DIE LINKE ist die einzige Partei,
die bisher im
Bundestag Vorstösse zu Gunsten von Zwittern unternahm, wo wir NICHT
bloss
"mitgemeint" waren. Mitte September erkundigte ich mich
deshalb im Namen von Intersexuelle
Menschen e.V., ob DIE LINKE eine Kleine Anfrage einreichen würde, um die
Forderungsliste und
den Schattenbericht zu
unterstützen und einmal mehr Antworten auf noch offene Fragen
einzufordern.
Die Reaktion der zuständigen Fachreferentin war positiv. DIE LINKE habe
kürzlich schon eine Anhörung im Bundestag zum Schattenbericht beantragt, wenn
auch ohne Erfolg.
Ich machte mich also gleich an die Arbeit und mailte nach Rücksprache
mit dem Vorstand (und einer ganzen Menge Überstunden) wie verabredet am
25.9.08 einen Textvorschlag samt Fragenkatalog. Den fand die
Fachreferentin "sehr gut", lediglich "der Vortext muss ein wenig gekürzt und in
seiner politischen Botschaft etwas 'entschärft' werden". Der neu zuständige
wissenschaftliche Mitarbeiter hoffte, trotz überquellenden Schreibtischs in
etwa zwei Wochen dazu zu kommen.
Mittlerweile sind zwei Monate vergangen.
Auf Anfrage erfuhr ich neulich, drei Viertel der Einführung und ein
Drittel der Fragen müssten gestrichen werden. Ausser, sie würden eine grosse
Anfrage machen – was nach anfänglicher Zusage inzwischen aber "nicht möglich"
sei. Der Bundesregierung im Detail vorzuhalten, sie würde Fragen nicht
beantworten, sei auch zu polemisch.
Priorität für DIE LINKE, so der Mitarbeiter, habe aktuell eh die
Fertigstellung eines Antrags zur Abschaffung des TSG respektive Änderung
Personenstandsrecht betreffend Transsexuelle, Transgender und, äh, Zwitter. Auf
meine Frage nach den realpolitischen Chancen dieses für uns Zwitter auch aus
seiner Sicht unvorteilhaften Multipacks lachte er
nur.
So harren wir weiter der Dinge, die da kommen sollen ...
Nachtrag: Es geschehen noch Zeichen und Wunder ...
Heute Nachmittag erhielt ich tatsächlich eine überarbeitete Rohfassung – und
das Wichtigste, nämlich die Fragen, sind im Wesentlichen alle noch drin ...
auch vom Rest sind ansehnliche Filetstücke mit drin geblieben ...
Nachtrag 25.11.08: Ich habe heute mit dem
verantwortlichen Mitarbeiter von DIE LINKE telefoniert, der mir mitteilte, dass
der Text noch von ein paar Leuten gelesen werde, darunter die Rechtsabteilung
und der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi. Es könne daher noch zu kleinen
Änderungen kommen, inhaltlich werde der Vortext sowie die Fragen jedoch nicht
mehr geändert werden. Ende dieser Woche wird uns dann schliesslich die fast
definitive Fassung zugestellt! Theoretisch ...
Nachtrag 29.11.08: Ich habe erneut mit dem
Verantwortlichen von DIE LINKE telefoniert, da ich den Text nicht, wie
versprochen, Ende letzter Woche erhalten hatte. Die Kleine Anfrage liege noch
bei Frau Dr. Barbara Höll, die leider noch keine Zeit hatte, diese
durchzulesen. Danach müsse die Kleine Anfrage noch von der Justiziarin
durchgelesen werden. In der Zwischenzeit will mir der verantwortliche
Mitarbeiter den fast definitiven Text noch zukommen lassen.
Nachtrag 5.12.08: Ich habe gestern mit dem
verantwortlichen Mitarbeiter telefoniert, er sei sehr im Stress, weil er
demnächst in den Urlaub fährt, er würde mir den Text der Kleinen Anfrage aber
sicher am nächsten Tag mailen, jetzt grad habe er aber keine Zeit. Wenig
überraschend brach er auch dieses Versprechen und hat mir den definitiven Text
auch heute nicht gemailt. Habe ich versucht, den Verantwortlichen
telefonisch zu erreichen - einmal mehr ohne Erfolg.
Nachtrag 12.12.08: Heute erreichte ich endlich
Herrn S., mit dem ich Anfang Woche bereits gesprochen hatte. Er bestätigte
meine Ahnung: Er habe inzwischen mit Frau Dr. Barbara Höll sprechen können und
es sei so, dass der verantwortliche Mitarbeiter die Kleine Anfrage vor seinem
Urlaub nicht mehr fertig bearbeiten und einreichen konnte. Der Verantwortliche
sei aber am nächsten Donnerstag, 18.12., wieder im Büro und werde die Kleine
Anfrage dann definitiv vor Weihnachten noch rauslassen. Der verantwortliche
Mitarbeiter hätte mich wenigstens - wie mehrmals versprochen - informieren
können, meinte ich, worauf Herr S. nichts zu erwidern wusste.
Nachtrag 18.12.08: Gemäss den letzten Informationen
(siehe 12.12.) ist der für die Kleine Anfrage verantwortliche Mitarbeiter von
Frau Dr. Höll seit dem 18.12. wieder im Büro. Weil nach Berlin an meinem
Arbeitsplatz die versäumten Stunden nachholen musste, und wegen dem übrigen
Trubel, kam ich leider nicht dazu, nochmals nachzuhaken. Da sich aber der
Sachbearbeiter einmal mehr nicht bei mir meldete, gehe ich davon aus, dass er
nach wie vor auf dem Schlauch steht. Fortsetzung folgt ...
Kommentar Stand 28.12: Drei Monate steht DIE
LINKE nun schon auf dem Schlauch – wohl wissend, dass die Zeit gegen die
Interessen der Zwitter arbeitet. Es stellt sich die Frage, wie ernst es DIE
LINKE mit den Zwitter-Anliegen wirklich meint (im Gegensatz z.B. zur
"Integration" der Zwitter ins TSG, siehe oben). Wieder und wieder wurden wir
mit Ausreden abgespiesen und erneut vertröstet. Unterbelegtes Büro hin oder
her:
- Wäre die Anfrage noch vor der
Antwort der Bundesregierung auf dei CEDAW-Fragen vom 21.11. raus, hätte
sie (wie geplant) bestimmt vieles bewirken können.
- Auch noch im Vorfeld der
CEDAW-Veranstaltung mit Ministeriumsbeteiligung vom 15.12. wäre die
Anfrage bestimmt hilfreich gewesen.
- Aus welchen Gründen auch immer, so wie's ausschaut, ist zu befürchten,
das die Kleine Anfrage von DIE LINKE wohl auch noch bis NACH der 43.
CEDAW-Schattenbericht-Session Ende Januar unter dem Deckel gehalten wird ...
Wenn das das Ziel war, herzlichen Glückwunsch schon jetzt!
Nachträge 16.1.09 / 16.2.09: DIE
LINKE: Kleine Anfrage im Bundestag "noch im Januar"
Nachtrag 28.2.: Aus der Kleinen Anfrage von DIE LINKE
wird nun wohl doch eher eine Keine Anfrage. Entgegen den letzten Versprechungen
("sicher noch im Januar") ist nun auch der Februar ins Land und DIE LINKE
bleibt uns die vor mittlerweile fünf Monaten versprochene Kleine Anfrage immer
noch schuldig. Ebenso wie eine Antwort auf unsere diesbezügliche Mail vom
20.2.2009 ...
Siehe auch:
-
DIE LINKE: 2 neue Kleine Anfragen "Zur Situation intersexueller Menschen" im
Bundestag! (16/12769 + 16/12769)
-
Erste Antwort auf die neuen kleinen Anfragen – Bundesregierung deckt ZwangsOPs
wie üblich ... (16/13269)
-
Antwort der Bundesregierung zur 2. Kleinen Anfrage – Leugnen, Wegschauen,
Schweigen wie gehabt ... (16/13270)
-
Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
-
Faule Eier für "die Bundesregierung"!
Ein Ausschnitt aus dem Vorschlag für die Einleitung:
>>> ganze Einleitung
[...] In den letzten zwölf Jahren wurde die Bundesregierung durch Kleine
Anfragen bisher vier Mal aufgefordert, zur Situation der intersexuellen
Menschen in Deutschland, der medizinischen Praxis und den rechtlichen
Implikationen Stellung zu nehmen (Drucksachen 13/5916, 14/5627, 16/4322,
16/4786). Von betroffenen Menschen wurde mehrfach kritisiert, dass auf
wiederholt gestellte wesentliche Fragen keine Antworten erfolgten und generell
die Sicht der betroffenen Menschen nicht einbezogen, sondern einseitig
auf den Parteistandpunkt der "an einer Fortführung der bisherigen Praxis
interessiert[en]" Mediziner zurückgegriffen wurde (Schattenbericht
CEDAW 2008, 1.2).
Noch als die Bundesregierung zum dritten Mal in Folge nach
Statistiken zum Vorkommen und zur Behandlung von
intersexuellen Menschen gefragt wurde, lautete die Antwort: "Der
Bundesregierung liegen keine bundesweit
einheitlichen Erfassungen und Statistiken vor" (16/4786). Zwar wurde 2001
"voraussichtlich ab 2002" eine statistische Erfassung in Aussicht gestellt
(14/5627), jedoch später nie mehr darauf Bezug genommen. Zu keinem Zeitpunkt
wurden Konsequenzen gezogen aus diesem Nicht-Vorliegen genauer Daten und
widersprüchlichen Teilangaben gemäß "Erkenntnisse[n] von Fachgesellschaften und
Wissenschaft": zum Beispiel "etwa 150" Geburten jährlich "mit genitale[n]
Fehlbildungen" gegenüber "7" Krankenhauseinweisungen "mit der Diagnose
Hermaphroditismus [...] im Jahr 2004"; "etwa 1:4500" "genitale Fehlbildungen"
gegenüber "etwa 8 000 bis 10 000" "schwerwiegenderen Abweichungen der
Geschlechtsentwicklung" (16/4786). Geht es demgegenüber in wissenschaftlichen
Publikationen um die Anzahl der zu Behandelnden, so heißt es bei 1:1000 sei
keine "eindeutige Zuordnung" möglich, was gut 80 000 betroffenen Menschen
entspricht (Finke/Höhne: "Intersexualität bei Kindern" 2008). Umso
notwendiger wären deshalb aus Sicht der betroffenen Menschen exakte Statistiken
und kontinuierliches Monitoring.
Durchgängig stellte sich die Bundesregierung auf den Standpunkt, die an
intersexuellen Kindern ohne ihre Einwilligung vorgenommenen chirurgischen
Eingriffe seien ausnahmslos "medizinisch indiziert" und dienten deshalb
dem "Kindeswohl [...] (§ 1627 BGB)" (14/5627). Weiter unterstellt die
Bundesregierung, "größer angelegte Nachuntersuchungen als auch die klinische
Praxis" würden beweisen, "dass die Mehrzahl der betroffenen Patienten
rückblickend (d. h. im Erwachsenenalter) die bei ihnen in der Kindheit
vorgenommene operative Vereindeutigung ihres Genitalbefundes für richtig
befinden", vermag dafür jedoch keine Belege anzuführen (16/4786).
Möglicherweise bezog sich die Bundesregierung auf die in diesem Zusammenhang
gerne zitierte amerikanische
Studie von Meyer-Bahlburg aus dem Jahre 2004, die angeblich beweist, dass
85% der Befragten sich "mit ihrem Geschlecht zufrieden" zeigten (vgl. Aktuelle
Urologie 2005; 36: 90-95). Die in dieser Studie vorgenommene Interpretation der
Untersuchungsergebnisse ist jedoch alles andere als unumstritten. So hält etwa
Prof. Dr. M. Westenfelder (Krefeld) unter anderem fest:
"Zieht man z.B. in den einzelnen Auswertungsergebnissen die Gruppe der 17
CAIS, die zunächst ohne Intersexproblematik und ohne Operation zunächst als
'normale' Mädchen aufwachsen, von dem Gesamtkollektiv ab, so kommt es in
einigen Aussagen zur Umkehr der Ergebnisse." (http://www.thieme-connect.com/ejournals/html/uro/doi/10.1055/s-2005-870031)
Mittlerweile vorliegende Forschungsergebnisse des Netzwerks
Intersexualität/DSD unterstreichen dies. So bestätigte etwa die
"Hamburger Studie" die von betroffenen Menschen seit Jahren
immer wieder betonten, von der Bundesregierung aber bisher ignorierten
Missstände in der Behandlung intersexueller Menschen:
"Die Behandlungsunzufriedenheit von Intersexuellen ist [...]
eklatant hoch. [...] Ein Drittel [der Patienten] bewertet
geschlechtsangleichende Operationen als zufriedenstellend bzw. sehr
zufriedenstellend, ein weiteres Drittel ist unzufrieden bzw. sehr unzufrieden
und das letzte Drittel ist z.T. zufrieden, z.T. unzufrieden." (Christian
Schäfer: "Intersexualität: Menschen zwischen den Geschlechtern". http://www.springer.com/medicine/thema?SGWID=1-10092-2-513709-0)
Auch die aktuelle "Lübecker Studie" bestätigt erneut die
notorisch "Hohe Unzufriedenheit mit der medizinischen Behandlung" von
Intersexuellen. Eltern von Betroffenen schätzten zudem deren
Lebensqualität durchgehend besser ein als die Kinder selbst. (Vortrag von
Dipl.-Psych. Eva Kleinemeier und Dipl.-Soz. Martina Jürgensen (Lübeck)
anlässlich des
5. Bundesweiten Treffens "Netzwerk Intersexualität e.V." vom 6.9.2008 in
Kiel. Erste Resultate in schriftlicher Form werden Anfang Oktober auf der
Netzwerk-Homepage veröffentlicht.)
Dasselbe bestätigt die Feststellung: "Auch aus der Literatur ist bekannt,
dass sich ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz von Menschen mit
DSD im Lauf der Pubertät oder im Erwachsenenalter entschließt, das ihnen
zugewiesene soziale Geschlecht zu wechseln." (M. Jürgensen; O. Hiort;
U. Thyen: "Kinder und Jugendliche mit Störungen der Geschlechtsentwicklung:
Psychosexuelle und -soziale Entwicklung und Herausforderungen bei der
Versorgung". Monatsschrift Kinderheilkunde, Volume 156, Number 3, March 2008,
S. 226-233.
http://www.netzwerk-is.uk-sh.de/is/fileadmin/documents/publikationen/Kinder_und_Jugendliche_mit_Stoerungen_der_Geschlechtsentwicklung.pdf)
Diese aktuellen Studien zur Situation Intersexueller in Deutschland
unterstreichen also einmal mehr, dass die von der Bundesregierung
durchgehend behauptete Ausrichtung auf das Kindeswohl nicht der Realität
entspricht.
[...] Menschen mit einer Besonderheit der geschlechtlichen Entwicklung sind
ein Teil unserer Gesellschaft und haben als gleichberechtigte Bürger ein Recht
auf freie Entfaltung und Entwicklung. Die an ihnen begangenen medizinisch nicht
notwendigen, traumatisierenden Zwangsbehandlungen stellen aus der Sicht der
betroffenen Menschen einen erheblichen Verstoß gegen ihr Menschenrecht
auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde dar, auf deren
Wiedergutmachung sie nach wie vor warten.
Siehe auch:
-
DIE LINKE: 2 neue Kleine Anfragen "Zur Situation intersexueller Menschen" im
Bundestag! (16/12769 + 16/12769)
-
Erste Antwort auf die neuen kleinen Anfragen – Bundesregierung deckt ZwangsOPs
wie üblich ... (16/13269)
-
Antwort der Bundesregierung zur 2. Kleinen Anfrage – Leugnen, Wegschauen,
Schweigen wie gehabt ... (16/13270)
-
Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!
-
Faule Eier für "die Bundesregierung"!