Wednesday, February 6 2013

Intersex: UN-Sonderberichterstatter über Folter verurteilt "genital-normalisierende Zwangsoperationen" und "Sterilisierung"

>>> Pressemitteilung zum Thema von Zwischengeschlecht.org (07.02.2013)

'Genitalverstümmelungen stoppen!' - Aktion von Zwischengeschlecht.org"Genitale Zwangsoperationen jetzt beenden!": Zwischengeschlecht.org vor der UNO, 25.1.09

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Zum heutigen 10. Welttag "Null Toleranz gegen weibliche Genitalverstümmelung" nur gute Nachrichten (2): 

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Der UN-Sonderberichterstatters über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, Juan Ernesto Méndez, veröffentlichte im Rahmen der 22. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates (UNHRC) einen >>> Report A/HRC/22/53 (PDF, englisch) zum Thema "missbräuchliche Praktiken im Gesundheitswesen"  – und fand darin betreffend Intersex-Genitalverstümmelungen deutliche Worte:

Kapitel "IV. Aufkommende Anerkennung verschiedener Formen von Missbrauch im Gesundheitswesen", Abschnitt "E. Marginalisierte Gruppen", Unterabschnitt 4. "Intersex-Menschen":

"Kinder, die mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt kommen, werden oft irreversiblen Geschlechtszuweisungen, erzwungener Sterilisierung und erzwungenen genital-normierenden Operationen unterworfen, die ohne ihre informierte Zustimmung oder diejenige ihrer Eltern durchgeführt werden, "als Versuch ihr Geschlecht in Ordnung zu bringen", was sie mit dauerhafter, irreversibler Unfruchtbarkeit zurücklässt und schweres seelisches Leiden verursacht." (Abs. 77)

"Diese Maßnahmen [genital-normalisierende Operationen] sind selten medizinisch notwendig, können Narbenbildung, Verlust des sexuellen Empfindens, Schmerzen, Inkontinenz und lebenslange Depressionen verursachen und wurden zudem als unwissenschaftlich, gesundheitsgefährdend und zu Stigma beitragend kritisiert." (Abs. 76)

Kapitel "V. Schlussfolgerungen und Empfehlungen", Abschnitt "B. Empfehlungen", Unterabschnitt 3. "Intersex-Menschen":

"Der Sonderberichterstatter ruft alle Staaten auf, jegliche Gesetze abzuschaffen, die intrusive und irreversible Behandlungen erlauben, darunter genital-normalisierende Zwangsoperationen, erzwungene Sterilisierung, unethische Experimente [oder] medizinische Zurschaustellung [...], wenn diese zwangsweise oder ohne freie und informierte Zustimmung der betroffenen Menschen angeordnet werden. Er ruft sie weiter auf, Zwangssterilisationen oder Nötigung zu Sterilisierung unter allen Umständen gesetzlich zu verbieten und Menschen, die marginalisierten Gruppen angehören, besonderen Schutz zukommen zu lassen." (Abs. 88)

Im Kapitel III. wird zudem allgemein dargelegt

• wie und warum im Kontext medizinischer Behandlungen von Misshandlung oder Folter auszugehen ist, wenn Erniedrigung oder Beschämung das effektive Resultat von Handlungen, Unterlassungen oder Nachlässigkeit ist, auch wenn es nicht die erklärte Absicht war (Abs. 17, 18, 20)

• dass sich die Schutzpflicht der Staaten zur Verhinderung von Folter explizit auch auf das Gesundheitswesen erstreckt und nicht nur direktes staatliches Handeln, sondern auch Unterlassung angemessenes Handelns zur Verhinderung von Verstößen durch Dritte betrifft (Abs. 23)

• dass die Staaten verpflichtet sind, jegliche Verstöße zu verhindern, und sie andernfalls zu untersuchen und zu bestrafen (Abs. 24)

• dass bei uneingewilligten medizinischen Zwangsbehandlungen Misshandlung oder Folter vorliegen kann, auch wenn MedizinerInnen geltend machen, diese in "guter Absicht" oder im "sogenannt besten Interesse der betroffenen Person" vorgenommen zu haben (Abs. 32)

• dass Gesundheitsanbieter verpflichtet sind, sich besonderer Bedürfnisse von Intersex-Menschen bewusst zu sein und sich diesen anzupassen (Abs. 38).
 

Input von Organisationen Betroffener

Der Bericht verweist betreffend "genital-normalisierende Zwangsoperationen, erzwungene Sterilisierung, unethische Experimente [und] medizinische Zurschaustellung" und deren Folgen auf eine angefragte Stellungnahme der US-Intersex-Lobbygruppe "Advocates for Informed Choice (AIC)", die ihrerseits in Absprache auf Beiträge von Zwischengeschlecht.org und UN-Schattenberichte von Intersexuelle Menschen e.V. zurückgriff, sowie auf die weltweit von Betroffenenorganisationen unterstützte Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK-CNE).
 

Überfälliger wichtiger Schritt

Zwischengeschlecht.org dankt dem UN-Sonderberichterstatter über Folter Juan Ernesto Méndez und allen weiteren Beteiligten ganz herzlich und begrüßt den Bericht ausdrücklich als weiteren Schritt zur Beendigung der ungebrochen andauernden medizinischen Verbrechen an Zwittern und zur Durchsetzung ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit.

Dies umso mehr, als der UN-Menschenrechtsrat anlässlich des Universellen periodischen Überprüfungsverfahrens (UPR) der Schweiz am 29.10.2012 das Thema mutwillig außen vor ließ, obwohl es im Schattenbericht der NGO-Koalition angesprochen war und nebst Zwischengeschlecht.org u.a. auch Advocates for Informed Choice (AIC), Intersexuelle Menschen e.V und Genres Pluriels (Belgien) sich bei Mitgliedern des UNHRC wiederholt dafür einsetzten.

Organisierte Betroffene von medizinisch nicht notwendigen genitalen Zwangsoperationen im Kindesalter kritisieren solche Eingriffe seit mindestens 1996 wieder und wieder explizit als "medizinische Folter", vgl. diverse Texte von >>> Heike Spreitzer und Michel Reiter, Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie (AGGPG).
 

Der Teufel steckt im Detail

Bei allem Grund zur Freude enthält der Bericht in Bezug auf Intersex z.T. auch Dinge, die aufzeigen, dass leider immer noch falsche Vorstellungen kursieren, die zur Unsichtbarmachung der spezifischen Probleme der Betroffenen beitragen und ihren jahrzehntelangen Kampf um körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung erschweren, indem sie zu unzulässigen Verwechslungen mit Anliegen von Schwulen, Lesben und Transsexuellen führen.

So werden im Bericht die Folgen der "Genitalkorrekturen" inkl. der dazugehörigen Fussnote zur Zuarbeit von Advocates for Informed Choice (AIC) nicht unter Abs. 77 "Kinder mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen" aufgeführt, sondern in Abs. 76 unter "Homophobie" und "reparative Therapien". Der Sonderberichterstatter räumte dazu am 05.03.2013 im persönlichen Gespräch in Genf ein, er habe bezüglich kosmetischen Genitaloperationen an Intersex-Menschen keine Vorkenntnisse gehabt und den Bericht unter grossem Zeitdruck abliefern müssen.

Zwischengeschlecht.org und AIC überreichten dem Sonderberichterstatter ein gemeinsames Statement, das unter 1. festhielt:

"Obwohl Kinder, die mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen zur Welt kommen (a.k.a. Intersexe / Hermaphroditen / Störungen der Geschlechtsentwicklung DSD), mit verschiedenen Probemen konfrontiert sein können, sind das Hauptproblem die medizinisch nicht notwendigen, irreversiblen kosmetischen Genitaloperationen an ihren Genitalien und Fortpflanzungsorganen. Obwohl diese chirurgischen Eingriffe den Betroffenen seit mehr als 60 Jahren systematisch aufgezwungen werden, erfolgen sie immer noch experimentell, d.h. es gibt keine Evidenz für Vorteile für die Betroffenen.
Dies ist ein eigenes und einzigartigs Problemfeld, das massive Menschenrechtsverletzungen beinhaltet, die sich unterscheiden von den Problem, mit denen die LGBT-Community konfrontiert ist.
Um dieses eigene und einzigartige Problemfeld angemessen angehen zu können und um mögliche Verwechslungen zu vermeiden, sollte es künftig angemessen in einem eigenständigen Abschnitt behandelt werden (wie z.B. im kommenden WHO-Stellungnahme zu Sterislisierung)."
 

Die zusätzlich überreichte Broschüre "Intersex Genital Mutilations: History & Current Practice"   >>> Mehr Info + Download hier dokumentiert medizinisch nicht notwendige, irreversible kosmetische Genitaloperationen an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen anhand von konkreten Beispielen aus namhaften medizinischen Fachpublikationen 1763-2012, die Mal für Mal eindrücklich die außerordentliche Grausamkeit der an betroffenen Kindern begangenen, medizynischen Verbrechen belegen. Weshalb – wie auch der UN-Sonderberichterstatter über Folter im März 2013 erneut bekräftigte – fraglos zumindest grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung gegeben ist, wenn nicht sogar Folter.

>>> Pressemitteilung zum Thema von Zwischengeschlecht.org (07.02.2013)

>>> Genf 4.3.: UN-Sonderberichterstatter verurteilt Intersex-Genitalverstümmelungen 

>>> Kosmetische Genitaloperationen an Kindern: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen

10 Jahre Internationaler Tag "Null Toleranz gegen weibliche Genitalverstümmelung" - Zwischengeschlecht.org gratuliert

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Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 06.02.2013:

 

»Ein Land, das sexuelle Verstümmelungen als 'barbarisch' ächtet und zu Recht bestraft,    
sollte auch kosmetische 'Genitalkorrekturen' an Kindern nicht mehr tolerieren.«
    
Daniela Truffer    

 

Hände weg von Kindergenitalien!

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Der Kampf von Betroffenen von weiblicher Genitalverstümmelung und ihrer UnterstützerInnen dauert schon ungleich länger als die Bestrebungen der Zwitterbewegung, und immer noch werden täglich wehrlose Mädchen genitalverstümmelt.

Es kam nicht von heute auf morgen, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO Position für die Betroffenen ergriff.

Wir gratulieren allen Beteiligten solidarisch zum heutigen Jubiläum, und wünschen weiterhin viel Kraft und Erfolg! Und bringen zur Feier des Tages auf dem Weblog Zwischengeschlecht.info nur gute Nachrichten. [eins] [zwei]

Gleichzeitig möchten wir alle westlichen UnterstützerInnen dieses Kampfes respektvoll daran erinnern:

Was Kindern mit "atypischen Genitalien" in unseren Kinderkliniken immer noch angetan wird, von "aufgeklärten" MedizynerInnen und bis heute letztlich mit stillschweigender Duldung von Gesellschaft und Politik, ist nicht in allen, aber in vielen Aspekten vergleichbar mit der "afrikanischen Genitalverstümmelung", und wird seit 20 Jahren von Betroffenen öffentlich angeklagt als "westliche Form der Genitalverstümmelung".

Bis in die 1980er-Jahre wurde "im Westen" tausenden und abertausenden wehrlosen Kindern eine "zu große Klitoris" kurzerhand amputiert oder gar "ausgekernt".

Die Medizyner behaupteten dazu bis in die 1990er-Jahre "die Orgasmusfähigkeit leidet unter der Klitorisentfernung nicht", und stellten diese Eingriffe zum Teil explizit in eine Reihe mit der "Beschneidung von Mädchen bei afrikanischen Naturvölkern".

Bis heute weigern sich die beteiligten Universitäten und Standesgesellschaften, dieses Unrecht nur schon anzuerkennen, geschweige denn aufzuarbeiten oder nur schon endlich mit den heutigen "modernisierten" Verstümmelungsformen aufzuhören.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

Freundliche Grüße

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org

Mobile +41 (0) 76 398 06 50
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>>> Zwitter-Genitalverstümmelungen: Diskriminierung oder Verbrechen? 
>>> Zum 10. Welttag "Null Toleranz gegen FGM" nur gute Nachrichten (1) 
>>> Zum 10. Welttag "Null Toleranz gegen FGM" nur gute Nachrichten (2) 
>>> "Klitorisamputationen an Kindern - Aufarbeitung tut Not!" Offener Brief an Uni ZH

Tuesday, February 5 2013

Nach Protesten: Intersex-Genitalverstümmler verkriechen sich in die Provinz

'Genitalverstümmelungen stoppen!' - Aktion von Zwischengeschlecht.orgIntersex-Protest + Offener Brief vor der Universitäts-Kinderklinik C.G. Carus Dresden, 23.9.12

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Zum heutigen 10. Welttag "Null Toleranz gegen weibliche Genitalverstümmelung" nur gute Nachrichten (1):

"IPOKRaTES"-"DSD-Seminar" auf Abwegen

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)

Rio de Janeiro, Köln, Johannesburg, Doha, München, Kuala Lumpur, Toronto: Für gewöhnlich finden die prestigeträchtigen pädiatrischen Fortbildungs-Seminare der Baden-Württemberger "IPOKRaTES Foundation", für deren Durchführung die Firma "m:con – mannheim:congress GmbH" verantwortlich zeichnet, nicht gerade hinter den sieben Bergen statt.

Augenfällige Ausnahme: Das letztes Wochenende zu Ende gegangene klinische "DSD-Seminar" zum Thema "Diagnosis and Management of Adrenal and Gonadal Disorders" >>> Programm (PDF), wie gewohnt besetzt mit interkontinentalen "hochkarätigen Spitzenkoryphäen" (aus Europa u.a die "EuroDSD"/"I-DSD"/"DSD-Life"-Chefverstümmler Prof. Dr. Olaf Hiort, Prof. Dr. Pierre Mouriquand, Prof. Dr. Stefan Wudy und Prof. Dr. S. Faisal Ahmed).

Austragungsort: Die abgelegene oberösterreichische Marktgemeinde St. Florian, gelegen "inmitten der Natur", ziemlich genau zwischen dem drittrangigen Lokal-Verstümmlerhospital "Landes-Frauen- und Kinderklinik Linz" und der Gedenkstätte KZ Mauthausen. Und obendrein noch gut von der Öffentlichkeit abgeschirmt auf dem Privatgelände innerhalb der Trutzburg des dortigen gleichnamigen Stiftes.

"Raus! Raus! Raus!"

Zufall? Wohl kaum. Seit die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org vor bald 5 Jahren begann, kontinuierlich vor Genitalabschneiderkongressen und Verstümmlerkliniken friedliche Mahnwachen und Proteste abzuhalten, bekamen wir Mal für Mal mehr zu spüren, wie sehr unsere blosse gewaltfreie Anwesenheit den TäterInnen gegen den Strich geht. Ab Herbst 2010 wurde es schliesslich zur mittlerweile festen Regel, dass Medizyner oder sonstige Verantwortliche wieder und wieder versuchen, uns mit abenteuerlichen Begründungen einzuschüchtern und trotz ordnungsgemässer Anmeldung von unserem Platz zu vertreiben – selbstverständlich stets ohne Erfolg.

Besonders hervorgetan hatte sich dabei letzten Frühling ausgerechnet die obgenannte Firma "m:con", seinerzeit beauftragt mit der Durchführung des Genitalabschneider-Kongresses "DGE 2012" im "m.con"-Hauptsitz "Rosengarten Congress Centrum Mannheim". "m:con" belagerte uns richtiggehend und drohte mit einem martialischen Polizeieinsatz (siehe Bild), aus dem aber letztlich doch nix wurde; vielmehr kam ein Kamerateam des SWR und drehte eine gelungene Reportage, ausgestrahlt passenderweise am Weltfrauentag 2012 und nach wie vor auf youtube anzugucken.

Verstümmler in die Pampa - hinter hohe Zäune, Schloss und Riegel!

Das "IPOKRaTES"-"DSD-Seminar" in der Provinz ist kein Einzelfall: Zwischengeschlecht.org beobachtet mit Genugtuung die Tendenz, wie kleinere Genitalabschneider-Treffen sich auf abgelegene Nebenschauplätze verlagern, oder versteckt auf Privatgelände Zuflucht suchen, wo die TäterInnen sich vor protestierenden Betroffenen geschützt fühlen, wie z.B. das diesjährige "5. Dreiländertreffen Kinderchirurgie" mitten im Gelände des Universitätsklinikums Heidelberg.

Und wie die großen Kongresse (vergeblich) versuchen, friedliche Mahnwachen schon im Vorfeld möglichst ins Abseits zu drängen, sowie handfest auf die Presse Einfluss zu nehmen, nicht etwa über die menschenrechtswidrige Praktiken auf dem Tagungsprogramm und die lebenslangen Leiden der Opfer zu berichten, sondern vielmehr über den positiven ökonomischen Einfluss der Medizyner-Invasion auf Hotels und Gastgewerbe nach dem Motto "Das Fressen kommt vor der Moral". 

Zwischengeschlecht.org wird wird die VerstümmlerInnen weiterhin mit dem von ihnen begangenen Unrecht konfrontieren, und die Öffentlichkeit darüber informieren. Auch wenn wir als kleine Menschenrechtsgruppe nicht jede Schlacht gegen die einflussreichen und mächtigen Medizyner-Standesorganisationen gewinnen können, so zeigen ihre betupften bis wütenden Reaktionen vor allem eines: Ihr Gewissen ist nicht rein, und tief in ihren schwarzen Herzen wissen auch die scheinbar unbeirrbarsten VerstümmlerInnen nur zu genau, dass nicht recht ist, was sie tun, und dass die Zeit gegen sie läuft. Und je mehr sie sich verstecken hinter hohen Mauern und Sicherheitsaufgeboten, desto mehr kriegen sie einen Vorgeschmack, wohin sie gehören und kommen werden, wenn sie mit dem Kinderverstümmeln nicht endlich aufhören.

>>> 10 Jahre "Null Toleranz gegen FGM" - Zwischengeschlecht.org gratuliert  
>>> Genitalverstümmelungen in KInderkliniken: Typische Diagnosen und Eingriffe 

Sunday, February 3 2013

Geschlechtsverbot für Intersex-Kinder (§ 22 PStG): "Deutliche Kritik an neuer Regelung" (queer.de) und weitere Reaktionen

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Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> Interessanter Artikel auf queer.de inkl. z.T. ebensolchen Kommentaren darunter, zum neuen "Geschlechtseintrags-Verbot" für Intersex-Kinder im neuen § 22 (3) PStG, mit einem Überblick zu den ersten Verlautbarungen, inkl. zu unserer Pressemitteilung vom 1.2.13, und einem Bild von unserem Protest vor dem Kispi St. Gallen. Danke!

Einen solidarischen Kommentar schaltete Daniel R. Frey auf >>> Queerdenker.ch. Und einen Hinweis Heinz-Jürgen Voß auf >>> Das Ende des Sex. Danke!

Nachtrag 1: >>> Deutliche öffentliche Kritik gab's mittlerweile auch von Intersexuelle Menschen e.V., OII Deutschland (IVIM) und von der Juristin Konstanze Plett, die alle ebenfalls rügen, Betroffene nicht konsultiert wurden, dass das Zwangsgesetz den Druck auf Eltern erhöht, und in erster Linie ein Verbot der Verstümmelungen notwendig wäre sowie den MedizynerInnen die (Definitions-)Macht zu entreissen. Danke! 

Wie schon festgehalten, tun die PolitikerInnen in ihren Pressemitteilungen überparteilich gleichgeschaltet alle so, als würde der neue Paragraph den Betroffenen eine Wahl auftun, obwohl dem bekanntlich klar nicht so ist – offensichtlich können sie alle vor lauter Wahlkampf und anderen wichtigeren Dingen nicht mal "ist-ohne-Eintrag-einzutragen" (so steht's ultimativ im neuen § 22 drin) von "kann-ohne Eintrag-eingetragen-werden" unterscheiden – obwohl manche den neuen Gesetzestext noch copy/pasten!

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) reklamiert offiziell die Verantwortung für das Debakel, das auf ihre "Initiative" zustande gekommen sei und die Umsetzung "einer Forderung des Deutschen Ethikrates im Bereich der Intersexualität" darstelle. Und das war's dann – kein Wort zum eigentlichen Problem der täglichen Intersex-Genitalverstümmelungen ... bekanntlich hat die Bundesregierung dazu auch sonst dezidiert "keine Meinung".

Die CDU/CSU, vertreten durch Dorothee Bär und Peter Tauber, nennt den neuen Zwang einen "großen Erfolg, für die betroffenen Menschen, die" – und hier müsste sich die ganze CDU/CSU in erster Linie gleich selbst an der Nase nehmen! – "in der öffentlichen Debatte leider nur selten Beachtung finden". Um danach voller Selbstlob (und wie von Zwischengeschlecht.org prophezeit) sogleich zu unterstellen, damit wäre die Arbeit ja getan rsp. ein angeblich "besonders wichtiges Anliegen der Betroffenen" abgehakt, und das (in den Augen der Betroffenen zentrale) Problem der andauernden Intersex-Genitalverstümmelungen würde sich – Dank der gütigen Hilfe von CDU/CSU – nun ja quasi von sebst lösen: "Damit begleiten wir auch den Paradigmenwechsel in der Fachwelt, die von festlegenden operativen Eingriffen [...] abrückt." Tja, schön wär's – aber Hauptsache zur Ablenkung noch grossartig das "binäre Geschlechtermodell" als angeblichen Sündenbock vorschieben, jedoch bloss kein Wort vom Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Die GenitalabschneiderInnen werden's bestimmt mit grosszügigen Wahlkampfspenden danken!

In einem Blogpost nennt Peter Tauber (CDU) immerhin realistischere Zahlen, als wir uns das sonst von PolitikerInnen gewohnt sind: "Jedes Jahr werden zwischen 200 und 400 Kinder in Deutschland geboren, bei denen das Geschlecht nicht eindeutig festzustellen ist. [...] In Deutschland leben nach Schätzung mehrere zehntausend intersexuelle Menschen." Ansonsten tut er weiterhin so, als wären die Verstümmelungen (nicht zuletzt dank unzähliger Bundestags-Sitzungen) längst Geschichte, indem er ausschliesslich von "irreparablen medizinischen Eingriffen in der Vergangenheit" schreibt, angeblich "aufgrund einer fehlenden Sensibilität bei Ärzten und Krankenhäusern" – dass die Verstümmelungen obendrein noch recht rentabel sind, ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wie stets in den letzten 20 Jahren, wenn an den Verstümmelungen nichts geändert werden soll, plant auch Tauber ein weiteres "Fachgespräch" – als wäre nicht längst schon alles zigmal durchgekaut (und als hätte es z.B. das Verdikt des UN-Komitees gegen Folter oder die Bundestagsanhörung nie gegeben): "Darüber hinaus habe ich mich dafür eingesetzt, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend [...] einen großen Kongress durchführt, damit das Thema fachlich weiter diskutiert, wir über nächste Schritte sprechen und wie wir die Gesellschaft weiter sensibilisieren können." Und wenn sie nicht gestorben sind, so labern – äh, operieren sie noch heute ...

Wie ebenfalls vorausgesehen verkaufen die Grünen, vertreten durch Monika Lazar und Volker Beck (und gepusht vom LSVD), den neuen Zwang für die Betroffenen vollmundig als "kleine Revolution für Intersexuelle". Es ehrt sie, dass sie im Anschluss immerhin sogleich thematisieren, dass das eigentliche Anliegen der Betroffenen, nämlich ein "Verbot" der Genitalverstümmelungen, bzw. der "große Wurf" nach wie vor"fehlt". Dass sie dabei weiterhin unverdrossen der TäterInnensprache fröhnen, indem sie von "prophylaktischen, geschlechtsangleichenden Operationen" reden, verursacht einmal mehr Brechreiz, und macht deutlich, dass auch sie selbst das Wesentliche leider immer noch nicht wirklich kapieren wollen.

Die FDP schickte gleich 2 Pressemitteilungen ins Rennen: Manuel Höferlin [offline] wertet den neuen Zwang als "einen liberalen Erfolg". Dito Florian Bernschneider, der es zusätzlich mit Grünen hält: "Dies ist nicht mehr und nicht weniger als eine kleine Revolution im Personenstandsrecht." Die eigentliche Problematik der Verstümmelungen deuten beide nicht einmal an. Auch dafür werden sich die GenitalabschneiderInnen bestimmt erkenntlich zeigen.

Keine Pressemitteilungen gab's offenbar von SPD und Die Linke – zumindest konnte ich keine ausfindig machen.

Nachtrag 2:

Mechthild Rawert (SPD) kritisierte auf ihrer >>> Homepage die Gesetzesänderung ebenfalls als "Hauruck-Aktion" und bemängelte mangelnde interfraktionelle Abstimmung. Den zentralen Kritikpunkt der Betroffenenorganisationen, nämlich dass die Änderung einen neuen Zwang und keine Option darstellt, und dadurch Eltern noch stärker unter Druck setzen und betroffenen Kindern konkret schaden wird, scheint Rawert allerdings entgangen zu sein, da sie dies nicht einmal erwähnt, und stattdessen ebenfalls behauptet, es handle sich um eine "kann-Möglichkeit". Auch die Kritik, dass die Betroffenenorganisationen für den neuen § 22 (3) nicht konsultiert wurden, bleibt unerwähnt.

Stattdessen fordert Rawert weiterhin unbeirrbar (wie schon an der Veranstaltung im Rogate-Kloster) einen 3. Geschlechtseintrag offensichtlich auch für Neugeborene, statt, wie Betroffene dies fordern, ggf. eine selbstbestimmte optionale Möglichkeit für Erwachsene.

Immerhin fordert laut Mechthild Rawert anscheinend die SPD an 1. Stelle mittlerweile ein "Verbot von irreversiblen geschlechtszuweisenden bzw. geschlechtsanpassenden Operationen an mehrdeutig geschlechtlich geborenen Kleinkindern, an Minderjährigen ohne deren ausdrückliche Einwilligung" – langsam scheint da etwas in Bewegung zu kommen, auch wenn leider die unreflektierte Rede von "geschlechtszuweisenden bzw. geschlechtsanpassenden Operationen" weiterhin ausschliesslich der TäterInnenperspektive Rechnung trägt und die wohl häufigsten kosmetischen Genitaloperationen an Kindern einmal mehr aussen vor lässt (wie schon der Ethikrat). Auch die Rede von "mehrdeutig geschlechtlich geborenen Kleinkindern" stiftet (gewollt?) unnötig Verwirrung, statt deutlich klarzustellen, worum es wirklich geht, nämlich um Kinder mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen (und nicht um Rawerts offensichtliches Steckenpferd der "Geschlechtsidentität", sexuelle Orientierung usw.).

Hier besteht offensichtlich weiterhin erheblicher Informationsbedarf. Nicht zuletzt, weil Mechthild Rawert auch in sonstigen Mitteilungen zum Thema Intersex körperliche Unversehrtheit mit "Identitätsfragen" gern bunt durcheinandermischt, und z.B. tatsachenwidrig behauptet, in Argentinien fänden keine Zwitter-Genitalverstümmelungen mehr statt. Auch hier hätte eine Konsultation mit Betroffenenorganisationen sie schnell eines Besseren belehrt, nämlich dass Argentinien im Allgemeinen und Buenos Aires im Besonderen unverändert GenitalabschneiderInnenhochburgen sind, die obendrein noch massgeblich zur globalen Propagierung der menschenrechtswidrigen Verstümmelungen beitragen – offensichtlich mit ausdrücklichem Segen und gar noch Lob der Tempelhofer SPD. Auch die zunehmenden Verstümmelungen in der Berliner Charité waren bisher weder für Mechthild Rawert noch für die Berliner SPD jemals ein Thema ...

>>> Bundesrat 2014: Verwaltungsvorschrift zum PStG-Murks § 22(3) PStG:
        Alleinige Definitionshoheit und Entscheidungsgewalt für Ärzte    

>>> Bundestag 31.1.13: Staatliches Zwangsouting für "Intersex-Kinder" -
        Freipass für GenitalabschneiderInnen

>>> Intersex-Fakten: Geschlechtseintrag "offen" seit 2009 möglich (§ 7 PStV) -
        Genitalverstümmelungen zunehmend 

Intersex-Fakten: Geschlechtseintrag "offen" seit 2009 möglich (§ 7 PStV) - Genitalverstümmelungen zunehmend

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Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 3. Februar 2013:

Geschlecht: Zwangsoperiert

Zwischengeschlecht.org on FacebookEin wichtiger Punkt blieb in der Diskussion über das unglückliche neue "Geschlechtseintrags-Verbot" für Intersex-Kinder (§ 22 PStG) unerwähnt – leider auch in unserer >>> Pressemitteilung vom 1.2.2013:

In Deutschland besteht bei der Geburt eines Intersex-Kindes seit dem 1.1.2009 offiziell keine Frist mehr, bis wann das "Geschlecht" gemeldet werden muss.

Sprich, der Geschlechtseintrag kann – falls von den Eltern gewünscht – seit 4 Jahren sinnvollerweise OPTIONAL unbefristet offen gelassen werden.

Grundlage dafür ist die aktuelle "Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (PStV)". Deren § 7 PStV lautet seit dem 01.01.2009 wie folgt:

(1) Fehlen Angaben oder Nachweise für die Beurkundung eines Personenstandsfalls, kann das Standesamt die Beurkundung zurückstellen. Die Beurkundung des Personenstandsfalls ist in diesem Fall in angemessener Frist nachzuholen.

(2) Dem Anzeigenden ist auf Antrag eine Bescheinigung darüber auszustellen, dass der Personenstandsfall angezeigt wurde, aber noch nicht beurkundet werden konnte.

Der Hamburger Senat hatte dazu am 2.6.2009 öffentlich festgehalten (Drucks. 19/3438, S. 3):

"Die Senatsvertreterinnen und -vertreter berichteten, das Personenstandsgesetz in Deutschland sehe aktuell keine Verpflichtung vor, bei der Anmeldung des Kindes nach der Geburt auch das Geschlecht festzulegen. Wenn das Geschlecht zu diesem Zeit- punkt nicht bekannt sei, könne dies auch so eingetragen werden. Es werde derzeit eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Personenstandsgesetz diskutiert, nach der auch der Eintrag beim Standesamt, dass das Geschlecht nicht festgestellt sei, zulässig sei. Es werde danach keine Frist gesetzt, innerhalb der das Geschlecht fest- gelegt werden müsse."

Tatsachen, Irrtümer und ein "Geheimtipp"

Zwischengeschlecht.org hatte seit 2009 verschiedentlich über diese Möglichkeit des Offenlassens berichtet, und PolitikerInnen (vergeblich) persönlich darauf hingewiesen. Die Hebammenbroschüre von Intersexuelle Menschen e.V. (PDF --> S. 13) verweist seit Jahr und Tag ausdrücklich auf § 7 PStV.

Dass Familienmisisterin Kristina Schröder aktuell behauptet, erst mit dem 31.1.2013 beschlossenen § 22 (3) PStG "wird es erstmals möglich, das Geschlecht intersexueller Menschen im Geburtenregister offen zu lassen", entspricht NICHT den Tatsachen – ebenso vergleichbare Aussagen u.a. der Abgeordneten Dorothee Bär und Peter Tauber (CDU/CSU), Monika Lazar und Volker Beck (Grüne), Manuel Höferlin (FDP) und Florian Bernschneider (FDP).

Auch ist es irreführend, wie in öffentlichen Verlautbarungen zum Bundestagsbeschluss behauptet wird, es sei nun eine "Möglichkeit" geschaffen worden auf den Geschlechtseintrag zu verzichten, und Betroffene hätten neu "Entscheidungsfreiheit": Tatsache ist, dass der neue § 22 (3) PStG KEINE "Kann-Formulierung" enthält, die Eltern und später Betroffenen eine Wahl lässt; Eltern betroffener Neugeborener sind nach dem Buchstaben des Gesetzes nunmehr GEZWUNGEN, ihr Kind ohne Geschlecht einzutragen. Obwohl Betroffene seit 20 Jahren vor den verheerenden Folgen solcher Zwänge warnen. Dass der Bundestag hier für mehr Zwang stimmte statt für eine sinnvolle optionale "Kann-Formulierung" ist absolut unverständlich. Nachbesserung hoffentlich bald!

• Ein "Geheimtipp" ist immer noch die Tatsache, dass Intersexe nach § 47 PStG das Recht haben, ihren Geschlechtseintrag später optional berichtigen zu lassen, falls sie dies wünschen, und zwar OHNE sich als transsexuell erklären/begutachten lassen zu müssen – was Betroffenen aber von Ärzten und Behörden oft mutwillig und widerrechtlich verweigert oder erschwert wird. Hier wäre durch entsprechende Informationsbestrebungen und verbesserte Aufsicht dringend Abhilfe zu schaffen.

Fakt: Jedes Jahr mehr Leiden an kosmetischen "Genitalkorrekturen"

Tatsache ist weiter, dass – entgegen Verlautbarungen u.a. von Dorothee Bär und Peter Tauber (CDU/CSU) ("Fachwelt rückt von operativen Eingriffen ab"in Deutschland medizinisch nicht notwendige, kosmetische Genitaloperationen an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen deutlich ZUNEHMEN, und NICHT ABNEHMEN:

Allein in den letzten 4 Jahren wurden mehrere auf solche medizinisch nicht notwendige Genitaloperationen spezialisierte Zentren neu aufgebaut (z.B. in der Charité Berlin) oder das Angebot und die Frequenz in bestehenden massiv ausgebaut (z.B. Ulm, Jena, Offenbach). Allein im Lehrkrankenhaus Klinikum Offenbach GmbH werden mittlerweile jährlich über 500 kosmetische "Peniskorrektur-OPs" an Kindern durchgeführt!

Betroffene fordern seit langem Transparenz, d.h. Offenlegung und Konsolidierung entsprechender Behandlungszahlen und -kosten für ALLE kosmetischen Genitaloperationen und sonstigen medizinisch nicht notwendigen Prozeduren an betroffenen Kindern, und zwar inkl. Folgekosten/"Nachkorrekturen"

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

Freundliche Grüße

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org

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>>> Zwitter-Genitalverstümmelungen: Diskriminierung oder Verbrechen? 
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"Aufarbeitung tut not!" Klitorisamputationen u.a. "Genitalkorrekturen" an Kindern
>>> Kosmetische GenitalOPs: Ausklammerung von "Hypospadie" unethisch
>>> "Intersex"-Genitalverstümmelungen - Offener Brief an Rogate-Kloster St. Michael

Friday, February 1 2013

Intersex-Genitalverstümmelungen: "Als Gynäkologin sehe ich Patientinnen, deren sexuelle Empfindungsfähigkeit beeinträchtigt ist" (Dr. Michal Yaron, Uniklinik Genf) (1)

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Die französischsprachige Intersex-Sendung >>> "Un corps, deux sexes" (Online Video) wurde von vielen gelobt. Was besonders Aufsehen erregte: Nicht nur nahmen darin Betroffene klar Stellung gegen kosmetische Genitaloperationen an Kindern (darunter Daniela "Nella" Truffer und Vincent Guillot) und es gab Ausschnitte vom Protest gegen den Europäischen KinderurologInnenkongress "ESPU 2012", sondern es äusserten sich auch mehrere MedizinerInnen mit bisher kaum gehörter Deutlichkeit. Danke!!!

Als erstes Beispiel dokumentiert dieser Blog nachfolgend ein auf Deutsch übersetztes Transkript von Nella mit den Aussagen der Genfer Kindergynäkologin Dr. Michal Yaron:

Michal Yaron (Gynécologie pédiatrique, HUG): "Gewisse Missbildungen stellen eine Gefahr dar, eine Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit, aber es handelt sich wirklich um die Minderheit der Fälle. Die meisten brauchen keine Operationen, man operiert, weil man denkt, dass es eine rasche Lösung ist und danach wird alles psychologisch gut gehen, wenn einmal die Genitalien einem Geschlecht entsprechen, welches immer man dem Individuum auch zugewiesen hat. Dies ist jedoch nachweislich nicht der Fall. Die durch die Kinderchirurgen durchgeführten Operationen führen nicht zu einer Betreuung nach der Pubertät. Deshalb haben diese Individuen, die als Kinder operiert wurden, später Probleme, die sich niemand hätte vorstellen können. Als Gynäkologin sehe ich Patientinnen mit einer Verengung der Vaginalöffnung, ich sehe Patientinnen, deren Empfindungen beeinträchtigt sind, weil die Operation Gewebe betrifft, das sexuell sensibel ist, wie auch die Nerven, die es umgeben, und man stellt eine Verminderung der Empfindungen fest aufgrund dieser Operationen und des sich gebildeten Narbengewebes."

>>> "Kein Recht, Kinder wegen der Eltern zu operieren" (Dr. Blaise Meyrat) (2)

>>> Genitalverstümmelungen in KInderkliniken: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> "Aufarbeitung tut not!" Unis, Klitorisamputationen u. a. "Genitalkorrekturen  

Thursday, January 31 2013

REMINDER: In Deutschland ist OPTIONALES Offenlassen des Geschlechtseintrags bei Intersex-Kindern seit 2009 ohnehin unbefristet möglich (§ 7 PStV)

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Geschlecht: Zwangsoperiert

Zwischengeschlecht.org on FacebookEin wichtiger Punkt ging in der bisherigen Diskussion über das unglückselige Geschlechtseintrags-Verbot für Intersex-Kinder vom 31.1.13 durch den Bundestag stets unter – leider auch in unserer Pressemitteilung von gestern (inzwischen nachgetragen), obwohl dieser Blog ansonsten in den letzten Jahren mehrfach darauf hinwies und wir auch schon PolitikerInnen (vergebens) darauf aufmerksam machten:

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Bundestag 31.1.13: Staatliches Zwangsouting für "Intersex-Kinder" - Freipass für GenitalabschneiderInnen (§ 22 PStG)

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>>> Pressemitteilung zum Thema von Zwischengeschlecht.org vom 01.02.2013

Ausgeliefert! Zwischengeschlecht.org on FacebookDer Bundestag hat am späten Donnerstagabend einen kurzfristig eingereichten Antrag (PDF)  gutgeheissen, wonach künftig via Personenstandsgesetz "uneindeutigen" Neugeborenen der Eintrag eines Geschlechts amtlich verboten wird:

PStG § 22 Abs. 3 [neu]: „(3) Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe in das Geburtenregister einzutragen.“

Zweifellos wird diese Neuerung als ein angeblicher "Durchbruch für die Rechte Intersexueller" verkauft werden (allen voran von Grünen und LGBT-Verbänden – Nachtrag: q.e.d.). Und von allen Parteien als Ausrede benutzt, weshalb sie auf die tatsächlichen und massiven Menschenrechtsverletzungen an Zwittern (wie z.B. kosmetische Genitalverstümmelungen und selektive Abtreibungen) weiterhin gar nicht erst eintreten werden, das Problem sei nun ja abgehakt (Nachtrag: q.e.d., CDU/CSU).

Umso mehr lohnt es sich, näher zu betrachten, was dieser Beschluss für die betroffenen Kinder selbst sowie für ihr Umfeld konkret bedeutet:

Leider zeigt sich dabei schnell einmal, dass (nebst Gender-PolitikerInnen und dritten Interessengruppen) hauptsächlich die GenitalverstümmlerInnen in den Kinderkliniken von diesem neuen Gesetz profitieren werden ...

• Zunächst ist zu beachten: Es handelt sich NICHT um eine optionale "Kann-Formulierung", sondern um ein obligatorisches Muss: "ist [...] ohne eine solche Angabe [...] einzutragen". Damit wird betroffenen Kindern ein Geschlechtseintrag explizit verunmöglicht, was faktisch einem Verbot gleichkommt. (Auch wenn Familienministerin Kristina Schröder in ihrer Presseeinladung fälschlicherweise das Gegenteil suggeriert: "Damit wird es erstmals möglich, das Geschlecht intersexueller Menschen im Geburtenregister offen zu lassen.")

• Welche Instanz letztlich bestimmt, wann und ob "das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden [kann]", wird dabei nicht weiter festgehalten – braucht es aber auch nicht: Bestimmen werden wie gehabt allein die MedizynerInnen ...

Der Druck auf Eltern, widerrechtlich in kosmetische Genitaloperationen für die betroffenen Kinder "einzuwilligen", wird sich erhöhen: Die oft überforderten und von irrationalen Schuldgefühlen geplagten Eltern werden von den MedizynerInnen – nebst mit dem bereits üblichen Unter-Druck-Setzungs-Instrumentarium ("soziales Aus", "wird sich umbringen", "niemals glücklich sein können", Blablabla) – zusätzlich damit konfrontiert werden, dass sie bei einem "solchen Kind" nicht einmal mehr ein Geschlecht eintragen lassen dürften – es sei den, sie willigten zuerst in eine kleine Operation ein, nachher sei eine "Zuordnung" ja problemlos möglich ... (Schon heute argumentieren die MedizynerInnen bei den meisten betroffenen Kindern, eigentlich handle es sich klar um Jungen oder Mädchen, diese nur hätten ein kleines Problemchen, das sich aber ohne weiteres operativ beheben liesse ...)

Der Druck auf Eltern, ein betroffenes Kind (spät-)abtreiben zu lassen, wird sich erhöhen: Spätabtreibungen betroffener Kinder sind seit mindestens 1972 legal und zunehmend. Auch hier werden die MedizynerInnen den neuen §22 gerne als zusätzliches "Überzeugungsmittel" herbeiziehen.

Betroffenen Kindern droht ein staatlich verordnetes Zwangsouting in Kindergarten, Schule usw. – mit allen Folgen: "Anderssein" ist in der Regel kein Zuckerschlecken. Umso wichtiger wäre psychosoziale Unterstützung bei konkreten Mobbing-Fällen (statt angeblich "präventive" genitalverstümmelnde Zwangsoperationen). Die Verweigerung eines Geschlechtseintrags für betroffene Kinder wird stattdessen zu mehr Mobbing führen ("Du hast ja nicht mal nen Geschlechtseintrag!").

• Fazit: Noch weniger Schutz der Betroffenen vor kosmetischen Genitaloperationen, aber auch vor Diskriminierungen.

Personenstandspolitik mit Kinderblut an den Händen

Das eigentliche Problem: Nach wie vor werden heute 90% aller betroffenen Neugeborenen möglichst früh ohne medizinische Notwendigkeit kosmetisch genitalverstümmelt und leiden ein Leben lang unter den Folgen (u.a. Verminderung oder Zerstörung der sexuellem Empfindungsfähigkeit, schmerzende Narben, usw.). Immer noch werden viele ohne medizinische Notwendigkeit kastriert ("Wir wollen doch keine Mutanten züchten").

Aber wen interessiert sowas schon? Offensichtlich nicht den Bundestag. Hauptsache, der Amtsschimmel wiehert und GeschlechterpolitikerInnen können darauf anstossen, einmal mehr zwangsverstümmelte Kinder als Mittel zum Zweck der Aushöhlung des "bösen Zweigeschlechtersystems" missbraucht zu haben.

Dabei wäre es ganz einfach, WIRKLICH etwas für die betroffenen Kinder zu tun:

• Ein Verbot medizinisch nicht notwendiger, kosmetischer Genitaloperationen an Kindern, rsp. die gesetzgeberische Anerkennung, dass Eltern noch nie berechtigt waren, im Namen ihrer Kinder in solche Eingriffe einzuwilligen, weshalb die Verstümmelungen schon seit jeher illegal erfolgten, und entsprechendes Unterbinden von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern aufgrund solcher widerrechtlicher "Einwilligungen".

• Statt menschenrechtswidrige Genitalverstümmelungen zu tolerieren endlich angemessene psychosoziale Unterstützung und Peer Support für Betroffene, Eltern und das soziale Umfeld zu gewährleisten.

Durchsetzung der korrekten Anwendung von  § 7 PStV, wonach ein sinnvolles OPTIONALES Offenlassen des Geschlechtseintrags bei betroffenen Kindern seit 2009 ohnehin unbefristet möglich ist (Nachtrag):

Dazu hielt etwa der Hamburger Senat am 2. Juni 2009 öffentlich fest (Drucks. 19/3438, S. 3): "[D]as Personenstandsgesetz in Deutschland sieht aktuell keine Verpflichtung vor, bei der Anmeldung des Kindes nach der Geburt auch das Geschlecht festzulegen. [...] Es werde danach keine Frist gesetzt, innerhalb der das Geschlecht festgelegt werden müsse."

Die offizielle Grundlage dafür ist die aktuelle "Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes (PStV)". Deren § 7 PStV lautet seit dem 01.01.2009 wie folgt (vgl. auch die Hebammenbroschüre von Intersexuelle Menschen e.V. (PDF) --> S. 13):

(1) Fehlen Angaben oder Nachweise für die Beurkundung eines Personenstandsfalls, kann das Standesamt die Beurkundung zurückstellen. Die Beurkundung des Personenstandsfalls ist in diesem Fall in angemessener Frist nachzuholen.

(2) Dem Anzeigenden ist auf Antrag eine Bescheinigung darüber auszustellen, dass der Personenstandsfall angezeigt wurde, aber noch nicht beurkundet werden konnte.

Durchsetzung der korrekten Anwendung von § 47 PStG, wonach Betroffene, die später ihren Geschlechtseintrag korrigieren lassen wollen, dies unbürokratisch tun können (statt dass Ämter und Behörden weiterhin widerrechtlich MedizynerInnen helfen, solche Betroffene tatsachenwidrig zu Transsexuellen zu erklären).

Das Preussische Landrecht war schon mal weiter: Seit 20 Jahren weisen Betroffenenorganisationen darauf hin, dass Personenstandsexperimente wie zwangsweises Offenlassen des Geschlechtseintrags oder zwangsweise Einführung eines 3. Geschlechtseintrag nicht im Interesse der betroffenen Kinder sind. Stattdessen sollten betroffene Kinder nach bester Einschätzung vorläufig einem sozialen Geschlecht inkl. Eintrag zugewiesen werden (jedoch ohne kosmetische Eingriffe!!!), unter Offenheit den Kindern gegenüber über ihre Besonderheit, und Hinweis auf die Option, ihren Geschlechtseintrag ggf. später unbürokratisch korrigieren zu lassen (§47 PStG). Paradoxerweise waren Betroffene mit dem Zwitterparagraphen im Preussischen Allgemeinen Landrecht (1794-1900), wonach zunächst die Eltern den Geschlechtseintrag bestimmten (§19) und die betroffene Person diesen bei Volljährigkeit unbürokratisch ändern konnte (§20), besser gestellt als heute!

Meine 2 Cent:

Leider hat es der Bundestag einmal mehr sträflich versäumt, sich wirksam für den Schutz und die Interessen der wirklich Betroffenen einzusetzen, und stattdessen wiederum dritte Interessengruppen und nicht zuletzt ausgerechnet die GenitalverstümmlerInnen favorisiert – wie sich auch die Bundesregierung seit über 16 Jahren konsequent GEGEN die Opfer der frühkindlichen Verstümmelungen stellt, und sich bis heute stets auf die Seite der TäterInnen schlägt.

Wie lange noch?!

Nachtrag: Die insgesamt 34-minütige Beratung von TOP 18 mit allen Reden der Abgeordneten kann online nachegeguckt/gehört und heruntergeladen werden, entweder >>> an einem Stück oder >>> einzeln. Das >>> schriftliche Protokoll 219. Sitzung (PDF) ist mittlerweile ebenfalls aufgeschaltet (TOP 18 auf S. 27217-27223).

Inzwischen gab's auch deutliche Kritik von Intersexuelle Menschen e.V und OII Deutschland (IVIM).

>>> UPDATE: Medien-Falschmeldung "Geschlechtseintrag 'unbestimmt' in D wählbar"

>>> Intersex-Fakten: Geschlechtseintrag "offen" seit 2009 möglich (§ 7 PStV) 
>>> § 22 (3) PStG: "Deutliche Kritik an neuer Regelung" - erste Reaktionen
>>> Alleinige Entscheidungsgewalt für Ärzte: Verwaltungsvorschrift zum PStG-Murks

>>> Verflucht sollt ihr alle sein, denn an euren Händen klebt Kinderblut! 
>>> Deutschland: Hunde besser vor Verstümmelung & Kastration geschützt als Kinder
>>> Bundesregierung angeblich "keine Meinung" zu Intersex-Genitalverstümmelungen
>>> Faule Eier für "die Bundesregierung"! (1996-2009)

>>>
Chirurgische "Genitalkorrekturen" an Kindern: Typische Diagnosen und Eingriffe 

Sunday, January 27 2013

Auslöschung von Zwittern: Spätabtreibungs-Indikation "Gefahr intersexueller Mißbildungen (Pseudohermaphroditismus)"

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Menschenrechte auch für Zwitter!

Seit langem kritisieren Betroffene, dass nicht nur durch kosmetische Zwangsoperationen Zwitter als Spezies zum Verschwinden gebracht werden sollen, sondern auch durch selektive Abtreibungen. Michel Reiter (AGGPG) hatte u.a. 1998 >>> in einem Interview dazu ausgeführt:

Ich befürchte zukünftig den gefährlichen Trend, daß mit einer zunehmenden Veröffentlichung dieser Thematik der Ruf nach Abtreibung von nicht eindeutig geschlechtlich zuzuordnenden Föten stärker wird. Zwitter können nach der medizinischen Indikation bis zum neunten Monat abgetrieben werden, wenn sie für die Eltern als nicht zumutbar gelten.

In letzter Zeit hatten u.a. ETEKAR und Simon Zobel (IMeV/Amnesty) vermehrt auf höchstwahrscheinlich steigende Abtreibungsraten von Intersexen hingewiesen.

Dass werdenden Eltern von Intersex-Kindern in der Regel eine Abtreibung angeraten wird, ist seit längerem unbestritten, vgl. z.B. den Aufsatz >>> "Unversehrte Genitalien sind keine Selbstverständlichkeit" (PDF) von Vanessa-Nino Kern: "Wird Intersexualität pränatal festgestellt, wird meist zu einer Abtreibung des ungeborenen Kindes geraten."

Weniger bekannt ist, wie lange dies schon der Fall ist. Wie ETEKAR anhand einer Publikation der Bundesärztekammer "Medizinische Indikationen zum therapeutischen Schwangerschaftsabbruch" von 1972 (>>> Exzerpte, PDF 564 kb) nachwies, bei Kindern nicht nur mit AGS/CAH seit mindestens gut 30 Jahren.

Weiteres pikantes Detail: Die Ärztekammer-Broschüre von 1972 nimmt verschiedentlich Bezug auf den berüchtigten NS-Gynäkologen und Genitalabschneider Prof. Dr. Hans Christian Naujoks (1892-1959), der nicht nur Zwitter in Publikationen als "biologisch minderwertig" einstufte (1934) und experimentell genitalverstümmelte ("Klitorisamputation mit Stumpfbildung", 1933), sondern nach 1945 trotz zusätzlicher Beteiligung an über 1'000 Zwangssterilisierungen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde.

In der obgenannten Leitlinie von 1972 werden von Naujoks (mit-)verantwortete Leitlinien zum Thema "Schwangerschaftsunterbrechungen" von 1932, 1936, 1948 und 1954 als direkte Vorläufer der Leitlinien von 1972 hervorgehoben (Naujoks' Leitlinie von 1954 war ebenfalls im Auftrag der Bundesärztekammer erfolgt).

Kommt dazu, dass just die erste von Naujoks mitverantwortete Leitlinie von 1932 die sog. "eugenische Indikation" in Deutschland als "wissenschaftlich anerkannt" salonfähig machte (vgl. Naujoks/Winter: "Die künstliche Schwangerschaftsunterbrechung" 1948, "C. Die nichtmedizinischen Indikationen: Die eugenische Indikation", S. 109-112, hier S. 110).

Naujoks hatte sich im NS-Staat aktiv für die "eugenische Indikation" zum Schwangerschaftsabbruch bei "erbkranken" Patientinnen eingesetzt (und ebenso für deren Zwangssterilierung), bis sie zu seiner tiefen Befriedigung 1935 im "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" beides ausdrücklich gestattet wurde (vgl. Irene Franken, Daniel Schäfer: "Professionelles Handeln in der Diktatur. Hans Christian Naujoks und die deutsche Frauenheilkunde während des „Dritten Reiches“", in: Groß/Karenberg/Kaiser/Antweiler (Hrsg): "Medizingeschichte in Schlaglichtern Beiträge des „Rheinischen Kreises der Medizinhistoriker“", hier S. 244, online: PDF, 4 MB).

Auch nach 1945 propagierte Naujoks die "eugenische Indikation" zetlebens unverdrossen weiterhin unter eben dieser Bezeichnung (vgl. z.B. Leitlinie 1948, S. 110, und den von der Deutschen Ärztekammer angeforderten "Leitfaden der Indikationen zur Schwangerschaftsunterbrechung" von 1954, S. 50).

Die obgenannte Leitlinie von 1972 verzichtet zwar auf des "E-Wort", lässt jedoch auf den S. 50-54 betreffend Abtreibungswürdigkeit von Zwittern auch über AGS/CAH hinaus wenig Zweifel offen (vgl. >>> PDF):

"Internistische Indikationen - III. Erkrankungen der Nebennieren"

a) Erkrankungen der Nebennierenrinde [S. 50]

[...]

Indikationen zum Schwangerschaftsabbruch:

Absolute:

Das angeborene adrenogenitale Syndrom bei starken Virilisierungserscheinungen der Mutter trotz konsequenter Substitutionstherapie mir Cortisolanlagen und weiblichem Geschlecht der Frucht. Diese ist auf Grund der hohen mütterlichen Androgenproduktion der Gefahr intersexueller Mißbildungen (Virilisierungen, Pseudohermaphroditismus) ausgesetzt. Das Geschlecht des Föten läßt sich durch Kerngeschlechtsdiagnostik der Amnionzellen des Fruchtwassers (Punktion) bestimmen. [S. 51]

[...]

e) Innersekretorische Störungen der Ovarien

[...]

Indikation zum Schwangerschaftsabbruch:

Eine relative Unterbrechungsanzeige stellt u. U. das Auftreten eines ausgeprägten, progredienten Virilismus (Hirsutismus, Stimmbruch, Klitorishypertrophie) während der Gravidität dar. Die Gefahr des Vorliegens eines malignen Ovarialtumors macht eine chirurgische Exploration nach vorheriger Geschlechtsbestimmung der Frucht (s. Erkrankungen der Nebennierenrinde) zu einem möglichst frühen Zeitpunkt erforderlich. Bei weiblichem Geschlecht ist die Gravidität wegen der Gefahr einer intersexuellen Mißbildung des Fetus als Folge der hohen mütterlichen Androgenproduktion zu beenden. [S. 53-54]

Nach derselben Medizyner-Logik werden Zwitter heute noch als unwerte "schwere Missbildungen" klassifiziert, die Eltern nicht "zugemutet" werden können und die deshalb zur Spätabtreibung freigegeben sind. Nach derselben kranken Logik werden auch experimentelle pränatale Dexamethason-"Therapien" bei vermuteten "AGS-Mädchen" gerechtfertigt und kosmetische Genitalverstümmelungen und/oder Kastrationen bei allen Kindern, die von blossem Auge oder bei inneren Untersuchungen "atypisch" aussehen. Ebenso werden Kastrationen noch im 21. Jahrhundert gerechtfertigt mit Aussagen wie "Wir wollen in Deutschland keine Mutanten züchten".

>>> "Aufarbeitung tut not!" Unis, Klitorisamputationen u. a. "Genitalkorrekturen"
>>>
Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Typische Diagnosen und Eingriffe  

Saturday, January 26 2013

Zürich: Aufarbeitung über Gewalt in Kinderheimen gefordert, Betroffene als Versuchskaninchen für die Pharmaindustrie (1)

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Ein weiterer "Blick über den eigenen Tellerrand hinaus":

Laut einem >>> Artikel im Tages-Anzeiger vom 24.1.13 fordern die SP-Kantonsräte Susanna Rusca Speck, Rolf Steiner und Ursina Egli eine Aufarbeitung über "Missstände" in Kinderheimen, der Kantonsrat soll dazu eine Studie in Auftrag geben. Bereits letztes Jahr wurde im Kanton Luzern eine Studie über die Situation in Kinderheimen zwischen 1930 ud 1970 publiziert, die (einmal mehr) >>> "Gewaltexzesse und sexuellen Missbrauch" bestätigte. In Zürich hat sich der Kanton bis heute nie bei den Bteroffenen entschuldigt. Auf Gemeindeebene gab es zwar in Zürich und Winterthur individuelle "symbolische Wiedergutmachungen", doch das war's dann. Laut dem Artikel ist aktuell auch im Kanton Schwyz ist ein Vorstoss zur Aufarbeitung der Geschichte von Heim- und Verdingkindern hängig, und auf Bundesebene soll ein Ende letztes Jahr ernannter "Delegierter für Opfer fürsorgerischer Massnahmen" ebenfalls die Aufarbeitung vorantreiben.

Im Artikel kommt auch der Betroffene Armin Meier zu Wort, dessen einziges "Verbrechen" es war, als uneheliches Kind geboren zu sein:

«Viele Opfer sind inzwischen alt, schaffen es nicht mehr, über das Unrecht zu sprechen.» Er hofft, dass die Anfrage im Kantonsrat verhindert, dass in den Heimen Akten verschwinden. «Sie sind der einzige Beweis für das, was sich abgespielt hat.»

Der Historiker Thomas Huonker verweist auf mehrere «Fälle, in denen rücksichtslose Täter als grosse Erzieher gefeiert wurden», und konstatiert: «Alle haben sich gegenseitig gedeckt, die Jugendanwaltschaft, der Justizapparat, Ärzte, Pfarrer und Psychiater.»

Interessant weiter die >>> Kommentarseite mit mehreren Wortmeldungen Betroffener, z.B. diese (25.01.2013, 09:29): "Wir 4 Mischler-Buben waren alle in der selben Situation. Nur 2 von uns haben die Kraft sich damit auseinander zu setzen."

Heimkinder als Versuchskaninchen für Pharmaexperimente

Ende 2012 wurde zudem die Anschuldigungen des Betroffenen Peter Nowak bestätigt, dass er und viele andere im Kinderheim Fischingen eingesperrte in der Psychiatrischen Klinik Münsterlingen über Jahrzehnte als >>> Versuchskaninchen für Psychopharmaka missbraucht wurde. Ein >>> Nachfolgeartikel vom 18.1.13 weist anhand noch vorhandener Akten nach, dass Betroffene seit 1950 in Münsterlingen für Experimente herhalten mussten, wofür die Klinik von den betreffenden Pharmaunternehmen grosszügige Spenden erhielt.

Siehe auch:
- "Runder Tisch Heimerziehung": Betroffene zum 2. Mal gedemütigt und erpresst
- "Als wären wir zur Strafe hier" + "Runder Tisch Heimerziehung" fest in TäterInnenhand
- Alle Posts zu "Blick über den eigenen Tellerrand hinaus"

Wednesday, January 23 2013

NS-Medizyner und Bundesverdienstkreuzträger Prof. Hans Christian Naujoks über die "biologische Minderwertigkeit" von Intersexen

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Anlässlich einer "Klitorisamputation mit Stumpfbildung" an einem "Intersexuellen" (publiziert 1934):

„Gerade in Verfolg unserer neuen großzügigen Bestrebungen weitgehender Erb- und Rassenpflege“ ist von „eugenische[r] Seite“ aus „die Fortpflanzung dieses Wesens im Volksinteresse wohl nicht allzu wünschenswert [...]. In die Vollwertigkeit dieser Nachkommenschaft müssen doch einige Zweifel gesetzt werden [...].“
Quelle: Hans Christian Naujoks, "Über echte Zwitterbildung beim Menschen und ihre Beeinflussung", in: "Zeitschrift für Geburtshülfe und Gynäkologie" Nr. 109/2, S. 135-161 (hier S. 151, 160) >>> PDF (5 MB)  

Prof. Dr. med. Hans Christian Naujoks war zwischen 1934 und 1959 Uni-Klinikdirektor in Köln, Marburg und Frankfurt.

Vor 1945 u.a. Mitglied NSDAP, Mitglied SA, Fördermitglied SS, Mitglied NS-Ärztebund, Mitarbeiter Rassenpolitisches Amt und an über 1'000 Sterilisationen beteiligt. Naujoks' "bahnbrechende" Intersex-"Klitorisamputation mit Stumpfbildung" in Verbindung mit einer experimentellen hormonellen Fertilisierungsbehandlung von 1933 wurde noch 1996 in einer medizinischen Dissertation hervorgehoben.

Nach 1945 u.a. Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie (DGGG), die heute noch Intersex-Genitalverstümmelungen propagiert. Verfasste im Auftrag der Bundesärztekammer einen "Leitfaden der Indikation der Schwangerschaftsunterbrechung", der den Grundstein legte zu den heute noch üblichen Spätabtreibungen bei "Intersex-Diagnosen""auf Grund [...] der Gefahr intersexueller Mißbildungen des Fetus (Virilisierung, Pseudohermaphroditismus)".

>>> Prof. Dr. Hans Christian Naujoks – deutscher Genitalabschneider  
        mit "lückenloser" Karriere und Wirkung vor und nach 1945  

>>> NS-Diagnose "Intersex-Typus (Schizoid)" - Prof. Dr. Wilhem Weibel (1944)   

>>> "Wir wollen in Deutschland keine Mutanten züchten" (2003)   

Saturday, January 19 2013

Intersex: Bundesregierung angeblich "keine Meinung" zu Genitalverstümmelungen, 10-Jährige für Aufbewahrung ihrer Krankenakten selbst verantwortlich

'Genitalverstümmelungen stoppen!' - Aktion von Zwischengeschlecht.orgFriedliche Aktion vor der Ethikrat-Pressekonferenz, 23.2.12 (Bild: © dapd / sueddeutsche.de)

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)

Zwischengeschlecht.org on Facebook Wenn's um Menschenrechtsverletzungen an Menschen mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen geht, verhält sich die Bundesregierung bekanntlich seit mittlerweile 17 Jahren stets so, wie wir das von hartgesottene Kriminellen aus Filmen kennen, wenn diese im Verhör oder vor Gericht stets zu Protokoll geben: "Nichts gesehen, nichts gewusst, nichts gehört, kenne niemand, die andern waren's, usw." – und falls zwischendurch doch mal etwas eingestanden wird, dann ausschliesslich und nur das, was einem unmittelbar vorher eindeutig nachgewiesen wurde. Damit macht sich die Bundesregierung seit 17 Jahren zur Komplizin der MedizynerInnen. Wobei es bezeichnenderweise keine Rolle spielt, welche Koalition gerade an der Macht ist.

Dies zeigt sich deutlich einmal mehr in der >>> Antwort Drucks. 17/11855 (PDF) im Namen der Bundesregierung (verfasst vom Bundesministerium für Gesundheit) auf die Kleine Anfrage 17/11624 der Grünen/Bündnis 90 (UnterzeichnerInnen: Birgitt Bender, Maria Klein-Schmeink, Monika Lazar, Dr. Harald Terpe, Elisabeth Scharfenberg, Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, Sven-Christian Kindler, Dr. Konstantin von Notz, Josef Philip Winkler), ebenso in der dazugehörigen >>> Pressemitteilung.

Leider muss vorab angemerkt werden, dass schon die Anfrage die Richtung vorgab: Statt Klartext zu bringen über die medizynischen Verbrechen an Zwittern, geht es um "Verbesserung der medizinischen Betreuung", statt um Recht auf körperliche Unversehrtheit auch für Menschen mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen mal wieder genderfixiert-schwammig um "Menschen, die weder eindeutig dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können" – bei den notorisch täterInnenfreundlichen Grünen leider nix neues.

Die Bundesregierung nutzt diese Steilvorlage in der Folge gerne für Persilscheine in eigener Sache: "insbesondere die medizinische Versorgung" sei Ländersache (S. 2 usw.) – und verweist ansonsten widersprüchlicherweise auf die vom Bund (mit-)finanzierte TäterInnenforschung von "Netzwerk Intersexualität/DSD" ("Eine bundesweite Erfassung von Behandlungszentren bestimmter Erkrankungsgruppen gibt es nicht. Ausgehend von einem in der Vergangenheit durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundprojekts „Störungen der somatosexuellen Differenzierung und Intersexualität“ wurde jedoch Expertise an den Standorten Lübeck, Magdeburg, Heidelberg, Kiel, Münster und Berlin gebündelt.", S. 3) bis "EuroDSD" ("das Projekt EURODSD (Investigation of the molecular pathogenesis and pathophysiology of Disorders of Sex Development – DSD), das eine zentrale Forschungsdatenbank beinhaltet", S. 8). 

Ansonsten liefert die Bundesregierung insbesondere zu den Genitalverstümmelungen wie gehabt bloss unverbindliches Wortgeklingel à la:

Die Bundesregierung stimmt mit dem Deutschen Ethikrat überein, dass es sich bei der Entscheidung über die Vornahme eines operativen nicht reversiblen Eingriffs, der die (zukünftige) Fortpflanzungsfähigkeit und/oder die sexuelle Empfindungsfähigkeit möglicherweise irreversibel beeinträchtigt, um eine schwerwiegende Entscheidung handelt, die einen gravierenden Eingriff in die Rechte des Kindes darstellt und auf die gesamte weitere Entwicklung des Kindes bleibenden Einfluss hat. Auch nach Auffassung der Bundesregierung muss deshalb der Wille des Kindes, wenn dieses selbst nicht einwilligungsfähig ist und die Entscheidung daher von den Sorgeberechtigten getroffen werden muss, angemessen berücksichtigt werden. (S. 5)

In der Sache selbst bzw. wenn die Bundesregierung konkret werden müsste, kommen dann – Überraschung! – bloss die altbekannten Ausflüchte bzw. man hat mal wieder "noch keine Meinung":

Die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung zu diesen Fragen ist insbesondere vor dem Hintergrund, dass die medizinische Diskussion zur Intersexualität noch im Fluss ist und auch die juristische Debatte noch am Anfang steht, noch nicht abgeschlossen. (S. 5)

Dito betreffend Entschädigung für Verstümmelte (Pardon: "Geschlechtszugewiesene oder Geschlechtsangeglichene"):

Die Prüfung der Empfehlungen des Deutschen Ethikrates zu Intersexualität durch die Bundesregierung ist noch nicht abgeschlossen. Dazu gehört auch die Prüfung von Entschädigungsregelungen für Langzeit- und Spätfolgen einer frühkindlichen operativen Geschlechtszuweisung oder Geschlechtsangleichung. Dabei werden die Ergebnisse der Anhörung im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Deutschen Bundestages zu Intersexualität vom 25. Juni 2012 einbezogen. (S. 7)

Auf welcher Seite die Bundesregierung steht, nämlich derjenigen der TäterInnen und NICHT der Opfer, verdeutlicht dagegen ihr Standpunkt betreffend Aktenaufbewahrungsfristen – dort hat sie dann plötzlich eine "Meinung":

Eine besondere Regelung für die Aufbewahrung der Dokumentationen über Behandlungen von intersexuellen Menschen ist nicht geplant. [...] Im Übrigen können betroffene Patientinnen und Patienten von ihrem Anspruch auf Einsichtnahme in die Dokumentation und Herausgabe von Kopien dieser Dokumentation (§ 630g BGB) Gebrauch machen. Auf diese Weise können mündige Patientinnen und Patienten eine zeitlich unbegrenzte Aufbewahrung der Dokumentation ihrer Patientenakte sicherstellen. (S. 6)

Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass die meisten Betroffenen im Alter von 0-3 Jahren und ohne medizinische Notwendigkeit kosmetisch genitalverstümmelt werden, und z.B. bei sog. "Hypospadiekorrekturen", dem häufigsten kosmetischen Genitaleingriff bei Kindern, die Operation ebenfalls vor dem 3. Lebensjahr emfohlen wird und die Anschlussuntersuchung 2 Jahre später angesetzt wird (nicht zuletzt, um die chronisch hohen Komplikationsraten, die oft erst später auftreten, "niedrig" zu halten), wird schnell klar, worum es der Bundesregierung (und den TäterInnen) wirklich geht.

Kommt dazu, dass die meisten Betroffenen stark traumatisiert sind und in der Regel erst im Alter von 30-40 Jahren das ihnen Angetane soweit verarbeitet haben, dass es ihnen möglich wird, Nachforschungen anzustellen.

So ist es alles andere als verwunderlich, dass die wenigsten Betroffenen je ihre Akten erhalten – und es nach dem Willen von TäterInnen ud PolitikerInnen auch künftig so bleiben soll. Nicht zuletzt jetzt, wo die Forderung nach Entschädigung langsam lauter wird (siehe oben)  ...

Auffällig zudem, wie schnell die Bundesregierung eine Meinung hat, wenn es darum geht, TäterInnen zu schützen (vgl. Knabenbeschneidung) – und wie lange sie sich damit zurückhält, wenn es um die Opfer geht (siehe oben und auch sonst bei Gewalt an Kindern) ...

>>> Faule Eier für "die Bundesregierung"!
>>>
Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> "Aufarbeitung tut not!" Unis, Klitorisamputationen u. a. "Genitalkorrekturen" 

Sunday, January 13 2013

Fulda, Di 15.1.13 19:30h: "Intersex-Genitalverstümmelungen - Geschichte und Gegenwart" - Vortrag & Diskussion mit Markus Bauer

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STOP Genitalverstümmelung in Kinderkliniken!

19:30 Uhr im Café Chaos, Marquardstraße 35, 36039 Fulda

Etwa jedes 1000. Kind wird mit „atypischen“ körperlichen Geschlechtsmerkmalen geboren (Zwitter, Hermaphroditen, Intersexe). Bis heute werden 90% aller Betroffenen als Kinder ohne medizinische Notwendigkeit oft mehrfach kosmetisch genitaloperiert, mehr als die Hälfte davon in den ersten 3 Lebensjahren. Bis in die 1980er Jahre wurde eine „zu große“ Klitoris kurzerhand amputiert, laut den Medizinern angeblich ohne Auswirkungen auf das sexuelle Empfinden. Auch nach mittlerweile 60 Jahren gibt es immer noch keine Evidenz dafür, dass diese massiven Eingriffe für die Betroffenen selbst irgendwelche Vorteile hätten, oder nur schon seriöse Langzeitstudien, die beweisen würden, dass die Behandlungen halten, was die Mediziner den Eltern versprechen.

Seit 20 Jahren klagen Betroffene die massiven physischen und psychischen Folgen dieser Operationen an, die sie als Genitalverstümmelungen und Folter empfinden, und fordern ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung. Mittlerweile anerkennen auch Menschenrechtsorganisationen wie Terre des Femmes, Amnesty International und das UN-Komittee gegen Folter das Unrecht der „Genitalkorrekturen“. Trotzdem wird weiteroperiert. Jeden Tag landet allein in Deutschland ein wehrloses Kind in einer Kinderklinik auf dem OP-Tisch – auch in Fulda.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org, bestehend aus Betroffenen und solidarischen Nicht-Zwittern, kämpft seit 5 Jahren gegen kosmetische Genitaloperationen in Kinderkliniken.

Markus Bauer ist Kampagnenverantwortlicher, Redakteur des Weblogs Zwischengeschlecht.info und Partner einer Betroffenen. Er informiert über Ursachen, Geschichte und Ausmaß dieses „dunklen Kapitels der Medizingeschichte“, und über den Kampf der Betroffenen um dessen Beendigung.

Danke an die Organisierenden vom AStA der Uni Fulda!   facebook-Veranstaltungshinweis

>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> "Aufarbeitung tut not!" Unis, Klitorisamputationen u. a. "Genitalkorrekturen"

Tuesday, January 8 2013

2013

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Leider war ich nach Stockholm (mehr dazu später) nicht mehr ganz fit – das 4. Mal im letzten halben Jahr, und das 2. Mal, dass ich nicht mal mehr gradaus laufen konnte, plus kurz vor einer Lungenentzündung. Nach Antibiotika und 2 Wochen Bettruhe ging es mir immerhin gut genug für die nächste Staffel Bronchialimpfung. Die mich allerdings gleich wieder von den Socken haute. Irgendwann kann der Körper halt einfach nicht mehr dann gibt's die Quittung.

Dies als Erklärung für die lange Sendepause hier (falls es überhaupt wer gemerkt hat) und diverse unbeantwortete Mails.

Letzte Woche waren wir 6 Tage in den Bergen (siehe oben), und das erste Mal seit ich weiss nicht mehr wann hab ich dort gar nix arbeitsmässig gemacht, war sogar nicht einmal online. (2012 waren wir ein einziges Mal knappe 4 Tage dort – es war das Wochenende vor der Club-Diskussion, und es war nur Terror mit denen, wir konnten uns nicht mal in Ruhe vorbereiten, geschweige denn nach draussen laufen gehen.)

Leider werden die GenitalabschneiderInnen auch 2013 nicht  von allein und freiwillig mit dem Verstümmeln aufhören – im Gegenteil, aktuell holen sie nicht nur in Europa zum organisierten Gegenschlag aus (mehr dazu hoffentlich bald), und rotten sich auch sonst zusammen wie gehabt (siehe Vorschau hier zu unterst).

Seit wir mit diesem Blog und dem Rest anfingen, haben Nella und ich beide das Studium aufgegeben, wie praktisch alles andre auch, was wir früher sonst noch taten. Mein Kumpel und ich hatten einen Kleinverlag, 2012 haben wir unsere wichtigsten Buchrechte verloren, weil ich das einfach nicht auch noch schaffte. Dass wir chronisch kein Geld haben und kaum mehr die wichtigsten Rechnungen bezahlen können, hilft auch nicht unbedingt. Dass ich nicht mal mehr für minimalste Fitness noch Zeit habe, ebenfalls nicht. Der Krug geht zum Brunnen, bis er bricht. Wie es Nella geht, hat sie ja an anderer Stelle ja schon ausgeführt.

Und jetzt muss ich malochen gehn, bevor ich schon wieder zu spät bin. The Show must go on ...

Friday, December 14 2012

12.12.2012: Schwarzer Tag für die Kinderrechte

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Hände weg von Kindergenitalien!Am letzten echten Schnapszahlendatum dieses Jahrtausends gab der Deutsche Bundestag passend und erwartungsgemäss mit 434:100 Stimmen (46 Enthaltungen, 40 nicht abgegebene) per Sonder-Schnellgesetz die Geschlechtsteile aller neugeborenen Knaben zur medizinisch nicht notwendigen Verstümmelung – Pardon: Beschneidung – frei. Die endgültige Gutheissung erfolgte ebenso erwartungsgemäss heute Freitag durch den Deutschen Bundesrat.

Eine >>> Pressemitteilung von Terre des Femmes nahm den Entscheid schon vor dem Abstimmungresultat vorweg:

„Das ist ein schwarzer Tag für die Kinderrechte“, [...] denn „ausgerechnet in dem Gesetz, das im Jahre 2000 unter Rot-Grün das Recht des Kindes auf gewaltfreie Erziehung verankert hat, soll nun Eltern erlaubt werden – aus welchem Grund auch immer - ihren männlichen Kindern die Vorhaut entfernen zu lassen. Damit werde das Recht auf Unversehrtheit des Kinderkörpers massiv eingeschränkt.“

Und man wird nicht einmal sagen können, Betroffene seien dabei gar nicht angehört worden: Wenige Stunden vor der Abstimmung durfte in einer Anhörung des Familienausschusses wenigstens ein einziger, der 23-jährige Alexander Bachl, eine >>> lesenswerte Stellungnahme abgeben. Darin kritisierte er mehrfach auch die Ausblendung der Betroffenen:

Es ist noch früh am Tag, aber es ist gleichzeitig schon sehr spät. Jetzt, wo die Beschneidungsdebatte in Deutschland eigentlich gerade begonnen hat, soll sie schon wieder zuende sein. Und jetzt, kurz vor Toresschluss, darf ich zumindest zu Ihnen hier doch noch sprechen. [...] Ich bitte Sie jetzt nicht darum, den einen oder den anderen Gesetzesentwurf zu unterstützen. Es ist anscheinend gelaufen. Die Täter haben vorerst wieder einmal gewonnen. Der alternative Gesetzesentwurf geht mir persönlich eigentlich nicht weit genug, aber als Kompromiss kann ich ihn zumindest mittragen, weil er uns Betroffenen die Würde zurückgibt, die uns der Regierungsentwurf definitiv nehmen wird.

Und strafte eindrücklich auch die üblichen "nur ein kleiner Eingriff – tut nicht weh"-Ausreden der BefürworterInnen Lügen:

Die für mich größte Einschränkung, die durch die Amputation der Vorhaut entsteht, ist der Verlust der sexuellen Empfindsamkeit. Das ist es, was mich auf ewig verfolgen wird. Viele im Erwachsenenalter Beschnittene berichten ebenfalls von diesen Einschränkungen. Der Aufklärungsbogen zur Zirkumzision bei einer Phimose sagt dazu auch: "Keine Komplikation, sondern die notwendige Folge einer kompletten Beschneidung ist die bleibende Beeinträchtigung der Gefühlsempfindung beim Geschlechtsverkehr". Rühmen sich viele junge Männer vielleicht noch, dass sie "länger können" als andere, so ist vielen vielleicht nicht klar, dass dies mit einem enormen Verlust an Empfindsamkeit einhergeht. Diese Gefühlslosigkeit führt bei nicht wenigen Männern später bis zur Impotenz, eine Sorge, die auch mich verfolgt.

Alexander Bachl war auch in einem >>> gelungenen heute-Beitrag vertreten. Von Önder Özgeday, einem Betroffenen aus Bochum, erschien ein ebenfalls >>> lesenwertes Interview.

Während der Abstimmung gab es an Brandenburger Tor eine >>> solidarische Protestkundgebung inkl. nachhörbaren Redebeiträgen, u.a. von Alexander Bachl  (Betroffener, siehe oben), Ali Utlu (Betroffener und Menschenrechtsaktivist in der Piratenpartei, >>> lesenswertes Interview bei siegessäule.de), Rolf Stöckel (Deutsche Kinderhilfe), Irmgard Schewe-Gerigk (Terre des Femmes), Mina Ahadi (Zentralrat der Ex-Moslime), Christian Bahls (MOGiS), Rechtsanwalt Walter Otte  (AK Kinderrechte Giordano Bruno Stiftung).

ZDF heute brachte einen Bericht auch mit >>> Bildern der Protestkundgebung inkl. öffentlichkeitwirksamer Aktion:

In einer >>> gemeinsamen Pressemitteilung von Terre des Femmes und MOGIS e.V. wird u.a. Irmingard Schewe-Gerigk weiter zitiert:

“Kindern wurde das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit genommen. Menschenrechte von Kindern können jetzt legal im wahrsten Sinne des Wortes beschnitten werden.”

Sowie der Betroffene Alexander Bachl (siehe oben):

“Dieses Gesetz raubt mir meine Würde ein weiteres Mal. Das Gesetz verneint ja nicht nur eine Strafbarkeit der Beschneidung ohne therapeutischen Nutzen, sondern stellt die Betroffenen auch zivilrechtlich gegenüber ihren Eltern komplett rechtlos. Mein Leiden und das vieler andere negativ Betroffener wird ignoriert. So wie Betroffene auch schon im ganzen Gesetzgebungsprozess konsequent ignoriert wurden. Von Anfang an stand fest, dass Beschneidung erlaubt werden soll, eine Debatte über die nicht-therapeutische Vorhautamputation und ihre tatsächlichen Folgen fand gar nicht richtig und vor allem in der Abwesenheit der davon negativ Betroffenen statt.”

NetzwerkB hatte im Vorfeld in einer >>> exzellenten Stellungnahme an den Rechtsausschuss sowie einer >>> Pressemitteilung dargelegt, warum beide dem Bundestag vorliegenden Varianten den Menschenrechten nicht Genüge tun:

Wir in netzwerkB sehen bei Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, die Einwilligungsfähigkeit für diesen medizinischen Eingriff nicht für gegeben an. Die Einsichtsfähigkeit liegt noch nicht im vollen Umfang vor. Bei Kindern ist völlig absehbar, dass sie dem sozialen Druck durch Familie und Umfeld grundsätzlich nicht gewachsen sind.

Auch diverse >>> LeserInnenkommentare auf netzerkB nehmen kein Blatt vor den Mund.

Immerhin liegt ja die Stimmabgabe der Abgeordneten namentlich vor. Bleibt zu hoffen, dass sich WählerInnen, denen Kinderrechte noch nicht ganz am Arsch vorbeigehen, sich folgende Listen gut aufbewahren werden ...

>>> Namentliche Abstimmung Gesetzesantrag (PDF):
Total: Ja 434; Nein 100; Enthaltung 46; Nicht abgeg. 40.
CDU/CSU: Ja 215; Nein 3; Enthaltung 3; Nicht abgeg. 16.
SPD: Ja 89; Nein 32; Enthaltung 16; Nicht abgeg. 9.
FDP: Ja 79; Nein 5; Enthaltung 2; Nicht abgeg. 7.
Linke: Ja 17; Nein 44; Enthaltung 10; Nicht abgeg. 5.
Grüne: Ja 34; Nein 16; Enthaltung 15; Nicht abgeg. 3.

>>> Namentliche Abstimmung Gegenvorschlag (PDF) (>>> dieser Blog berichtete):
Total: Ja 91; Nein 461; Enthaltung 31; Nicht abgeg. 37.
CDU/CSU: Ja 2; Nein 219; Enthaltung 1; Nicht abgeg. 15.
SPD: Ja 32; Nein 92; Enthaltung 13; Nicht abgeg. 9.
FDP: Ja 0; Nein 86; Enthaltung 2; Nicht abgeg. 5.
Linke: Ja 44; Nein 20; Enthaltung 7; Nicht abgeg. 5.
Grüne: Ja 13; Nein 44; Enthaltung 8; Nicht abgeg. 3.

Und zum Schluss noch ein Wort an alle MedizynerInnen, die sich betreffend Knabenbeschneidung in der Öffentlichkeit lautstark gegen "religiöse Rituale" aussprachen (wie sie dies bekanntlich auch bei "weiblicher Genitalverstümmelung" gerne tun), die aber gleichzeitig zu den täglichen Intersex-Genitalverstümmelungen schweigen (oder gar noch fleissig mitverstümmeln): HeuchlerInnen! Euch geht's nicht um Kinderrechte, sondern um eure Standesmacht und um eure Pfründe.

>>> Unversehrtheit von Kindern: Kosmetische GenitalOPs u. Knabenbeschneidungen
>>> Helsinki-Deklaration des Rechts auf genitale Autonomie 2012
>>> Landgericht Köln: Knabenbeschneidung ist "Körperverletzung"
>>> Bevölkerung für Vebot - Bundesregierung will per Schnellgesetz legalisieren
>>> Ethikrat guckt Beschneidungs- u. Ohrstech-Videos, Zuschauerin fällt in Ohnmacht

Friday, December 7 2012

Intersex-Genitalverstümmelungen in der Universitätskinderklinik Ulm ("DSD-Symposium" 7.12.12 - Clothilde Leriche, Martin Wabitsch)

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Ausgeliefert!Seit dem Zuzug der Genitalabschneiderin Dr. med. Clothilde Leriche (vormals Klinikum Nürnberg Süd) wird im Universitätsklinikum Ulm derzeit das Angebot an menschenrechtswidrigen, medizinisch nicht notwendigen kosmetischen Genitaloperationen an "DSD"-Kindern offenbar massiv ausgebaut:

• Seit dem 15. November 2012 wird auf dem Internetauftritt des "Zentrums für seltene Erkrankungen" (sic!) der Uniklinik ein >>> neuer "Kompetenzbereich Störungen der Geschlechtsdeterminierung und -Differenzierung (DSD)" aktiv beworben (s. unten). 

• Zwecks öffentlicher Bekanntmachung des neuen "Verstümmlerbereichs" ist auf heute 07.12.2012 ein "Symposium Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung Disorders of Sex Development (DSD)" angekündigt (s. nachf.).  >>> Flyer (PDF)  >>> Pressemitteilung

• Auf 2013 sucht das Uniklinikum Ulm einE zusätzliche KinderchirurgIn ... 
>>> Ausschreibung PDF 

"Genitalkorrekturen am besten zwischen dem 9. und 12. Lebensmonat"

Zwar behauptet der Ankündigungsflyer zum heutigen "DSD-Symposium" vollmundig: "Unser Symposium [...] nimmt Bezug auf die Stellungnahme des deutschen Ethikrates." Einen Vortragspunkt zu ethischen Aspekten kosmetischer Genitaloperationen an Kindern sucht mensch im Programm allerdings vergebens.

Vielsagend dagegen der Titel des Beitrages von Chef-Kinderchirurgin Clothilde Leriche, "Die Rekonstruktion des Genitale: Das Vorgehen und der beste Zeitpunkt hinsichtlich eines optimales Ergebnisses", der das Fazit schon vorwegnimmt: Medizinisch nicht notwendige, kosmetische "Genitalrekonstruktionen" müssen in Ulm Betroffenen trotz erwiesener negativer Folgen weiterhin buchstäblich um jeden Preis aufgezwungen werden. Zur Debatte steht einzig der (möglichst frühe) Zeitpunkt – laut Dr. Leriche bekanntlich "am besten zwischen dem 9. und 12. Lebensmonat" (siehe unten). 

"schon 500 AGS-Mädchen operiert"

Bei einem anderen Vortrag im Herbst 2012 vor Eltern brüstete sich Dr. Leriche, bisher schon "500 AGS-Mädchen operiert" zu haben, sowie "170 andere Kinder". ('Ordinäre' "Hypospadiekorrekturen" sind da offensichtlich gar nicht erst mit eingerechnet.)

Einen Beitrag zu menschenrechtlichen Aspekten solcher medizinisch nicht notwendiger Genitalverstümmelungen sucht mensch am Ulmer "DSD-Symposium" wenig überraschend ebenfalls vergebens – obwohl vor noch nicht mal einem Jahr das UN-Komitee gegen Folter die BRD wegen Intersex-Genitalverstümmelungen rügte (CAT/C/DEU/CO/5).

Stattdessen darf – Überraschung! – als einziger "Gastreferent" der Lübecker Promiverstümmler Prof. Dr. Olaf Hiort ("Netzwerk Intersexualität/DSD", "EuroDSD", "I-DSD", "DSD-Life", usw.) die Werbetrommel für seine TäterInnenforschungsprojekte rühren.

Prinzipiell fällt auf, dass am "DSD-Symposium" zu den Themen "Versorgungssituation" (Prof. Dr. med. Olaf Hiort), "Praktisches Vorgehen" (Dr. med. Friedericke Denzer) und "Die interdisziplinäre Hochschulambulanz für DSD" (Prof. Dr. med. Martin Wabitsch) einzig und allein KinderendokrinologInnen zu Wort kommen. Ganz entsprechend der Tatsache, dass – laut Erhebungen der TäterInnen selbst – statt echten "multidisziplinären Teams" auch in Deutschland weiterhin zu 90% KinderendokrinologInnen die Eltern "beraten" – und diese darauf zu 90% ihre Kinder genitalverstümmeln lassen ...

"Betroffene müssen leider draussen bleiben"

Diejenigen, um die es eigentlich geht, nämlich die Betroffenen, sind dagegen auch beim Ulmer "DSD-Symposium" einmal mehr ausdrücklich nicht erwünscht – vorsorglich hält die Pressemitteilung dazu abschliessend fest:

"Das Symposium ist eine Fortbildungsveranstaltung für Ärzte und Journalisten. Journalisten sind nach kurzer formloser Anmeldung in der Pressestelle herzlich zur Teilnahme eingeladen. Gerne vermitteln wir Ihnen auch Gesprächspartner. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir keinen Kontakt zu Betroffenen vermitteln können."

Uniklinik Ulm: Menschenrechte, Psychosoziale Betreuung, Ethik? Aber nicht mit uns!

Wie überall, wo statt adäquater Unterstützung von Eltern und Kindern mit "atypischen" Genitalien vielmehr Genitalverstümmeln "auf Teufel komm raus" propagiert wird, sind auch im Universitätsklinikum Ulm im "Kompetenzbereich Störungen der Geschlechtsdeterminierung und –Differenzierung (DSD)" ein "altbewährtes" sog. Pseudo-"Multidisziplinäres Team", bestehend ausschliesslich aus KinderendokrinologInnenen + KinderchirurgInnen + Genetiker für die "Behandlung" zuständig – psychosoziale Unterstützung wird laut Homepage nicht einmal der Form halber wenigstens alibimässig angeboten.

Auch die Pressemitteilung zum "DSD-Symposium" (siehe oben) lässt durchblicken, dass psychosziale Unterstützung – statt wie von Betroffenen und EthikerInnen seit Jahrzehnten gefordert – in Ulm wenn überhaupt, dann (wie auch in anderen Kliniken) höchstens als "Zugabe" zu verstümmelnden OPs angeboten wird:

"Alle Pa­ti­en­ten wer­den ge­mein­sam von Ärz­ten der Sek­ti­on Kin­der­chir­ur­gie (Lei­tung: Dr. Clo­thil­de Le­ri­che; Kli­nik für All­ge­mein- und Vis­zer­al­chir­ur­ge) und der Sek­ti­on Päd­ia­tri­sche En­do­kri­no­lo­gie und Dia­be­to­lo­gie (Lei­tung: Prof. Dr. Mar­tin Wa­b­itsch) be­treut. Bei Be­darf wer­den Ärzte an­de­rer Fach­rich­tun­gen und Psy­cho­lo­gen hin­zu­ge­zo­gen."

Vorausgesetzt, die Eltern lassen erstmal die "Genitalkorrektur" zu ...

"normales Aussehen beruhigt"Clothilde Leriche (Leiterin Kinderchirurgie)

Dass ein unverstümmeltes Aufwachsen in Würde für betroffene Kinder keinesfalls erfolgen darf, dafür bürgt auch die Anstellung der berüchtigten Serienverstümmlerin Dr. med. Clothilde Leriche als Leiterin der "Sektion Kinderchirurgie" in Ulm (und Co-Verantwortliche des "DSD-Symposiums"), von der Uniklinik als "Intersex-Referenz-Chirurgin in Deutschland" gefeiert (>>> PDF, S. 1) – wohl in Anspielung auf ihren "Leistungsausweis" von 500 Genitalverstümmeungen an "AGS-Mädchen" plus 170 Genitalverstümmelungen an sonstigen "intersex"-Kindern (siehe oben). 

Wie Clothilde Leriche auch auf ihrer >>> persönlichen Internetseite der Uniklinik anführt, ist sie Mitglied beim "Intersex Netzwerk Lübeck" (korrekt: "Netzwerk Intersexualität/DSD").

In diesem Zusammenhang hob Leriche in einer Publikation in >>> "Kinderärztliche Praxis 74 / 2005 (PDF) gemeinsam mit dem Lübecker "Netzwerk-"Verstümmlerkollegen PD Dr. med. Lutz Wünsch betreffend "Genitalkorrekturen" in einem Kasten hervor: 

"Bei Mädchen mit adrenogenitalem Syndrom bei ausgeprägter Klitorishypertrophie wie auch bei Patienten mit 46,XY-Karyotyp und unvollständiger Virilisierung sollte eine Genitalkorrektur früh durchgeführt werden - am besten gegen Ende des ersten Lebensjahres."

Und führte dazu im Text weiter aus:

"Weibliche Genitalkorrektur
Nach unserer Einschätzung sollte [...] eine Genitalkorrektur früh durchgeführt werden, da es Hinweise darauf gibt, daß „normales Aussehen beruhigt“ und die Identifikation mit der eigenen Geschlechtsrolle gefördert wird. Wir favorisieren den Zeitpunkt zwischen dem 9. und 12. Lebensmonat, gesicherte Daten für eine solche Empfehlung fehlen aber. Ab dem Alter von zwei Jahren sind diese Kinder in Klinik und Praxis schwerer zu führen und zu untersuchen und erleben Behandlungssituationen als sehr traumatisch. [...] Bei der Operation erfolgt eine Verkleinerung des Phallus im Sinne einer Klitorisplastik [...]. Die Glans wird teilreseziert und remodelliert. [...] In gleicher Sitzung erfolgt eine Introitusplastik [...]." 

Dito bezüglich Genitalkorrekturen" bei Hypospadie:

"Männliche Genitalkorrektur
[...] Auch für diese Patienten ist der günstigste Operationszeitpunkt zum Ende des ersten Lebensjahres gegeben. Wir bevorzugen eine Technik, bei der die Begradigung des Penisschaftes, die Neubildung der Harnröhre und die Korrektur der penoskrotalen Transposition in einem einzigen Operationsschritt durchgeführt wird."

Aus einer "Planetopia"-TV-Sendung vom 18.03.2007 ist weiter folgendes denkwürdiges Zitat von Clothilde Leriche überliefert:

"... es ist einfacher ein Kind zu operieren, als es mühsam mit Hilfe von Psychologen in die Gesellschaft als Intersex zu integrieren"

"erhebliche psychosoziale Belastung der Eltern und der Familie" – Martin Wabitsch (Leiter Kinderendokrinologie)

Prof. Dr. med. Martin Wabitsch ist über seine Rolle im Universitätsklinikum Ulm im "Kompetenzbereich Störungen der Geschlechtsdeterminierung und –Differenzierung (DSD)" und als Hauptorgansiator des "DSD-Symposiums" seit langem prominent in Fachgesellschaften vertreten, die seit Jahrzehnten und bis heute systematische kosmetische "Genitalkorrekturen" an Kindern propagieren und anordnen. Seit 2008 ist er Sprecher bzw. Präsident der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Endokrinologie (APE) bzw. deren Nachfolgeorganisation Deutsche Gesellschaft für Kinderendokrinologie und -diabetologie (DGKED), die für die aktuelle AWMF-Verstümmler-Leitline 027/022 „Störungen der Geschlechtsentwicklung“ verantwortlich zeichnet, und für deren Überprüfung Prof. Wabitsch namentlich mitverantwortlich ist.

Diese Leitlinie rechtfertigt unter dem Strich Genitalverstümmelungen und negiert die Menschenrechte der betroffenen Kinder nach dem üblichen Muster:

"Ein uneindeutiges Genitale kann eine erhebliche psychosoziale Belastung der Eltern und der Familie bedeuten [...]. Rechtlich steht letztlich den Eltern die Entscheidung zu."

Betreffend des Zeitpunktes von "Feminisierungsoperation[en] (Vulvaplastik, Klitorisreduktionsplastik, Labienplastik, Vaginalplastik)" bezieht sich die Leitlinie u.a. auf die europäische (bei der Wabitsch ebenfalls Mitglied ist) sowie auf die US-amerikanische KinderendokrinologInnengesellschaft: 

"Das AGS- Konsensusstatement der ESPE und der LWPES empfiehlt eine frühzeitige einzeitige Operation (2. – 6. Lebensmonat) [...]"  

>>> Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter  

Genitalabschneider, wir kriegen euch! Zwangsoperateure, passt bloss auf!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Friday, November 30 2012

Radio-Beiträge zur Intersex-Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission NEK-CNE - DRS + Radio Zürisee, 9.11.12

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Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1) 3 Radio-Beiträge anlässlich >>> "Intersex"-Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission NEK-CNE zum online nachhören:

1. "Mitspracherecht für intersexuelle Kinder" - Rendez-vous, 09.11.2012 12:30h Gelungener Beitrag von Wissenschafts-Redaktorin Katharina Bochsler mit Konserven-Soundbite von Daniela "Nella" Truffer und Kommentaren von NEK-Präsident Otfried Höffe. Erwähnt "Körperverletzung" und "Genitalverstümmelung", Wermutstropfen: Als Statistik wird die Medizyner-Beschönigung "1 von 5000 Kindern" zitiert. Ebenfalls auf DRS mit Link auf die Sendung: Die Agenturmeldung zur NEK-Stellungnahme.

2. "Mehr Selbstbestimmung für Intersexuelle" - Wissenschaft DRS, 10.11.2012 14:36h Gelungenes Interview mit Katharina Bochsler, Klitorisverkleinerungen und Hodenentfernungen werden erwähnt, es wird von "Unrecht" gesprochen, Verlängerung der Verjährungsfristen, Körperverletzung und Genitalverstümmelung wird angesprochen.

3. Zürisee Info, 09.11.2012 17:35 Gelungener Dialekt-Beitrag von David Nadig, mit Interview-Beitrag von Yvonne Gilli (Grüne Nationalrätin, St. Gallen), die ebenfalls auf die entscheidende Rolle der Betroffenen und ihren Organisationen hinweist, dass es überhaupt zur Stellungnahme kam, und Stellungnahme der Patientenschützerin Margrit Kessler, die sich erneut für das "Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen" stark macht, und Beitrag von Judit Pók Lundquist (Gynäkologin, Mitglied NEK-CNE) zum Thema "3. Geschlecht".

>>> Statement zur NEK-Stellungnahme von Daniela Truffer / Zwischengeschlecht.org
>>>
Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> "Aufarbeitung tut not!" Unis, Klitorisamputationen u. a. "Genitalkorrekturen" 

Saturday, November 24 2012

"Ein Mensch unter vielen – Intersexualität" - Riehener Zeitung, 14.11.12

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Kann ein Zwitter Sünde sein?

Interessanter Artikel von Toprak Yerguz über die Diskussionsveranstaltung "Wie gehen Kirche und Medizin heute mit Intersexualität um?" in der Dorfkirche Riehen am 7.11. (dieser Blog berichtete), u.a. mit Karin Plattner von der CH-Elternselbsthilfe, Jürg Streuli (Medizinethiker, Zürich) und Ruth Hess (Theologin, Bremen), mit eine zusätzlichen Kasten zur Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission NEK-CNE.
Danke!

Zum Vergrössern ins Bild klicken!

>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> "Aufarbeitung tut not!" Unis, Klitorisamputationen u. a. "Genitalkorrekturen" 

Thursday, November 22 2012

Intersex: Nordrhein-Westfalen unterstreicht "Recht auf körperliche Unversehrtheit" und will "nicht indizierte OPs vermeiden"

«Menschenrechte auch für Zwitter!» vor dem UK Aachen 30.5.2011, im Hintergrund: Genitalverstümmlerin Prof. Dr. Med. Susanne KregeUK Aachen (NRW), 30.05.2011: Christiane Völling protestiert gegen "Ethik"-Vortrag
von Genitalabschneiderin Susanne Krege
(Krefeld/NRW, im Bild rechts hinten)

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Zum Welttag der Kinderrechte nur gute Nachrichten (3):

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen beschloss am 30.10.2012 einen „Aktionsplan für Gleichstellung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt - gegen Homo- und Transphobie“, bei dem Intersexe für einmal nicht nur Anhängsel und Kanonenfutter für Anliegen Dritter sind, sondern in dem medizinisch nicht notwendige Genitaloperationen an Kindern explizit thematisiert und das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Betroffenen hochgehalten wird. Danke! 
>>> Aktionsplan als PDF (530 kb)
>>>
Homepage Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter (MGEPA)
>>> Pressemitteilung MGEPA 31.10.2012 

So hält die MGEPA-Homepage zum Aktionsplan fest: "Schutz vor Diskriminierung und Gewalt: [...] Dringlich ist auch, nicht indizierte geschlechtsangleichende Operationen bei intersexuellen Kindern zu vermeiden."

Einen fast gleichlautenden Passus enthält auch die Pressemitteilung der Ministerin Barbara Steffens (es heisst lediglich "Notwendig" anstelle von "Dringlich").

Im eigentlichen Aktionsplan heisst es dann unter "HF 11: Intersexualität" auf S. 49:

"Betroffenenorganisationen machten in den letzten Jahren immer wieder darauf aufmerksam, dass auch heute noch ohne Not prophylaktisches Entfernen und Verändern von Genitalorganen bei intersexuellen Kindern vorgenommen wird. Das große Leid, das die Betroffenen ihr Leben lang begleitet, spiegelt der Bericht des Deutschen Ethikrates eindrücklich wider. Ein operativ und sozial verordnetes Geschlecht ist ein fundamentaler Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Persönlichkeitsrecht und in die Menschenrechte."

Sowie auf S. 51 betreffend der konkreten Umsetzung:

Ziel:
2. Vermeidung nicht indizierter geschlechtsangleichender Operationen

Maßnahme:
1. Die einschlägige Behandlungs-Leitlinie wird durch die medizinische Fachgesellschaft überarbeitet
2. Einleitung des Prozesses in Nordrhein-Westfalen durch Umfrage bei den Kliniken

Zuständigkeit:
Ministerium für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter

Stand:
In der Umsetzung

Und auf S. 49 weiter:

"Die Landesregierung hat erste Kontakte zu Vertretungen der nordrhein-westfälischen Selbsthilfe, zu wissenschaftlichen und medizinischen Einrichtungen geknüpft, um die Handlungsoptionen im eigenen Land zu nutzen. Sie wird sich auch auf Bundesebene für eine Verbesserung der Lebenssituation von Intersexuellen einsetzen."

Meine 2 Cent: Leider sind unreflektierte Ausdrücke aus der TäterInnensprache wie "nicht indizierte geschlechtsangleichende Operationen" und "prophylaktisches Entfernen und Verändern von Genitalorganen bei intersexuellen Kindern" auch hier alles andere als zielführend, solange dabei nirgends klargestellt wird, dass damit ALLE kosmetischen Eingriffe an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen gemeint sind, die nicht aus strikt medizinischer Notwendigkeit erfolgen, sondern mit sog. "psychosozialer Indikation" (z.B. "Mädchen bekommen durch eine 'zu grosse' Klitoris psychische Probleme", "Frauen mit Hoden im Bauchraum müssen diese entfernt werden", "ein Junge muss im Stehen pinkeln können" usw. usf.).

Wie insbesondere die diesbezüglichen Ausflüchte und Verbiegungen des Deutschen Ethikrates klarmachten, wird die unreflektierte Verwendung solcher Ausdrücke im Gegenteil noch dazu benutzt, die allermeisten verstümmelnden GenitalOPS an Kindern nicht etwa zu "vermeiden", sondern vielmehr noch zu rechtfertigen und zu perpetuieren.

Bekanntlich befinden sich unter den "wissenschaftlichen und medizinischen Einrichtungen" in Nordrhein-Westfalen gleich mehrere besonders üble GenitalabschneiderInnen-Hochburgen (z.B. in Krefeld und Essen).

Und mit den seit Jahren offensichtlich unbeirrbaren Verstümmlerinnen Susanne Krege (Krefeld) und Annette Richter-Unruh (Bochum) sind gleich 2 prominente NRW-Medizynerinnen an der wenig Gutes versprechenden Überarbeitung der berüchtigten AWMF-Verstümmler-Leitlinie 027/022 "Störungen der Geschlechtsentwicklung" federführend beteiligt. (Die Überarbeitung zielt offensichtlich darauf ab, Betroffene nicht nur auch künftig weiterhin möglichst früh zu verstümmeln, sondern Unzufriedene obendrein noch zusätzlich zu zwangspsychiatrisieren – seit längerem ein Steckenpferd sowohl von Krege wie auch Richter-Unruh.)

Mal schauen, wie weit TäterInnen in Nordrhein-Westfalen sich von diesem Aktionsplan werden beindrucken lassen – und ob im beabsichtigten Sinne ...

Fortsetzung folgt ...

>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> "Aufarbeitung tut not!" Unis, Klitorisamputationen u. a. "Genitalkorrekturen"

Tuesday, November 20 2012

Intersex: Berliner Linke und Piraten wollen Mediziner "ermuntern" auf OPs an Kindern zu verzichten, fordern Verbot auf Bundesebene

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Zum heutigen Welttag der Kinderrechte nur gute Nachrichten (2):

STOP Genitalverstümmelung in Kinderkliniken!

In Berlin haben Die Linke zusammen mit den Piraten mit Datum vom 14.11.2012 beim Berliner Senat einen >>> Antrag "Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt 2.0“ (ISV 2.0)" (Drucks. 17/0652, PDF) eingereicht, bei dem es ausnahmsweise mal nicht nur um Genderkacke und Vereinnahmung geht, sondern im Gegenteil medizinisch nicht notwendige Genitaloperationen an Intersex-Kindern explizit angesprochen werden. Danke!

Einziger Wermutstropfen: Leider immer noch ohne explizite Herausstreichung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung der Betroffenen, und letztlich werden die Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken immer noch nur verklausuliert und obendrein in der TäterInnensprache abgehandelt, wenn etwa lediglich von "geschlechtsangleichenden Maßnahmen" die Rede ist, aber dabei nirgends klargestellt wird, dass damit ALLE kosmetischen Eingriffe an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen gemeint sind, die nicht aus strikt medizinischer Notwendigkeit erfolgen, sondern mit sog. "psychosozialer Indikation" (z.B. "Mädchen bekommen durch eine 'zu grosse' Klitoris psychische Probleme", "Frauen mit Hoden im Bauchraum müssen diese entfernt werden", "ein Junge muss im Stehen pinkeln können" usw. usf.).

Auch dass die Berliner Charité in den letzten 18 Monaten ihr Angebot an medizinisch nicht notwendigen, verstümmelnden GenitalOPs an Kindern massiv ausgebaut hat, wird leider immer noch nicht angesprochen.

Aber immerhin heisst's etwa auf S. 3: "Insbesondere Eltern und Mediziner*innen werden dazu ermuntert, keine Operationen im frühkindlichen Alter vor der Einwilligungsfähigkeit der Betroffenen durchzuführen."

Sowie auf S. 12: "Der Berliner Senat setzt sich auf Bundesebene dafür ein, dass [...] d) ein Verbot geschlechtsangleichender Maßnahmen vor der Einwilligungsfähigkeit der betroffenen intersexuellen Menschen etabliert wird".

Und auf S. 16f.: "Viele Eltern sind mit der Situation überfordert, die die Geburt eines intersexuellen Kindes bedeutet. Es erscheint vielen Eltern zunächst durchaus plausibel, dass ihr Kind nicht ein Leben zwischen den Geschlechtern führen soll. Die Tragweite der frühkindlichen Operationen, der z. T. zahlreichen Folgeoperationen und der lebenslangen Hormontherapie für die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder ist ihnen in der Situation kaum bewusst. Deshalb fordern inzwischen viele Expertinnen und Experten ein Verbot solcher Operationen vor der Erreichung der Einwilligungsfähigkeit der Betroffenen. Berlin bekennt sich dazu undsorgt durch Aufklärungs- und Unterstützungsangebote dafür, dass die Rechte intersexueller Menschen gewahrt werden und Angehörige sowie Behörden und medizinisches Personal mit den damit verbundenen Herausforderungen souverän umzugehen in der Lage sind."

Und auf S. 40 wird nochmals bekräftigt: "Unter Sachverständigen herrscht inzwischen Einigkeit darüber, dass frühkindliche geschlechtsangleichende Operationen vor dem einwilligungsfähigen Alter eine gravierende Verletzung der Menschenrechte von Intersexuellen darstellen (vgl. hierzu auch oben, Nr. 2.). Der Berliner Senat muss sich daher auf Bundesebene dafür engagieren, dass ein Verbot solcher geschlechtsangleichender Maßnahmen eingeführt wird."

Werden wir es noch erleben, dass es mit den oben erwähnten, zentralen noch fehlenden Punkten auch in Berlin irgendwann noch was wird – oder werden (wie bisher stets) einmal mehr alle positiven Ansätze mit faulen Ausreden garniert bald wieder im Sande verlaufen?

Auf dieser Internetseite des Abgeordnetenhauses kann verfolgt werden, was mit dem Antrag weiter geschieht. Fortsetzung folgt ...

>>> Chirurgische "Genitalkorrekturen" an Kindern: Typische Diagnosen und Eingriffe 
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen in der Berliner Charité 2012
>>> Zitty 14/2013: Heute noch Intersex-Genitalverstümmelungen in der "Charité"  
>>> PD. Dr. Heiko Krude (Charité): Nicht verstümmeln "wäre eine Art von Gewalt"
>>> Prof. Dr. Ricardo Gonzalez (Charité): "Gerne noch etwas weiter experimentieren"
>>> Dr. Birgit Köhler (Charité): Verstümmeln "zum Schutz der sexuellen Integrität"
>>> Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich (Charité) als "Serienverstümmlerin" geoutet
>>> Prof. Claire Nihoul-Fékété (Charité): Verstümmeln "zur Verbesserung der Optik"

>>> Berliner Senat leugnet Intersex-Genitalverstümmelungen in der Charité  
>>> Berlin: Charité leugnet Intersex-Genitalverstümmelungen, verbittet sich Kritik
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Intersex-Genitalverstümmelungen - Offener Brief an Rogate-Kloster St. Michael

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