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Informationen zur AGGPG (2001)
(Informationen zur Umbenennung in Postgender im Mai
2002 sowie hierauf folgende Projekte folgen sukzessive)
Im Binnengefüge der Nation galten die Juden als
'Feind im Innern'. Die Grenzen der Nation ließen nicht genügend Raum, um die
Juden zu definieren; der Horizont des nationalen Gedächtnisses reichte nicht
weit genug, um deren Identität zu durchschauen. (Zygmunt Bauman: Dialektik
der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust)
Ambivalence, ambiguity, equivocality ...
These words convey the feeling of mystery and enigma; they also signal trouble,
whose name is uncertainly, and a dismal state of mind, called indecision or
hesitation. When we say that things or situations are ambivalent, what we mean
is that we cannot be sure what is going to happen, and so neither know how to
behave, nor can predict what the outcome of our actions will be. Instictively
or by learned habit, we dislike and fear ambivalence, that enemy of security
and self-assurance. We are inclined to believe that we would feel much safer
and more comfortable if situations were unambigous - if it were clear what to
do and certain what would happen if we do it. (Zygmunt Bauman: Modernity
and Clarity. The Story of a Failed Romance)
Wer ist die
AGGPG?
Die
Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie (AGGPG; neu zudem:
Gewalt in der Psychologie und Genetik; korrekt also: AGGPPGG [1]) gündete sich
am 8. März 1996 nach einer Diskussionsrunde zur genitalen Verstümmelung
vorwiegend in afrikanischen Ländern. Dort zeigte sich die Notwendigkeit,
spezifisch auf die Situation intersexueller Menschen (dem Volksmund als Zwitter
oder Hermaphroditen bekannt), vor allem Kindern, hinweisen zu
müssen.
Beteiligt an der Gründung waren zunächst Heike Bödeker und
Michel Reiter, welche beide kurz nach Geburt einer langjährigen medizinischen
Prozedur ausgesetzt wurden mit dem Ziel, eindeutig einem Geschlecht zuzugehören
und diese Zuweisung als Erwachsene ablegten. Sie verstehen sich heute weder als
Frauen noch Männer, sondern haben normative Geschlechtervorstellungen ähnlich
einer nicht annehmbaren Hülle abgestriffen. Zwischenzeitlichen haben personelle
Wechsel stattgefunden.
Die
AGGPG ist keine feste Gruppe oder ein e.V., sondern eine non-profit Initiative
ohne zweckgebundene Finanzmittel zur Wahrung der Autonomie mit Website und
Kontaktmöglichkeit. Die Initiative ist auch keine Selbsthilfegruppe, sie kann
und will für andere keine Entscheidungen fällen. Auch versteht sie sich nicht
als Konsum-, Delegations- und Dienstleistungsunternehmen. Da gleichfalls am
Opportunismus kein Interesse besteht sowie immer wieder auf mehreren Parketts
gleichzeitig getanzt wird (und bisweilen auch gar nicht), werden Sie die AGGPG
schwer verorten und ihr auch keine Konzentration auf eine
special-interest-Politik anhängen können - wenngleich radikale Kritik am
binären und vereindeutigenden Denken bestehen bleibt und damit diese westliche
Kultur in ihren Grundpfeilern angegriffen wird. Summa sumarum sind die
Vorstellungen der AGGPG somit ungeeignet für die klassische
parlamentarisch-kleingeistig ausgerichtete Lobbyarbeit.
Die
Präferenz der AGGPG wird sich nach Bekanntgabe des Urteils vom Amtsgericht
München im September 2001 hin zu einer kreativeren,
eigenständigeren Arbeit verändern, ggf. mit separater Rubrik. Nicht Aktivismus
und Öffentlichkeitsarbeit zur Skandalisierung der Praxen werden ausgedehnt oder
akademsiche Fragestellungen perfektioniert (die Basisarbeit zu einem
Paradigmenwechsel von der Zwei- zur Mehrwertigkeit leistet diese Webseite
bereits), sondern der Fokus auf die eigenen Interessen gelegt. Insofern wird
sich auch sukzessive weniger an der Realität als auf der sozialen Oberfläche
bestehend Erscheinendem abgearbeitet werden. Zu beginnen wäre bspw. mit einer
Filmproduktion, die andere Fragestellungen hat als jene nach der
Geschlechternormalität.
Zur
Ausgangslage
Wenn ein Kind geboren
wird, dessen somatisches Geschlecht nicht klar für die Hebamme / den Arzt
einzuordnen ist, spricht der medizinische Diskurs von Intersexualität im
engeren Sinne. Gesellschaftliche Normvorgaben und Stigmaängste der Eltern
führen zu der prekären Situation sich im Zwang zu sehen, das Kind
geschlechtlich vereindeutigen zu müssen als auch Ärzte (vorrangig
Endokrinologie und Chirurgie) mit dieser Aufgabe monetäre Vorteile, Prestige
und Machbarkeitsphantasien verbinden können. Die Eingriffe sind langwierig,
äußerst schmerzhaft und im medizinischen Sinne nicht notwendig. Sie verursachen
irreversible körperliche Schäden und garantieren keinen Erfolg sowohl
hinsichtlich Operationsergebnis als auch Geschlechtsidentität. Untersuchungen
aus Qualitätskontrollen liegen international kaum vor und vorhandene Ergebnisse
sprechen durchweg gegen Eingriffe. Binnen intersexueller Kreise wird die
Prozedur als Folter beschrieben und suizidale Überlegungen sind
üblich.
Dieser stark verkürzt wiedergegebenen Ausgangslage liegen zwei
Elemente zugrunde:
- Die körperliche Existenz mehr als zweier Geschlechter
(wie sie heute verstanden werden als Konglomerat aus Chromosomensatz, primären
und sekundären Geschlechtsmerkmalen) ist generell nicht selten. Neuere
Erhebungen nennen: USA 5,46 Mio, Deutschland 1,64 Mio, Italien 1,15 Mio,
Frankreich 1,22 Mio, England: 1,17 Mio, Australien: 360.000, weltweit: ca. 120
Mio. Die Anzahl der bereits unmittelbar bei Geburt in frage gestellten Kids
liegt bei rd. 0,1% der Bevölkerung, also rd. 1/20 der genannten Zahlen. Doch
auch 6 Mio weltweit sind keine zu unterschätzende Präsenz.
- Es findet kein adäquater sozialer Umgang statt,
sondern eine Negation der Existenz und Abgabe an die Medizin zur Korrektur.
Somit schließt sich ein Kreislauf, der Lobbyarbeit stark erschwert, aber auch
alternative Optionen eröffnet.
Die fast perfekte Reibungslosigkeit im Ablauf der
Genitalverstümmelungen läßt sich aus massgeblich drei Gründen ableiten:
- Eltern rechnen nicht damit, dass ihre Frage "Was ist
es denn?" mit der impliziten Erwartung "Junge oder Mädchen" nicht oder nicht
leicht beantwortet und schon gar nicht sofort beantwortet werden kann. Hier
besteht Mangel an Aufklärung und Beantwortungsoptionen, die eine Zweiteilung
der Weltanschauung (tertium non datur) nicht bereithält.
- Viele Menschen schämen sich ihrer Genitalien wie sie
sich ihrer Körper schämen, den sie nur funktionalisiert akzeptieren. Hier soll
nicht der Scham widersprochen werden, aber der Reflexionslosigkeit. Weil sie
bei sich selbst lieber wegsehen, verstehen sie nicht, warum dieser kleine
Mensch ihnen solche Angst macht. Und sie verstehen nicht, dass sie zur
Selbstkonzeptionierung einer inneren Gewissheit über ihr Selbst auch ihren
Körper brauchten, zu dem die Genitalien zentral gehören. Eine Gewissheit, die
vor aller sozialen Geschlechtsverortung angesiedelt ist. Sie glauben dann allen
Ernstes, wenn sie die Genitalien ihres Kindes manipulieren, würde dieses da
schon hineinwachsen - irgendwie. Dies ist falsch, denn die Genitalien werden
durch einen chirurgischen und / oder hormonellen Eingriff irreversibel
zerstört.
- Die klassische Logik, die das westliche Weltbild
bestimmte, besteht aus drei elementaren Sätzen: a) der Satz der Identität von
Denken und Sein (Lehre vom Begriff), b) der Satz vom verbotenen Widerspruch
(Urteilslehre), c) der Satz vom ausgeschlossenen Dritten (Lehre vom Schluß).
(zum Verständnis der Bedeutung empfehlenswert: Fritz B. Simon (2001): Tödliche
Konflikte. Zur Selbstorganisation privater und öffentlicher Kriege.
Carl-Auer-Systeme) Diese Sätze sind logisch immanent falsch, wie
Gotthard Günther
durch Weiterentwicklung der hegel'schen Dialektik nachweisen konnte, denn
überall dort, wo das Subjekt logisch denkt, könnte es sich selbst nicht denken.
Dadurch wäre es zu keiner Reflexion fähig und Erkenntnis fände nicht statt.
Dieses aus dem tertium non datur folgende Denken ist tatsächlich immanent
verdrängend, wie Klaus Heinrich durch seinen Rekurs auf Mythenerzählungen
nachweisen konnte. Doch es ist die Leitidee der Wissenschaft der letzten 2500
Jahre mit immanenter Einschreibung in modernes/mordendes, aufklärerisches
Denken. Der Zwitter als Wahrnehmungsfigur stellt durch seine schiere Existenz
die gesamte klassische Logik in Frage und alle daran anhängenden westlichen
Denkkonzepte. Daher fordern Zwitterfiguren (heissen diese in
vergeschlechtlichtlicher Hinsicht nun Hermaphrodit, Zwitter, Hijra, transgender
usw, ist hierbei völlig irrelevant) das Abendland heraus, sich über sich selbst
hinaus fortzuentwickeln. Zwitterfiguren sind die Zukunft dieser Kultur, die
sich auf eine höhere Komplexitätsebene einstellen muss. Geisteswissenschaften
sind dieser Herausforderung bislang nur unzureichend gefolgt und daher
existieren noch keine adäquaten Handlungsanweisungen in Situationen, die mit
den drei vorgenannten elementaren Sätzen brechen. Anstatt finden sich in
Justiz, Militär und Medizin radikale Massnahmen, verein(ein)deutigte, nationale
und identitätspolitische Grenzen stets neu zu definieren - ohne die eine
Existenzberechtigung dieser Institutionen kaum gegeben
wäre.
In heutiger Gesellschaft spiegelt sich der in das
induktive Schließungsverfahren eingeschriebene Pragmatismus wieder.
Verkörperungen sind von Relevanz. Jede Einzelne kann als Verkörperung des
Ganzen betrachtet werden (buddhistisch-metative Sichtweise), das Ganze spiegelt
sich in jeder einzelnen Verkörperung wieder (christologische Sichtweise;
jeweils deduktive Schließungsverfahren) oder, wie aktuell, Verkörperungen
bestehen in wenn- dann- Beziehungen ohne religiös-generative Ableitung und
Abhängigkeit. Dieses auf Gesetzesbestimmungen gründende
Vertragsverhältnis (analoges Schließungsverfahren) beinhaltet Rechte und
Pflichten und zieht soziale Verantwortlichkeit nach sich.
Mediziner wenden in Geschlechterfragen keine
dieser Sichtweisen an, sondern postulieren alleine ihre dem
nationalökonomischen Profit dienlichen Wertmaßstäbe. Sie werden substituiert
von o.g. Gesamtkonstellation und können ihre reaktionären, dem Fundamentalismus
(Wörterbuch: geistige Haltung, die durch kompromissloses Festhalten an
[ideologischen, religiösen] Grundsätzen gekennzeichnet ist) geschuldeten
Versprechen, eines der beiden Geschlechter herstellen zu können, erfolgreich
verkaufen.
Gleichzeitig war es binnen aller
Forschungsvorhaben seit Jahrhunderten konsequent nie Ziel, das von ihnen
Verworfene zu verstehen, so dass heute überhaupt kein Wissen über
vergeschlechtlichte Zwitterfiguren vorliegt. Aktuelle empirische Studien mit
Intersexuellen in den USA müssen nun im Mai 2001 (newscientist.com) nach ca.
drei Jahren vergeblicher Anstrengungen ihr Scheitern eingestehen. Justine
Schober formulierte es konkret: "We don't know what to ask."
Der geistige Horizont jener vormals
Geschlechtssegregation betreibenden Forschenden disqualifiziert sie per
definitionem, das tertium datur bezüglich Wahrnehmungs-, Denk- und
Handlungsschemata zu erfassen. Aus diesem Grunde war es angebracht, für ein in
Deutschland geplantes Forschungsvorhaben nur
Sachverständige zuzulassen, welche "an der medizinischen Praxis der
geschlechtszuweisenden Maßnahmen weder mittelbar noch unmittelbar beteiligt
sind." Konkret müssen somit Forscher involviert werden, die sowohl mit der
inhärenten Logik einer Kultur vertraut sind, welche mehr als zwei Geschlechter
kennt als auch die Übersetzungsarbeit in westliche Denksysteme leisten
können.
__________
Angebote
Für
Eltern, die nicht alleine den medizinischen Aussagen folgen und ‚blind‘
einwilligen wollen, gibt es somit seitens der AGGPG allgemeine Informations-
sowie in sinnvollem Rahmen Beratungsmöglichkeiten als auch für erwachsene
Intersexen zunehmend Vernetzungspotentiale entstehen, vor allem via Internet
und email.
Neben den auf dieser Webseite kostenfrei zur Verfügung
gestellten Informationen werden öffentlich Vorträge gehalten, Interviews
gegeben (sofern die Angebote annehmbar sind) und schriftliche Beiträge
erstellt. Die Kapazitätsgrenzen sind mit der Anzahl aktiver MitarbeiterInnen
verknüpft. Thematisch ist das Feld sehr weit und komplex.
__________
Theoretische
Verortung und Perspektiven
Die AGGPG distanziert
sich theoretisch sowohl von Körper-, Rasse- und Geschlechternormen als sie auch
auf eklatante Mängel medizinischer und sozialkonstruktionistischer Diskurse
hinweist. Intersexualität wird nicht als drittes, essentialisiertes und
ontologisiertes Geschlecht verstanden, aber für die ewig Geschlechtsgläubigen
wird auf jene in der Humanwissenschaft vorgefundenen ca. 4000
Geschlechtervarianten verwiesen. Konzepte im Dienste einer Kontrollgesellschaft
werden abgelehnt. Jede Idee und das Vorgehen der Reduktion auf zwei
Geschlechter sind scharf zu kritisiern. Auch alternative multiple Konzepte im
Dienste eines geschlechtlichen Fixierungsmodells werden abgelehnt. Theoretische
Entwürfe müssen vielmehr die diskursive Herstellung der Bipolarität als auch
Lebensentwürfe außerhalb vorgesehener Strukturen einbeziehen, zugleich flexibel
und diesseits des "anything goes" sein. Theoretische Weiterentwicklungen aus
den Einsichten der AutorInnen Foucault, Irigary, Deleuze und Butler halten wir
für partiell relevant. Gleichfalls relevant erscheinen aber auch politische
Maßnahmen, Menschen einen Sprachraum zu eröffnen. Dieser ist nicht in den
erneuten Dienst diziplinierender Maßnahmen zu stellen, sondern ein solcher
biopolitisch motivierter Gebrauch zu verhindern. Politisches Fernziel ist es,
gänzlich auf Geschlecht als Personen zugeschriebenes Merkmal zu verzichten.
Hierzu liegen in juristischer Hinsicht bereits Konzepte in der
Schublade.
Perspektivisch stehen weitere Forschungsfragen offen (z.B.
Ermittlung historischer Zwitter als auch die Untersuchung des Einflusses
nationalsozialistischen Gedankengutes an medizinischer Ideologie und konkreter
Forschung seit 1950). In Planung befindlich ist noch immer eine
Buchveröffentlichung als auch Irritationen im Kontext normativer Restriktionen,
etwa im schulischen Sexualkunde- und Genetikunterricht oder auf medizinischen
und sexualpolitischen Versammlungen, hervorzurufen. Ferner soll zunächst mit
juristischer Forcierung ein 'drittes Geschlecht' kulturuell eingeführt werden -
etwa als "formalisierte Ambivalenz" (Heinrich), "Triologie der Konstitution des
Ortes" (Irigary), "Eröffnung einer untotalisierbaren Pluralität der Menschen"
(Levians), "Gestalt der Reflexion, die weder im Ich noch im Du lokalisiert ist,
sondern die erst im Es, d.h. im Gegenstand, auftritt" (Gotthard Günther), kurz:
als durchaus verkörperte, jedoch auch fluide Mittlerfigur und nicht als
erneuter Determinismus.
Cyborgs / Postgender (Master of
Arts; rtf-download) etwa, propagiert von Donna Haraway, sind eine interessante
empirische Vorstellung, sofern sie reflektiert bleiben und nicht in einen Hype
münden. Ob postgender der richtige Begriff ist, müsste noch diskutiert werden.
Zwar würde er keine Differenzierungen in weiblich und männlich nötig haben, die
Idee korreliert jedoch mit Technologiefreudigkeit. Postgender ist insofern
lediglich als Metapher und epistemologischer Anreiz zu verstehen (s.
hier ein kritischer
Einwurf und hier eine
Postgenderadaption; Film Gendernauts -
1999). Dennoch, wir haben den Begriff für die neue Webseite verwendet,
vielleicht auch, um zu den erwartenden technical bodies Distanzierung
auszusprechen.
Dass andererseits transgender nur heisst, "lernen ich selbst zu
sein", spricht vielleicht eine ähnliche Sehnsucht an, arbeitet aber mit anderer
Methode und bleibt an menschlichen Bedürfnissen im nonvirtuellen Raum
orientiert.
Man
könnte diese und weitere Bestrebungen auch vereinfacht formulieren:
Pansexualität ist im Kommen. Doch Leute, die tatsächlich als nondimorphisiert
optisch erkennbar sind, haben realiter noch immer keinen Anspruch auf einen
Platz in der Gesellschaft. Sowohl die Welt des individualisierten
Lebensästheten als auch die ihn schützenden Institutionen sind im
geschlechtlichen Bereich, jenem vorgeblich "wichtigsten Ordnungsprinzip"
(Zeit), noch primär unreflektiert.
Eine Zwitterfigur bringt das Ende der Termini Sex und Gender mit
sich und bedeutet damit das Ende jener traditionellen, mit der health community
korrelierenden Genderstudies: exogender; the exodus of gender. Eine
metaphysische Rückbindung nebst Letztbegründung ist nicht mehr möglich. Sie
rückt vielmehr Dichotomien wie Kultur und Natur zusammen und überwindet damit
die Grenzen. Erst jetzt wird deutlich, dass kategorielle Reinheiten nie
existierten. Auch jene in den Genderstudies noch postulierte Spaltung zwischen
Maskerade und Original, gender und sex, fällt im Dritten in sich zusammen.
Übrig bleibt je nach Lesart das Unmarkierte, das Naturhafte, reiner Code oder
Nakultur. Die Differenz zwischen Schein und Sein wird obsolet. Eine echte
epistemologische Implusion, nicht nur übersteigerte Synthese, bei
gleichzeitiger Multiplikation potentieller Deutungsmuster (die alten vier, noch
phänomenologisch orientierten Interpretationsmodelle sind hier zu
finden).
eschlechterzwänge sind passé. Das tertium datur ist der Ort der
Transformation von äußerer in subjektive Macht, das die Individuen sich selbst
neu erfinden läßt und wenn sie klug sind, sich nicht einer erneuten
Dominanzkultur ausliefern. Das tertium ist zugleich die Schnittstelle zwischen
zweiwertiger Logik und polykontexturalen Systemen.
Da
eine völlig Aufhebung des Begriffes 'Geschlecht' ein Ärgernis der
Genderproduktionsstätten stellt (s.u., zudem sog. Frauenzeitschriften, Ehe
usw.), wird sozial ein drittes Geschlecht gewollt werden. Fliegenbeinzähler
(Biologen und Mediziner) werden durch Täuschung (divide et impera) und
Statistikfälschung dagegen weiterhin versuchen, die Zahl möglichst gering zu
halten, ihre Strategie der Marginalisierung nebst Postensicherung nicht
aufgeben und ihre Definitionsmacht fortschreiben wollen.
However, wir wollen der faschistoid motivierten Medizin in
diesem Sektor damit in einem Nebenaspekt die Finanzen durch einen
Legitimationsentzug streichen, ihnen das Definitionsmonopol entwenden sowie
dieser Kultur (und uns) eine Bereicherung bzw. Lebensperspektive
ermöglichen.
Kritisch anzumerken in diesem Kontext ist: "Der amerikanische
Sozialanthropologe John Fiske befaßte sich außer mit der Kultur des Volkes auch
mit der ökonomischen Dimension von Kultur-Mythen und seine Gedankengänge kann
man auch auf die speziellen Mythen über die Gender und Sex anwenden: 1.) Sie
sollen verkauft werden und die Einnahmen dienen dann a) zum Machterhalt der
Produzenten, und b) als Ressourcen zur Produktion neuer Gender- und Sexmythen.
2.) Der Verkauf hat als Ziel, durch hohe Verkaufszahlen einen Wahrheitsgehalt
des Genderbegriffs zu produzieren" (Quelle: www.annamagicart.com/ZIPs/Gender.zip) Der
im Originaltext in einer Fussnote genannte Adolf Butenandt war Nobelpreisträger
und Nazimediziner, sein Söhnchen Otfried bis in die späten 1990 Jahren an der
Zwitterverstümmelung in München beteiligt. Wir denken, dies spricht für
sich.
Daher gilt, so lange sich die Situation nicht verändert:
"Diamanten gelten als besonders wertvoll, weil sie sehr selten sind.
Intersexuelle jedoch, obwohl sie sehr selten sind, werden in westlichen
Zivilisationen nicht hoch geachtet, wie in indianischen Kulturen, sondern
werden in ihrer Integrität vernichtet. Das ist, als ob man Diamanten verbrennen
würde, um sie der Kohle gleichzustellen, nur weil Kohle in größeren Mengen
vorkommt. Das entsprechende Gesetz würde dann heißen: 'Es ist ein Naturgesetz,
daß C12 als schwarze Kohle existiert. Diamanten sind ein Irrtum der
Natur und sind deshalb der schwarzen Kohle anzupassen.'" (Quelle:
ebd.)
Das
Amtsgericht stellte klar, dass ihm Zwitter nicht unbekannt sind, sie gleichwohl
bislang und auch mit diesem Urteil als nicht anerkannt bestätigt wurden.
Dergestalt erfüllt ihre erzwungene soziale Abwesenheit eine zentrale Rolle zur
Determination des geschlechtlich Gebotenen und Normierten: Zwitter stellen de
facto ein sozial unzulässiges Geschlecht. Hinter dieser Konstellation steht ein
Totem, das stets mit dem Tabu einher geht, es nicht zu töten oder zu
verletzen.
Wenn geschlechtliche Vorgaben im Zuge der Emanzipation nicht
mehr eingehalten werden, ist es eine schizophrene Dynamik, die Existenz von
Zwittern zugleich zu tabuiseren und sie materiell zu eliminieren, statt sie als
gleichberechtigt anzuerkennen (Def. schizoide Persönlichkeit: Zerfall
emotionaler / handelnder und intellektueller / denkender Aspekte; s.
Tertium datur: eine peinliche
Befragung sowie Gilles Deleuze (1997): Anti-Ödipus. Kapitalismus
und Schizophrenie I, Suhrkamp). Wenn Konformismen hingegen gefolgt wird, haben
Zwitter als nonschizoide Ursprungsfigur einen sehr hohen Status
inne:
Beschliessung Jurisprudenz |
soziale Verortung Zwitter |
Status des traditionellen Geschlechterverständnisses m / w |
1. keine Aussage (Stand 2001) |
sakral, verworfen |
normierend, verdrängend |
2. versagt die Eingriffe |
sakral, übersteigert |
normierend |
3. akzeptiert ein 3. Geschlecht |
gleichberechtigt |
dekonstruierend, emanzipativ |
In beiden zuvor genannten Fällen dürften medizinische
Eingriffe nicht stattfinden. Da genau das jedoch der Fall ist, zielt die
Diskussion um diese mit basalen gesellschaftlichen Verträgen brechenden Praxen
sukzessive auf ein alternatives, nonbinäres Geschlechterverständnis, welches
jene der Schizophrenie zugrunde liegende Ödipusfigur überwindet. Das Gegenteil
der Absichten eines Verstümmelungsmanagements tritt ein, das selbst ohnehin
nicht an einen Essentialsmus von "Geschlecht" glaubt, aber zur
Profitabsicherung noch an Binaritäten festhält und doch nur mit einer
kulturellen Sinnstiftung durch ihre Handlungen bricht: es delegitimiert sich
selbst als weltfremd. [2]
__________
Was können Sie
konkret tun...
- weisen Sie Schwangere oder Eltern, die sich mit
einem Kinderwunsch tragen, auf die Möglichkeit hin, ein intersexuelles Kind zu
bekommen
- klären Sie Ihre Umgebung zu Existenz von und
medizinischem Umgang mit Intersexen auf
- weisen Sie Ratsuchende auf unterstützende
Stellen hin (alle auf dieser WebSeite genannten Gruppen geben Informationen
und, soweit sinnvoll, auch Entscheidungshilfen)
- sprechen Sie mit Medizinern und weisen diese auf
kritische Stimmen Intersexueller zur Methode der Geschlechtszuweisung
hin
- veranlassen Sie kooperative Mediziner zur
Mitarbeit, um geschlechtliche Zuweisungen zu stoppen und den beteiligten
Erwachsenen statt dessen bei Bedarf psychologische Hilfe in außerklinischem
Kontext anzubieten
- brechen Sie das Schweigen und tauschen Sie sich
mit anderen aus
- denken Sie daran: der Satz 'was nicht sein darf,
das nicht sein kann' ist eine fadenscheinige Legitimation für
Elimination
- lernen Sie Ironie und bewerten Sie Ihre
Situation nicht über: "...woman, children, and revolutionaries hate irony,
which is the negation of all saving instincts, of all faith, of all devotion,
of all actions." (Quelle: Linda Hutcheon 1995: Irony's Edge. The Theory and
Politics of Irony. London, New York)
- wenn Sie in eine ärztliche Beratungssituation
geraten sind:
- Zeichnen Sie alle Gespräche mit einem
Aufnahmegerät auf und lassen Sie sich zur Begründung entscheidender Aussagen
das Material aus Fachbüchern kopieren. Sie werden diese Unterlagen ggf. in
einem Prozeß vor Gericht als Beweismaterial brauchen, wenn nicht bloß Aussage
gegen Aussage stehen soll. Lassen Sie sich auch alle medizinische Akten stets
in Kopie aushändigen. Rechtlich haben Sie darauf Anspruch. Fälle, in welchen
chirurgische Eingriffe am Kind ohne Einwilligung und alleine zum Zwecke der
geschlechtlichen Verein(ein)deutigung durchgeführt wurden, lassen zur Vorsicht
raten.
- Lassen Sie sich aufklären. Der informed consent ("informierte
Einwilligung"; ein kritischer Vermerk dazu findet sich hier) ist Grundlage
eines jeden Behandlungsvertrages. Er bedeutet eine umfassende, allgemein
verständliche Aufklärung hinsichtlich der Diagnostik (dies impliziert auch,
dass Ihr Kind ein intersexuelles Genitale hat und nicht nur Kürzel wie z.B.
AGS), den Folgen aus etwaigen Eingriffen und solchen aus einem Unterlassen der
Eingriffe. Zu vielen Fragestellungen existieren keine gesicherten Informationen
oder nur Spekulationen. In solchen Fällen kann sich deswegen nicht schon für
Eingriffe ausgesprochen werden.
- Der Arzt hat den Regelungen des informed consent
zu folgen, wenn er sich nicht strafbar machen will. Zur Beachtung des
jeweiligen Wissensstandes gehört, Veröffentlichungen – auch ausländische, wenn
nicht zu entlegen – zu diesem Bereich zur Kenntnis zu nehmen und zu
berücksichtigen.
- Neuere Studien
belegen, dass die spätere geschlechtliche Verortung eines intersexuellen Kindes
sich oftmals unabhängig therapeutischer oder sozialisationsorientierter Art
entwickelt und mithin nicht prognostizierbar ist. Gehen Sie nicht davon aus,
die einmal getroffene Geschlechtszuordnung, gleich welche, würde für immer
Bestand haben. Gehen Sie ferner nicht davon aus, Genitalien, die optisch
maskulinisiert oder feminisiert werden, sähen dann auch entsprechend aus, wären
nerval intakt oder entsprächen dem Wunsch des Kindes.
- Treffen Sie niemals Entscheidungen sofort, auch
wenn Sie unter Druck gesetzt werden (bspw. mit Lebensgefahr des Kindes bei
Therapieablehnung gedroht wird).
- Unterscheiden Sie bei den medizinischen
"Angeboten" zwischen solchen kosmetischer und lebenserhaltender Art. Oft werden
diese Optionen als einander bedingend verkauft. Dies ist eine Lüge. Nicht der
Norm zu entsprechen, ist eine rein kosmetische Fragestellung und ein
Behandlungsvertrag ist formaljuristisch ungültig. Eingriffe an den
Geschlechtsmerkmalen ohne explizite Lebensgefahr sind in Ableitung des § 1631c
BGB aus 1992 als schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) strafbar.
- Juristisch gibt es keine Veranlassung für
Eingriffe zur geschlechtlichen Vereindeutigung, da ein Standesbeamter keine
körperliche Eindeutigkeit zur Eintragung fordern kann. Etwaige formale
Geschlechtszuweisungen können mit dem § 47 PStG (Personenstandsgesetz) wieder
geändert werden, wenn es sich nachweislich um eine Fehleintragung gehandelt
hat. Eine solche konstatierte, von Anfang an bestehende Unrichtigkeit
impliziert Personenstandsfälschung nach § 169 StGB (Strafgesetzbuch) für die
Informationsgeber, i.d.R. das Geburtsklinikum. Beachten Sie, dass die
Beantragung eines dritten Geschlechtes derzeit als Präzedenzfall
in Arbeit ist und
auch Sie einen solchen Antrag beim Standesamt des Geburtsortes Ihres Kindes
formlos stellen können. Eine Fristsetzung für die Antragstellung besteht nicht:
Die Option gilt somit auch für Erwachsene, die ihre ggf. jahrzehnte
rückliegende Eintragung ändern lassen wollen.
- Wenden Sie sich bei Bedarf für Rückfragen z.B.
an die AGGPG, Ihre Anfragen werden weitergeleitet bzw. Ansprechpartner genannt.
Einige Intersexen sind zu biologischen Fragestellungen besser informiert als
Ärzte und besser qualifiziert als nach Lehrbuch geschulten Psychologen sind
alle. Auch juristisch werden unsere Kenntnisse stets besser. Englischkenntnisse
sind von Vorteil, denn Sie können sich international Informationen
einholen.
- Wundern Sie sich nicht, dass Sie den Kontakt
bspw. zur AGGPG ärztlicherseits nicht genannt bekommen haben. Wir greifen
Mediziner an und reden ihnen nicht nach dem Mund. Unsere Kritik richtet sich
generell an die vorgeblich 'exakten', aber doch nur polarisiert formalisierten
Wissenschaften. Spätestens seit Heisenberg ist deren Kausaldeterminismus
obsolet, das sie jedoch nicht an der Brutalität der Zieldurchsetzung gehindert
hätte. Die westliche Medizin und ihr Machbarkeitswahn ist Teil dieses Denkens.
Der ärztliche Berufsstand und ihm ideell nachfolgende Vertretungen haben an
einer Modifikation ihres Denkens bislang kein Interesse.
Dies könnte sich allerdings bald ändern, denn am 12.10.01 fand die erste Lesung
in der Angelegenheit im Bundestag
statt.
- Vergessen Sie nicht: als Eltern haben Sie auch
juristisch die Pflicht, für Ihr Kind zu sorgen. Dieses hat ein grundgesetzlich
verankertes Recht auch auf eine freie Persönlichkeitsentwicklung. Lassen Sie
genitale Eingriffe zur geschlechtlichen Vereindeutigung vornehmen, mag dies
vielleicht Ihrem privaten, ästhetischen Wohlbefinden dienen, aber Sie verstoßen
gegen die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland, der
EU-Menschenrechtskonvention und dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes,
ratifiziert am 20. November 1989. Sie handeln strafbar, denn Sie brechen mit
Gesellschaftsverträgen, die Sie für sich selbstverständlich in Anspruch nehmen
- etwa nicht einfach ermordet zu werden, nur weil Ihnen jemand mit schlechter
Laune auf der Straße begegnet und Sie im Wege stehen. In medizinischen und
kassenärztlichen Akten sind Ihre Adressangaben usw. erfasst, Sie bleiben in
Ihrem Vorgehen nicht anonym und sobald Rechtssicherheit besteht, werden alle
Fälle sukzessive juristisch überprüft werden.
__________
...und was sollten Sie nicht
tun?
- verwechseln Sie nicht eine Geschlechtsanpassung
erwachsener Transsexueller mit der Geschlechtszuweisung intersexueller Kindern,
sondern differenzieren Sie hinsichtlich Freiwilligkeit, Zustimmungsfähigkeit
und Intention, auch wenn aktuelle Zeitungsmeldungen dazu tendieren, alles unter
die Fragestellung der Geschlechtszugehörigkeit zu subsumieren und damit dem
medizinischen Impetus zuarbeiten.
- verwechseln Sie nicht sexuelle
Lebensweisen (Homo- Hetero, Bisexualität u.a.m.) mit der Feststellung des
anatomischen Geschlechtes, welche sich in den Begriffen 'Mann, 'Frau',
'zwittrig' / 'uneindeutig' wiederfinden (siehe Text 'theoretische
Differenz...')
- projezieren Sie nicht Ihre sexuellen Wünsche,
geschlechtlichen Weltbilder und Ängste auf uns, sondern fragen Sie sich, warum
Sie diese Gedanken haben und wie Sie sie verändern können
Zum Einlesen in den Komplex empfehlen sich u.a. die
Texte dieser Webseite mit weiteren Links sowie weiterführende Literatur:
explizit:
- John Colapinto (2000): Der Junge, der als
Mädchen aufwuchs. Walter
- Alice D. Dreger (1998): Hermaphrodites and the
medical invention of sex. Havard University Press
- Alice D. Dreger (1999): Intersex in the age of
ethics. University Publishing Group
- Anne Fausto-Sterling (2000): Sexing the body.
Gender politics and the construction of sexuality. Basic Books
- Michel Foucault (1998): Über Hermaphrodismus.
Der Fall Herculine Barbin. Suhrkamp
- Bernice L. Hausman (1995): Changing sex.
Transsexualism, Technology and the Idea of Gender. Duke University
Press
- Suzanne J. Kessler (1998): Lessons from the
intersexed. Ruttgers University Press
implizit:
- Baudrillard, Jean (1991): Der symbolische Tausch
und der Tod. Matthes & Seitz
- Baudrillard, Jean (1996): Das perfekte
Verbrechen. Matthes & Seitz
- Bauman, Zygmunt (1995): Postmoderne Ethik.
Hamburger Edition
- Bataille, Georges (1997): Theorie der Religion.
Matthes & Seitz
- Bataille, Georges (1997): Die psychologische
Struktur des Faschismus. Die Souveränität. Matthes & Seitz
- Bataille, Georges (1999): Die innere Erfahrung
nebst Methode der Meditation und Postskriptum 1953. Matthes &
Seitz
- Bataille, Georges (2001): Die Aufhebung der
Ökonomie. Matthes & Seitz
- Günther, Gotthard (2000): Lebenslinien der
Subjektivität. Kybernetische Reflexionen. Suppose (CompactDisk)
- Günther, Gotthard (2000): Die Amerikanische
Apokalypse. Profil*
- Heinrich, Klaus (1987): Tertium datur. Eine
religionsphilosophische Einführung in die Logik. Stroemfeld*
- Herman, Judith Lewis (1993): Die Narben der
Gewalt. Traumatische Erfahungen verstehen und überwinden. Kindler
- Levinas, Emmanuel (1993): Totalität und
Unendlichkeit. Versuch über die Exteriorität. Karl Alber
- Miller, Alice (1983): Du sollst nicht merken.
Variationen über das Paradies-Thema. Suhrkamp
__________
Lassen Sie uns noch eine Anmerkung
formulieren:
Es werden Milliarden DM jedes Jahr über Forschungen und
Zwangsassimilation an als intersexuell deklarierten Körpern eingenommen.
Umgerechnet bedeutet dies, daß ein Intersexueller bis zu seinem 18. Lebensjahr
anderen - gegen seinen Willen - einen Mehrwert verschafft hat, wie ihn manche
Arbeitnehmer ihr Leben lang nicht leisten werden. Weiterhin: Menschen, die sich
als weiblich oder männlich definieren und eine Identität darauf aufbauen,
können dies heute nur, weil Hermaphroditen sozial und kulturell nicht
existieren. Gesetze, die auf einer Polarisierung der Geschlechter gründen,
provitieren ebenfalls von einer binären Logik und gleiches gilt für Religionen
und Philosophien, die montheistischen Ideologien anhängen, um daraus binäre
Konzepte zu entwickeln. Soweit zu den Parasiten.
Um es klar zu formulieren: Wir (ein zugegeben
problematisches Wort ob realer Heterogenität) haben den Rassismus, der einer
Apartheid der Geschlechter inhärent ist, weder erfunden noch, und dies ist
entscheidend, tragen wir ihn fort als wir dieser Gesellschaft auch absolut
nichts schulden. Keine Aufklärung, keine von uns initiierte Besserung der
Situation, ja noch nicht einmal die Beantwortung eines einzigen emails. Alle
Leistungen, die von hier erbracht werden, erfolgen als Kredit und lediglich
unter Vorbehalt. Sollten sie nicht in akzeptabler Zeit fruchten, werden wir uns
andere Mittel als die der Mitteilung und des Dialoges suchen müssen. Und man
wird uns gute Angebote machen müssen, um sie als akzeptabel zu werten.
Umgekehrt sieht die Lage anders aus: ein Staat ist dazu
verpflichtet, für seine Staatsbürger (so politisch schwierig dieser Begriff
auch ist) Sorge zu tragen. In Sachen Hermaphroditen hat er komplett versagt.
Eine Gesellschaft, die sich human und demokratisch nennt, hat an dem Exampel
der Zwitter ebenfalls komplett versagt. Gleiches gilt für eine Wissenschaft,
die glaubt irgend etwas durch Rationalisierung sich aneignen zu können: die
Aufklärung hat komplett versagt. Es ist bekannt: jene als intersexuell
gelabelten Menschen werden bis heute in Deutschland gefoltert und sollen völlig
unsichtbar sein. Sie sollen faktisch eliminiert werden. Von nicht vorhandenen
Arbeitsplatzangeboten und sonstigen sozialen Leistungen usw. ist hier noch gar
nicht die Rede - diese fehlen ohnehin.
Eine Verfolgung des state of the art der Wissenschaft
zeigt andererseits: diese Gesellschaft ist durchdrungen von der Idee des
Dritten und Mehrwertigen: u.a. Emmanuel Levinas, Klaus Heinrich, Gotthard
Günther und Homi Bhabha schrieben hierzu bereits aus verschiedenen
geisteswissenschaftlichen Perspektiven.
Zudem: Aggregatszustände des gleichen Stoffes (fest,
flüssig, gas; ineinander transformierbar mittels Druck und/oder Temperatur),
Stand-by-Schaltungen, intern analog arbeitende (und schnellere) Computer,
Quantentechnik, gelbe Ampelschaltung (zur Beschleunigung des Verkehrsflusses),
Neutronen, Antimaterie, Virtual Reality, Klone, Chimären, Hybriditätskonzepte,
Fuzzylogic usw. sind teilsweise in den Alltag eingeflossene Beispiele aus
Technik, Physik und Mathematik, die eine mittel- oder unmittelbare Zwitterlogik
beinhalten.
Dass von A nicht auf B, von Idee nicht auf
Manifestation geschlossen wird, sagt etwas aus über die sozialgeistige
Begrenzung hiesiger Sozietät, jenen als primitiv abgewerteten nicht-westlichen
Kulturen weit unterlegen, und ihren geschlechtlich konditionierten Menschen,
die regelrecht fixiert darauf sind, uns bestenfalls als 'leidend',
'Betroffene', 'chronisch krank' oder 'Patienten' zu reduzieren, beleidigen und
diffamieren. Und sie berichtet von politischen und wirtschaftlichen
Interessensgruppierungen, Reduktionen gezielt herbeiführen und aufrecht
erhalten zu wollen.
Sie werden es beim Lesen schon bemerkt haben: wir sind
aus einem etwas anderen Holz
geschnitzt als viele Menschen, die die Situation, die Hermaphroditen heute
vorfinden, keinen Tag auch nur überleben würden. Summa sumarum: Rechnungen ohne
uns gehen nicht auf.
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[1] Die Notwendigkeit, diese Begrifflichkeit zu
erweitern, speist sich aus unten wiedergegebenen hohlen Geschwafel von Hartmut
Bosinski, ein Kollege von Milton Diamond und tätig an der ehemaligen
Nazi-Eliteuniversität Kiel sowie Mitherausgeber des Lehrbuches "Sexualmedizin"
(2001), welches die Bundesregierung in der Antwort auf die Kleine Anfrage vom
März 2001 als Legitimation ihrer Verstümmelungsbefürwortung benutzte und
folgendes aufschlussreiche Zitat enthält: "Der Großteil unseres heutigen
Kenntisstandes für die .. Schritte der somatosexuellen (und teilweise auch
psychosexuellen) Entwicklung verdankt sich dem Studium von klinisch relevanten
Störungsbildern, den sog. Intersex-Syndromen." (S. 46) Für das Studium der
OP-Techniken, Erblehre und Endokrinologie waren Zwitter maßgebliches
Forschungsobjekt als die Kontinuität ihrer Vernichtung sich auch bis heute
ungebrochen fortsetzt. John Money, der 1955 seine ohne jede empirische Evidenz
entwickelte "Theorie" von der sozialgeschlechtlichen Entwicklung (Gender)
einbrachte, die Verstümmelungen an Intersexen pseudotheoretisch untermauerte
und aktiv propagierte, dessen Thesen seit 1970 nutzbar gemacht wurden zur
Behandlung von Transsexualität und heute für gescheitert erklärt werden müssen,
wurde mit großem Hallo von Feministinnen empfangen und zuletzt setzte Judith
Butler seine Ideen in der noch immer gehypten Queertheory fort. Hier schließt
sich der Kreis der ideell Beteiligten.
Das Zitat von Bosinski:
"Störungen der pränatalen sexuellen Differenzierung können zu
Intersex-Syndromen führen, welche nicht selten mit psychosexuellen
Entwicklungsproblemen einhergehen. Der Artikel gibt einen kurzen Überblick zur
Historie und stellt gegenwärtig kontrovers diskutierte Guidelines für das
medizinische Management von Intersex-Syndromen dar, die entweder eine
frühzeitige Geschlechtszuschreibung und entsprechende operative Korrekturen
oder aber ein weitgehend konservatives Vorgehen unter Berücksichtigung
pränataler Hormoneinflüsse auf die Ausbildung der Geschlechtsidentität und die
Vermeidung frühzeitiger Genitalkorrekturen favorisieren. Aus Sicht der
Sexualmedizin werden Lösungsvorschläge unterbreitet, wobei besonders auf die
Notwendigkeit eines auf den Einzelfall abgestimmten, interdisziplinären
Vorgehens in hochspezialisierten Zentren unter Berücksichtigung biologischer
und psychosozialer Einflussfaktoren und auf den unbefriedigenden Stand der
Nachuntersuchungen hingewiesen wird. " (Quelle: MedGen
2001;13:42-45)
... sowie dem Wissen um Abtreibungen aufgrund
geschlechtsspezifischer Unverträglichkeiten und ohnehin pränatalen Pfusch durch
hormonelle Behandlungen der Mütter.
[2] Das dumpfe Geschlechterkasperletheater
verläuft wie folgt:
1. |
Am kulturellen Anfang war die Bibel: Gott schuf den
Menschen als Mann und Frau (und wer bitte war dann Gott?). |
2. |
Am philosophischen Anfang war das tertium non datur
aus eben diesem Grunde. |
3. |
Am sozialen Anfang waren Medizin und Eltern: I. Alle
Föten sind bis zur X. Woche beidgeschlechtlich,dann differenzieren sie sich aus
in Mann und Frau. II. Sage mir, oh heiliger Arzt, was ist es denn, vermag ich
es doch nicht selbst zu beurteilen. |
3a. |
Dass eine solche zweigeteilte, deduktive Präskription
aller naturwissenschaftlicher Verfahren spottet, tangiert uns Mediziner kein
bißchen. |
3b. |
Wenn jetzt doch mal ein uneindeutiger Mensch geboren
wird, erklären wir Mediziner ihn als genital fehl- oder mißgebildet, aber
eigentlich männlich oder weiblich. |
3c. |
Wir ermitteln durch detaillierte Analyse, selbstredend
nunmehr induktiv formuliert, das von uns erfundene Krankheitsbild. |
3d. |
Wir bestätigen den beidgeschlechtlichen Menschen als
Totem der Männer und Frauen und ignorieren das Tötungstabu, schließlich sind
wir die Geschlechtermacher. |
4. |
Am rechtlichen Anfang war das Standesamt: Mediziner,
mein Geschlechtergott, sage mir, was darf ich melden? |
5. |
Am revolutionären Anfang war der Zwitter: was soll das
alles eigentlich? Seid ihr alle zu dumm, um logisch zu denken? Fehlt Bildung?
Intelligenz? Seid ihr krank? Was ist euer Problem, dass ihr euch so
offensichtlich blamieren müßt? |
6. |
Am wissenschaftlichen Anfang waren Biologie und Genetik. Sie behaupteten
nicht mehr, irgendeine Aussage über "Geschlecht" treffen zu können. Das wurde
ihnen nicht nur von der Medizinergemeinde verübelt. |
7. |
Am sozialen Anfang II waren die Menschenrechtler und Pädagogen. Sie waren
nicht mehr willens, einer Wissenschaft voller Lug und Trug Glauben zu schenken
... |
Punkt 6 und 7 sind science fiction.
© Copyright AGGPG - 2001
Siehe auch:
-
"Medizinische Intervention als Folter" - Michel Reiter
30.6.2000
-
"Genitalverstümmelungen in Deutschland in der Kinder- und Jugendgynäkologie" -
AGGPG 1996
-
"Für die Kinder kämpfen wir" - Michel Reiter, 1997
-
"Vernichtung intersexueller Menschen in westlichen Kulturen" - AGGPG
1998
-
Genitale Verstümmelung & Folgeschäden - AGGPG 1998
-
"Medizinische Intervention als Folter" - Michel Reiter
30.6.2000
- Kosmetische
Genitaloperationen an Kindern: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen
geschehen?
- Anliegen
an den Deutschen Ethikrat 2010