs-Pakete anbieten zu müssen, oder geht der Senat noch immer davon aus, dass in Hamburg niemand unnötiger Weise operiert worden ist und weiterhin wird?

4. Sind dem Senat bzw. der Fachbehörde die Forderungen des Vereins intersexuelle Menschen e.V. (http://inter-sexuelle-menschen.net/forderungen. html) bekannt? Wenn ja, wie bewertet er insbesondere die Einführung unter Punkt 1) dort? Wenn nein, gedenkt sich der Senat damit zu befassen? Wenn nochmals nein, warum nicht?

5. Auf die Fragen 3.a) bis c) und 4. aus Drucksache 19/1238 antwortet der Senat, eine Einzelfallauszählung, bei wie vielen Hermaphroditenkindern von 1950 bis heute sogenannte „geschlechtsangleichende Eingriffe“ durchgeführt worden sind, sei in der für die Bearbeitung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Wir erbitten daher die Beantwortung der Fragen 3.a) bis c) und 4. aus Drucksache 19/1238 jetzt im Rahmen dieser Großen Anfrage.

6. Der Senat antwortet in Drucksache 19/1678 auf die Frage 17. „Trifft es zu, dass Betroffenen am UKE Akten nicht herausgegeben worden sind?“ mit „Nein. […]“ Die Fragesteller dieser Großen Anfrage können eine Zeugin benennen, die aussagt, das UKE weigere sich, ihre Akten herauszugeben, und sie kenne weitere Fälle von Betroffenen, denen die Aktenherausgabe ebenfalls verweigert wird. Die Zeugin der Fragesteller ist bereit, dem Senat mit ihrem vollen Namen als Auskunftsperson zur Verfügung zu stehen. Wie bewertet der Senat diesen neuen Sachverhalt und was wird er unternehmen?

7. Die Ergebnisse der Hamburger Studie zeigen, dass die bisherige Behandlung das Ziel einer möglichst eindeutigen Geschlechtszuweisung – also „weiblich“ oder „männlich“ – verfolgte. Eine solche Festlegung ist jedoch gar nicht im Interesse der Betroffenen. Zwittrigkeit darf grundsätzlich nicht als „krankhafter, abnormer Zustand“ angesehen werden, der „behandelt“ werden muss! Hermaphroditen fordern deshalb eine Anerkennung als eigenes, drittes Geschlecht. Derzeit gesetzliche Bestimmungen tragen jedoch dazu bei, eine entsprechende gesellschaftliche Akzeptanz zu verhindern. So sind in standesamtlichen Urkunden derzeit nur die Einträge „weiblich“ oder „männlich“ erlaubt, nicht aber etwa „Hermaphrodit“, „zwittrig“ oder „Zwitter“. Bereits im Preußen des 18. Jahrhunderts war dies sehr wohl möglich. Erst im sogenannten „Dritten Reich“ wurde entschieden, dass es nur noch die Einträge „weiblich“ oder „männlich“ zu geben hat. Die Folgen, die sich daraus ergeben, waren damals für Hermaphroditen katastrophal. Doch auch heute noch wirkt sich offenbar ein normativer Druck, sich auf ein anderes Geschlecht – nämlich „weiblich“ oder „männlich“ – festlegen zu müssen, auf Entscheidungen zugunsten eines sogenannten „geschlechtsangleichenden Eingriffs“ aus.
a) Auch wenn der Senat sich, wie aus der Antwort zur Drucksache 19/1678,4. hervorgeht, bisher noch nicht damit befasst hat, ob er über den Bundesrat eine Gesetzesinitiative starten wird, die den Eintrag „zwittrig“ in standesamtlichen Dokumenten erlaubt: Wie bewertet er bzw. die Fachbehörde denn die Relevanz dieses Themas und gedenkt er bzw. die Fachbehörde, sich in Zukunft damit zu befassen?
b) Gibt es auf Bundesebene Initiativen zur Veränderung der o.g. Rechtslage? Wenn ja, welche?
c) Gibt es in anderen Bundesländern Diskussionen bzw. Initiativen die o.g. Rechtslage zu verändern? Wenn ja, welche?
d) Maßgebend für die Beurkundung der Geschlechtszugehörigkeit im Geburtenbuch ist laut Antwort des Senats in Drucksache 19/1678,2. die Bescheinigung des Arztes oder der Hebamme. Wie entscheiden Arzt oder Hebamme bei der Diagnose „uneindeutiges Geschlecht“ über die Geschlechtszugehörigkeit, wenn die Eltern die Zustimmung zu einem sogenannten „geschlechtsangleichenden Eingriff“ verweigern? Nach welchen Kriterien legen sich dann Arzt oder Hebamme auf die einzigen vorgegebenen Möglichkeiten „weiblich“ oder „männlich“ fest? Wie entscheiden sie, wenn eine sogenannte „Chromosomen-Abnormalie“ (weder XX- noch XY-Kombination) vorliegt? „Mädchen“ oder „Junge“?
e) Standesamtsrechtlich ist eine Beurkundung entweder „weiblich“ oder „männlich“ zwingend vorgesehen. Gedenkt der Senat sich mit der Frage zu befassen, wie er es bewertet, dass bei sogenanntem „uneindeutigen Geschlecht“ in jedem Fall eine falsche Beurkundung erfolgen muss („weiblich“ ist nicht richtig und „männlich“ auch nicht) und Kindern damit definitiv ein falsches Geschlecht zugewiesen wird?
f) Dem Senat bzw. der Fachbehörde ist nicht bekannt, dass im Preußen des 18. Jahrhunderts der Eintrag „zwittrig“ erlaubt war und ein Zwang zu einer standesamtsrechtlichen Festlegung auf entweder „männlich“ oder „weiblich“ erst unter den Nazis erfolgte. Es sei weiter nicht bekannt, wie die Eintragung in standesamtliche Urkunden in der Geschichte vorgenommen wurde, heißt es in Drucksache 19/1678, Frage 3. Hält der Senat bzw. die Fachbehörde diese spezielle Frage für nicht relevant genug, sich bei Historikern fachkundig zu machen, oder lehnt es der Senat generell ab, sich bei Historikern schlau zu machen?
g) Am 21. Juli 2008 reichte eine Delegation von Intersexuelle Menschen e.V. in New York vor dem UN-Komitee CEDAW einen ersten Schattenbericht zu den Menschenrechtsverstößen an intersexuellen Menschen in Deutschland ein. Am kommenden Januar wird die Bundesregierung aufgrund der oben genannten Gesetzeslage in Genf Rede und Antwort stehen müssen. Ist dem Senat dies bewusst und gedenkt er sich mit der Frage der Bewertung dieser Tatsache zu befassen? Wenn nein, warum nicht?

Friday, February 27 2009

Spendenaufruf für Christiane Völling! Prozessbeginn um Schmerzensgeld 20.5.09

(Bild: Express)

Wie Christiane mitteilt, beginnt am 20.5.09 in Köln vor dem Landgericht (endlich!) der Prozess über die Höhe des Schmerzensgeldes mit einer Anhörung von Sachverständigen. Obwohl Christiane den Prozess um Schmerzensgeld Ja oder Nein definitiv gewonnen hat, wurde der Mittellosen nun von Seiten des Gerichts eine finanzielle Auflage von Euro 2000.- gemacht, zahlbar bis zum 20. März.

Christiane hatte bereits ihre Lebensversicherung auflösen müssen, um den eigentlichen Prozess überhaupt finanzieren zu können. Ihr Anwalt Georg Groth hatte ihr seinerzeit einen Vorschuss geleistet, weil sonst die Anzeige wegen Verjährung nicht mehr hätte eingereicht werden können. Diese neue Auflage übersteigt ihre finanziellen Mittel um ein Vielfaches.

Deshalb hier ein neuer, dringender Spendenaufruf des Vereins Intersexuelle Menschen e.V.! Bitte spendet zahlreich und grosszügig! Auch kleine Spenden sind wichtig und hochwillkommen, auch die Zahl der Spenden setzt ein Zeichen!

Intersexuelle Menschen e.V.
Konto 0963128202
Postbank Hamburg
BLZ 200 100 20
Verwendungszweck: Solidarität mit Christiane

Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt. Für Beträge unter 100 € genügen der Einzahlungsbeleg und der Kontoauszug. Für Zuwendungen über 100 € stellt der Verein Spendenbescheinigungen aus.

Nur eine solidarische Zwitterbewegung ist eine starke Zwitterbewegung! Vielen Dank!

Nachtrag: Inzwischen ist der Betrag zusammengekommen! Auch hier herzlichen Dank allen Spender_innen, auch von Christiane!

Christianes Prozess ist noch nicht zu Ende, Spenden sind auch weiterhin hochwillkommen! Falls Christiane die Spenden nicht mehr braucht, geht das gesammelte Geld in einen Fonds und wird für weitere Prozesse verwendet! Danke!

Wednesday, January 21 2009

Hamburg: Historische Grosse Zwitter-Anfrage eingereicht!

Keine Atempause – in Hamburg wird zur Zeit Geschichte gemacht!

Wer vermutet hätte, nach den nicht weniger als drei (!!!) bahnbrechenden Kleinen Anfragen der SPD noch im alten Jahr sowie einer auf Mi 29. April geplanten Expertenanhörung könnten die Medizyner 2009 vorerst kurz verschnaufen, hat sich schwer geschnitten: Vor einer Woche legten die Abgeordneten Kersten Artus, Dora Heyenn, Christiane Schneider, Norbert Hackbusch, Elisabeth Baum, Dr. Joachim Bischoff, Wolfgang Joithe-von Krosigk und Mehmet Yildiz von DIE LINKE nach - und wie!

Nämlich mit der zumindest meines Wissens nach allerersten Grossen Anfrage (19/1993, PDF) betreffend Menschenrechte auch für Zwitter in ganz Deutschland überhaupt! Und noch dazu von Aufmachung und Inhalt her geradezu vorbildlich!
(Nachtrag: Die Antworten des Senats sind dies allerdings weniger ...)

Noch nie war meines Wissens nach ein politischer Vorstoss zu Gunsten von Zwittern derart konsequent auf die Menschenrechtsproblematik und auf die realen Bedürfnisse der realexistierenden Zwitter ausgerichtet. Für einmal nix mit Gender-Trallala, sondern knallharte und detaillierte Fragen nach dem genauen Ausmass der Menschenrechtsverletzungen, sowie nach den Verantwortlichen, und nach Wiedergutmachung! Hipp, Hipp!

15) Ist die Freie und Hansestadt Hamburg bereit, zwischengeschlechtlichen
Menschen, die in den letzten 60 Jahren beziehungsweise seit dem 
23. Mai 1949 Opfer von medizinischen Interventionen in Hamburger
Krankenhäusern geworden sind, von der Freien und Hansestadt Ham-
burg finanzierte Opferschutzanwälte an die Seite zu stellen, damit die er-
littenen Rechtsverletzungen zumindest noch ein Stück weit aufgeklärt
und eingedämmt werden?

18) Gibt es Planungen zu einem Gesetzesvorhaben im Zusammenhang mit
der Frage Nummer 17, das
a) einen sofortigen Aktenvernichtungsstop aller in Hamburger Kran-
kenhäusern befindlichen Akten über zwischengeschlechtliche Men-
schen vorsieht?
b) die Aktenvernichtungsfrist von den medizinischen Interventionsun-
terlagen aus Hamburger Krankenhäusern zum Schutz der zwi-
schengeschlechtlichen Menschen auf einhundert Jahre erhöht, da-
mit sichergestellt wird, dass auch Betroffene, die erst nach 50 oder
60 Jahren Kenntnis von ihrer wahren biologischen Identität erhalten,
ihre Lebensbiographie eigenständig anhand der Krankenhausakten
rekonstruieren können?

Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Senat die Opfer ebenso wie die Fragensteller einmal mehr für blöd verkaufen und auf Zeit spielen wird, statt wie gefordert den Zwangsoperierten endlich zu ihrem Recht zu verhelfen – wetten, dass mehr als eine Handvoll Medizyner nicht nur aus Hamburg in den nächsten Wochen und Monaten nicht nur in der Morgendämmerung eher verknittert aussehen ... ?

Diese historische Grosse Anfrage wird ganz konkret zumindest einige junge Zwitter davor bewahren, zwangsoperiert zu werden!

DANKE AN ALLE BETEILIGTEN!!! AUCH BEI DEN VORHERIGEN ANFRAGEN!!!

Und nun: Wann legt endlich jemand in Berlin, Dortmund, Leipzig, Heidelberg, Lübeck etc. eine ebenso substanzielle Anfrage nach – und überall sonst, wo junge Zwitter nach wie vor zwangsoperiert werden!

WER SIND DIE NÄCHSTEN?!

>>> Fortsetzung: Leugnen, wegschauen, schweigen –
       Hamburger Senat reiht sich ein unter die MittäterInnen

Siehe auch:
- Hamburg: Erneut historische Grosse Zwitter-Anfrage!!
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Rechtsanwalt Oliver Tolmein: "Deutschland gerügt: Menschenrechte von Zwittern nicht geschützt"
- Rechtsprofessorin Konstanze Plett: Zwangskastrationen rechtlich nicht zulässig (PDF)

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