Friday, November 28 2008

"Menschen dazwischen" - Artikel in der LOS (Lesbenorganisation Schweiz) vom Mai 2008

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Seinerzeit in der Hektik untergegangen: Im Mai dieses Jahres erschien in der grössten Schweizer Lesbenzeitschrift LOS ein gelungener, informativer Artikel über Intersexualität, der Klartext redet über Zwangsoperationen, Christiane Völlings Sieg und die wichtigsten Forderungen von Intersexuelle Menschen e.V.

Leider wurde aus Versehen die vorletzte statt die letzte von mir abgesegnete Version abgedruckt. Deshalb ist unsinnigerweise im Zusammenhang mit unsereins von "Zweigeschlechtlichkeit" die Rede. Auch die Verwendung der Bezeichnung "eingeschlechtlich" ist natürlich falsch: "Die aufgezwungene Eingeschlechtlichkeit, der operative Eingriff, der aus Zwittern eingeschlechtliche Menschen macht (...)."

Bei 'meiner' Version stand im Übrigen "der operative und hormonelle Eingriff" ...

Aber ansonsten ein guter Artikel in der grössten Schweizer Lesbenzeitung. Danke!

>>> pdf-Download (360 KB)

Wednesday, November 26 2008

"Das dritte Geschlecht" - Eppendorfer - Zeitung für Psychiatrie 03/2008

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

„Zwitter“ wehren sich gegen genitale Zwangsoperationen zwecks Geschlechtszuweisung

Oops, seinerzeit irgendwie übersehen: Gelungener Artikel von Michael Freitag (PDF-Download 788 kb --> Artikel auf S. 3) in der März-Ausgabe dieses Magazins (Homepage).

Hintergrund des Artikels sind Christianes Prozess und das 2. Interdisziplinäre Forum zur Intersexualität. Zwar scheint der Autor noch nicht immer so ganz sattelfest jenseits der "herkömmlichen" Geschlechter, aber: Die Message stimmt! Nebst ExpertInnen werden Christiane und "Aktivisten von 'Intersexuelle Menschen e.V.'" zitiert. Doch auch die Mediziner liefern wiederholt bemerkenswerten O-Ton, auf den wir sie (und auch all ihre KollegInnen) immer wieder mal öffentlich behaften sollten ...

Monday, November 24 2008

Streicheleinheiten für die Bundesregierung

DIE LINKE ist die einzige Partei, die bisher im Bundestag Vorstösse zu Gunsten von Zwittern unternahm, wo wir NICHT bloss "mitgemeint" waren. Mitte September erkundigte ich mich deshalb im Namen von Intersexuelle Menschen e.V., ob DIE LINKE eine Kleine Anfrage einreichen würde, um die Forderungsliste und den Schattenbericht zu unterstützen und einmal mehr Antworten auf noch offene Fragen einzufordern.

Die Reaktion der zuständigen Fachreferentin war positiv. DIE LINKE habe kürzlich schon eine Anhörung im Bundestag zum Schattenbericht beantragt, wenn auch ohne Erfolg.

Ich machte mich also gleich an die Arbeit und mailte nach Rücksprache mit dem Vorstand (und einer ganzen Menge Überstunden) wie verabredet am 25.9.08 einen Textvorschlag samt Fragenkatalog. Den fand die Fachreferentin "sehr gut", lediglich "der Vortext muss ein wenig gekürzt und in seiner politischen Botschaft etwas 'entschärft' werden". Der neu zuständige wissenschaftliche Mitarbeiter hoffte, trotz überquellenden Schreibtischs in etwa zwei Wochen dazu zu kommen.

Mittlerweile sind zwei Monate vergangen.

Auf Anfrage erfuhr ich neulich, drei Viertel der Einführung und ein Drittel der Fragen müssten gestrichen werden. Ausser, sie würden eine grosse Anfrage machen – was nach anfänglicher Zusage inzwischen aber "nicht möglich" sei. Der Bundesregierung im Detail vorzuhalten, sie würde Fragen nicht beantworten, sei auch zu polemisch.

Priorität für DIE LINKE, so der Mitarbeiter, habe aktuell eh die Fertigstellung eines Antrags zur Abschaffung des TSG respektive Änderung Personenstandsrecht betreffend Transsexuelle, Transgender und, äh, Zwitter. Auf meine Frage nach den realpolitischen Chancen dieses für uns Zwitter auch aus seiner Sicht unvorteilhaften Multipacks lachte er nur.       

So harren wir weiter der Dinge, die da kommen sollen ...

Nachtrag: Es geschehen noch Zeichen und Wunder ... Heute Nachmittag erhielt ich tatsächlich eine überarbeitete Rohfassung – und das Wichtigste, nämlich die Fragen, sind im Wesentlichen alle noch drin ... auch vom Rest sind ansehnliche Filetstücke mit drin geblieben ... :-)

Nachtrag 25.11.08: Ich habe heute mit dem verantwortlichen Mitarbeiter von DIE LINKE telefoniert, der mir mitteilte, dass der Text noch von ein paar Leuten gelesen werde, darunter die Rechtsabteilung und der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi. Es könne daher noch zu kleinen Änderungen kommen, inhaltlich werde der Vortext sowie die Fragen jedoch nicht mehr geändert werden. Ende dieser Woche wird uns dann schliesslich die fast definitive Fassung zugestellt! Theoretisch ...

Nachtrag 29.11.08: Ich habe erneut mit dem Verantwortlichen von DIE LINKE telefoniert, da ich den Text nicht, wie versprochen, Ende letzter Woche erhalten hatte. Die Kleine Anfrage liege noch bei Frau Dr. Barbara Höll, die leider noch keine Zeit hatte, diese durchzulesen. Danach müsse die Kleine Anfrage noch von der Justiziarin durchgelesen werden. In der Zwischenzeit will mir der verantwortliche Mitarbeiter den fast definitiven Text noch zukommen lassen.

Nachtrag 5.12.08: Ich habe gestern mit dem verantwortlichen Mitarbeiter telefoniert, er sei sehr im Stress, weil er demnächst in den Urlaub fährt, er würde mir den Text der Kleinen Anfrage aber sicher am nächsten Tag mailen, jetzt grad habe er aber keine Zeit. Wenig überraschend brach er auch dieses Versprechen und hat mir den definitiven Text auch heute nicht gemailt. Habe ich versucht, den Verantwortlichen telefonisch zu erreichen - einmal mehr ohne Erfolg.

Nachtrag 12.12.08:  Heute erreichte ich endlich Herrn S., mit dem ich Anfang Woche bereits gesprochen hatte. Er bestätigte meine Ahnung: Er habe inzwischen mit Frau Dr. Barbara Höll sprechen können und es sei so, dass der verantwortliche Mitarbeiter die Kleine Anfrage vor seinem Urlaub nicht mehr fertig bearbeiten und einreichen konnte. Der Verantwortliche sei aber am nächsten Donnerstag, 18.12., wieder im Büro und werde die Kleine Anfrage dann definitiv vor Weihnachten noch rauslassen. Der verantwortliche Mitarbeiter hätte mich wenigstens - wie mehrmals versprochen - informieren können, meinte ich, worauf Herr S. nichts zu erwidern wusste. 

Nachtrag 18.12.08: Gemäss den letzten Informationen (siehe 12.12.) ist der für die Kleine Anfrage verantwortliche Mitarbeiter von Frau Dr. Höll seit dem 18.12. wieder im Büro. Weil nach Berlin an meinem Arbeitsplatz die versäumten Stunden nachholen musste, und wegen dem übrigen Trubel, kam ich leider nicht dazu, nochmals nachzuhaken. Da sich aber der Sachbearbeiter einmal mehr nicht bei mir meldete, gehe ich davon aus, dass er nach wie vor auf dem Schlauch steht. Fortsetzung folgt ...

Kommentar Stand 28.12: Drei Monate steht DIE LINKE nun schon auf dem Schlauch – wohl wissend, dass die Zeit gegen die Interessen der Zwitter arbeitet. Es stellt sich die Frage, wie ernst es DIE LINKE mit den Zwitter-Anliegen wirklich meint (im Gegensatz z.B. zur "Integration" der Zwitter ins TSG, siehe oben). Wieder und wieder wurden wir mit Ausreden abgespiesen und erneut vertröstet. Unterbelegtes Büro hin oder her:

  • Wäre die Anfrage noch vor der Antwort der Bundesregierung auf dei CEDAW-Fragen vom 21.11. raus, hätte sie (wie geplant) bestimmt vieles bewirken können.
  • Auch noch im Vorfeld der CEDAW-Veranstaltung mit Ministeriumsbeteiligung vom 15.12. wäre die Anfrage bestimmt hilfreich gewesen.
  • Aus welchen Gründen auch immer, so wie's ausschaut, ist zu befürchten, das die Kleine Anfrage von DIE LINKE wohl auch noch bis NACH der 43. CEDAW-Schattenbericht-Session Ende Januar unter dem Deckel gehalten wird ... Wenn das das Ziel war, herzlichen Glückwunsch schon jetzt!

Nachträge 16.1.09 / 16.2.09: DIE LINKE: Kleine Anfrage im Bundestag "noch im Januar"  

Nachtrag 28.2.: Aus der Kleinen Anfrage von DIE LINKE wird nun wohl doch eher eine Keine Anfrage. Entgegen den letzten Versprechungen ("sicher noch im Januar") ist nun auch der Februar ins Land und DIE LINKE bleibt uns die vor mittlerweile fünf Monaten versprochene Kleine Anfrage immer noch schuldig. Ebenso wie eine Antwort auf unsere diesbezügliche Mail vom 20.2.2009 ...

Siehe auch:
- DIE LINKE: 2 neue Kleine Anfragen "Zur Situation intersexueller Menschen" im Bundestag! (16/12769 + 16/12769)
- Erste Antwort auf die neuen kleinen Anfragen – Bundesregierung deckt ZwangsOPs wie üblich ... (16/13269) 
- Antwort der Bundesregierung zur 2. Kleinen Anfrage – Leugnen, Wegschauen, Schweigen wie gehabt ... (16/13270)
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Faule Eier für "die Bundesregierung"!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Ein Ausschnitt aus dem Vorschlag für die Einleitung:

>>> ganze Einleitung

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

[...] In den letzten zwölf Jahren wurde die Bundesregierung durch Kleine Anfragen bisher vier Mal aufgefordert, zur Situation der intersexuellen Menschen in Deutschland, der medizinischen Praxis und den rechtlichen Implikationen Stellung zu nehmen (Drucksachen 13/5916, 14/5627, 16/4322, 16/4786). Von betroffenen Menschen wurde mehrfach kritisiert, dass auf wiederholt gestellte wesentliche Fragen keine Antworten erfolgten und generell die Sicht der betroffenen Menschen nicht einbezogen, sondern einseitig auf den Parteistandpunkt der "an einer Fortführung der bisherigen Praxis interessiert[en]" Mediziner zurückgegriffen wurde (Schattenbericht CEDAW 2008, 1.2).

Noch als die Bundesregierung zum dritten Mal in Folge nach Statistiken zum Vorkommen und zur Behandlung von intersexuellen Menschen gefragt wurde, lautete die Antwort: "Der Bundesregierung liegen keine bundesweit einheitlichen Erfassungen und Statistiken vor" (16/4786). Zwar wurde 2001 "voraussichtlich ab 2002" eine statistische Erfassung in Aussicht gestellt (14/5627), jedoch später nie mehr darauf Bezug genommen. Zu keinem Zeitpunkt wurden Konsequenzen gezogen aus diesem Nicht-Vorliegen genauer Daten und widersprüchlichen Teilangaben gemäß "Erkenntnisse[n] von Fachgesellschaften und Wissenschaft": zum Beispiel "etwa 150" Geburten jährlich "mit genitale[n] Fehlbildungen" gegenüber "7" Krankenhauseinweisungen "mit der Diagnose Hermaphroditismus [...] im Jahr 2004"; "etwa 1:4500" "genitale Fehlbildungen" gegenüber "etwa 8 000 bis 10 000" "schwerwiegenderen Abweichungen der Geschlechtsentwicklung" (16/4786). Geht es demgegenüber in wissenschaftlichen Publikationen um die Anzahl der zu Behandelnden, so heißt es bei 1:1000 sei keine "eindeutige Zuordnung" möglich, was gut 80 000 betroffenen Menschen entspricht (Finke/Höhne: "Intersexualität bei Kindern" 2008). Umso notwendiger wären deshalb aus Sicht der betroffenen Menschen exakte Statistiken und kontinuierliches Monitoring.

Durchgängig stellte sich die Bundesregierung auf den Standpunkt, die an intersexuellen Kindern ohne ihre Einwilligung vorgenommenen chirurgischen Eingriffe seien ausnahmslos "medizinisch indiziert" und dienten deshalb dem "Kindeswohl [...] (§ 1627 BGB)" (14/5627). Weiter unterstellt die Bundesregierung, "größer angelegte Nachuntersuchungen als auch die klinische Praxis" würden beweisen, "dass die Mehrzahl der betroffenen Patienten rückblickend (d. h. im Erwachsenenalter) die bei ihnen in der Kindheit vorgenommene operative Vereindeutigung ihres Genitalbefundes für richtig befinden", vermag dafür jedoch keine Belege anzuführen (16/4786).

Möglicherweise bezog sich die Bundesregierung auf die in diesem Zusammenhang gerne zitierte amerikanische Studie von Meyer-Bahlburg aus dem Jahre 2004, die angeblich beweist, dass 85% der Befragten sich "mit ihrem Geschlecht zufrieden" zeigten (vgl. Aktuelle Urologie 2005; 36: 90-95). Die in dieser Studie vorgenommene Interpretation der Untersuchungsergebnisse ist jedoch alles andere als unumstritten. So hält etwa Prof. Dr. M. Westenfelder (Krefeld) unter anderem fest:

"Zieht man z.B. in den einzelnen Auswertungsergebnissen die Gruppe der 17 CAIS, die zunächst ohne Intersexproblematik und ohne Operation zunächst als 'normale' Mädchen aufwachsen, von dem Gesamtkollektiv ab, so kommt es in einigen Aussagen zur Umkehr der Ergebnisse." (http://www.thieme-connect.com/ejournals/html/uro/doi/10.1055/s-2005-870031)

Mittlerweile vorliegende Forschungsergebnisse des Netzwerks Intersexualität/DSD unterstreichen dies. So bestätigte etwa die "Hamburger Studie" die von betroffenen Menschen seit Jahren immer wieder betonten, von der Bundesregierung aber bisher ignorierten Missstände in der Behandlung intersexueller Menschen:

"Die Behandlungsunzufriedenheit von Intersexuellen ist [...] eklatant hoch. [...] Ein Drittel [der Patienten] bewertet geschlechtsangleichende Operationen als zufriedenstellend bzw. sehr zufriedenstellend, ein weiteres Drittel ist unzufrieden bzw. sehr unzufrieden und das letzte Drittel ist z.T. zufrieden, z.T. unzufrieden." (Christian Schäfer: "Intersexualität: Menschen zwischen den Geschlechtern". http://www.springer.com/medicine/thema?SGWID=1-10092-2-513709-0)

Auch die aktuelle "Lübecker Studie" bestätigt erneut die notorisch "Hohe Unzufriedenheit mit der medizinischen Behandlung" von Intersexuellen. Eltern von Betroffenen schätzten zudem deren Lebensqualität durchgehend besser ein als die Kinder selbst. (Vortrag von Dipl.-Psych. Eva Kleinemeier und Dipl.-Soz. Martina Jürgensen (Lübeck) anlässlich des 5. Bundesweiten Treffens "Netzwerk Intersexualität e.V." vom 6.9.2008 in Kiel. Erste Resultate in schriftlicher Form werden Anfang Oktober auf der Netzwerk-Homepage veröffentlicht.)

Dasselbe bestätigt die Feststellung: "Auch aus der Literatur ist bekannt, dass sich ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz von Menschen mit DSD im Lauf der Pubertät oder im Erwachsenenalter entschließt, das ihnen zugewiesene soziale Geschlecht zu wechseln." (M. Jürgensen; O. Hiort; U. Thyen: "Kinder und Jugendliche mit Störungen der Geschlechtsentwicklung: Psychosexuelle und -soziale Entwicklung und Herausforderungen bei der Versorgung". Monatsschrift Kinderheilkunde, Volume 156, Number 3, March 2008, S. 226-233. http://www.netzwerk-is.uk-sh.de/is/fileadmin/documents/publikationen/Kinder_und_Jugendliche_mit_Stoerungen_der_Geschlechtsentwicklung.pdf)

Diese aktuellen Studien zur Situation Intersexueller in Deutschland unterstreichen also einmal mehr, dass die von der Bundesregierung durchgehend behauptete Ausrichtung auf das Kindeswohl nicht der Realität entspricht.

[...] Menschen mit einer Besonderheit der geschlechtlichen Entwicklung sind ein Teil unserer Gesellschaft und haben als gleichberechtigte Bürger ein Recht auf freie Entfaltung und Entwicklung. Die an ihnen begangenen medizinisch nicht notwendigen, traumatisierenden Zwangsbehandlungen stellen aus der Sicht der betroffenen Menschen einen erheblichen Verstoß gegen ihr Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde dar, auf deren Wiedergutmachung sie nach wie vor warten.

Siehe auch:
- DIE LINKE: 2 neue Kleine Anfragen "Zur Situation intersexueller Menschen" im Bundestag! (16/12769 + 16/12769)
- Erste Antwort auf die neuen kleinen Anfragen – Bundesregierung deckt ZwangsOPs wie üblich ... (16/13269) 
- Antwort der Bundesregierung zur 2. Kleinen Anfrage – Leugnen, Wegschauen, Schweigen wie gehabt ... (16/13270)
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
- Faule Eier für "die Bundesregierung"!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Saturday, November 22 2008

"Frau und Mann zugleich": A*** im "Soester Anzeiger" vom 22.11.2008

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A*** [Name auf Wunsch entfernt, ohne Anerkennung eines Rechtsanspruchs] steht zwischen den Geschlechtern
Sie sagt: Oft wird das Skalpell angesetzt, um Körper der Norm anzupassen

Gelungenes Portrait im "Soester Anzeiger" von heute. A*** [Name auf Wunsch entfernt, ohne Anerkennung eines Rechtsanspruchs] redet Klartext u.a. über menschenrechtswidrige Zwangsoperationen und nicht eingewilligte Hormon-"Behandlungen", wie sie an Zwittern nach wie vor praktiziert werden, und über die dadurch entstehenden schwerwiegenden Schäden an Leib und Seele.

Interessant auch der Hintergrundkasten, der das Thema originell und knapp auf den Punkt bringt (auch wenn wie "üblich" letztlich einmal mehr wieder aus der "Störungs"-Perspektive :-(  -- es ist nach wie vor ein weiter Weg ...).

Glückwunsch und Danke!

--> zum Lesen hier oder ins Bild klicken + je nach Browser und Bildschirmgrösse ev. Bild dann nochmals (doppel-)klicken, um das Bild unverkleinert zu sehen

Nachtrag: Siehe auch Diskussion im öffentlichen Bereich des Hermaphroditforums.

Meine 2 Cent dazu: Jeder Artikel, in dem von Zwangsoperationen an Zwittern, Zwangskastrationen und sonstigen nicht eingewilligten "Behandlungen" und ihren Folgen die Rede ist, ist ein guter Artikel. Weil er dazu beiträgt, das Tabu um die realexistierenden Zwitter und die an ihnen begangenen Verbrechen zu brechen sprich den Druck auf die Medizyner zu erhöhen.

Den Vorschlag, der Presse verschärft eigene Glossare um die Ohren zu hauen, find ich gut – her damit!

Thursday, November 20 2008

Nachtrag zum Prozess von Sabrina Schwanczar

--> Transsexuelle verklagt Ärzte wegen uneingewilligter Penisamputation

Nun ist unter 1) auch Sabrina Schwanczars (inzwischen abgelehnte) Verfassungsbeschwerde gegen Prof. Friedemann Pfäfflin als Gutachter dokumentiert. 

Die Beschwerde fasst zu Beginn unter "Begründung a)" kurz und knapp zusammen, worums in dem Fall überhaupt geht (für alle, welche von der Länge der unter 2) dokumentierten Stellungnahme abgeschreckt wurden).

Auch für Zwitter interessant sind zudem Sabrinas prinzipielle Überlegungen zur Willkürlichkeit der betreffenden Medizyner-"Leitlinien" und den u.a. damit verbundenen prinzipiellen Problemen bei Gerichtsverfahren gegen Medizyner:

Um sich nun zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen zu entziehen, hat man diese Vorgehensweisen einfach niedergeschrieben und mit den Überschriften "Standards" bzw. "Leitlinien" versehen. [...]
Warum die oben genannten Behandlungsprogramme trotz offensichtlicher Rechtswidrigkeit bis heute so verübt werden, hat verschiedene Gründe. [...] Sollte es zu Schäden des Patienten kommen, [...] dann sind nicht etwa wie bei Arbeitsunfällen Behörden zur Stelle, um die Ursachen aufzuklären und gegebenfalls Schutzvorschriften zu erlassen - nein - es ist halt das "Risiko" eingetreten. Es lag am Patienten, dass er auf die Behandlung nicht so reagierte, wie er sollte.
Außerhalb der Medizin fällt denjenigen, die eigentlich den Rechtsstaat durchsetzen sollten, also z.B. den Zivilgerichten oder den Staatsanwaltschaften, oft nichts besseres ein, als Personen, die besonders intensiv in solche Behandlungsprogramme verstrickt sind, als Sachverständige hinzuzuziehen (wie im hier zugrundeliegenden Zivilverfahren), mit dem vorhersehbaren Ergebnis.
Die Folgen ärztliche (& psychologischer) Kurpfuscherei werden, sofern man sie überhaupt zur Kenntnis nimmt, ungeprüft als "Risiken" akzeptiert. Der Arzt/Psychologe kann ja die Folgen seines Handelns nicht kennen [...].
"Medizinische" Positionen werden rechtlich höher bewertet, als üblicherweise geltende Rechtsnormen. Wo ein Arzt/Psychologe ist, kapituliert der Rechtsstaat. Gerade so, als wenn das Arzt/Psychologe-Patienten-Verhältnis nicht unter den Geltungsbereich des Grundgesetzes fallen würde.
Die Tatsach, dass Schäden aus medizinischen Behandlungen in Deutschland nur äußerst selten rechtlich verfolgt werden und noch viel seltener mit Erfolg - die Zwitterbehandlungsprogramme sind ein Beispiel dafür - führt deutlich vor Augen, dass die im deutschen Arzthaftungsrecht dem Patienten obliegenden Beweislasten diesen gegenüber der organisierten Ärzteschaft unverhältnismäßig benachteiligen.

Zur Erinnerung: Auch wenn wir durchaus nicht mit allen Ansichten und Meinungen von Sabrina Schwanczar einverstanden sind (vgl. z.B. hier), finden wir ihren Prozess wichtig und möchten sie auf diese Weise solidarisch unterstützen. Wir hoffen, dass sie durch das noch laufende Verfahren endlich zu ihrem Recht kommt und dass die betreffenden Medizyner zur Rechenschaft gezogen werden, auf dass auch ihre KollegInnen es sich künftig zwei mal überlegen, bevor sie weiter solche "Behandlungen" durchführen!

>>> Transsexuelle verklagt Ärzte wegen uneingewilligter Penisamputation

Sunday, November 16 2008

Angeblich "keine Zwangsoperationen" in der Schweiz gemäss Prof. Primus Mullis - "Der Bund", 15.11.2008

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In der Ausgabe der Schweizer Tageszeitung "Der Bund" vom 15. November 2008 erschien ein ganzseitiger Artikel "Frauen, Männer und Intersexuelle" über Intersexualität (Bild: Beat Schweizer/Der Bund).

>>> PDF-Download (402 kb)

Die Journalistin Pascale Hofmeier thematisiert anhand meiner Geschichte "Zwangskastrationen" und "Zwangsoperationen", spricht von "Aktivistinnen", die finden, dass ohne die Einwilligung des Kindes "keine kosmetischen Operationen durchgeführt werden" dürfen:

In der Ungewissheit zu leben, sei für Eltern und Kinder zwar schwierig, aber es gebe keine Alternative. «Intersexuelle Kinder sollen in dem Geschlecht aufwachsen dürfen, das sie selber wählen.» Und es müsse künftig «Intersexuell» als Geschlecht neben Mann und Frau zur Wahl stehen – auch für amtliche Dokumente.

"Heute würde man es anders machen", meint dazu Prof. Dr. med. Primus Mullis, Abteilungsleiter für pädiatrische Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel, Medizinische Universitäts-Kinderklinik Bern – zumindest "[w]as die Schweiz betrifft":

Seit er am Inselspital arbeite, seit 1991, seien keine Zwangskastrationen mehr durchgeführt worden.

Mullis wehrt sich deshalb entschieden gegen den Vorwurf, "noch immer würden kosmetische Eingriffe an den Genitalien Neugeborener vorgenommen":

«Hier werden keine Zwangsoperationen durchgeführt.» Eine Ausnahme in kosmetischer Hinsicht bestehe bei Mädchen mit einem adrenogenitalen Syndrom, einem Überschuss an männlichen Hormonen. Die oft vergrösserte Klitoris werde wegen des sozialen Stigmas verkleinert.

Fazit: Allen schönen Worten zum Trotz - es wird also doch munter weiter zwangsoperiert, wie Professor Mullis schon andernorts festgestellt hat, wenn er beispielsweise von der unter Ärzten wachsenden Bereitschaft spricht, "ein unbestimmtes Geschlecht auch einmal sein zu lassen, wenn es sich medizinisch vertreten lässt" (1) oder betont, "dass es durchaus Arten von Geschlechtsstörungen gebe, die operationswürdig seien" – was sich jedoch "nur von Fall zu Fall und nicht generell" (2) beurteilen lasse. Bezeichnenderweise handelt es sich bei der "Ausnahme" AGS-"Mädchen" um die zahlenmässig grösste "Patientengruppe".

Der Artikel schliesst mit der Aussage der Soziologin Kathrin Zehnder, die einmal mehr Klartext redet:

«Die Ärzte klären Betroffene und Eltern oft nicht über die Möglichkeiten auf, mit den zuordnenden Eingriffen zu warten», sagt Zehnder. Dies sei einer der Gründe, weshalb Eltern oft nicht den Mut hätten, ihren Kindern die Entscheidung selber zu überlassen.

Bis es einmal soweit ist, muss der Druck auf die Mediziner weiter erhöht werden.

(Nachtrag: Auf bund.ch inzwischen offline.)

>>> Artikel PDF-Download (402 kb)

Siehe auch:
- Genitale Zwangsoperationen am Inselspital Bern 
- Aktion & Offener Brief Inselspital Bern 16.8.2009
- Do 18.3.10: Politischer Vorstoss betreffend kosmetische Genitaloperationen an Kindern im Inselspital Bern

Friday, November 14 2008

Lübeck: Doch psychologische Versorgung auch 2009?

Im 2. Teil des Berichts zur Netzwerktagung RECHTE VON KINDERN IN MEDIZIN UND FORSCHUNG vom Freitag 10.10.08 in Göttingen hatte ich folgendes geschrieben:

Die grösste Bombe der Abschlussrunde liess jedoch Eva Kleinemeier so nebenbei platzen: Nach Einstellung der Bundesförderung für das Netzwerk steht in Lübeck ab 2009 keine psychologische Beratung für Eltern und junge Zwischengeschlechtliche mehr zur Verfügung! (Wohlbemerkt dasselbe Netzwerk, das immer wieder behauptet, psychologische Betreuung sei im Rahmen des Netzwerks selbstverständlich und in Lübeck würden PsychologInnen "Bereits in ersten Diagnosegesprächen" beigezogen! Obwohl -- neben Peer Support -- psychologische Betreuung nebst von EthikerInnen auch von sämtlichen Selbsthilfegruppen seit Jahrzehnten als unabdingbar gefordert werden -- eine zentrale Forderung z.B. auch der bestimmt nicht als ärztefeindlich einzustufenden AGS-Eltern- und Patientenitiative seit 1992! Weiterer Kommentar wohl überflüssig ...)

Dazu erreichte mich inzwischen folgendes Statement von Eva Kleinemeier. Darin führt sie u.a. aus:

Momentan wird die psychologische Versorgung von zwei Netzwerkmitarbeiterinnen (meine Kollegin und ich) gewährleistet. Wir beiden haben keine Planstellen, sondern werden über die Klinische Studie im Netzwerk finanziert. Neben unseren Forschungsaufgaben (für die wir v.a. im Rahmen des Netzwerks finanziert werden, betreuen wir seit vielen Jahren auch Menschen, die in die DSD-Sprechstunde kommen. Unsere Stellen laufen Mitte 2009 (das hatte ich auch erwähnt) aus. Das heißt, momentan ist nicht gesichert, wer und wie die psychologische Versorgung aussehen wird, da es dafür momentan keine Gelder gibt. Auch das Netzwerk (in dem viele unterschiedliche Menschen Mitglied sind) wird dann kein Geld mehr dafür haben. Nichtsdestotrotz sind wir dabei Ideen zu entwickeln, wie wir die psychologische Versorgung hier fest etablieren können, auch ohne Fördergelder aus dem Netzwerk. In Lübeck gibt es eine kinder-und jugendpsychosomat. Abteilung, deren MitarbeiterInnen diese Aufgaben dann mit übernehmen würden! Die momentan Verantwortlichen im Netzwerk bemühen sich  in Lübeck, eine weitere gute psychologische Betreuung zu gewährleisten und werden an vielen (v.a. finanziellen) Schranken aufgehalten.

Grundsätzlich ist dies nicht allein die Schuld des Netzwerks, sondern des Gesundheitssystems insgesamt, da psychologischer Versorgung immer eine geringere Bedeutung zugemessen als medizinischer wird und Kliniken/Krankenkassen in diesem Bereich als erstes sparen! Das finde ich sehr problematisch und kann Ihnen nur zustimmen. Mir geht es v.a. darum darauf aufmerksam zu machen, dass alle Seiten in dem Bereich sich für den Erhalt und v.a. den Aufbau (in den meisten Einrichtungen gibt es das nämlich gar nicht) von psychologischer Betreuung bei DSD einsetzen müssen. Meines Erachtens müsste es auch fachliche Schulungen für psychologische, pflegerische und medizinische MitarbeiterInnen geben (auch daran arbeiten wir gerade).

Mein Kommentar: Ich glaube, ich spreche nicht nur für mich, wenn ich sage, dass ich mich sehr freue, dass z.Zt. in Lübeck Anstrengungen unternommen werden, die psychologische Versorgung allen Widrigkeiten zum Trotz auch künftig zu gewährleisten! Umso mehr, wenn daraus endlich eine ordentliche, feste Institution würde! Es war nicht meine Absicht, diesen Goodwill nicht zu würdigen oder herunterzumachen. Trotzdem bleiben für mich persönlich eine Menge Fragen, z.B.:
  • Wenn dem Netzwerk im Allgemeinen und Lübeck im Besonderen die von den betroffenen Menschen seit langem geforderte selbstverständliche & flächendeckende psychologische Versorgung ebenso wichtig ist, warum wird sie dann nicht offensiver gefordert?
  • Zu einer ordnungsgemässen psychologischen Versorgung gehörten m.E. selbstverständlich Planstellen in allen Kliniken / Kompetenzzentren. "Kreative Lösungen" wie z.B. das "Zweckentfremden" von Forschungsstellen zur psychologischen Betreuung sind bestimmt eine bessere Notlösung als gar keine Betreuung (was ich auch entsprechend hoch anrechnen möchte), zeigen aber letzlich bloss einmal mehr, wie prekär die Situation auch nach X Jahren Netzwerk nach wie vor ist, ohne dass ich diesbezüglich vom Netzwerk gross die Forderung vernehme, hier müsse sich endlich prinzipiell was ändern?! Oder habe ich etwas verpasst? Stattdessen wird meines Wissens nach wie verlinkt vollmundig behauptet, die psychologische Versorgung sei z.B. in Lübeck schon gewährleistet, und zwar auf eine Art und Weise, dass mensch annehmen muss, es handle sich dabei um eine reguläre und planmässige Versorgung.
  • Am diesjährigen Netzwerktreffen monierte z.B. die Vertreterin der AGS-Selbsthilfe wohl nicht zum ersten Mal, psychologische Betreuung sei "nach wie vor die Ausnahme und nicht die Regel". Gibt von Seiten des Netzwerks nur schon z.B. eine Übersicht, wo überhaupt reguläre psychologische Beratung angeboten wird (d.h. ordentliche Feststellen)? Und wo dies nicht der Fall ist, was für Bestrebungen im Gang sind, dies zu ändern?
Hervorheben möchte ich auch den von Eva Kleinemeier angesprochenen Punkt der mangelnden (bzw. wohl ziemlich nichtexistenten) Schulung. Aufnahme von "Intersexualität" in die Lehrpläne der angesprochenen Ausbildungen ist bekanntlich auch ein zentraler Punkt im Forderungskatalog von Intersexuelle Menschen e.V. Natürlich werden an sowas nicht alle klinisch Beteiligten bloss ihre Freude haben. M.E. erschöpft sich das Interesse der Mediziner-Zunft an Psychologie allzuoft schnell einmal darin, möglichst rasch eine "Geschlechtsidentität" prognostiziert zu bekommen, um dann so "genderoptimiert" und psychologisch abgesegnet möglichst unbehelligt weiter zwangsoperieren zu können. 

Reguläre, adäquate und funktionierende psychologische Versorgung (wie auch Peer Support!) sowohl für betroffene Menschen wie auch für betroffene Eltern sind  Grundvoraussetzungen, um die unsäglichen und menschenrechtswidrigen genitalen Zwangsoperationen endlich zu überwinden, sprich Zwittern endlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit rsp. auf informierte Einwilligung zuzugestehen! Nicht umsonst ist Gewährleistung von psychologischer Versorgung (ebenso wie Peer Support!) auch im Forderungskatalog von Intersexuelle Menschen e.V. ebenfalls eine zentrale Forderung. Wann wird sie endlich erfüllt?

Wednesday, November 12 2008

Katrina Karkazis: "Fixing Sex" – Buchankündigung

Das in Europa am 25.12.08 erscheinende Buch der Anthropologin Katrina A. Karkazis (Persönliche Homepage) von der Universität Stanford (USA), Abt. Bioethik, mit dem vollständigen Titel Fixing Sex: Intersex, Medical Authority, And Lived Experience beansprucht, allen drei an der Entscheidungsfindung (theoretisch) jeweils beteiligten Gruppen (Zwitter, Eltern, Mediziner) gerecht zu werden. Wie in dieser englischen Ankündigung zu lesen ist. Und hier in der Einleitung (PDF-Download 164 kb). Trotzdem lässt der erste Eindruck hoffen, dass sich auch dieses Buch in die Phalanx der Ethikpublikationen einreiht, die für Zwitter vornehmlich gute und für die unverbesserlichen Zwangsoperateure klar schlechte Nachrichten bedeuten ...

(Gefunden via Intersex-Feed)

Siehe auch: Katrina A. Karkazis: "Early Genital Surgery to Remain Controversial" (Publikation von 2006)

Sunday, November 9 2008

Advocates for Informed Choice (AIC): "Neue" Zwitter-Lobby in USA

Über den interessanten (auch wenn er m.E. mehr auf den Punkt kommen könnte) englischen Artikel Medical decision-making and the child with a DSD (gefunden via Intersex-Feed) stiess ich auf die für mich neue Organisation Advocates for Informed Choice (AIC) (die allerdings schon seit 2006 besteht), da der Artikel von deren Gründerin und Präsidentin Anne Tamar-Mattis verfasst ist.

Ein erster Blick auf die Homepage der Lobbyorganisation ist durchaus positiv: Es ist durchgängig von "differences" und "variations" die Rede (statt von "disorders"), und auch die Zusammensetzung des Aufsichtsgremiums sieht (soweit mir die vertretenen Namen ein Begriff sind) vielversprechend aus und weckt die Hoffnung, dass die durch das Hinserbeln und die schlussendliche Auflösung der (Prä-DSD-)ISNA entstandene Lücke ev. endlich geschlossen wird?

Saturday, November 8 2008

Transsexuelle verklagt Ärzte wegen uneingewilligter Penisamputation

Sabrina Schwanczar war wie alle Transsexuellen in Deutschland damit konfrontiert, dass sie als Bedingung für die Änderung des Vornamens und des Geschlechtseintrags das Gutachterverfahren durchlaufen und eine "Geschlechtsangleichungs-OP" durchmachen musste. Bei letzterer wurde ihr der Penis ohne informierte Einwilligung kurzerhand amputiert (wie auch vielen Zwittern das "uneindeutige" Lustorgan); von den Ärzten wurde ihr gegenüber dazu behauptet, die Auslösung des Orgasmus sei problemlos auch über Harnröhrenmündung möglich. Aktuell hat Sabrina Schwanczar nun ein Ärztehaftungsverfahren angestrengt, das wir im Folgenden auszugsweise dokumentieren.

Auch wenn wir durchaus nicht mit allen Ansichten und Meinungen von Sabrina Schwanczar einverstanden sind (vgl. z.B. hier), finden wir ihren Prozess wichtig und möchten sie auf diese Weise solidarisch unterstützen.

--> Fortsetzung / Zur Dokumentation

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Wednesday, November 5 2008

"Intersexualität" = sexuelle Orientierung??!

Bei LGBT "mitgemeint" und die Folgen: In letzter Zeit sind immer wieder Statements zu beobachten, in denen Zwitter von offensichtlich nichtwissenden Nachplapperern mit irgendeiner besonderen Form von "sexueller Orientierung" (d.h. wie z.B. Hetero-, Homo- oder Bisexualität) verwechselt werden, oder auch mit einer besonderen "Geschlechtsidentität" (Nachtrag: bzw. "sexuellen Identität"). Zwei Beispiele:

1) So unlängst in der Bundestagsdebatte zum Yogyakarta-Vorstoss der Grünen, worin "Intersexuelle" zwar in der mehrseitigen Einführung grad mal einen ganzen, wenn auch nicht mal nur schlechten Abschnitt bekamen -- in den konkreten Forderungen, sprich dem eigentlichen Kernstück des Antrags, jedoch prompt nicht mehr erwähnt bzw. einmal mehr bloss noch "mitgemeint" sind (genau wie auch schon in den Yogyakarta-Prinzipien selbst). Dito in der Debatte: Ein einziger Sprecher erwähnte "Intersexuelle" ganze zwei Mal (bezeichnenderweise als kommentarloses Anhängsel zu "Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender"), nämlich Holger Haibach (CDU/CSU). "Überraschung": Beide Male hielt er Zwitter für Menschen, die wegen "ihrer sexuellen Orientierung" verfolgt und diskriminiert werden -- selbstverständlich nur in weit entfernten "Staaten [...], die eine andere Lebensweise haben", wie z.b. "Usbekistan und Turkmenistan" ... und niemand im ganzen Bundestag klärte Haibach über seinen fatalen Irrtum auf ... weil wohl niemand im Bundestag den Irrtum überhaupt bemerkte bzw. überhaupt bemerken wollte ...

Gefunden via Bundestags-Suchmaschine zu "Intersexualität":
http://suche.bundestag.de/searchAction.do?queryAll=&queryOne=intersexuell+intersexuelle+intersex

2) Und aktuell einmal mehr in einem Artikel in "dieStandard" (vgl. dazu auch untenstehenden Nachtrag). Dort wird die österreichische Grünen-Abgeordnete und langjähriges Mitglied der ILGA (International Lesbian and Gay Association) Ulrike Lunacek zitiert, auch sie missversteht Zwitter (selbstredend einmal mehr als kommentarloses Anhängsel) prompt wieder als Menschen mit einer besonderen sexuellen Orientierung/Identität, die deshalb in irgendwelchen weniger zivilisierten Gegenden  diskriminiert würden: "in Ländern [...], in denen Homo-, Bi-, Trans- und/oder Intersexualität immer noch massiv vorurteilsbelastet ist oder ihnen sogar strafrechtliche Verfolgung droht". (Nachtrag 1.5.09: Der ursprünglich oben verlinkte "die Standard"-Artikel "Grüne vergeben erstmals Preis für lesbische, schwule und transgender-AktivistInnen" wurde inzwischen geändert und mit einem neuen Titel "Grüner Preis für Palestinian Gay Women" versehen; der oben kritisierte Abschnitt kommt in der neuen Version nicht mehr vor, "Intersexuelle" werden nicht mehr erwähnt. Der ursprüngliche Artikel findet sich aber nach wie vor auf der Grünen-Homepage und an diversen anderen Orten im Netz).

Kommentar: Einmal mehr, Hauptsache "mitgemeint", sprich: Bloss nicht über genitale Zwangsoperationen und Zwangskastrationen und andere, massive Menschenrechtsverletzungen an Zwittern vor der eigenen Haustüre reden (in Österreich dürfen Zwitter obendrein als "Schwerstbehinderte" bis unmittelbar vor der Geburt legal abgetrieben werden) -- geschweige denn, konkrete Schritte dagegen unternehmen und generell die berechtigten Anliegen der Zwitter endlich zu einem eigenständigen, angemessenen Punkt in der eigenen Agenda machen! Gut gemeint ist nicht genug!

Siehe auch:
- Instrumentalisierung von Zwittern: Kritik aus 2002
-
- Aus Transschändrien nix neues
- QueerGrün missbrauchen Zwittersymbol für TSG-Kampagne
- "Intersexualität" = sexuelle Identität??!
- Vereinnahmung von Zwittern: Das Transgender-Netzwerk Berlin TGNB macht's vor ...
- Die Rede von der "psychischen Intersexualität"

Monday, November 3 2008

Philippinen: Oberstes Gericht anerkennt Zwitter als 3. Geschlecht

Im Fall "Cagandahan gegen die Republik der Philippinen" stützte das Oberste Gericht einen erstinstanzlichen Entscheid, dass der bisher als Jennifer Cagandahan eingetragene "Intersexuelle" mit AGS nicht nur seinen Namen auf Jeff ändern darf, sondern auch das Geschlecht seiner Geburtsurkunde von weiblich auf männlich (Bericht auf englisch). Dies, obwohl das Oberste Gericht vor einem halben Jahr einer Transsexuellen die Änderung des Geschlechtseintrags verweigerte. Dabei anerkannte das Oberste Gericht zusätzlich, "Intersexuelle" stünden zwischen den Geschlechtern und hätten deshalb (analog zum seinerzeitigen Preussischen Landrecht) das Recht, bei Erreichen der Volljährigkeit ihr Geschlecht frei zu wählen (wobei die Wahlmöglichkeit Zwitter allerdings bisher anscheinend nicht vorgesehen ist). Der verlinkte Online-Bericht wertet den Gerichtsentscheid als "reichlich Munition" auch für Schwulen- und Trans-AktivistInnen.

Kommentar: Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass nicht nur Zwitter besser fahren, wenn sie ihre Forderungen und Anliegen eigenständig stellen, statt (wie nur zu oft) bloss bei LGBT "mitgemeint zu werden" (siehe z.B. Yogyakarta). Sondern, dass auch Transsexuelle und Transgender letztlich von dieser Vorgehensweise profitieren werden. So z.B. auch von einer eigenständigen Forderung "optionales 3. Geschlecht für Zwitter" -- wofür auch hier zu Lande die realpolitischen Chancen besser stehen, als wenn dies gleich für alle gefordert wird (z.B. wie von den Grünen erneut via Transsexuellengesetz). Mal ganz abgesehen davon, dass Zwitter viel massiveren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind, und deren Abschaffung somit Priorität hat gegenüber Gender-Forderungen.

(Gefunden via Intersex-Feed des genderfree-blogs.)

Nachtrag: Frühere Meldung (auf englisch) zum gleichen Thema (Danke an sky).

Saturday, November 1 2008

"Was wollt ihr?" - "Gerechtigkeit!" - "Wann wollt ihr sie?" - "Jetzt!"

Alle Fotos: © Guido / indymedia.org.uk

In den "westlichen Zivilisationen" sind die Menschenrechtsverletzungen an Zwittern durch die genitalen Zwangsoperatioenen wegen der langen Dauer, der Schwere der Verletzungen, der Anzahl der Opfer und der systematischen Durchführung wohl die gravierendsten Menschenrechtsverletzungen seit dem 2. Weltkrieg. Doch verüben die "Ziviliserten" weiterhin auch insgesamt gravierendere Menschenrechtsverbrechen, doch inzwischen "nur" auswärts in "unterentwickelten Ländern". Doch auch vor der eigenen Haustüre gibt es "Randgruppen", die z.T. gar buchstäblich zum Abschuss freigegeben werden. Ein erster Blick über den "eigenen" Tellerrand hinaus:

In England wird im Durchschnitt jede Woche mindestens ein Mensch von Polizeibeamten getötet, Jahr für Jahr. Viele sterben langsam und qualvoll, z.B. durch Knüppelschläge auf den Kopf. Überproportional viele Opfer gehören ethnischen Minoritäten an, alle sind sie arm und wohnen in der jeweils "falschen" Gegend. Dasselbe Bild auch bei den täglichen vorzeitigen Todesfällen in Gefängnissen und Psychiatrien. Auch die Hinterbliebenen werden von den Behörden systematisch als Menschen 2. Klasse behandelt, nicht ein einziges Mal wurde bisher ein Beamter oder Arzt verurteilt.

Seit 10 Jahren marschieren Angehörige und Freunde der Opfer, organisiert in der "United Families and Friends Campaign (UFFC)", jeweils am letzten Samstag im Oktober in London vom Trafalgar Square zum Regierungssitz an der Downing Street 10, um an die Verstorbenen zu erinnern. Eine Delegation legt Blumen nieder und überreicht eine Petition, während die übrigen etwa 300 TeilnehmerInnen ihrer Wut mit Sprechchören Luft verschaffen.

Jedes Jahr kommen neue Hinterbliebene dazu. Ausser den Direktbetroffenen scheinen diese krassen Menschenrechtsverletzungen und Straftatbesände niemanden wirklich zu interessieren, auch das Medieninteresse bleibt unverhältnismässig gering, um ja das gut funktionierende Tabu nicht in Frage zu stellen. Trotzdem werden die Familien (und die wenigen UnterstützerInnen) auch am 31.10.2009 wiederkommen und ihre Trauer und ihre Wut zeigen.

Alle Fotos: © Guido / indymedia.org.uk

>>> Clip 2007

>>> Bilder, Berichte, Hintergründe (englisch): 2005 / 2006 / 2007 / 2008

>>> PigBrother.info: Tod im Polizeigewahrsam UK / Gerechtigkeit für Jean Charles de Menezes!

Siehe auch:
- Menschenrechtsverbrechen: Wer schweigt, macht sich mitschuldig    
- "Monsanto – mit Gift und Genen"  
- Von der Frauenbewegung lernen    

Friday, October 31 2008

Annette Brömdal: "Intersex - Eine Herausforderung für Menschen- und Bürgerrechte"

Annette Brömdals englischsprachige Dissertation aus dem Jahre 2006 "Intersex: A Challenge for Human Rights and Citizenship Rights" über die Situation von Zwittern in Südafrika liegt nunmehr auch in gedruckter Form vor (Verlagsinfo auf englisch). Sie ist auch allgemein interessant, da sie nebst der spezifisch südafrikanischen Situation auch die Situation "Intersexueller" in der UN-Kinderrechtskonvention aus verschiedenen Perspektiven beleuchtet und sich allgemein mit Fragen nach dem 'besten Interesse' der Kinder bei Zwangsoperationen beschäftigt. 

Die gedruckte Ausgabe ist empfindlich teuer, die Dissertation ist jedoch immer noch umsonst als PDF auf dem Netz herunterladbar (588 kb).

Siehe auch: "Intersex" als legales 3. Geschlecht in Südafrika

Wednesday, October 22 2008

Wellen werfen

Es freut mich jedes Mal, wenn ich sehe, was der Gang an die Öffentlichkeit konkret bewirkt, welche Diskussionen und Auseinandersetzungen dadurch ausgelöst werden bei Menschen, die vorher keine Ahnung hatten. Besonders freut es mich, wenn sich Eltern und solche, die es noch werden wollen, mit dem Thema Intersexualität auseinandersetzen, wie beispielsweise auf diesem österreichischen Elternforum:
 
http://www.parents.at/forum/showthread.php?t=475345

Hier ein Auszug aus der Diskussion:

"Warum muss man diese Babys/ Kinder schon so früh operieren?
Warum kann man nicht warten bis sie selbst dazu eine Meinung haben, als was sie leben wollen, Frau, Mann oder Zwitter.
Auf der einen Seite verstehe ich warum man sie irgendwie "schützen" will (vorm anders sein), auf der anderen Seite, was müssen diese Zwerge schon alles aushalten, nur damit sie einer Norm entsprechen."

(...)

"Trotzdem spricht ja nichts dagegen, einmal pro Forma ein Geschlecht auszuwählen, aber mit einer Operation bis zur Volljährigkeit zu warten, oder nur das urologisch Notwendigste zu machen."

(...)

"Betroffene plädieren für eine dritten Geschlechtseintrag für Zwitter- Frau, Mann,Intersexuell.
Ein Eintrag soll bestehen bleiben, bis das Kind urteilsfähig ist."

"was ich besonders traurig finde ist, die Vorgangsweise, wie es gemacht wurde und noch wird."

"Ich hab gelesen ein Drittel begeht Suizid, ein drittel ende als seelisches und körperliches Wrack, nur wenigen bleibe eine gewisse Lebensqualität.
Als Folge der Zwangskastration bleiben ja auch Narben, wenn man Glück hat, wird die sexuelle Sensibilität nicht vollends wegoperiert."

"Ich denke viele stellen sich das alles ein bisschen zu einfach für das Kind vor.
OP und alles ist wieder in Ordnung.
Eine Betroffene sagt:
Ich bin zwar ein Vorzeigeexemplar der Ärzte, aussen hübsch und unauffällig- doch im Innern ruiniert."

(...)

"Ich kannte eine junge Frau, die wurde als "beides" geboren (die genaue genetische Konstellation ist mir unbekannt). Sie wurde zum Mädchen gemacht, wurde wie ein Mädchen erzogen, aber schon im Kiga und in der VS hat sich herausgestellt, dass das ein Fehler war.
Jahre später ist sie nun ein Er, zumindest eine Spur glücklicher, aber er hätte sich gewünscht, dass die Ärzte damals nicht so übereilt entschieden hätten (er hätte sich viel Hänselein und Selbstzweifel erspart)."


Und vor ein paar Tagen schrieb mir eine ehemalige Schulfreundin, die seit mehreren Jahren an einem Krankenhaus als Ärztin in der Geburtshilfe tätig ist: "In dieser Zeit wo ich hier arbeite, sind 3 intersexuelle Kinder auf die Welt gekommen. Was mit ihnen passiert ist, weiss ich nicht."

Zwischengeschlechtlichkeit darf nicht länger tabuisiert werden. Die menschenrechtsverletzende Maschinerie, die bei der Geburt eines Zwitterkindes in Gang gesetzt wird, muss gestoppt werden!

Lasst uns weiterhin gemeinsam Wellen werfen!!

Teil 2: Tagung RECHTE VON KINDERN IN MEDIZIN UND FORSCHUNG

Während der 1. Teil der Tagung vom Donnerstag um Fragen zur Ethik von medizinischen Behandlungen ging, die nichts direkt mit "Intersexualität" zu tun haben, aber vielfach ähnliche Fragen aufwerfen und interessante übergreifende Zusammenhänge aufzeigten, ging es am Freitag 10.10.08 in Göttingen spezifisch um die 'Behandlung' "Intersexueller". Ein Fazit zur gesamten Veranstaltung findet sich an Schluss dieses 2. Teils, ebenso wichtiges zur Zukunft der psychologischen Betreuung in Lübeck.

1. Referat
Petra Zackheim
Technion-Israel Institute of Technology, Israel
"Eine Bombe werfen: Dilemmas in einer Intersex-Situation"
Den martialischen Titel begründete die Vortragende damit, dass Eltern, wenn bei Kindern "Intersexualität" diagnostiziert wird, "unter Feuer" stünden, sowie mit der ethischen Sprengkraft des "Dilemmas". Im Zentrum des Vortrags stand ein erschütternder Fallbericht (Publikation in Vorbereitung) über die psychotherapeutische Behandlung (und Erforschung, muss wohl hinzugefügt werden) eines Zwillingspaars arabischer Herkunft mit der Diagnose 17-Beta-HSD-Mangel. Wie es sich "gehört", wurden beide zwangskastriert, Pardon, "orchidektomiert", und zwar im Alter von 4 Jahren, das eine Kind jedoch nur einseitig. Dieses vermännlichte im Zeitraum von 9 1/2 bis 10 Jahren und lebt seither als Knabe, während das andere Kind ein "Mädchen" blieb. Erst darauf begann die Behandlung im medizinischen Zentrum Rambam, wo auch die Vortragende arbeitet. Wie ich es verstand, versucht sie schwerpunktmässig in Interviews herauszufinden, wie sich die "Identität" der Zwillinge unterscheidet. Von der Umgebung sei der "Geschlechtswechsel" des Knaben gut aufgenommen worden. Er selbst habe die neue Rolle akzeptiert, auch wenn er es nicht möge, zu kämpfen, aber er tue es, weil er müsse ("Jungs kämpfen, Mädchen beklagen sich"). Sein Traumberuf sei Modedesigner. Dem Mädchen gehe es vergleichsweise schlechter, was auch damit zusammenhänge, dass in ihrer Kultur eine unfruchtbare Frau es schwer habe. Laut eigener Aussage fühle sie sich "60% weiblich und 40% männlich", wäre aber gern "100% weiblich", da ihr der Weg ihres Bruders nicht mehr offen steht. Sie sage heute noch, die Ärzte hätten ihr als Kind "den Uterus herausgenommen". Ein Argument der Vortragenden gegen chirurgische Zuweisungen war, dass auch bei "normalen" Jungen und Mächen der Prozess der Bewusstwerdung des eigenenen Geschlechts und der damit verbundenen Indentitätsfragen und des Verhaltens ein jahrelanger Prozess sei, dessen Ausgang bei "Intersexuellen" erst recht nicht in den ersten 2 jahren prognostiziert werden könne. Leider bestand ein Grossteil des Referat aus einer Abhandlung über die biologischen Aspekte von "Intersexualität" von gonadalem bis "Gehirn"-Geschlecht (in Anführungszeichen schon bei der Votrtragenden) usw., den wohl die meisten Anwesenden schon mehrfach gehört hatten, weshalb die in der Zusammenfassung angekündigten ethischen Fragestellungen definitiv zu kurz kamen (oder gleich aussen vor gelassen wurden). Zwar lesen sich diese auch in der hiesigen Situation über weite Strecken utopisch, was sie aber nicht weniger interessant macht:

- Wie können wir de Eltern mit angemessener psychologischer Beratung bei der Entscheidungsfindung helfen?
- Wie unterrichten wir Eltern über das da Recht ihrer Kinder "zu wissen"?
- Wie helfen wir den Kindern zu entscheiden? Wieviel zeit braucht es für psychologisch ausgereifte Entscheidungen?
- Wie gerichtet sollen Informationen, Beratung und psychologische Erziehung vermittelt werden?
- Wie kann die Evaluation betreffend Gerichtsverfahren in den psychosozialen Behandlungsplan integriert werden?
- Wie sollen Differenzen in Behandlungsansätzen, speziell im Bezug auf ethische Fragen, gehandhabt werden?

Speziell dünkte mich befremdend, dass die Vortragende von vornherein unterstellte, die Mediziner hätten dem einen Zwillingskind absichtlich lediglich einen Hoden entfernt, und über die Motivation dazu mutmasste, weshalb ich in der Diskussion u.a. darauf hinwies, dass nicht vollständige Entfernung von Leistenhoden auch in Europa öfters zu konstatieren sei, obwohl die Mediziner jedesmal eine vollständige Enfernung angestrebt hätten, und dass auch das mit der immer wieder beschworenen "Krebsgefahr" letzlich bloss eine Ausrede sei, um hormonell "reinen Tisch" zu machen und dann nach eigenem Gutdünken zuweisen zu können, was sich auch daran zeige, dass keine seriösen Untersuchungen zur wirklichen Krebsgefahr vorliegen und auch gar nicht angestrebt werden. Der anwesende Kinderchirurg Maximilian Stehr (siehe auch 1. Teil) führte dazu aus, bei nicht abgestiegenen Hoden sei die Krebsgefahr "10-20 mal höher", was aber in Prozentzahlen immer noch sehr gering sei. Trotzdem empfehle er die prophylaktische Entnahme, da eine verlässliche Vorsorgeuntersuchungen nur mittels Magnetresonanztomographie (MRT) zu machen seien (Ultraschall sei zu wenig sicher), was zu aufwändig sei.

Da frag ich mich doch hier persönlich einfach einmal mehr (siehe Stichwort "Jungenbeschneidung" im 1. Teil), ob irgendjemand auch bei "normalen" Männern und Frauen sowas sagen würde, und weshalb bei solchen Praktiken an Zwittern nach wie vor nicht sogleich ein empörter Aufschrei durch die EthikerInnen-Gemeinde geht, sekundiert von Menschenrechtsorganisationen, Gleichstellungsinstitutionen usw. ...

2. Referat
Maria Luisa Di Pietro / Andrea Virdis
"Klinische und bioethische Aspekte bei Geschlechtszuweisungen von Kindern mit nicht-eindeutigen Genitalen"
Leider benötigte der Referent (die erstgenannte Autorin war nicht angereist) den Löwenanteil seiner Redezeit, um (sichtlich fasziniert) erneut im Detail die Feinheiten von gonadalem bis Gehirngeschlecht abzuhandeln (diesmal ohne Anführungsstriche), gefolgt von den Unterschieden zwischen "pseudo" und "echten" Hermaphroditen sowie der Lebensgeschichte von David Reimer (dass auch dessen Bruder sich umbrachte, liess er hingegen aus). Sprich für Ethik blieb erst recht kaum mehr Raum. Immerhin forderte der Referent abschliessend:

- Einbezug der Patienten
- Psychologische Begleitung
- Informierte Einwilligung für chirurgische Eingriffe und Hormonbehandlungen

Und konstatierte dazu lapidar, dass Ethiker jeweils nur Empfehlungen machen können, falls sie überhaupt gefragt werden; in der Regel finde kaum ein klinischer Bezug oder Kontakt statt, dass Ärzte sich jemals nach ethischen Implikationen z.B. bei Zwangsoperationen erkundigen, sei die absolute Ausnahme (ein Beispiel, von dem er erzählte, fand unter den anwesenden Fachpersonen dann auch entsprechende Beachtung). Zudem führe das Thema "Intersexualität" auch im medizinethischen Diskurs eine krasse Randexistenz, im Fachbuch für Medizinethik bekomme es grad mal 2 Seiten. (Wäre noch hinzuzufügen, dass auch in Deutschland ethische Aspekte in der Mediziner-Ausbildung sowieso nach wie vor systematisch ausgeblendet werden.)

In der Diskussion räumte M. Stehr ein, die modernen OP-Techniken zur Klitorisreduktion würden darauf abzielen, das Empfinden zu erhalten, genaueres wisse man aber erst "in 10-20 Jahren" (das übliche Argument, doch m.E. immerhin schon mal ehrlicher, als die auch schon z.B. am diesjährigen Netzwerktreffen vernommene Behauptung, die Empfindlichkeit bleibe zu 100% erhalten, das sei einfach so). (Leider kannte ich zu diesem Zeitpunkt das Fachbuch "Ethics and Intersex", Ed. Sharon Sytsma, noch nicht, das auch in der im Eingang ausgelegten Fachliteratur aus der Universitatsbibliothek der co-veranstaltenden Abteilung für Medizinethik und Geschichte der Medizin fehlte. Darin werden die aktuellen Untersuchungen zum Thema diskutiert -- mit dem Ergebnis, dass auch die neueren OP-Methoden das sexuelle Empfinden klar beinträchtigen, vgl. S. xxiv -- nachzulesen hier -- und S. 208-210 im Beitrag "Adult Outcomes of Feminizing Surgery" von Sarah Creighton. --> Vielsagende Besprechung des Buches durch eine Juristin in der CH-Ärztezeitung, ab S. 2.)

Eva Kleinemeier vom Netzwerk (Lübeck) hielt im weiteren Verlauf der Diskussion erfreulicherweise fest, die bei ihnen betreuten Fälle von nicht operierten Mädchen mit AGS würden belegen, dass es für Kinder durchaus möglich sei, mit uneindeutigem Genitale zu leben. (Eine Erkenntnis, die auch von Eltern in den Medien wiederholt berichtet wurde eins / zwei -- bloss die Zwangsoperateure stellen sich nach wie vor taub.)

3. Referat
Claudia Wiesemann
Universität Göttingen
"Ethische Richtlinien für die medizinische Handhabung von Intersexualität von Kindern und Jugendlichen: eine kritische Würdigung"
Eine Vorbemerkung: Die Referentin ist sowohl Vorsteherin der co-veranstaltenden Abteilung für Medizinethik und Geschichte der Medizin wie auch der Arbeitsgruppe Ethik des Netzwerks, welche im März 2008 in der Monatsschrift Kinderheilkunde deren "Ethische Grundsätze und Empfehlungen bei DSD" publizierte (--> PDF-Download 35 kb, kurze Kritik dazu siehe Nellas Rede am Netzwerktreffen).
Als Einstieg ins Thema wählte die Referentin die Berichterstattung in den Medien zu Christianes Prozess (siehe Pressespiegel eins / zwei), welche sie als "aufgeschlossen" und "nicht auf einen Freak-Standpunkt reduzierend" lobte (siehe dazu auch das Gigi-Editorial#54).
Danach kritiserte sie Money's Zwangszuweisungs-"Optimal Gender Policy", welche
- die Idee von körperlicher Integrität und Wohlbefinden "auf nicht-uneindeutige Genitale reduziert",
- den durch die Medizinalisierung enstehenden Schaden "unterschätzen" würde und
- auf "Nicht-Offenlegung" gegenüber den Patienten beruht, was Peer Support faktisch verunmögliche.
Demgegenüber würde das von Kipnis/Diamond geforderte Moratorium von nicht-eingewilligten OPs
- Gefahr laufen, die Bedürfnisse des Kindes zu unterschätzen, um ihm späteren Nutzen als Erwachsenen zu ermöglichen
- zu sehr das Konzept der Irreversibilität betonen
- und die Eltern-Kind-Beziehung ignorieren. (Das "ewige Thema", vgl. hierzu auch die jüngste "Zeit-Kontroverse".)
Cheryl Chase betone demgegenüber den Konflikt zwischen Eltern und Kind.
Weiter kritisierte die Referentin, für das absolute "Beste Interesse" des Kindes gäbe es letzlich gar keinen Massstab. Es bestehe ein Konflikt zwischen auf der einen Seite den
- Ansprüchen von Familien auf Privatspäre und Familienautonomie (gemeint war wohl eher Elternautonomie)
und andrerseits Ansprüchen der Kinder auf
- ihre individuellen Rechte
- Mitbeteiligung der Kinder in der Entscheidungsfindung
- Förderung einer guten Eltern-Kind-Beziehung
- Peer Support
- dass lediglich Behandlungen angeboten werden mit guter bzw. bester erwiesener Wirkung
- wozu Ergebnisstudien zu tätigen seien.

In der abschliessenden Diskussionsrunde hielt die Referentin zudem fest, es gebe in der BRD sehr wohl Gesetze gegen Kastration und Sterilisation bei Kindern -- sie würden aber bei Intersexuellen nicht angewendet. Der Referent vom Vortag Pekka Louhiala forderte die EthikerInnen zudem auf, sich vermehrt in die Belange und Kreise der MedizinerInnen einzumischen (und begrüsste dazu explizit die Publikation der Netzwerk-Empfehlungen in der Kinderheilkunde-Monatsschrift), zu oft würden EthikerInnen unter sich bleiben und ihre Empfehlungen deshalb erst recht nie berücksichtigt. Ich selber tat mein möglichstes, u.a. für die Forderungsliste des Vereins und den Schattenbericht Werbung zu machen. (Leider schaffte ich es nicht mehr, noch eine grundsätzliche Debatte zum Gebrach den Un-Begriffs DSD anzuzetteln zu versuchen, der auch innerhalb der Ethikempfehlungen unhinterfragt durchgehend gebraucht wird, obwohl die Ethikgruppe behauptet, "das Unbehagen und die Ablehnung von Fremdzuschreibungen" zu "respektieren" und "alternative Eigenentwürfe" zu "akzeptieren".)

Die grösste Bombe der Abschlussrunde liess jedoch Eva Kleinemeier so nebenbei platzen: Nach Einstellung der Bundesförderung für das Netzwerk steht in Lübeck ab 2009 keine psychologische Beratung für Eltern und junge Zwischengeschlechtliche mehr zur Verfügung!  (Nachtrag: Kommentar von Eva Kleinemeier) (Wohlbemerkt dasselbe Netzwerk, das immer wieder behauptet, psychologische Betreuung sei im Rahmen des Netzwerks selbstverständlich und in Lübeck würden PsychologInnen "Bereits in ersten Diagnosegesprächen" beigezogen! Obwohl -- neben Peer Support -- psychologische Betreuung nebst von EthikerInnen auch von sämtlichen Selbsthilfegruppen seit Jahrzehnten als unabdingbar gefordert werden -- eine zentrale Forderung z.B. auch der bestimmt nicht als ärztefeindlich einzustufenden AGS-Eltern- und Patientenitiative seit 1992! Weiterer Kommentar wohl überflüssig ...)

Fazit: Obwohl ich mir in der Diskussion wiederholt als Störefried betrachtet vorkam, war die Tagung interessant und ist meine persönliche Bilanz positiv. Aus meiner Sicht wäre wünschenswert, dass sich künftig vermehrt betroffene Menschen in solche Diskussionen einmischen würden (auch wenn ich verstehen kann, dass das nicht einfach ist, erst recht wenn mensch emotional weniger Abstand hat als ich und sich dann haarsträubende Dinge anhören muss und gar noch angefeindet wird). Die z.B. an der Vereinsitzung im Vorfeld geäusserten Bedenken, die Tagung würde primär der eigenen Absicherung des Netzwerks für die nicht besonders griffigen und auch nicht wirklich menschenrechtskonformen Ethik-Empfehlungen dienen, fand ich jedoch so nicht bestätigt. Trotzdem fand ich es bedenklich, wie gross auch bei den EthikerInnen der Abstand zu den Opfern der Medizyner m.E. nach wie vor fühlbar ist. Manche der geladenen Expertinnen", vor allem, wenn es spezifisch um "Intersexualität" ging, dünkten mich überfordert und nicht wirklich übergreifend mit dem Thema vertraut. Bezeichnand auch das geringe (Fach-)Publikumsinteresse an der Tagung.

Bleibt zum Schluss die bohrende Frage, inwieweit solche Ethikveranstaltungen und -Gruppen den Medizynern nicht letztlich doch bloss als Feigenblatt dienen, um möglichst ungestört weiter zwangsoperieren zu können ... Von diesen menschenrechtswidrigen Zwangsoperationen werden sie letztlich keine Ethikdebatten und sonstige Unverbindlichkeiten abhalten, sondern erst massenhaft weitere Gerichtsprozesse -- und andere Formen konkreten Drucks in der Öffentlichkeit, im Parlament und nicht zuletzt auch vor ihrer eigenen Haustüre!

Siehe auch: Lübeck: Doch psychologische Versorgung auch 2009?

Monday, October 13 2008

Di 14.10. um 22.15 VOX: Zwitter @ Stern TV: "Weder Mann noch Frau! Leben als Zwitter"

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Morgen Dienstag zu leider üblich später Stunde kommt die langerwartete Reportage auf Stern TV mit Claudia und Frances Kreuzer, Raphael "Garou" L. (der Begründer des Hermaphroditforums) und Elisabeth "Museli" Müller ("Hermaphrodit Müller, bitte, ich bin keine Frau")! Wir sind gespannt!

Die offizielle Ankündigung enthält zwar wieder einmal mehr die üblichen kleinen Fehler (z.B. "Hoden quasi per Kastration entfernt" -- per Zwangskastration müsste das doch heissen!), doch ansonsten klingts schon mal nicht schlecht ...

Wiederholung: Sa 18.10.2008 um 13:40h

Besprechung: Stern TV ist klar eine Boulevardsendung. Nachdem früher dieses Jahr in Spiegel TV und Explosiv (Produktion: Motivi) Zwitter 2x in Boulevard-Gefässen von offensichtlich inkompetenten SendungsmacherInnen m.E. nicht angemessen präsentiert wurden (um nicht zu sagen unter aller Sau), trotz des mutigen und klaren Einsatzes der darin auftretenden Zwischengeschlechtlichen und ihrer FreundInnen, kommen nun Norbert und Heike Güldenpfennig und zeigen ihren unfähigen KollegInnen, was eine Harke ist ...

Sprich die Sendung erfüllt zwar klar die geforderten Boulevard-Massstäbe, d.h. es geht um krasse Geschichten, heftige Emotionen, Sex, Geschlechtsteile und nicht-alltägliche Menschen, doch diese Menschen werden trotz der genreüblichen Gemeinplätze wie Homestory samt Familienfotos etc. mit Würde dargestellt (so zumindest mein Eindruck), dürfen ausführlich Klartext reden -- und, ganz neu: Auch die Kommentar-SprecherInnen reden Klartext, auch über Zwangseingriffe und Menschenrechtsverletzungen (statt wie bei den bisherigen Boulevard-Sendungen stets beim obligaten Mann-Frau-Blabla stecken zu bleiben).

Schon im Vorspann nahm der Sprecher das Wort "Zwangskastration" in den Mund -- und das nicht zum letzten Mal! Auch "Zwangsoperationen" und ihre Folgen wurden in jedem Block von neuem eindringlich thematisiert, ebenso die Forderungen nach Selbstbestimmung für Zwitter. Hipp, hipp! Weiter fand ich cool, wie auch deutlich gezeigt wurde, dass die sympathisch dargestellten Protagonist_innen sich klar gegen das an ihnen begangene Unrecht zur Wehr setzen, und das mit Schwung und nicht erst sei gestern! Sogar die Homepage der xy-frauen.de wurde vom Sprecher genannt. Einzig bei Garou fand ich schade, dass seine Arbeit mit dem Hermaphroditforum und auch seine Homepage in der Sendung nicht entsprechend gewürdigt wurden, sondern schlicht unter den Tisch fielen.

Doch alles in allem, zumindest von mir aus ein ganz herzliches Dankeschön an die SendungsmacherInnen Norbert und Heike Güldenpfennig! Und herzlichen Dank einmal mehr auch allen beteiligten Zwittern und ihren FreundInnen! Es braucht eine gehörige Portion Mut, so an die Öffentlichkeit zu gehen (erst recht, wenn mensch wie im vorliegenden Format faktisch kein Vetorecht hat das fertige Produkt erst nachträglich sieht), doch ohne (auch) solchen mutigen Einsatz kommt die Sache der Zwitter letztlich kaum voran. Diese Sendung war m.E. ein weiterer grosser Schritt nach vorn in Richtung Abschaffung des Zwittertabus, und damit auch ein guter Tritt ans Schienbein aller unverbesserlichen Zwangsoperateure & Co. ...

Siehe auch: Öffentliche Kommentare auf dem Vereinsforum und auf dem Hermaphroditforum

Sowie auch: Gästebucheinträge auf Garous Homepage und Diskussionen im Esoterik-Forum und WurzelWerk-Forum.

Friday, October 10 2008

Tagung RECHTE VON KINDERN IN MEDIZIN UND FORSCHUNG (Teil 1)

Ich hatte mich kurzfristig entschlossen, an dieser 2-tägigen Veranstaltung teilzunehmen (Pressemitteilung zur Veranstaltung / Ankündigung auf der Göttinger Uni-Homepage), veranstaltet von der Abteilung Ethik und Geschichte der Medizin der Universitätsmedizin Göttingen und der Arbeitsgruppe "Intersexualität und Ethik" im "Netzwerk DSD/Intersexualität". Zwischen beiden Gruppierungen gibt es personelle Überschneidungen: Prof. Dr. Claudia Wiesemann steht beiden Organisationen vor, Susanne Ude-Koeller ist ebenfalls beiderorts dabei. Die Netzwerk-Arbeitsgruppe erarbeitete auch die "Ethische Grundsätze und Empfehlungen bei DSD", publiziert in der Monatsschrift Kinderheilkunde 3/2008 (umsonst zugängliche Zusammenfassung).

Das Programm gliederte sich in 2 Teile, die ich auch für diese Berichterstattung übernehme. Am 1. Tag ging es um verschiedene Aspekte, die nicht direkt mit "Intersexualität" zu tun haben, jedoch vielfach ähnliche Fragen aufwerfen und interessante Zusammenhänge aufzeigten. Am 2. Tag ging es dann spezifisch um "Intersex"-Themen.

Auch wenn ich im Verlauf der Veranstaltung mehr als einmal leer schlucken musste, war sie insgesamt doch interessant und ich habe eine Menge neu erfahren. Die Tagung wurde durchgehend auf englisch gehalten, auf meine Kappe gehende falsche Übersetzungen von Fachbegriffen bitte ich mitzuteilen. Nachfolgend meine Zusammenfassung des 1. Tages:

1. Referat
Marie Fox / Michael Thomson
Universität Keele, England
"Bestes Interesse" und anwaltschaftliche Vertretung von Kindern: Eine Beschneidungsfallstudie
Aus der Zusammenfassung: Kritisiert wurde ein allzu lasche Handhabung des Kinderschutzes in England und eine allzugrosse Bereitschaft der behandelnden Mediziner, welche Beschneidungen alleine nach dem Gutdünken der Eltern vornehmen, ohne jede Rücksicht auf Schutz der Kinder vor ungewollten Eingriffen, was nach Ansicht der Referenten "abwegig" ist, zumal in England theoretisch straffere Kinderschutzvorschriften existieren als etwa in den USA. Die Referenten schlagen deshalb vor, statt nur nach "besten Interessen" zusätzlich auch nach "Bedürfnissen" gegenüber "(möglichen) Schäden" zu fragen, um das Recht auf körperliche Unversehrtheit der betroffenen Kinder besser verteidigen zu können.

In der Diskussion erregte eine Stellungnahme des Kinderchirurgen Maximilian Stehr besonderes Aufsehen, der radikal gegen nicht medizinisch indizierte Beschneidungen an Knaben ist. Er veröffentlichte kürzlich dazu auch einen ebenfalls Aufsehen erregenden Artikel im Deutschen Ärzteblatt, weil er die Meinung vertritt, dass solche medizinisch nicht notwendigen Beschneidungen in jedem Fall einen Straftatbestand darstellen. In der Kinderchirurgie in München, wo er als Oberarzt praktiziert, werden solche Beschneidungen deshalb nicht mehr durchgeführt.

Da ich erst am Donnerstag Morgen anreisen konnte, verpasste ich die ersten 2 Vorträge und Diskussionen. Beim anschliessenden Beisammensein in der Kneipe wurde mir dann von einer Drittperson zunächst fälschlicherweise berichtet, in München würden  auch keine genitalen Zwangsoperationen an Zwittern mehr durchgeführt. Dem ist aber leider nicht so, wie ich von Herr Stehr am nächsten Tag durch Nachfragen erfuhr -- wäre auch zu schön gewesen: Im Gegenteil werden auch Kinderspital der Ludwig-Maximilians-Universität in München z.B. Kinder mit AGS nach wie vor meist im Alter von 4-7 Monaten zwangsoperiert. Das ist wohl der Unterschied zwischen "normalen" und "uneindeutigen" Genitalen: Während bei "normalen" Penissen sich langsam durchsetzt, dass auch die Vorhaut nicht einfach nach Gutdünken der Eltern und Ärzte beschnippelt werden darf, gilt bei "intersexuellen" Genitalen das Selbstbestimmungsrecht weiterhin nix ... So bleibt es weiterhin bei einem einzigen Arzt, von dem ich weiss, dass er aus Gewissensgründen an Zwitterkindern keine genitalen Zwangsoperationen mehr durchführt ...

Wie mir Herr Stehr weiter berichtete, habe er auf den Ärteblatt-Artikel einige "böse Leserbriefe" erhalten, "vor allem von niedergelassenen Ärzten", die eine bewährte Einnahmequelle verlieren würden, wenn sich Stehrs Ansicht allgemein durchsetzt ...

2. Referat
Sabine Müller
Universität Aachen
Cochlea Implantate bei gehörlosen Babies -- "Bestes Interesse" versus die Interessen der Gehörlosen Nation
Aus der Zusammenfassung und einem Gespräch mit der Referentin: Bei gehörlosen Kindern ist es mittlerweile möglich, ihnen mittels eines Implantats im den Gehörgängen und einem "Gehörapparat", der mittels Magnet aussen am Schädel befestigt wird, einem Gehörsinn zu ermöglichen. Obwohl die Technik noch nicht ausgereift ist und im Verlgeich zum natürlichen Gehörsinn umständlich rudimentär bleibt, ist es gehörlos geborenen Kindern so trotzdem möglich, Geräusche zu hören und auch sprechen zu lernen. Dazu muss der Eingriff aleerdings in den ersten 2 Lebensjahren durchgeführt werden, weil sonst die Gehörareale des Gehirns nicht entwickelt werden und irreversibel verkümmern. Demgegenüber könnte der Eingriff später rückgängig gemacht werden, was aber keine betroffenen Menschen anstreben würden. Trotzdem werden die Eingriffe von Verbänden von gehörlos Geborenen kritisiert, weil damit ihre Kultur inkl. Gebärdensprache akut vom Aussterben bedroht ist. Trotzdem argumentiert die Referentin für das Recht der betroffenen Kinder auf Gehör.

3. Referat
Pekka Louhiala
Universität Helsinki, Finnland
Über das Recht auf Grösse -- können Östrogenbehandlungen für grossgewachsene Mädchen überhaupt gerechtfertigt werden?
Der Referent untersuchte die weltweite wissenschaftliche Literatur zum Thema: Seit 50 Jahren werden hochgewachsene Mädchen mit Östro (oder eine Östro-Testo-Kombination) behandelt, um ihr Wachstum vorzeitig "einzufrieren", weil sie sonst unter ihrer Grösse unter "psychosozialen Problemen" leiden würden (Minderwertigkeitsgefühle, Probleme einen Partner zu finden, wobei die Mädchen ihrer Übergrösse die Schuld dafür geben). Möglich sind 6 cm weniger Wachstum, wenn die Behandlung im "Knochenalter" von 10 Jahren beginnt, bei 13 Jahren sind noch 2 cm weniger möglich, während bei 14 Jahren keine Wirkung mehr eintritt. Nebenwirkungen sind eine vorgezogenen Pubertät und verminderte Fruchtbarkeit. Auch hier gibt es dazu weltweit keine verlässlichen Statistiken, wie oft das Verfahren angewendet wurde, jedoch ist die Tendenz abnehmend, weil das "Problem" offensichtlich seine soziale Relevanz verliere. Bezeichnend, dass in allen Studien nie ethische Überlegungen oder Überprüfungen mit Vergleichsgruppen angestellt wurden, sprich der Nutzen vs. Schaden der Behandlung war nie erwiesen, abgestellt wurde immer auf die Wünsche der Eltern, bzw. vornehmlich der Mütter (die Töchter hätten meist keine Meinung geäussert und die Väter wurden gar nicht befragt). Eine australische Studie legte zudem nahe, dass behandelte wie unbehandelte grosse Mädchen/Frauen gleich überdurchschnittlich an Depressionen und anderen Problemen litten. In allen Studien durchgehend nicht reflektiert wurde, dass die Untersuchungen und Behandlungen an sich den Mädchen erst recht die Botschaft vermittelt: Du bist nicht in Ordnung. Interessant auch, dass in vielen Studien die Übergrösse schnell mal als "Krankheit" bezeichnet wird. Der Referent stand der Methode skeptisch gegenüber, würde aber (hypothetisch) wohl doch seinen Einwilligung geben, wenn z.B. seine Frau und seine Tochter darauf bestehen würden.

In der Diskussion wurde u.a. darauf hingewiesen, dass kleine Männer auch Probleme haben, eine Partnerin zu finden, ebenfalls "zu intelligente" Frauen, und ob dann in dem Fall eine "Dummheitsbehandlung" angemessen wäre? Meinerseits wies ich auf das allgemeinmenschliche Problem hin, einem Körpermerkmal "die Schuld" für irgendwelche Probleme/Unzufriedenheiten zu geben, was m.E. (und auch meiner eigenen Erfahrung nach) dazu führen kann, dass nach ev. medizinischer "Entfernung" dann einfach das nächste Merkmal gesucht und auch gefunden wird, was dann einen Teufelskreis in Bewegung setzen kann, was der Referent auch als mögliche Ursache für "Schönheits-OP-Sucht" ansprach.

4. Referat
Maya Peled-Raz
Universität Haifa, Israel
"Bestes Interesse" von Kindern bei nicht-therapeutischen Eingriffen
Die Referentin gab einen Überblick zum Begriff "Bestes Interesse" aus juristischer Perspektive: Zunächst einmal dient der Begriff dazu, die Befugnisse z.B. der Eltern zu beschränken. Es gibt jedoch 2 Möglichkeiten, "Bestes Interesse" zu verstehen: Einerseits, die Interessen des Kindes zu maximieren; andrerseits, seine Interessen zumindest nicht bedeutend zu vermindern. Leider würde in der internationalen Rechtssprechung meist von der 2., schwächeren Bedeutung ausgegangen. Zudem wird eine Abwägung vorgenommen zwischen Kindesinteresse, Autonomie der Familie (d.h. des Willens der Eltern), der religiösen Praxis der Eltern, und den Interessen von "Kindern allgemein". Weiter führe das Prinzip der Vermeidung bedeutenden Schadens dazu, dass bei grösserem Nutzen auch gleichzeitig grösserer Schaden in Kauf genommen werden darf. Oft würden Gerichte (etwa bei nicht-therapeutischer Forschung oder bei Organspenden von Geschwistern) zudem schnell mal spekulativen Nutzen als gegeben annehmen, die Interpretation von "Nutzen" generell möglichst weit spannen und "Opfer" von individuellen Kindern als legitim betrachten ...

5. Referat
Imme Petersen / Regine Kollek
Universität Hamburg
Herausforderungen gewebsbasierter Forschung: Empirischer Überblick über die Einstellungen von Eltern und Ihre Bedürfnisse betreffend informierte Einwilligung und Datenschutz
Die Referentin erarbeitet zu diesem Thema eine Studie. Praktisch jedes Kind mit Krebs nehme an medizinischen Versuchen teil. In den meisten Fällen werden Gewebsproben gesammelt und damit geforscht. In der BRD ist dies legal, solange ein direkter Nutzen für den Patienten oder eine Gruppe von Patienten daraus entstehe, das Risiko nur minimal sei und die Eltern ihre Einwilligung geben. Nationale und internationale Bestimmungen forderten mittlerweile generell nebst der Einwilligung der Eltern (consent), die informiert, kompetent und frei erfolgen müsse, auch die Zustimmung (assent) der Kinder. Nebst Fragen der Zustimmung sind zudem auch folgende tangiert: Datenschutz und Vertraulichkeit, Informationsrechte und -Pflichten.

In der Diskussion kam u.a. heraus, dass es z.B. in England Kindern zwar leicht gemacht werde, ihre Zustimmung zu geben -- im Gegensatz zum Anbringen eines Widerspruchs (dissent) ...

Ein klinischer Mediziner wies zudem darauf hin, dass es in der realen Welt halt oft so aussehe, dass letztlich der Arzt entscheide, weil die Eltern gar nicht fähig sind, eine informierte und kompetente Entscheidung zu treffen, da sie weder willens noch fähig seien, sich das dazu nötige Wissen innert nützlicher Frist anzueignen, weshalb es in der Praxis dann so laufe, dass der Mediziner zu den Eltern eine Vertrauensbeziehung aufbaut und seine Arbeit mehr darin sieht, sie von seiner eigenen Entscheidung zu überzeugen ...

Was im Fall von gewebsprobenbasierter Krebsforschung ev. weniger problematisch sein mag, weil es ev. kaum zu keinen direkten Schädigungen von Kindern führt. Bloss läufts ja in der realen Welt auch bei genitalen Zwangsoperationen nach derselben Praxis -- und dort siehts für Zwitter bekanntlich rasch mal ungleich düsterer aus ...

--> Fortsetzung: Teil 2

Tuesday, October 7 2008

"Aussen bin ich hübsch, doch im Innern ruiniert" - Migros-Magazin 41, 06.10.2008

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Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Gelungener Artikel von Thomas Müller (PDF Download 298kb). Nella redet einmal mehr Klartext über die an Zwittern systematisch begangenen Menschenrechtsverletzungen:

(Nachtrag: Siehe auch Diskussion auf dem Vereinsforum)

"Daniela Truffer (43) kam als Zwitter auf die Welt. Schritt für Schritt wurde sie zur Frau umoperiert. Heute kämpft sie für das Recht auf Selbstbestimmung und für die Anerkennung eines 3. Geschlechts: intersexuell. [...] Mit den «genitalen Zwangsoperationen» würden Ärzte mehr Probleme verursachen als lindern, davon sind die Selbsthilfegruppen der Betroffenen überzeugt. [...] «Selbstbestimmung für Intersexuelle ist auch heute noch kein Thema», bedauert Truffer. Deshalb setzt sie sich vehement dafür ein, dass nicht lebensnotwendige Operationen künftig nur noch mit dem Einverständnis der Betroffenen durchgeführt werden. Fachleute aus der Sozialwissenschaft [...] unterstützen diese Auffassung, namhafte Juristen wie die Zürcher Rechtsprofessorin Andrea Büchler pochen ebenfalls auf auf das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen."

Christianes Prozess wird erwähnt, Intersexuelle Menschen e.V. sowie der CEDAW-Schattenbericht, desgleichen die systematischen Zwangskastrationen an Zwittern und ihre Folgen. Die Schweizerische Selbshilfegruppe ist ebenso verlinkt wie die Elternselbsthilfe.

Auch die Sozialwissenschafterin Kathrin Zehnder (die schon in der Schweizer Ärztezeitung kein Blatt vor den Mund nahm) redet in einem "ExpertInnen-Kasten" Klartext, etwa auf die Frage, ob "diese operativen Eingriffe" an Kindern "sinnvoll" seien:

"Nein. Solche Eingriffe sind schwerwiegend, schmerzhaft, sie können die sexuelle Sensibilität nehmen und sind nicht rückgängig zu machen. [...]"

Auch Zehnder kritisiert zudem die Ignoranz der Ethikkommissionen und anderer Aufsichtsorgane:

"Die Schweizerischen Ethikkommissionen haben sich bisher mit dem Thema nicht auseinandergesetzt. Auch die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften schweigt."

Umso erfreulicher, dass das Migros-Magazin in einer Auflage von knapp 1.6 Millionen herauskommt und in der Deutschschweiz eine MACH-Reichweite von 55% erreicht. Denn je mehr Leute von den an Zwittern systematisch begangenen Menschenrechtsverletzungen erfahren, desto schneller werden die Medizyner endlich mit den genitalen Zwangsoperationen, Zwangskastrationen und sonstigen nicht eingewilligten "Behandlungen" aufhören müssen ...

(Bild: Esther Michel / Migros-Magazin)

Monday, October 6 2008

Veranstaltungen diese Woche

Diskussion in Berlin u.a. mit Knut Werner-Rosen und Ins A. Kromminga
Di 7.10.2008, 18-21h, Oranienstr. 106, 10969 Berlin, Raum E 109

Nachtrag: Ins' Input auf dem GenderFreeBlog

Internationaler Kongress in Göttingen, veranstaltet vom der Netzwerk-Arbeitsgruppe Ethik und Universitätsmedizin Göttingen, Abt. Ethik in der Medizin und Medizingeschichte:
THE RIGHTS OF CHILDREN IN MEDICINE, Do-Fr 9.-10.10.2008
Mehr Infos, Programm und Anmeldung

Nachtrag: Bericht auf diesem Blog

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