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Saturday, March 6 2010

Schweiz: Verfassungsartikel Forschung am Menschen – Chance im Kampf gegen genitale Zwangsoperationen und sonstige experimentelle Zwangsbehandlungen an Zwittern

Nachtrag: Der Verfassungsartikel wurde mit über 77% Ja-Stimmen angenommen!

Menschenrechte auch für Zwitter!In der Schweiz wird am kommenden Wochenende über einen Verfassungsartikel abgestimmt, der den Bund beauftragt, Forschung am Menschen landesweit mittels Vorschriften zu reglementieren, da bisher nur teilweise kantonale, uneinheitliche und lückenhafte Vorschriften bestehen. Da die meisten Parteien und auch die betroffenen medizinischen Standesorganisationen die Vorlage befürworten, hat sie gute Chancen.

Obwohl u.a. die Pflicht zur Kontrolle von Menschenversuchen im Verfassungsartikel leider nur mangelhaft verankert wurde, könnte die Zwitterbewegung in ihrem Kampf gegen die experimentellen kosmetischen Zwangseingriffe an Kindern mit "uneindeutigen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen von einer Annahme des Verfassungsartikels klar profitieren.

Bezüglich einer verbindlichen und transparenten Kontrolle sämtlicher Menschenversuche besteht jedoch aus der Sicht der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org dringend zusätzlicher Handlungsbedarf.
 

Seit den 1920ern:
Serienweise uneingewilligte und unkontrollierte Menschenversuche an Zwittern

Seit über 90 Jahren werden kosmetische Genitaloperationen, Zwangskastrationen, Zwangshormon"therapien" und weitere, nicht eingewilligte, medizinisch nicht notwendige Zwangseingriffe an Zwittern von den SerientäterInnen ausschliesslich experimentell durchgeführt, d.h. es wurde weltweit nirgends und nie klinisch getestet, ob die "Behandlungen" für die Zwangsbehandelten überhaupt eine "Verbesserung" bringen, und wie es im Gegenzug mit den "Nebenwirkungen" ausschaut (sog. "mangelnde bzw. fehlende Evidenz").

Die insbesondere nach Zwangskastrationen lebenslangen Zwangshormon"therapien" wurden ebenfalls nie klinisch geprüft, die verwendeten Medikamente für diese Anwendungen weltweit nirgends und nie von einer Arzneimittelbehörde geprüft und folglich auch nicht freigegeben (sog. unkontrollierter "Off-Label Use"). Dasselbe gilt auch für die seit Ende der 1970er ebenfalls seriell durchgeführten pränatalen Zwangshormontherapien.

Schlimmer noch, obwohl diese medizinisch nicht notwendigen, uneingewilligten experimentellen Zwangsbehandlungen seit den 1950ern – also seit deutlich über einem halben Jahrhundert! – an allen entdeckten neugeborenen und erwachsenen Zwittern systematisch vollzogen werden, haben die TäterInnen sich bisher um klinische Tests oder nur schon systematische Nachuntersuchungen (sog. "Follow-Ups") stets foutiert, nicht zuletzt, da solche einen zentralen Aspekt der "Therapien" in Frage stellen würden, nämlich das Verschweigen der Eingriffe und des wahren Geschlechts den misshandelten "PatientInnen" gegenüber.

Alle Zwangsbehandlungen an Zwittern erfolgen demzufolge seit jeher als unkontrollierte medizinische Menschenexperimente bzw. als unkontrollierte Feldversuche.

Der einzige angebliche "Beweis" für die Zwangsbehandlungen, John Moneys infames "John/Joan"-Zwillingsexperiment, wurde bereits 1997 als krasse wissenschaftliche Fälschung entlarvt. Trotzdem tun die Medizyner in der Regel heute noch so, als ob es sich bei diesen Zwangsbehandlungen um einen erprobten medizinischen Standard handle, und preisen die Zwangsbehandlungen vor allem den in der Regel überforderten Eltern gegenüber seit Jahrzehnten widerrechtlich als "sicher" und "erprobt" an – obwohl sehr viele Fälle unzufriedener Erwachsener publik sind, auch in offiziellen Studien.


2010: Was könnte der neue Verfassungsartikel für Zwitter bringen?

Allen gegenteiligen Lippenbekenntnissen von Medizynern zum Trotz werden die experimentellen, medizinisch nicht notwendigen, nicht eingewilligten Zwangsbehandlungen an Zwittern auch in der Schweiz weiterhin systematisch praktiziert. Zwischengeschlechtlich geborene Menschen sind wohl die Bevölkerungsgruppe, die widerrechtlichen medizynischen Menschenversuchen am schutzlosesten ausgeliefert sind.

Unter diesen Umständen können Zwitter von einer evtl. auch nicht ganz perfekten Reglementierung von Menschenversuchen auf Bundesebene, wie sie der Verfassungsartikel vorsieht, praktisch nur profitieren. Auch die als Folge des Verfassungsartikels folgende politische und öffentliche Diskussion um konkrete Gesetzesvorschriften stellt eine grosse Chance dar, die menschenrechtswidrigen experimentellen Zwangsbehandungen an Zwittern öffentlich anzuprangern.

(Auch wenn eine öffentliche Diskussion selbst bei Annahme des Verfassungsartikels grosse konkrete Anstrengungen erfordern wird, da, wie andernorts bereits festgestellt, schon der Verfassungsartikel im Vergleich mit den übrigen Abstimmungsvorlagen weitgehend unter dem Radar der Öffentlichkeit blieb.)


Schwachpunkt: Mangelnde Transparenz und Kontrolle

Aus Sicht der Zwitterbewegung stellt der schwerwiegendste Makel des Verfassungsartikels die nur ungenügend vorgeschriebene Erfassung und Kontrolle von medizinischen Humanexperimenten dar. Die im Verfassungsartikel verankerte "unabhängige Überprüfung" (Art. 118b Abs. 2 b.) "von einer unabhängigen Stelle (z.B. einer Ethikkommission)" (Erläuterungen des Bundesrats, Abstimmungsbroschüre (PDF) S. 8) ist klar zu wenig verbindlich, um unkontrollierte Menschenversuche, wie sie an Zwittern seit über 90 Jahren serienweise sowie seit bald 60 Jahren systematisch praktiziert werden, erfolgreich einzudämmen. Hier besteht bei der späteren Ausformulierung konkreter Gesetzesvorschriften dringender Handlungsbedarf.

Wie etwa das Beispiel der letzten Monat in Amerika erfolgreich angelaufenen Initiative zur Überprüfung der experimentellen pränatalen Zwangshormontherapien zeigt, braucht es verbindliche Regelungen, damit medizinische Menschenexperimente ohne Registrierung und kontinuierliche, transparente Kontrolle durch entsprechende Kontrollstellen nicht durchgeführt werden dürfen, sofern der vom Verfassungsartikel propagierte Schutz vor unethischen und gar schädlichen Humanexerimenten ganz nach dem Belieben der ExperimentatorInnen nicht ein blosser Papiertiger bleiben soll, sowohl für Zwitter wie auch für alle anderen, zum Zeitpunkt der Experimente nicht einwilligungsfähigen menschlichen "Versuchsobjekte".
 

  • Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org unterstützt aus obigen Überlegungen den zur Abstimmung stehenden Verfassungsartikel über die Forschung am Menschen.
     
  • Und fordert alle Parteien und Interessengruppen auf, sich dafür einzusetzen, dass eine verbindliche und transparente Kontrolle aller medizinischen Menschenversuche in den zu schaffenden Gesetzesvorschriften verbindlich verankert wird.


Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Zwangsoperationen an Kindern und "Menschenrechte auch für Zwitter!". Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

Siehe auch:
- "Heimliche Versuche am Menschen" - Beobachter 7/2010
(mit weiterführenden Links und einer Zusammenfassung der Vernehmlassung zum Humanforschungsgesetz)

Tuesday, February 9 2010

USA: Weg weisende Kampagne gegen pränatale Dexamethason-Zwangsbehandlungen "auf Verdacht hin"

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Menschenrechte auch für Zwitter![ UPDATE 2.6.10: Neue Vorstösse & Resonanz --> Teil 7 ]

Das gab es meines Wissens nach noch nie: AkademikerInnen kritisieren Medizyner namentlich und fordern aktiv die Einhaltung ethischer Standesregeln auch bei "Experimentalbehandlungen" an Zwittern, indem sie organisiert und öffentlich bei zuständigen Aufsichtsbehörden Meldung erstatten! Hipp, hipp!


Englische Kampagnenseiten:
>>> Fetaldex.org
>>> Advocates for Informed Choice (AIC)
>>> Comment and Videos @ bodyfascist.com 
 

Patient Advocate questions use of Dexamethasone on moms and their unborn babies>>> Englisches Video zur Kampagne mit Janet Green
 

Pränatale Dexamethason-Zwangsbehandlungen
bei "Verdacht" auf AGS/CAH

INHALT

1) Einleitung
2) AGS/CAH
3) Dexamethason: Rein kosmetische Zwangsbehandlungen
4) Seit 30 Jahren: Experimentalbehandlungen ohne Evidenz
5) Zwangsbehandelt "auf Verdacht": 9 von 10 sind gar keine Zwitter
6) Im Schatten der Zwangsoperationen
7) 2010: Kampagne gegen Dexamethason und Maria I. News unkontrollierte Menschenversuche
8) Eine neue Form von Widerstand
9) Handlungsbedarf auch in Europa
Wird fortgesetzt ...


1) Einleitung

Bislang standen die Dexamethason-Zwangsbehandlungen quasi im Schatten der genitalen Zwangsoperationen. Hoffentlich gerät mit den aktuellen Aktionen diese bisher kaum beachtete Form von ebenfalls medizinisch nicht notwendigen, hormonellen Zwangsbehandlungen an Menschen mit "uneindeutigen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen, noch dazu "auf blossen Verdacht hin" (nur jeder 8. zwangsbehandelte Mernsch ist tatsächlich ein Zwitter!) und mit teils gravierenden "Nebenwirkungen", künftig nicht nur in den USA endlich vermehrt ins Blickfeld der öffentlichen Kritik.

So käme das internationale Zwitterjahr 2010 plötzlich doch noch gut in die Gänge, nachdem im Januar die IOC-Medizyner mit ihren meist menschenverachtenden Ansinnen für einen bisher alles andere als sportlich-runden Start gesorgt hatten. Mit der New Yorker Medizynerin Maria Iandolo New (Mount Sinai Medical Center) gerät nun in Sachen Dexamethason ironischerweise eine Serien-Zwangsbehandlerin unter Beschuss, die erst gerade auch im Namen von IOC, IAAF und FIFA besonders unverholen obligatorische Zwangsbehandlungen für als Zwitter verdächtigte Sportlerinnen gefordert hatte ...

2) AGS/CAH

AGS (Adrenogenitales Syndrom) oder, von Vielen bevorzugt, CAH (Congenital Adrenal Hyperplasia = Angeborene Nebennieren Hyperplasie) ist unter den vielen, vielen verschiedenen Ursachen für die Entstehung von menschlichen Bio-Zwittern die am häufigsten auftretende Form und eine der medizinisch vergleichsweise am besten erforschten (in sehr vielen andere Fällen tappen die Medizyner betreffend Ursachen oder nur einer verlässlichen Diagnose auch heute noch weitgehend im Dunkeln: "finden wir häufig nicht").

Da bei AGS/CAH die Nebennierenrinde statt der Hormone Aldosteron und Cortisol vermehrt Testosteron produziert, kommen diese Kinder oft mit "uneindeutigen" äusserlichen Geschlechtsorganen zur Welt, die von den Medizynern in der Regel von allen Zwitterkindern wohl am massivsten zwangsoperiert werden, um aus ihnen "richtige Mädchen" zu machen.

AGS/CAH ist unter allen Zwitter-Formen insofern eine grosse Ausnahme, dass wegen der damit oft verbundenen mangelnder Bildung von Aldosteron und Cortisol eine medizinisch indizierte Behandlung notwendig ist, nämlich die lebenslange künstliche Ersetzung dieser Hormone, weil sonst tatsächliche körperliche Probleme auftreten (Salzverlust), die je nach Schwere bis zum Tode führen können. Dies betrifft jedoch ausschliesslich diesen Aspekt des Mangels dieser lebensnotwendiger Hormone, NICHT jedoch die körperliche "Uneindeutigkeit".

3) Dexamethason: Rein kosmetische Zwangsbehandlungen

Seit den späten 1970ern werden zur Verhinderung der körperlichen "Uneindeutigkeit" bei AGS/CAH-Ungeborenen schwangeren Frauen, die als "genetische Trägerinnen" verdächtigt werden, "prophylaktisch" mit dem Glukokortikoid Dexamethason traktiert. Ausgehend von Frankreich ist diese nach wie vor unerprobte "Experimentalbehandlung" in den "entwickelten Ländern" inzwischen globaler Quasi-Standard.

Die pränatalen Dexamethason-Zwangsbehandlungen sind – wie auch die genitalen Zwangsoperationen – rein kosmetischer Natur, die oben erwähnten, realen Gesundheitsprobleme wegen möglichen Aldosteron bzw. Cortisol-Mangels bleiben von der Dexamethason-Zwangsbehandlungen unberührt!

Die angestrebte Wirkung betrifft unbestrittenermassen ausschliesslich die Vereindeutigung der "uneindeutigen" körperlichen Geschlechtsmerkmale – zur "Vermeidung späterer chirurgischer Eingriffe". Oder wie es in Deutschland die medizynernahe "AGS-Eltern und Patienteninitiative e.V." in ihrer "Infobroschüre" im Abschnitt "A. h. Die vorgeburtliche Therapie des AGS" farbig hervorhebt (S. 27): 

Die vorgeburtliche Behandlung bei Mädchen mit AGS hat zum Ziel, die Vermännlichung der äußeren Geschlechtsorgane zu verhindern und dem Kind dadurch lästige und traumatisierende Operationen zu ersparen.


4) Seit 30 Jahren: Experimentalbehandlungen ohne Evidenz

Wie auch bei den verschiedenen Formen der kosmetischen Genitaloperationen an Zwittern handelt es sich ebenfalls um ein "experimentelles Verfahren", das von den Medizynern jedoch seit Jahrzehnten öffentlich quasi als erprobter Standard verkauft wird. Obwohl die Wirksamkeit der angeblichen "Heilbehandlung" empirisch nie nachgewiesen wurde (mangelnde Evidenz).

Im Gegenteil, jegliche solche empirische Überprüfung oder nur schon Nachfolgestudien (Follow Up), die auch mögliche Nebenwirkungen und die Behandlungs(un)zufriedenheit erfassen würden, wurden Jahrzehnte lang gar nie ernsthaft angestrebt. Kein Wunder, verschiedene Studien belegen "Nebenwirkungen" wie u.a. verlangsamte oder ausbleibende motorische und geistige Entwicklung, 8-fache Hospitalisierungsrate im ersten Lebensjahr sowie nicht abgestiegene Hoden bei männlichen Neugeborenen.

Die unkontrollierte Weiterführung dieser Behandlungen ist eine flagrante Verletzung medizinischer Vorschriften, u.a. betreffend der Rechte der Teilnehmer an Experimentalbehandlungen wie auch gegen das Verbot, Experimentalbehandlungen als Standard zu "verkaufen".

Bei den pränatalen Zwangsbehandlungen mit Dexamethason handelt es sich zudem zudem (wie bei manch anderen Hormon"behandlungen" an Zwittern auch) um einen von den Arzneimittelbehörden weder kontrollierte noch freigegebene Anwendung (Off Label Use).

5) Zwangsbehandelt "auf Verdacht": 9 von 10 sind gar keine Zwitter

Dies, weil die Behandlung möglichst in den allerersten Schwangerschaftswochen beginnen muss; wenn ab der 7. Woche die Geschlechtsentwicklung beginnt, ist es bereits zu spät. Deshalb sollten aus Medizynersicht schwangere Frauen, die schon einmal ein Kind mit AGS/CAH geboren haben, oder bei denen (wie auch bei den Partnern) aufgrund genetischer Tests ein "Risiko" besteht, flächendeckend "auf Verdacht hin" unter Dexamethason gesetzt werden – obwohl in diesem Fall aus genetischen Gründen nur jedes 8. Kind erneut wieder mit AGS/CAH auf die Welt kommt.

Genauer gesagt also: 87.5% aller Zwangsbehandelten sind keine Zwitter. Die restlichen 2.25% sind Zwitter, die trotz Zwangsbehandlung unerwünscht "uneindeutig" bleiben (aber trotzdem unter den Nebenwirkungen leiden).

6) Im Schatten der Zwangsoperationen

Bisher wurden die pränatalen Dexamethason-Zwangsbehandlungen kaum je öffentlich kritisiert.

Auch innerhalb der Zwitterbewegungen fiel Dexamethason öfters mal unter den Tisch (vgl. z.B. die Auflistung im CEDAW-Schattenbericht. Auch auf Zwischengeschlecht.org wurden pränatale Dexamethason-Zwangsbehandlungen erst 2009 nachgetragen).

Die meines Wissens nach erste prinzipielle öffentliche Kritik erfolgte 2006 durch die Herausgeberin Sharon Sytsma in "Ethics and Intersex" (Springer 2006, S. xxiv >>> PDF sowie S. 241-258). Sytsma denunzierte die unkontrollierten Behandlungen als unzulässig und unethisch. Auch innerhalb amerikanischer Endokrinologesorganisationen ist Dexamethason zwar nicht überall unumstritten. Trotzdem stiess auch Sytsmas Kritik zunächst auf wenig Widerhall. Geschweige denn, dass jemand versucht hätte, offensichtlich unverbesserliche ZwangsbehandlerInnen konkret zu stoppen ...

7) 2010: Kampagne gegen Dexamethason und Maria I. News unkontrollierte Menschenversuche

Nicht nur in Amerika werden die experimentellen, pränatalen Dexamethason-Zwangstherapien verschiedentlich öffentlich als "sicher" angepriesen und vermarktet, obwohl Dexamethason für diese Anwendung weder in Amerika noch in Europa je geprüft oder gar freigegeben wurde, und solche Anpreisungen für experimentelle "Off-Label"-Anwendungen untersagt sind. Zudem wurden die Dexamethason-Zwangsbehandlungen (wie alle anderen kosmetischen Zwangsbehandlungen an Zwittern auch!) nie klinisch geprüft, weshalb es auch keine Evidenz für ihre angebliche Wirksamkeit und Verträglichkeit gibt. 

Die in Amerika wohl exponierteste Propagandistin der pränatalen Zwangseingriffe, die auch sonst notorische Zwangsbehandlerin Dr. Maria I. New, wurde auf Mediziner-Kongressen von besorgten KollegInnen verschiedentlich auf ihre vorschriftswidrigen Anpreisungen angesprochen, wich jedoch der Diskussion jeweils aus.

In einem ersten Schritt rügten nun 35 BioethikerInnen diese möglichen Verstösse gegen geltende Vorschriften und Gesetze in einem >>> 1. Offenen Brief vom 2.2.10 an die US-Arzneimittelbehörde (FDA Office of Pediatric Therapeutics), an die US-Überwachungsstelle für medizinische Experimente mit Menschen (HHS Office for Human Research Protections) sowie an Maria I. News Vorgesetzte in den Institutionen, wo sie diese Behandlungen offensichtlich ohne genügenden Schutz für ihre menschelichen Versuchskaninchen regelmässig vorschriftswidrig anpreist und durchführt (Mount Sinai Medical Center, Weill Medical School of Cornell University, Florida International University).

Im Offenen Brief vom 2.2.10 forderten die BioethikerInnen die angeschriebenen Stellen auf zu einer eingehenden Untersuchung von Maria I. News Praktiken, ob diese so überhaupt zulässig sind und allenfalls gegen rechtliche Vorschriften verstossen.

Die US-Arzneimitelbehörde sowie die University of Florida sicherten laut Fetaldex.org am 8.2.10 rsp. 3.2.10 zu, die im Offenen Brief formulierten Anliegen MedizinethikerInnen zu untersuchen.

Der Offene Brief wurde auf einer eigens für die Kampagne geschaffenen Webseite >>> Fetaldex.org öffentlich zugänglich gemacht, ebenso Hintergrundinformationen und eine >>> Videobotschaft von Janet Green, einer betroffenen Patientenfürsprecherin und Mutter mit CAH.

In einem weiteren Schritt informierte Fetaldex.org am 8-9.2.10 die Eltern- und Patienteninitiative CARES Foundation, die – wie in Deutschland die "AGS Eltern- und Patientenitiative e.V." – pränatale Dexamethason-Zwangstherapien als erprobt anpreisen und Maria I. New überdies einen Preis verliehen, über den Stand ihrer Erkenntnisse.

Weiter verfasste die Lobbyorganisation Advocates for Informed Choice (AIC) mit Datum vom 3.2.10 ein >>> offizielles Statement zur Problemlage und veröffentlichte dieses auf ihrer Homepage.

Das Bioethikforum des Hastings Center publizierte am 8.2.10 einen >>> Artikel von Hilde Lindemann, Ellen K. Feder, und Alice Dreger zum Thema unter dem Titel "Fetal Cosmetology". Siehe auch >>> Videobotschaft von Hilde Lindemann.

Hilde Lindemann on fetal dexamethasone

Die Advocates for Informed Choice (AIC)-Direktorin Anne Tamar-Mattis schrieb im Namen ihrer Organisation am 10.2.10 einen >>> 2. Offenen Brief (PDF) an dieselben Stellen, indem sie erneut detailliert die möglichen Verstösse von Maraia I. New auflistet und eine eingehende Untersuchung fordert.

Wiederum organisiert von AIC wurde am 11.2.10 ein >>> 3. Offener Brief an die üblichen Adressaten versandt, diesmal von 11 öffentlich aktiven erwachsenen Zwittern, darunter auch Daniela "Nella" Truffer von der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org.

Organisation Intersex International (OII) publizierte am 17.2.10 ein unterstützendes Statement zur Kampagne.

Hilde Lindemann und Alice Dreger hakten am 22.2.10 in einem >>> 4. Offenen Brief an die üblichen Adressaten nach und präsentieren weitere Quellen dafür, dass Maria I. New und Konsorten unbewilligte, unbeaufsichtigte und unkontrollierte Menschenversuche betreiben. Gleichzeitig schrieben sie weitere Offene Briefe >>> an die Columbia University betreffend fragwürdiger Studien des altbekannten Handlangers der Zwangsbehandler, Heino Meyer-Bahlburg; sowie >>> an den Präsidenten der Lawson Wilkins Pediatric Endocrine Society, >>> an das Ethikkomitee der Endocrine Society und >>> erneut an die CARES Foundation.

In einer Antwort der Lawson Wilkins Pediatric Endocrine Society vom 25.2.10 geht diese gar nicht erst auf die wesentlichen Punkte des Offenen Briefes vom 22.2.10 ein.

Einer Antwort der US-Überwachungsstelle für medizinische Experimente mit Menschen vom 3.3.10 auf die Offenen Briefe vom 2.2.10 (1. OB), 11.2.10 (3. OB) und 22.2.10 (4. OB) ist indirekt zu entnehmen, dass die Behörde eine Untersuchung eingeleitet hat.

Am 18.3.10 publizierten Alice Dreger, Ellen K. Feder und Hilde Lindemann auf dem Hastings Bioethis Forum eine Zusammenfassung der seitherigen Entwicklungen: Prenatal Dex: Update and Omnibus Reply 

Ende Juni 2010 gab es es im Time-Magazine den ersten Bericht in einem Mainstreammedium über die Kampagne. Der US-Endokrinologenverband will in der kommenden Leitlinie die pränatalen Dexamethason-"Therapien" ausdrücklich als experimentelle Behandlung kennzeichnen, die nur noch in kontrollierten und von Ethik-Aufsichtskommissionen abgesegneten Studien zulässig sein soll. Feder und Dreger publizierten zusammen mit Anne Tamar-Mattis einen weiteren Artikel im Hastings-Bioethics Forum, der grosses Echo auslöste. Mehr & Links:
>>> Pränatale Hormonbomben gegen "lesbische oder zu selbstbewusste Mädchen" (US-Kampagne gegen pränatale Dexamethason-Zwangsbehandlungen UPDATES 2)

8) Eine neue Form von Widerstand

So etwas gab es meines Wissens in der ganzen Geschichte der Zwitterbewegungen noch nie: Zwitter, PartnerInnen, solidarische Nicht-Zwitter, AkademikerInnen und verschiedene Lobbyorganisationen ziehen gemeinsam am gleichen Strick mit dem Ziel, gegen unethische Medizyner öffentlichen und amtlichen Druck aufzubauen, um ihnen ganz konkret das Zwangsbehandeln zu erschweren oder gar künftig zu verunmöglichen.

Zum ersten Mal geht es nicht darum, die Medizyner allein durch höfliches Argumentieren überzeugen zu wollen und so eine Reform in der Behandlung rein auf Grund der Gutwilligkeit längst verhärteter SerienzwangsbehandlerInnen erreichen zu wollen – ein leider vergebliches Unterfangen, wie die bald 20 Jahre Zwitterbewegungen weltweit stets aufs Neue schmerzlich beweisen.

M.W.n. zum ersten Mal wird somit ersthaft versucht, die Medizyner durch institutionellen Druck und sonstige Waffen aus dem Arsenal des Gewaltfreien Widerstands konkret daran zu hindern, ungestört weiter zwangszubehandeln.

Wenn diese Weg weisende Kampagne konsequent weitergeführt wird (und auch entsprechend um sich greift), so besteht m.E. zum allerersten Mal eine konkrete Chance, Medizyner wenigstens in diesem bisher oft vernachlässigten, aber ethisch besonders frangwürdigen (und deshalb auch angreifbaren!) Teilbereich der kosmetischen Zwangsbehandlungen erfolgreich zu stoppen, und zwar unabhängig davon, ob die Serienverstümmler es nun einsehen wollen oder nicht!

Ob dies alles tatsächlich gelingt, muss sich erst noch herausstellen. Dass aber überhaupt zum ersten Mal ein konkreter Versuch in diese Richtung unternommen wird, wird den ZwangsbehandlerInnen schon einmal gehörig Dampf machen.

9) Handlungsbedarf auch in Europa

Bekanntlich werden die pränatalen kosmetischen "Off Label"-Zwangsbehandlungen mit Dexamethason global als angeblich "sicherer" Quasi-Standard durchgeführt. Noch nirgends auf der Welt wurde meines Wissens nach irgendeine Form der kosmetschen Zwangshormontherapien je staatlich geprüft und zugelassen, überall wird damit wohl gegen Gesetze, Vorschriften und Standesgrundsätze verstossen.

Auch in Deutschland. Auch in der Schweiz. Auch in Österreich. Auch in allen unseren Nachbarländern.

Ebenso wie in den USA durch Maria New und die "CARES Foundation" werden auch in Deutschland u.a. durch Prof. Dr. med. Rolf Peter Willig, Dr. med. Achim Wüsthof, das "Endokrinologikum Hamburg", das "Netzwerk Hypophysen- und Nebennierenerkrankungen e.V.", die "Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendgynäkologie e.V.", die "Gemeinschaftspraxis Raue, Frank-Raue, Hentze, Heidelberg" sowie durch die "AGS Eltern- und Patienteninitiative e.V." die unkontrollierten Menschenversuche mit Dexamethason öffentlich als sicher und wirksam propagiert und angepriesen. Obwohl es auch in Deutschland unter Medizinern durchaus auch kritische Stimmen gibt, die insebsondere die Nichteinhaltung eigentlich verbindlicher Standards bei experimentellen Behandlungen beschreiben.

In der Schweiz werden pränatale Dexamethason-Zwangsbehandlungen z.B. durch das Kinderspital Zürich und das Inselspital Bern als "nebenwirkungsfrei" bzw. "keine Auffälligkeiten [bekannt]" propagiert und angepriesen. Nachtrag: Auch die neu gegründete "AGS-Initiative Schweiz", die offenbar eng mit der deutschen "AGS Eltern- und Patienteninitiative e.V." zusammenarbeitet, befürwortet die Zwangsbehandlungen und nennt das Kinderspital Zürich sowie das Inselspital Bern als bevorzugte Anbieter.

In Österreich dito durch die "Arbeitsgruppe Pädiatrische Endokriniologie & Diabetologie Österreich (APED)" und die "Österreichische Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde".

Höchste Zeit, dass diese neue Aktionsform auch hier zur Anwendung kommt, und endlich öffentlich auf die Einhaltung der Regeln für "Experimentalbehandlungen" auch für Zwitter gepocht wird.

Sollte es tatsächlich gelingen, den Tätern und ihren Zulieferern auf diese Weise eine empfindliche Niederlage zu verabreichen, wäre dies ein erstklassige Ausgangspunkt, den SerienverstümmlerInnen auch ihre restlichen "Hobbies" endlich derart zu vermiesen, bis das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung endlich auch für Zwitter uneingeschränkt gilt.

Fortsetzung folgt ...

Siehe auch:
- Alice Dreger über pränatale Dexamethason-Zwangsbehandlungen und EthikerInnen als MittäterInnen
- Pränatale Hormonbomben gegen "lesbische oder zu selbstbewusste Mädchen"
- USA: Seriengenitalverstümmler Prof. Dr. Dix Phillip Poppas von Ethikerinnen öffentlich geoutet

Sunday, February 7 2010

"Selbsthilfegruppen boomen" - SonntagsBlick-Magazin, 7.2.10

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Menschenrechte auch für Zwitter!Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

In der Beilage zur heutigen Sonntagsausgabe der CH-Boulevardzeitung fndet sich in der Rubrik "Gesellschaft" ein gelungener mehrseitiger Artikel von Sarah Fasolin über Selbsthilfegruppen, dem auch das Editorial gewidmet ist.

Prominent aufgemacht und gleich an erster Stelle mit dabei ein Beitrag über zwischengeschlecht.org-Präsidentin Daniela "Nella" Truffer, hier in ihrer Funktion als Gründungsmitglied der CH-Selbsthilfe intersex.ch.

Im kurzen Portrait redet Nella wie gewohnt Klartext:

Weil ich mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt kam, wurde ich über die Jahre mehrfach operiert – ohne meine Einwilligung. [...] Ärzte wollen, so meine Erfahrung, den Austausch unter uns Zwittern verhindern, weil wir sonst die vielen medizinischen Fehlentscheide aufdecken könnten. Vor ein paar Jahren fand ich im Internet die Selbsthilfegruppe in Deutschland. Ich reiste hin und es war wie eine Offenbahrung. Ich sass ganz glücklich unter all den anderen Zwischengeschlechtlichen – erleichtert, nicht mehr alleine zu sein. Diese Treffen waren waren sehr heilsam [...]

Weiter werden im Artikel folgende Selbsthilfegruppen portraitiert: Hinterbliebene nach Suizid, Polybneuropathie-Betroffene, Depressive und Borderline-Patienten. Obwohl der Schwerpunkt des Artikels klar bei "Krankheiten" und "Patienten" liegt, bringt Sarah Fasolins Begleittext auch aus Perspektive der Zwitter, die ihre Besonderheit explizit nicht als Krankheit verstehen, wichtige allgemeine Dinge auf den Punkt, z.B.:

Obwohl die Weltgesundheitsorganisation den Regierungen schon 1982 empfahl, die Selbsthilfe zu fördern und entsprechende Anlaufstellen zu schaffen, fanden die Selbsthilfegruppen erst Ende der 1990er Jahre auch in Ärztekeisen Anerkennung. «Die Fachleute trauten den Betroffenen zu wenig zu», erklärt Vreni Vogelsanger, Geschäftsleiterin der Stifung Kosch (Koordination und Förderung von Selbsthilfegruppen in der Schweiz).

Danke!

Friday, January 29 2010

Georg Klauda: "Krankheitsbilder", Vortrag vom 5.6.2002 (Medizin und Verbrechen)

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen![Dokumentation der AGGPG-Seite]

Krankheitsbilder

Die medizinische Fotografie als Todesengel für Menschen des dritten Geschlechts

von Georg Klauda

Vortrag, gehalten im Rahmen der Reihe "Beiträge zur Biotechnologie- und Medizinkritik", Themenabend "Medizin und Verbrechen", FU Berlin, 05.06.2002.

Teratologie als Beruf

Als Hermaphroditen vergöttlicht, als Intersexuelle medikalisiert und als Zwitter für unwert erklärt, können Menschen mit uneindeutigem Geschlecht seit den 50er Jahren im Alltag als "verschwunden" gelten. Ähnlich wie in den Monsterbüchern der Frühen Neuzeit tauchen sie statt dessen in teratologischen Abhandlungen auf, d.h. in Medizinwerken, die den menschlichen Missbildungen gewidmet sind. Die dort abgebildeten Fotografien zeigen Kinder, die an Händen und Füßen gewaltsam festgehalten werden, während die Kamera mit einem Zoomobjektiv auf ihre Genitalien fokussiert und sie so zu einem Stück unappetitlichen Fleisches macht, zum Torso zerstückelt und ihres Subjektseins beraubt. Es gibt sogar einen Berufsstand, den des Teratologen nämlich, der sich allein mit der Produktion solcher menschenverachtender Bilder befasst. Herstellung von Kinderpornos heißt deshalb einer der Vorwürfe, die von der Lobby für Menschenrechte gegen den klinischen Umgang mit Hermaphroditen erhoben werden. Doch ÄrztInnen sehen darin nichts anderes als die wertfreie Dokumentation von medizinischen Befunden. Ihre mögliche Verhinderung durch ein paar dahergelaufene Spinner erscheint ihnen als hinterwäldlerische Maschinenstürmerei. Sich selbst betrachten sie hingegen als neutrale Instanz, allein dem wissenschaftlichen Fortschritt verpflichtet und unkorrumpiert von kulturellen Konstruktionen.

Dass dem nicht so ist, hat Maurice Florence in seinem kurzen Beitrag hinreichend deutlich gemacht, indem er den Status des Priesters im Mittelalter mit dem des Arztes in der Neuzeit verglich. Das Bild des Arztes, der das Kranke und Abnorme aus dem individuellen wie aus dem Volkskörper herausschneidet, ist kein unschuldiges, neutrales oder gar notwendiges. Vielmehr gehört es zu den perfiden Metaphoriken, die die nationalsozialistische Menschenvernichtung angetrieben haben. Dabei erfährt der Begriff der Krankheit selbst eine charakteristische Umbildung. In einem lebensweltlichen Horizont bezeichnet man jemanden als krank, wenn er einen Schnupfen hat, an Fieber leidet oder gar von einer Lungenentzündung dahingerafft zu werden droht. Es ist ein missliches Schicksal, das ihm von außen widerfährt und das er doch niemals mit seiner Existenz als solcher gleichsetzen wird. Dieser sinnlich greifbare Krankheitsbegriff wird jedoch von MedizinerInnen spätestens seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert in einer völlig neuen Weise metaphorisiert. Als "krank" gelten nun Homosexuelle - ein Wort, das übrigens genau wie Intersexuelle aus dem Schatzkästlein der Sexualmedizin stammt -, als "krank" gelten Irre, Manisch-Depressive und Behinderte. Es ist nicht mehr ein temporärer Zustand, der ihren Köper befällt, sondern sie selbst sind es, die "krank" sind. Ihr Sosein ist es, das eine Gefährdung der Volksgesundheit nach sich zieht, und sie sind es, die, wenn die Gemeinschaft keinen Schaden erleiden will, entfernt werden müssen. Sei es durch Einsperrung in Kliniken, Psychiatrien und Konzentrationslagern, sei es durch ihre Aussperrung aus dem Genpool künftiger Generationen.

Umbettungen hinter Anstaltstüren

Zum Blick auf Hermaphroditen als "krank" und "missgebildet", als "Störung" und "Syndrom", der insbesondere in der teratologischen Fotografie inszeniert wird, gesellt sich die Praxis der Verstümmelung (das Herausschneiden uneindeutiger Genitalien), der Vergewaltigung (die jahrelange Bougierung, d.h. Dehnung der künstlich angelegten Neovagina) und schließlich die Konspiration des Schweigens, derer sich die Eltern als angeblich wohlmeinende MittäterInnen schuldig machen. Die Sprache ist die der technokratischen VollstreckerInnen, denen selbst die schlimmsten Gräuel lediglich unter dem Blickwinkel ihrer handwerklichen Perfektionierung vor die Linse geraten. Allein an einer einzigen Patientin können dabei bis zu einer viertel Million Euro umgesetzt werden. Da jedes zweitausendste Kind dieser Behandlung unterzogen wird, kann man sich leicht die Profitabilität dieses milliardenschweren Industriezweigs ausmalen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass er jemals freiwillig, aus besserer Einsicht, einfach aufgegeben wird.

Schon eher verlagert er sich aufgrund der mittlerweile in den Mainstream-Medien aufbrandenden Kritik in andere Sparten des medizinischen Betriebs, wird entweder durch Pränataltherapie und eugenische Selektion vorverlegt oder in die Psychiatrie umgebettet. Die ProtagonistInnen für beide Möglichkeiten finden sich schon heute. So Prof. Helmuth-Günther Dörr aus Erlangen, der auf dem Magdeburger Endokrinologen-Kongress im März 2001 die Möglichkeiten einer pränatalen Dexamethason-Therapie vorführte. Mit dieser soll die Herausbildung eines sog. androgenitalen Syndroms (AGS) verhindert werden, bei dem ein Kind mit XX-Chromosomensatz vermännlichte Genitalien entwickelt. Jedoch sind die Nebenwirkungen der Behandlung drastisch: die Schwangeren klagen über Gewichtszunahmen bis zu 30 Kilogramm; bei Abbruch der Therapie kommt es zu einer Abort-Rate von 5 Prozent. Bei mehr als der Hälfte der Fälle handelt es sich zudem um eine Fehldiagnose von AGS. Deshalb scheint der Weg der Psychiatrisierung unter Umständen aussichtsreicher. Sog. Geschlechtsidentitätsstörungen können dabei schon heute im medizinischen Abrechnungskatalog ICD unter den Codes F64 und F65 gebucht werden. Notwendig ist dafür eine Psychiatrisierung von Hermaphroditen, wie sie etwa die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung verfolgt, wenn sie erklärt, dass "die medizinische Praxis in der Vergangenheit bei vielen Intersexuellen zu erheblichen Problemen in ihrer psychosexuellen Entwicklung geführt" hat.

Als repräsentativ kann dabei auch das Auftreten des Psychotherapeuten Knut Werner-Rosen bei einem Fachgespräch der grünen Bundestagsfraktion zur "Situation intersexueller Menschen" gelten, das am 27. Februar diesen Jahres stattfand. Seit einigen Jahren arbeitet der Seelenklempner Werner-Rosen mit der Serienverstümmlerin Prof. Annette Grütters an der Virchow-Klinik zusammen. Seine Aufgabe besteht darin, den Eltern des verstümmelten Kindes eine Gehirnwäsche zu verpassen: Sie sollen die Behandlung und das neue Geschlecht ihres Kindes unter keinen Umständen in Zweifel ziehen. Trotzdem interessierte sich Werner-Rosen auf dem Fachgespräch nicht im geringsten für die Frage, ob medizinische Eingriffe nun notwendig seien oder nicht. Vielmehr ging es ihm an diesem Tag allein darum, die psychotherapeutische Behandlung künftig regulär bei den Krankenkassen abrechnen zu können, ob mit oder ohne Verstümmelung.

Das Thema seines Vortrags "Kann die Gesellschaft Intersexualität verkraften?" begann er deshalb mit dem ungeheuerlichen Satz, das Verkraften beginne ja schon damit, dass er durch die Teilnahme an diesem Fachgespräch auf 300 Euro Honorar verzichte. Kein Zweifel: So jemand wie Werner-Rosen wird auch nach der Abschaffung der Zwangsverstümmelungen an Hermaphroditen sein Geschäft machen.

Verquere Verbindungen

Werner-Rosen steht dabei in Verbindung zu dem Studiengang Gender Studies an der Humboldt-Universität Berlin, an dessen Praxistag er den Studierenden sein Berufsfeld vorstellte. Unübersehbar gibt es auch sonst eine enge Zusammenarbeit zwischen den hauptamtlichen Gender-DekonstrukteurInnen in der Sexualmedizin und der nicht minder professionalisierten Variante derselben Spezies in den Kulturwissenschaften. Beide Sparten des Betriebs sind nicht nur in einem Studiengang vereinigt, sondern stützen sich auch inhaltlich gleichermaßen auf radikalkonstruktivistische Prämissen, nämlich auf die Behauptung, dass Menschen bei Geburt ein "unbeschriebenes Blatt" seien, denen man nach Belieben und chirurgischer Machbarkeit eine Männer- oder Frauenrolle zuweisen könne. Ein natürliches Geschlecht dahinter gebe es nicht.

Zwar sehen das die zahlreichen Opfer des auf diesen Annahmen ruhenden Menschenversuchs mitunter ganz anders. Doch das scheint nicht weiter zu stören. Denn von Anfang an basierte dieser unerschütterliche Glaube eher auf axiomatischen Setzungen denn auf irgendwelchen Erfahrung. John Money, der die Praxis der Geschlechtsneuzuweisungen in den 50er Jahren in Gang setzte, ließ sogar seine eigene Dissertation im Archiv verschwinden, weil sie nachwies, dass eine medizinische Behandlung von Hermaphroditen überflüssig sei. Unverstümmelte Erwachsene kämen mit ihrer Geschlechts-Uneindeutigkeit nämlich sehr gut zurecht und entwickelten eine starke Persönlichkeit. Doch nicht nur das musste Money verheimlichen, er vertuschte auch den katastrophalen Ausgang seines berühmtesten Zwillingsexperiments, bei dem ein kleiner Junge, der bei einer Vorhautbeschneidung seinen Penis verloren hatte, zu einem Mädchen umoperiert wurde. Nach vielen traumatischen Jahren, in denen der junge Bruce, alias Brenda, alias David Reimer durch die Hölle ging, kehrte er schließlich mit 14 in sein männliches Geschlecht zurück. Noch heute wirkt er zutiefst verstört und versucht seine Erinnerungen so gut es geht in seinem Gedächtnis zu begraben.

Der Quacksalber als Hohepriester

Weil die Intersex-Chirurgie mittlerweile in arge Bedrängnis durch die Medien geraten ist, wurden nun Studien in Auftrag gegeben, die, so unglaublich das klingt, von niemand anderem als den behandelnden ÄrztInnen selbst durchgeführt werden. Aufgrund des Ergebnisses einer interkulturell vergleichenden Studie zwischen Deutschland und Malaysia rückte Prof. Ursula Kuhnle von der Universität München zwar mittlerweile von der medizinischen Praxis der Geschlechtszuweisungen ab. Prof. Meyer-Bahlburg aus New York ist da jedoch etwas pragmatischer. Während er in Magdeburg als Ergebnis seiner Studie referierte, dass die Geschlechtsidentität sich statistisch unabhängig von der ärztlichen Entscheidung und der späteren kindlichen Sozialisation entwickle, gab er in einem Dokumentarfilm auf N3 bekannt, die meisten Hermaphroditen würden auch heute noch in dem ihnen zugewiesenen Geschlecht leben. So publikumsgebunden kann wissenschaftliche Forschung manchmal sein! Nicht auszuschließen, dass zwischenzeitlich einige Dollars den Besitzer gewechselt haben, die des Wissenschaftlers Ansichten ins glatte Gegenteil verkehrten.

An dieser Stelle möchte ich Schluss machen, dieses kriminelle Gewerbe weiter aus einer Innensicht zu betrachten und mich der Frage zuwenden, warum alle zuschauen, während in den Kliniken vergewaltigt, verstümmelt und gefoltert wird. Denn all dies wäre sicher nicht möglich, wenn wir der Medizin als Hohepriestertum der technokratischen Moderne nicht blindlings vertrauen würden. Doch wir glauben noch immer, nach der Euthanasie, nach Mengele, nach der Rampe von Auschwitz, nach Elektroschocktherapien und Hodentransplantationen an Homosexuellen, nach gehirnchirurgischen Eingriffen an Systemdissidenten und psychiatrischer Folter an "Irren", dass die ÄrztInnen nur unser "Heil" im Auge hätten. So setzten sich KulturwissenschaftlerInnen aus Berlin und Potsdam auf das Podium des bereits erwähnten Endokrinologen-Kongresses in Magdeburg, schauten sich Schlachthaus-Bilder an, auf denen aufgeschlitzte Unterleiber und herauspräparierte Genitalien zu sehen waren, ohne auch nur mit einem Wort zu intervenieren. Man fühlte sich schließlich nicht kompetent, all diese ethischen Fragen zu beantworten, sah sich aber immerhin geehrt, dass auch die Kulturwissenschaft auf der Ebene der Theorie ihr Scherflein beitragen könnte zur Frage, wie die Geschlechter gemacht werden.

Dabei handelt es sich doch um Mord! Denn vor nicht allzu langer Zeit nahmen die ÄrztInnen bei den von ihnen eingesetzten chirurgischen Techniken noch in Kauf, dass ein Teil ihrer "PatientInnen" auf dem Operationstisch verstarb. Und auch heute sind es noch geschätzte 30 Prozent der Zugewiesenen, die sich in Folge der traumatischen Eingriffe und ihrer systematischen Entmenschlichung durch die Sprache und Praxis der Medizin irgendwann das Leben nehmen.

Der Raum des Politischen

Wir müssen auch der Entpolitisierung dieser Fragen begegnen. Etwa, wenn diese Tatsachen allein zum Problem einer kleinen Minderheit gestempelt werden. Dieser soll endlich Recht widerfahren, um sie danach als neue identitäre Lebensweise ins multikulturelle Gewebe der kapitalistischen Gesellschaft zu integrieren. Genau dies ist das Bild, das die Massenmedien in bester zivilgesellschaftlicher Manier zu zeichnen versuchen, um einen entstandenen politischen Spalt pragmatisch zu schließen. Hermaphroditen werden als distinkte Existenzweise konstruiert, die sie nicht sind, und als Kontrastfolie missbraucht, an denen die Gesellschaftsmehrheit ihre Konstruktionen von Normalität überprüfen und beweisen kann.

Eine politische Sichtweise wäre demgegenüber, die medizinische Praxis der Geschlechtszuweisungen als symbolische Metapher für die grundlegenden Operationen der Gesellschaft und die Mythen der westlichen Kultur zu lesen. Die Reduktion von Hermaphroditen auf eine phantasierte Identität und ein gesellschaftliches Einzelinteresse ist hingegen ein technokratischer Traum, der der Gewalt noch den Hohn hinzufügt.

Für eine mögliche politische Kontextualisierung steht in jüngster Zeit etwa Carl Wiemer. Die Kritik am "Ärzteracket" liefert für ihn den Brennspiegel des Besonderen, durch den eine allgemeine Theorie der Gesellschaft hindurch muss. Anhand von zahlreichen verstreuten Fragmenten aus Max Horkheimers Werk hat er dessen Ärzte- und Medizinkritik rekonstruiert und die Versehrungen im medizinischen Apparat als Schlüssel verwendet, um das diagnostische Potential einer kritische Theorie der Gesellschaft zu demonstrieren. In seinem Buch Krankheit und Kriminalität kritisiert er dabei mit Horkheimer eine großmäulige Linke, die sich lieber mit fernen weltpolitischen Fragen befasst, an denen sie ohnehin nichts ändern wird, als mit solchen profanen Dingen wie der Situation in Psychiatrien, Spitälern und Gefängnissen. Eine Gesellschaftskritik ist auf die Versenkung ins Besondere angewiesen, wenn sie nicht mit jenem schlechten Allgemeinen im Bunde stehen will, das die Essenz der kapitalistische Gesellschaft ist. Horkheimer ist deshalb der Anwalt der bestimmten gegen die abstrakte Negation und unterscheidet sich, wie Wiemer treffend formuliert, dadurch auffällig von der "Spreu der soziologischen Weggucker", die heutzutage Luhmann- und Habermas-Seminare bevölkern.

© Copyright Klauda - 2002

>>> Kommentar: Georg Klauda über Knut Werner-Rosen ("Netzwerk DSD/Intersexualität") und Psychologen als Windfahnen  

>>> Georg Klauda über Instrumentalisierung von Zwittern durch LGBT 

Friday, January 22 2010

IOC: Obligatorische Geschlechtstests für Frauen, GenitalOPs für Zwitter

IOC-Protest, Lausanne, Nov. 19, 2009 (Photo: Ärger)

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PRESSEMITTEILUNG von Zwischengeschlecht.org vom 22.01.2010

IOC IAAF: Stop Intersex Discrimination!Im Anschluss an ein "wissenschaftliches" Symposium über den Umgang mit Athletinnen mit "uneindeutigem" Geschlecht ("Intersexuelle" / Hermaphroditen / Zwitter), organisert vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC), dem Athletikweltverband IAAF und dem Fussballweltverband FIFA, informierte der Vorsitzende der IOC Mediziner Kommission, Arne Ljungqvist, gestern die Medien über dort aufgegleiste neue Masnahmen.

Unter anderem will das IOC den 1999 abgeschafften, obligatorischen Geschlechtstest für weibliche Athletinnen durch die Hintertür wieder einführen.

Laut einer AP-Meldung sei am Symposium die "Nützlichkeit medizinischer Voruntersuchungen als Bedingung einer Starterlaubnis für aufstrebende Athletinnen" erörtert worden, wie sie u.a. in Italien bereits Praxis seien. Die obligatorische Einführung solcher Voruntersuchungen könne "ein sehr wichtiges und nützliches Instrument" sein, "um Athletinnen mit so genannten Störungen der Geschlechtsentwicklung zu identifizieren", betonte Ljungqvist.

Die Daten dabei erfasster "verdächtiger" Athletinnen würden darauf an neu zu schaffende "Gesundheitszentren an strategischen Orten" übermittelt werden "zur Diagnose und Behandlung". Dort würden "Experten entscheiden, was in jedem einzelnen Fall getan werden muss".

Der IOC-Chefmediziner machte keinen Hehl daraus, was für ein Schicksal den "verdächtigten" Athletinnen in diesen "Gesundheitszentren" erwartet: "In den meisten Fällen, sagte Ljungqvist, würden diese Behandlung benötigen wie Operationen und Hormontherapie."

Noch deutlicher wurden in einem Artikel in der "New York Times" am Symposium in leitender Position beteiligte Mediziner:

"'Diejenigen, welche in die Behandlung einwilligen, werden eine Starterlaubnis erhalten', sagte Dr. Maria New [Mount Sinai Shool of Medicine, New York], eine Panelteilnehmerin. 'Diejenigen, die eine Behandlung auf einer Fall-zu-Fall-Basis verweigern, werden keine Starterlaubnis erhalten.'"

"Die Frage der Fairness wurde dabei nicht angesprochen", bekräftigte weiter Dr. Joe Leigh Simpson von der Florida International University.

Dies ist umso schwerwiegender, als viele "uneindeutige" Sportlerinnen gegenüber den "normalen" Frauen vielfach keinerlei illegitime Wettbewerbsvorteile haben.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org verurteilt diese Wiedereinführung obligatorischer Geschlechtstests durch die Hintertüre.

Weiter verurteilen wir aufs Schärfste das Ansinnen, als zwischengeschlechtlich "verdächtigte" Athletinnen offenbar pauschal auszuschliessen, sofern sie nicht in oft höchst schädliche Genitaloperationen und Hormonbehandlungen einwilligen.


Trotzdem scheuen IOC, IAAF und FIFA offenbar nicht davor zurück, "verdächtige" Athletinnen willkürlich solchen massiven und irreversiblen Eingriffen in ihre körperliche Unversehrtheit auszusetzen, die von Betroffenen seit bald zwei Jahrzehnten als "medizinische Folter" und "Zwangstranssexualisierung" vehement kritisiert werden.

2009 wurde in Deutschland ein Chirurg für einen solchen Eingriff rechtskräftig verurteilt, und auch das UN-Komitee CEDAW rügte diese Praktiken als Verstoss gegen die Menschenrechte.

Wie gerade das unwürdige, anhaltende Seilziehen um das Schicksal der  südafrikanische Läuferin Caster Semenya beweist, setzten IOC, IAAF und FIFA ungerechtfertigte Hoffnungen in die scheinbare Allmacht der Mediziner, obwohl diese z.B. in 50% aller Fälle von "uneindeutigen" Personen mit XY-Kariotyp weder eine korrekte Diagnose stellen noch die Ursachen bestimmen können.

Hintergrundinformationen: http://zwischengeschlecht.org

Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info


Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von genitalen Zwangsoperationen an zwischengeschlechtlichen Menschen und "Menschenrechte auch für Zwitter!".


Freundliche Grüsse

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Schweizerische Selbsthilfegruppe Intersex.ch
Mitglied Intersexuelle Menschen e.V.
Mitglied XY-Frauen
Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse_at_zwischengeschlecht.info

>>> IOC/IAAF/FIFA: "Zwitter brauchen OPs"     >>> IOC streitet Verantwortung ab

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen

>>> IOC/IAAF/FIFA: Mandatory Gender Tests, Surgery for Intersexed Athletes

>>> "Hermaphrodites" in sports: IOC and IAAF deny responsibility

>>> Open Letter to IOC      >>> Background Report      >>> Stop Genital Surgery

Wednesday, January 20 2010

Basel-Stadt: Politischer Vorstoss gegen kosmetische Genitaloperationen an Kindern!

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>>> Text der Anfrage von Martina Saner (SP) (PDF)

Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!Kosmetische Genitaloperationen an Kindern mit "uneindeutigen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen sind massive Menschenrechtsverletzungen. Sie sind medizinisch nicht notwendig und verletzen die höchstpersönlichen Rechte der Kinder. Eltern haben deshalb kein Recht, im Namen ihrer Kinder in eine kosmetische Operation einzuwilligen.

Schon allein aufgrund des explizit in der Bundesverfassung festgehaltenen Menschenrechts auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung müsste es eigentlich selbstverständlich sein, dass man bei kleinen Kindern nicht ungefragt an gesunden Genitalien irreversible kosmetische Operationen vornimmt. Auch nach medizinethischen Grundsätzen und Richtlinien sind kosmetische Genitaloperationen an Kindern klar unzulässig.

Jahrzehnte lange Klagen der Opfer werden durch namhafte Studien bekräftigt. 2009 kritisierte erstmals der UN-Ausschuss CEDAW die Zwangsoperationen.

Trotzdem wird von Ärzten auch in der Schweiz auf Eltern Druck gemacht zu einem möglichst raschen Entscheid – obwohl kein medizinischer Notfall vorliegt, die Operationen irreversibel sind und es für die betroffenen Kinder um eine existenzielle Frage geht.

Viele Eltern beklagen sich später darüber, dass sie nicht umfassend informiert wurden, und dass ihnen keine oder wenig Unterstützung für alternative Überlegungen geboten wurden, insbesondere Hinweise auf Kontaktmöglichkeiten zu Betroffenen und Selbsthilfegruppen.

In der Aus- und Fortbildung von medizinischem Personal und Hebammen sind die Existenz zwischengeschlechtlicher Menschen und die ethischen Probleme mit der jetzigen Behandlung ebenfalls kein Thema.

Allein in der Schweiz wird etwa jede Woche ein weiteres Kind zwangsoperiert – auch in Basel. Während Genitalverstümmelungen in Afrika verurteilt und juristisch bekämpft werden, sind Genitalverstümmelungen an Zwittern vor der eigenen Haustüre nach wie vor meist kein Thema.

Zwischengeschlecht.org freut sich deshalb sehr, dass heute Mittwoch, den 20. Januar, im Grossen Rat Basel-Stadt ein politischer Vorstoss zugunsten von Zwittern eingereicht wird.

Martina Saner (SP, BS) wird eine Anfrage zum Thema "Kosmetische Genitaloperationen an Kindern mit 'uneindeutigen' körperlichen Geschlechtsmerkmalen" einreichen und der Regierung Fragen stellen über die Art und den Umfang solcher Zwangseingriffe an Kindern im Kanton Basel-Stadt und wie die Regierung diese beurteilt

Der 20. Januar 2010 wird ein wichtiger Tag für alle Zwischengeschlechtlichen und für alle, die sie in ihrem Kampf um Selbstbestimmung unterstützen!

>>> Text der Anfrage von Martina Saner (SP) (PDF)

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Zwangsoperationen an Kindern und "Menschenrechte auch für Zwitter!". Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

Siehe auch:
- Mo 26.10.09: Intersex Awareness Day - Historischer politischer Vorstoss in Zürich gegen kosmetische Genitaloperationen an Kindern
- Do 18.3.10: Politischer Vorstoss gegen kosmetische Genitaloperationen an Kindern im Inselspital Bern
- Milton Diamond fordert gesetzliches Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern
- Aktion & Offener Brief Kinderspital Zürich 6.7.08
- Aktion & Offener Brief Inselspital 16.8.09 

Sunday, December 13 2009

Warum nicht alle Bio-Zwitter gleich nicht-privilegiert sind

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Dieser Post behandelt ein heikles Thema, das aber nicht einfach verschwindet, wenn es totgeschwiegen wird, und deshalb hier auch angesprochen werden soll. Da ich als "Normal-XY" darüber schreibe, habe ich versucht, es möglichst unpolemisch zu tun.

Das Privileg der Nicht-Biozwitter besteht darin, ohne Gefährdung durch Zwangsoperationen mit unversehrten äusseren und inneren Geschlechtsorganen aufgewachsen zu sein, was Nicht-Biozwitter als Gruppe von praktisch allen Biozwittern abhebt. (Einer der Konfliktpunkte, warum eine ungefragte Eingemeindung der Zwitter in LGBT fragwürdig ist und von der überwiegenden Mehrzahl der Biozwitter abgelehnt wird.)

Doch auch die Biozwitter unter sich bilden keine einheitliche Gruppe, da nicht alle Zwitter in gleichem Masse der Gefahr genitaler Zwangsoperationen und sonstiger traumatisierender Zwangsbehandlungen inkl. lebenslanger Folgen ausgesetzt sind.

Je nachdem, welcher "Syndromgruppe" ein Neugeborenes mit "uneindeutigen" Geschlechtsmerkmalen von den Medizynern zugeteilt und dann nach den entsprechenden "Leitlinien" behandelt wird, drohen vergleichsweise mehr oder weniger drastische medizinische Zwangsmassnahmen: Einige Zwitter werden "mit dem ganzen Programm" wiederholt und von klein an zwangsoperiert, andere "nur" kastriert (und oft erst nach der Pubertät) oder mit Hormonbomben traktiert. Wieder andere schlüpfen den Medizynern aus anderen Gründen ganz durch die Lappen.

Dementsprechend sind nicht alle Zwitter gleich schwer traumatisiert – auch abgesehen von den individuellen Möglichkeiten, Fähigkeiten und Kräften, mit einer Traumatisierung mehr oder weniger fertig zu werden.

Als Hinweis, was ich meine: Mein persönlicher Eindruck ist z.B., dass als CAIS diagnostizierte/"behandelte" Zwitter in der Regel mit am wenigsten Verlusten durchkommen, da sie i.d.R. "nur" zwangskastriert und belogen werden (und ersteres meist erst nach der Pubertät), während Zwitter mit der Diagnose/"Behandlung" AGS/CAH in der Regel am schlimmsten genital zwangsoperiert und/oder (prä-natal) hormonzwangstherapiert werden.

Möglicherweise ist's so besehen kein Zufall, dass CAIS-Diagnostizierte die aktuelle "Zwitterbewegung" zahlenmässig dominieren (XY-Frauen / Intersexuelle Menschen e.V. in Deutschland), während die Initiniant_innen (oder unversöhnlichsten Exponent_innen) der ursprünglichen Zwitterbewegung in den 1990ern oft aus nach AGS/CAH-"Leitlinien" mit "Penis"/"Klitoris"-Amputation "Behandelte" sind, z.B. die ISNA-Gründerin Cheryl Chase, der deutsche Ur-Aktivist Michel Reiter, oder Raketennordlicht, die Erfinderin des Kampfbegriffs "Medizyner". (Umgekehrt gibt's für Menschen mit AGS in Deutschland aktuell keine emazipatorische Selbsthilfegruppe, sondern nur eine – so besehen passend benannte – "Eltern- und Patienteninitiative").

Ebenso ist's möglicherweise kein Zufall, dass diese "Unversöhnlichen" von den übrigen Zwittern oft mehrheitlich als "zu extrem" abgelehnt oder gar angefeindet werden, und sich z.T. inzwischen wieder zurückzogen bzw. in der aktuellen Bewegung nicht mehr vertreten sind – einer Bewegung, der sie (zusammen mit weiteren Nicht-CAIS-Diagnostizierten) handkehrum "Prägung durch eine 'CAIS-Brille'" und mangelnde Radikalität vorwerfen.

Tatsächlich wird z.B. in der aktuellen Diskussion (wovon auch dieser Blog nicht ganz ausgenommen werden kann) der Problematik der Zwangskastrationen (bei CAIS) überproportional viel Platz und Gewicht eingeräumt, während z.B. prä-natale Zwangshormontherapien (bei AGS/CAH) in der Auflistung der Menschenrechtsverletzungen im IMeV-Schattenbericht unter den Tisch fielen.

Meiner bescheidenen Nicht-Biozwittermeinung nach würde die "Zwitterbewegung" an Schwung- und Durchschlagskraft gewinnen, wenn die verschiedenen Formen und Grade des Nicht-Privilegiertseins der verschiedenen Biozwitter-Untergruppen mehr und offener thematisiert und durchleuchtet würden – und danach die "Privilegierteren" nach Möglichkeit auch auf einer politischen Ebene mehr Solidarität mit den "weniger Privilegierten" zeigen würden.

Wut über das persönlich erlittene Unrecht war nicht zufällig Ausgangspunkt und Treibstoff der "Zwitterbewegung" und damit des Widerstandes gegen die Zwangsbehandlungen – und auch diese Wut musste zuerst einmal zugelassen und umgesetzt werden können.

Je mehr zu dieser Wut weiter die Fähigkeit dazukommt, auch über den eigenen "Syndromtellerrand" hinauszublicken, quasi einen Schritt zurückzutreten und von der eigenen Person, dem individuellen Schicksal nötigenfalls zu abstrahieren, umso entschlossener und effektiver können die menschenrechtswidrigen Zwangsbehandlungen als Ganzes bekämpft werden, und desto weniger werden in Zukunft die Medizyner verschiedene "Betroffenengruppen" gegeneinander ausspielen können nach dem Motto "teile und herrsche".

Siehe auch:
- Warum Nicht-Biozwitter allesamt privilegiert sind  
- "Vom Nutzen unseres Ärgers" (Von der Frauenbewegung lernen) 
- Stockholm under Water   

Monday, November 16 2009

"Gerechtigkeit für Santhi Soundarajan und Caster Semenya!" - Zwitter-Demo gegen IOC und IAAF, 19.11.09, 09h

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Human Rights for Hermaphrodites too!>>> Press Release English         >>> Français
>>> Background Article English
   >>> Open Letter to IOC

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org wird am kommenden Donnerstag, den 19.11.2009, ab 9:00 Uhr, in Lausanne gegen die unwürdige und menschenrechtswidrige Behandlung von Sportlerinnen mit möglicherweise uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen protestieren.

Die wiederholten Verstösse gegen die Menschenwürde von als Zwitter verdächtigten Sportlerinnen wie z.B. Caster Semenya (Südafrika) oder Santhi Soundarajan (Indien) werfen ein Schlaglicht auf ein ungelöstes Problem der internationalen Sportverbände, namentlich des Internationale Olympischen Komitees (IOC) und des Internationalen Athletikverbandes (IAAF).

Obwohl den Sportverbänden IOC und IAAF die Problematik seit Jahrzehnten bekannt ist, versäumten sie es bis auf den heutigen Tag, endlich transparente, faire und allgemein verbindliche Regeln zur Teilnahme von zwischengeschlechtlichen Menschen / Hermaphroditen / Zwittern / Intersexuellen an Sportwettkämpfen zu erarbeiten und durchzusetzen, unter angemessener Beteiligung Betroffener und ihrer Organisationen.

Gerechtigkeit für Santhi Soundarajan, Caster Semenya und zahllose andere!

Die Leidtragenden dieses andauernden Versagens der Sportverbände sind nicht zuletzt alle Sportlerinnen, die in untauglichen und undurchsichtigen "Geschlechtstests" hängen bleiben. Diese Sportlerinnen werden von den Sportverbänden wie Betrügerinnen behandelt und in der Folge entweder heimlich ausgeschlossen, zu oft gesundheitsschädigenden Operationen gezwungen und/oder durch gezielte Indiskretionen weltweit medial fertig gemacht. Zusätzlich stossend ist dabei, wie Athletinnen aus der "3. Welt" besonders rücksichtslos behandelt werden.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org wird am kommenden Donnerstag, den 19.11.2009, um 9:00 Uhr, in Lausanne vor dem Sitz des IOC gegen diese verantwortungslosen Praktiken protestieren und dem IOC wie dem IAAF einen Offenen Brief zum Thema überreichen.

(Reuters/Vecer.com)

Siehe auch:
- Bericht zum Protest gegen Diskriminierung von Zwittern im Sport, IOC 19.11.09
- Gerechtigkeit für Santhi Soundarajan!
- "Caster Semenya wird als Zwitter verheizt" 
- "Gerechtigkeit für Santhi Soundarajan und Caster Semenya!" - Zwitter-Demo gegen IOC und IAAF, 19.11.09, 09h
- "Lausanne: Les hermaphrodites suisses s’attaquent au CIO" - 20min.ch 17.11.09

>>> Report on Discrimination of Hermaphrodites in Sports
>>>
Open Letter to IOC Chief Jacques Rogge "Justice for Santhi Soundarajan!"

Sunday, October 25 2009

Mo 26.10.09: Intersex Awareness Day - Historischer politischer Vorstoss in Zürich

>>> Aktion & Offener Brief Kinderspital Zürich, 6.7.08   (Bild: Ärger)

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>>> Artikel von Felix Schindler @ Tagesanzeiger.ch  >>> Interview mit Nella  

>>> Interview mit Karin Plattner      >>> Karin Plattner @ Tages-Anzeiger 5.2.08

>>> Der historische Vorstoss im Kantonsrat Zürich (PDF)    (--> Textversion siehe unten)

>>> Gespräch @ TalkTäglich [offline]       >>> Interviews @ Radio 24 News Bulletin [offline]

Der "Intersex Awareness Day" wurde zum ersten Mal am 26. Oktober 2004 in verschiedenen US-Städten abgehalten. Das Datum erinnert an die erste Zwitter-Demo am 26.10.1996 vor dem Jahreskongress der "American Academy of Pediatrics" in Boston, die an ihren Tagungen das Thema Zwangsopertionen an Zwittern "behandelt", aber Betroffenen das Wort an ihren Veranstaltungen verbot. Mitglieder der Intersex Society of North America (ISNA) und solidarische Nicht-Zwitter protestierten u.a. mit Schildern "Hermaphrodites with Attitude" (gleichzeitig Titel eines Videos, in dem Zwitter zum ersen Mal öffentlich über die an ihnen begangenen Zwangsbehandlungen und deren Folgen sprachen, sowie des ISNA-Newsletters), und veröffentlichten eine Pressemitteilung mit dem Titel "Hermaphrodites target kiddie docs" (etwa: "Zwitter nehmen Kinderärzte ins Visier"). Der Protest generierte ein landesweites Presseecho und war der Grundstein dafür, dass die Medizyner die Opfer ihrer Zwangsbehandlungen künftig nicht mehr einfach ausblenden und aussperren konnten, sondern einen Strategiewechsel vollzogen hin zu heute den noch gebräuchlichen Lippenbekenntnissen und scheinbarem Eingehen auf die fundierte Kritik – während sie gleichzeitig weiterhin zwangsoperieren wie gehabt. (>>> mehr auf englisch via intersexinitiative.org, welche den Gedenktag begründete)

1996 entstand mit der Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie (AGGPG) die erste deutschsprachige Zwitter-Lobbyorganisation, die bald auch Protestaktionen gegen Medizynerkongresse veranstaltete. 2000 hielt Mitbegründer Michel Reiter als erster zwischengeschlechtlicher Mensch in Europa an einem Sexologenkongress einen denkwürdigen Vortrag "Medizinische Intervention als Folter".

Seit 2005 gibt es am Intersex Awareness Day jeweils auch in Hamburg eine Aktion von Mitgliedern von Intersexuelle Menschen e.V., an der die Beteiligten T-Shirts tragen mit der Aufschrift "Schon mal mit 'nem Zwitter gesprochen? Hier ist die Gelegenheit", Flugblätter verteilen, mit Passant_innen reden und sie über die Zwangsoperationen aufklären.

2009 findet zudem in Zürich am 26. Oktober eine historische Sitzung des Kantonsrates statt: Zum allerersten Mal in der Schweiz wird dort ein politischer Vorstoss zu Gunsten von Zwittern eingereicht werden!

Barbara Bussmann (SP, Volketswil), Martin Naef (SP, Zürich) und Ornella Ferro (Grüne, Uster) werden eine Anfrage zum Thema "Kosmetische Genitaloperationen an Kindern mit 'uneindeutigen' körperlichen Geschlechtsmerkmalen" einreichen und der Regierung Fragen stellen über die Art und den Umfang solcher Zwangseingriffe an Kindern im Kanton Zürich und wie die Regierung das beurteilt.

Ein historischer Tag für alle Zwischengeschlechtlichen und für alle, die sie in ihrem Kampf um Selbstbestimmung unterstützen!

Nella und Karin Plattner von der Schweizerischen Elternselbsthilfe waren letzten Dienstag in der Sendung TalkTäglich (>>> Videostream), wo die Anfrage zum ersten Mal angekündigt wurde. Zusammen mit der Erstunterzeichnerin Barbara Bussman sind die beiden am 25./26. auch verschiedenen Ausgaben des >>> Radio 24 News Bulletin mit Interviews vertreten. 

>>> Die historische Anfrage im Kantonsrat Zürich (PDF)    (--> Textversion siehe unten)

>>> Interview mit Nella   >>> Artikel von Felix Schindler @ Tagesanzeiger.ch

>>> Interview mit Karin Plattner 27.10.09 

Siehe auch:
- Kosmetische Genitaloperationen an Kindern: Gesetzgeber gefordert 
- Zwangsoperation tangiert "höchstpersönliche Rechte" – Eltern dürften nicht zustimmen
- Zwangsoperationen verfassungswidrig (Art. 10.2: Recht auf körperliche Unversehrtheit) 
- Kinderspital Zürich: Genitale Zwangsoperationen angeblich nur "ganz selten" 
- Zürcher Kinderspital propagiert Zwangskastrationen an Kindern 
- Inselspital Bern: Angeblich "keine Zwangsoperationen" 
- Nella & Karin Plattner @ TalkTäglich Di 20.10.09 18:30h 
- Nella & Karin Plattner @ Radio 24 News, 25.10.09 22h + Mo 26.10.09 06h/07h/08h 
- Aktion & Offener Brief Kinderspital Zürich 6.7.08
- Aktion & Offener Brief Inselspital Bern 16.8.09 
- Zwitter-Demos vor der UNO 26.1.09 
- CEDAW: Schriftliche Empfehlungen an die Bundesregierung
- Basel-Stadt: Politischer Vorstoss gegen kosmetische Genitaloperationen an Kindern!
- Do 18.3.10: Politischer Vorstoss betreffend kosmetische Genitaloperationen an Kindern im Inselspital Bern
- Milton Diamond fordert gesetzliches Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern

--> Nachfolgend die Anfrage im Wortlaut:

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Thursday, October 22 2009

Koalitionsverhandlungen: LSVD fordert erneut "Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit auch für Intersexuelle"

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Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Bereits am 5. Oktober präsentierte der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) einen >>> Formulierungsvorschlag für die Koalitionsvereinbarung, worin Zwitter in einem 3. Abschnitt "Menschenrechte von sexuellen Minderheiten" (von insgesamt 4) einmal mehr nicht bloss "mitgemeint", sondern substanziell vertreten sind mit der konkreten Forderung:

Menschen, die mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren werden, sollen rechtlichen Schutz vor Zwangsbehandlungen erhalten, das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit muss auch für intersexuelle Menschen gelten.

Obwohl wir Zwitter eigentlich nicht als eine "sexuelle Minderheit" verstehen, sagen wir allen Beteiligten Danke!

An obiger Formulierung könnten sich noch manche Interessenverbände ein Beispiel nehmen, die Zwitter öfters lauthals "mitmeinen", letztlich aber bloss ihre eigenen Anliegen pushen ...

Friday, September 18 2009

"Intersexualität: Das verwaltete Geschlecht" - Berner Zeitung, 17.8.09

"Wurde am Inselspital zum Mädchen gemacht: Daniela Truffer, 44, protestierten gestern vor dem Insel-Eingang gegen Zwangsoperationen." (Bild: Nadia Schweizer / Berner Zeitung)

Die Zwitter Medien Offensive™ ging weiter!

Den ganzseitigen Artikel in der BZ von Andrea Sommer anlässlich der Aktion am Inselspital Bern schätzen mehrere Beteiligte als den insgesamt gelungensten ein. Nachdem wir bereits das Aufsehen erregende Interview mit Chtistine Aebi, Chefärztin der Kinderklinik in Biel unter dem Titel «Betroffene sollen wählen» dokumentierten, folgen nun die übrigen Texte.

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Tuesday, September 15 2009

"Geschlecht: Zwangsoperiert" - megafon 335, September 2009

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> Aktion & Offener Brief Inselspital Bern 16.8.2009 (Bild: Ärger)

Artikel von Nella & Seelenlos (Megafon 335, S. 7-9)

Geschlecht: Zwangsoperiert

Meine Jugendzeit verbrachte ich zum größten Teil in verschiedenen Krankenhäusern, wo man mich nach und nach kastrierte und mich zur Frau umarbeitete. Über 15 Operationen musste ich über mich ergehen lassen. Hatte zum Teil furchtbare Schmerzen. [...] Und die ganzen Hormonzugaben (Östrogene), die ich bekommen habe.
Karim "Dusty" Merah

Für die meisten Menschen ist es selbstverständlich, mit unversehrten Genitalien aufzuwachsen. Genitalverstümmelungen gelten als barbarisch und finden höchstens in so genannt rückständigen, weit entfernten Ländern statt. Die wenigsten wissen, dass auch in der Schweiz regelmässig wehrlosen Kindern an ihren gesunden Genitalien herumgeschnitten wird – etwa jedem 2000. Kind, unter den Augen der Behörden, mit dem Segen unserer so genannt aufgeklärten Gesellschaft, in praktisch jedem Kinderspital.

Dabei wird in Kauf genommen, dass ihr sexuelles Empfinden vermindert oder gänzlich zerstört wird. Zudem werden sie systematisch kastriert. Der ursprüngliche Zustand ihres Körpers wird ihnen verheimlicht, über die Eingriffe werden sie systematisch belogen. Die meisten Opfer dieser Praxis tragen massive psychische und physische Schäden davon, unter denen sie ein Leben lang leiden. Medizinische Studien belegen dies.

Das Vergehen dieser Kinder: Sie kamen mit "uneindeutigen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen zur Welt – so genannte Zwitter, Hermaphroditen, Zwischengeschlechtliche oder Intersexuelle.

Gender vs. "Menschenrechte auch für Zwitter!"

Es geht nicht um die Frage, ob ich mich in der Rolle als Frau wohl fühle. Ich habe nicht das Bedürfnis, mich nachträglich in Richtung Mann operieren zu lassen. Ich fühle mich schlicht und einfach nicht wohl in der Rolle des angelogenen, verarschten, erniedrigten, gegen seinen Willen kastrierten und genitaloperierten Menschen, der Hormone fressen muss und zwischen den Beinen nicht nur gute Gefühle hat.
Daniela "Nella" Truffer

Vermehrt Beachtung finden Zwitter vor allem bei Gruppierungen, die das Zweigeschlechtersystem in Frage stellen. Diese richten ihren Blick jedoch in der Regel nicht auf die realen, zwangsoperierten Zwitterkörper, sondern auf ein fiktives Ideal, das ihre eigenen Wunschvorstellungen verkörpert. Dabei setzen sie unhinterfragt voraus, dass alle Zwitter auf Grund ihrer quasi körpergewordenen Aufhebung des Zweigeschlechtersystems ihre Ziele teilen würden, oder adoptieren sie gleich ungefragt als eine Unterabteilung ihrer eigenen Gruppe. Wo sie die Leiden der Zwitter überhaupt behandeln, propagieren sie als Heilmittel wiederum einzig ihr eigenes Anliegen, nämlich die Abschaffung der Geschlechter.

Mit fatalen Folgen: In der öffentlichen Wahrnehmung sind Zwitter, sofern sie nicht von vornherein mit Transsexuellen verwechselt werden, längst im (Trans-)Genderdiskurs untergegangen.

Die meisten Zwitter jedoch verorten sich selbst, ihre Körper, ihr Schicksal, ihr Leiden und ihren Kampf in radikal anderen Diskursen. Sie erleben und verstehen sich als Opfer medizinischer Gewalt, die sie als Folter erfahren.

Was die in den letzten zwei Jahren neu erstarkte Zwitterbewegung für sich fordert, ist schlicht "Menschenrechte auch für Zwitter!" Den Zwangsoperierten geht es nicht um Gender-Theorien, ihnen geht es um elementarste, ihnen immer noch vorenthaltene Grundrechte, namentlich das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung.

Medizin als Folter

Ich habe mein ganzes Leben dran zu kauen, was ich bin oder was ich war. Ich leide unter schweren physischen Störungen und spiele immer wieder mit dem Gedanken, meinen "verfluchten" Leben ein Ende zu bereiten. Hätte ich nicht im Intersexuellen-Forum Menschen gefunden, die so sind wie ich und auch ein schweres Schicksal hinter sich haben, hätte ich das alles gar nicht mehr geschafft.
Karim "Dusty" Merah

Zwitter sind nicht per se krank oder behandlungsbedürftig. Trotzdem werden zwischengeschlechtlich geborene Kinder bis heute in der Regel vor dem 2. Lebensjahr ohne ihre Einwilligung an ihren "uneindeutigen" Genitalien zwangsoperiert, zwangskastriert und Zwangshormontherapien unterzogen.
Nach dem Motto "It‘s easier to make a hole than to build a pole" (es ist einfacher, ein Loch zu graben, als einen Mast zu bauen) werden die meisten 'zu Mädchen gemacht'. Dabei wird eine zu grosse Klitoris resp. ein zu kleiner Penis operativ verkleinert oder gar amputiert. Viele Zwangsoperierte beklagen, dass dadurch das sexuelle Empfinden vermindert oder gänzlich zerstört wird, sowie über schmerzende Narben.

Viele werden zudem wegen eines angeblich pauschalen "Krebsrisikos von 30%" flächendeckend "prophylaktisch" kastriert, d.h. es werden ihnen die gesunden, Hormone produzierenden inneren Geschlechtsorgane entfernt, was eine lebenslange Substitution mit körperfremden Hormonen zur Folge hat – sowie zum Teil gravierende gesundheitliche Probleme, unter anderem Depressionen, Adipositas, Stoffwechsel- und Kreislaufstörungen, Osteoporose, Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten und Libidoverlust. Bis heute werden zwangskastrierte Zwitter regelmässig gezwungen, adäquate Ersatzhormone aus der eigenen Tasche zu bezahlen.

Was 99% der Zwitter erlebt haben, ist verwandt mit sexuellem Missbrauch, ist verwandt mit Folter, ist verwandt mit Mächchenbeschneidungen in Afrika, ist verwandt mit den medizinischen Experimenten, die im 2. Weltkrieg in KZ‘s durchgeführt wurden.

Genitale Zwangsoperationen am Inselspital

Wie in Basel, Lausanne, Luzern, Genf, St. Gallen und Zürich werden die Zwangsbehandlungen auch im Inselspital experimentell durchgeführt, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ohne Qualitätssicherung und ohne jegliches Monitoring. Offiziell wird nicht einmal bekannt gegeben, wie viele und welche Eingriffe wo stattfinden.

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Monday, August 31 2009

"Vernichtung intersexueller Menschen in westlichen Kulturen" - Flugblatt AGGPG (1998)

Menschenrechte auch für Zwitter!

D O K U M E N T A T I O N

AG gegen Gewalt in der Paediatrie und Gynaekologie (AGGPG), Selbstdarstellung:
Quelle:
http://www2.iisg.nl/id/Systematik.asp?cat=3&id=83
[ nachformatiert + mit Links versehen ]

[ Enthält die Forderung: "Menschenrechte für Intersexuelle"  ]
[ siehe unten --> "Wir fordern:" ]

  

Die Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie informiert:

Vernichtung intersexueller Menschen in westlichen Kulturen

Intersexuelle Menschen

Allgemein wird angenommen, daß ausschließlich zwei, eindeutig unterscheidbare Geschlechter existieren: Mann und Frau. Diese ‘biologische Gewißheit’ wird nicht näher reflektiert. Doch 1-4% der Geburten zeigen einige geschlechtliche Unklarheiten auf und eine von 2000 ist geschlechtlich ausreichend atypisch, um die Frage zu stellen: „Ist es ein Junge oder ein Mädchen?“ Diese Personengruppe, welche mit ungewöhnlicher sexueller Differenzierung geboren wird, bezeichnet der moderne medizinische Diskurs als Intersexuelle oder Hermaphroditen. Dem Volksmund sind sie auch als Zwitter bekannt. Intersexuelle zeigen grundlegend auf, daß eine ‘natürliche’ bipolare Geschlechterdifferenzierung nicht existiert, sondern biologisches (sex) und soziales Geschlecht (gender) sowie homogen propagierte Sexualität heterosexistisch genormt sind. Die Vielfalt tatsächlich existierender geschlechtlicher Ausprägungen zeigt ebenso auf, daß Intersexualität in der Gesamtheit nicht als drittes, zu Frau und Mann klar abgrenzbares Geschlecht begriffen werden kann. Vielmehr sind mindestens 100 Variationen bekannt, welche eine ausschließlich polar gedachte Geschlechtlichkeit absurd erscheinen lassen sowie eine enorme Bereicherung sexueller Existenzen darstellen. Seit über 50 Jahren widmet sich die Medizin der Aufgabe, diese Vielfalt auszulöschen und soziokulturell unsichtbar werden zu lassen. Intersexen stehen vor einer prekären Situation, denn sie werden am Leben gelassen, ihre Besonderheiten jedoch vernichtet .

Medizinische Klassifikation

Die gesellschaftliche Annahme eines eindeutigen biologischen Geschlechtes umfaßt 23 Chromosomenpaare (letzteres weist XY oder XX auf und wird als männlich resp. weiblich interpretiert), eine geschlechtsspezifische Ausprägung reproduktiver Organe (Eierstöcke, Hoden, Gebärmutter), die Morphologie externer Geschlechtsorgane wie Penis, Klitoris, Hodensack, Schamlippen, die pubertäre Ausprägung sekundärer Geschlechtsmerkmale wie Brüste und Behaarung sowie Körperöffnungen an vorgesehener Stelle (Harnröhre, Samenleiter, Vagina). Intersexuelle erfüllen diese Kriterien in verschiedenen Bereichen nicht. So können die Gonosomen sehr multipel ausfallen und von 45,X bis 49,XXXXY reichen, auch Mosaike sind bekannt (z.B. 45,X / 46,XY). Gonaden (Eierstöcke / Hoden) können gemischt und komplex angelegt sein. Die Ausprägung des Lustorgans, beim weiblichen Geschlecht als Klitoris definiert und beim männlichen als Penis, kann zwischen diesen beiden Längenextremen liegen. Ebenso können Harnröhrenausgänge zwischen der Spitze des Penis und den Hoden enden und die Vagina in der Harnröhre am Penis münden. Auch werden Intersexuelle mit ‘normal’ weiblichem äußeren Erscheinungsbild und der Chromosomenstruktur 46,XY wie auch ‘gegenläufig’ (46,XX, männliche Morphologie) geboren - um nur einige Beispiele zu nennen. Die Medizin kreierte hieraus etwa 13 Syndrome. Einige seien folgend gelistet: Turner-Syndrom, Hermaphroditismus Verus, gemischte / reine Gonadendysgenesie, Klinefelter-Syndrom, Adrenogenitales Syndrom, Androgeninsuffizienz-Syndrom (auch testikuläre Feminisierung genannt), progestin-indu-zierte Intersexualität. Oft gebrauchte Begriffe sind: Klitorishypertrophie, Micropenis, Hypospadien, uneindeutige Genitalien, frühe genitale Korrektur.

Geschlechtliche Auswahl

Es herrscht die Anschauung vor, daß es für ein weibliches Individuum leichter sei, ‘im Leben ihren Mann zu stehen’ als ein männliches mit reduzierter Genitalfunktion. Auch sei es chirurgisch unkomplizierter, weibliche Genitalien zu kreieren: „it’s easier to make a hole than to build a pole“. Wird kein Y im Chromosomensatz vorgefunden, so fällt fraglos und unabhängig vom genitalen Erscheinungsbild die Wahl auf das weibliche Geschlecht. Sofern jedoch ein ‘männliches’ Chromosom vorgefunden wird, erfolgt ein Peniswachstumstest. Wenn zu erwarten ist, daß der Penis eine Länge über 2,5 cm erreicht, wird eine männliche Zuweisung vorgenommen. Wenn wider Erwarten im Laufe der Kindheit und Pubertät das Wachstum nicht altersgerecht verläuft, kann auch zu einem späteren Zeitpunkt eine Feminisierung stattfinden. Gesamt werden daher derzeit etwa 90% aller Intersexuellen feminisiert.

Genitale Verstümmelung

Abhängig vom definierten Geschlecht werden möglichst zwischen der 6. Lebenswoche und dem 15. Lebensmonat diverse chirurgische Zuweisungen vorgenommen: Phallusreduktion (60-70% des Gewebes werden entfernt) oder Penisaufbauplastiken, Kastrationen, Konstruktion von Neovaginen, Hodenimplantaten, Harnröhrenverlegungen. Ist das erreichte Ergebnis nicht zufriedenstellend, wird nachkorrigiert. Es sind uns bis zu 16 Operationen an einem Kind bekannt. Hinzu kommen extrem hohe Hormonsubstitutionen, vielfache gynäkologische Untersuchungen, Bougierungen (Dehnung der Vagina mit Stäben) sowie mehrfache fotografische Ablichtung der Genitalien. Auf psychosozialer Ebene werden Eltern zu rigider geschlechtlicher Sozialisation angehalten. Bei Fehlverhalten erfolgen psychologische Untersuchungen. Die Behandlungsdauer richtet sich nach dessen Beginn und ist selten vor dem 17. Lebensjahr beendet. Hormonelle Ersatzgabe soll ebenso wie weitergehende klinische Untersuchungen lebenslang erfolgen.

Folgeschäden

Eltern erleben eine Cotraumatisierung, da sie zum einen unter erheblichen Streß gesetzt werden, medizinische Anweisungen zu befolgen, zum anderen schädliche Folgen der medizinisch nicht notwendigen Behandlung an ihrem Kind miterleben. Die hieraus resultierende Destruktivität überträgt sich auf das Kind. Für intersexuelle Kinder sind folglich Eingriffe und Reaktionen der Bezugspersonen extrem traumatisierend, denn neben massiven Integritätsverletzungen kommen strikte Tabuiserungsanweisungen, Reduktion zum Objekt und gesamtpersonelle Ablehnung seitens der Eltern hinzu. Lebenslange physische und psychische Schädigungen sind die Folge. Sozialer Unbill, welchen es offiziell zu vermeiden galt, wird dadurch noch verstärkt. Unseres Wissens zufolge unternehmen 80% der Intersexen Suizidversuche, hiervon 25% erfolgreich.

Wer ist die AGGPG?

Die einzige ‘Verfehlung’ Intersexueller ist, daß sie in einem ‘illegalen’ Körper geboren werden. Gesellschaftliche Spaltung der Menschen in zwei Geschlechter legitimiert alle Vorgänge, obwohl in diesem Bereich seit Jahrzehnten schwerste Menschenrechtsverletzungen von Ärzten an Intersexen ausgeführt werden. Dies ist nicht länger tolerierbar. Daher hat sich die Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie (AGGPG) von und für Intersexuelle 1996 gegründet, um für Anerkennung und Gleichberechtigung intersexueller Menschen einzutreten sowie Aufklärung und Forschung zu betreiben. Sie steht in engem Kontakt zu anderen internationalen Gruppen, wie z.B. der Intersex Society of North America (ISNA) mit derzeit etwa 150 intersexuellen Mitgliedern.

Wir fordern:

  • Menschenrechte für Intersexuelle
  • das Recht auf Selbstbestimmung und vollständige Aufklärung
  • Beendigung chirurgischer Eingriffe vor Einwilligungsfähigkeit
  • psychologisches Betreuungsangebot für alle Familenangehörigen
  • außerklinische Beratungsstellen und Kontaktvermittlung zu kritischen Gruppen


Bei Interesse senden wir gerne weitergehendes Informationsmaterial zu. Zudem sind Informationen zu Intersexualität auf nachfolgenden Internetseiten abrufbar: http://www.isna.org http://www.qis.net/~triea http://users.southeast.net/~help http://home.t-online.de/home/boedeker_spreitzer_gbr/is_homep.htm http://home.t-online.de/home/aggpg/index.htm

  

[ Siehe auch: ]
- Selbstdarstellung der AGGPG 
- "Medizinische Intervention als Folter" - Michel Reiter 30.6.2000 
- "Genitalverstümmelungen in Deutschland in der Kinder- und Jugendgynäkologie" - AGGPG 1996
- "Für die Kinder kämpfen wir" - Michel Reiter, 1997 
- Zwangsoperationen an Zwittern: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?
- Zwangsoperationen an Zwittern: Wie können die Täter gestoppt werden?
- Anliegen an den Deutschen Ethikrat 23.6.10

Sunday, August 30 2009

Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2.2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit)

Foto: Kundgebung zum 1. Prozesstag im 'Zwitterprozess' vor dem Landgericht Köln,12.12.2007.

V.l.n.r.: Elisabeth Müller, Daniela Truffer, Katrin Ann Kunze †, Christiane Völling

"Jeder hat das [...] Recht auf körperliche Unversehrtheit", steht im Deutschen Grundgesetz (Artikel 2.2).

Auch in der Schweizerischen Bundesverfassung ist das Recht auf körperliche Unversehrtheit verankert (Artikel 10.2).

In Österreich ist Recht auf körperliche Unversehrtheit kein explizites Grundrecht, aber "anerkanntes öffentliches Interesse". (Vgl. Anhang)

Genitale Zwangsoperationen an zwischengeschlechtlichen Kindern sind eine massive Menschenrechtsverletzung!

Seit 1996 verurteilen zwangsoperierte Zwitter aus Deutschland, aus der Schweiz und aus Österreich öffentlich die an ihnen begangenen Zwangseingriffe explizit als Menschenrechtsverletzung und fordern ihre sofortige Beendigung – nicht zuletzt unter Berufung auf ihr "Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung"  (Vgl u.a. XY-Frauen, Zwischengeschlecht.org, Intersex.ch, Intersexuelle Menschen e.V., OII Deutschland / IVIM).

Zwangsoperiert wird in diesen Länder trotzdem weiterhin ungebrochen (wie leider ja auch sonst so ziemlich überall in der "aufgeklärten Welt"). 

Als bisher einzige Regierung der drei genannten Länder musste sich die Deutsche Bundesregierung aktuell immerhin schon sieben Mal wenigstens im Parlament unbequeme Fragen gefallen lassen. Auch explizit betreffend Verfassungswidrigkeit der systematische Genitalverstümmelungen an zehntausenden, wehrlosen kleinen Zwitterkindern allein in ihrem Zuständigkeitsbereich.

Wo sie nicht schlichtwegs jede Antwort verweigerte ("derzeit keine relevanten Informationen" heisst es stereotyp auch gegenüber der UNO), propagiert die Deutsche Bundesregierung seit über 10 Jahren unbeirrt die nicht-eingewilligten genitalen Zwangsoperationen an Zwitterkindern als "medizinisch notwendig" und "am Kindeswohl aus[ge]richte[t]", eine Grundrechtsverletzung durch Zwangseingriffe sei deshalb "nicht anzunehmen":  

Deutscher Bundestag
Drucksache 14/5627 >>> PDF-Download
14. Wahlperiode, 20. 03. 2001 Die Antwort wurde namens der Bundesregierung mit Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 16. März 2001 übermittelt.
Antwort der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Christina Schenk und der Fraktion der PDS
– Drucksache 14/5425 –
Intersexualität im Spannungsfeld zwischen tatsächlicher Existenz und rechtlicher Unmöglichkeit

[Frage:]
30. Teilt die Bundesregierung die Auffassung, das medizinische Interventio-
nen zum Zwecke einer geschlechtlichen Polarisierung an nicht Einwilli-
gungsfähigen den verfassungsrechtlich zugesicherten Grundrechten auf
Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit zuwiderlaufen?
Wenn ja, sieht die Bundesregierung Handlungsbedarf?
[Fettschreibung durch zwischengeschlecht.info]

[Antwort:]
Die Fragen 29 bis 31 werden zusammenfassend wie folgt beantwortet:
Die Ausübung des elterlichen Sorgerechts hat sich stets am Kindeswohl auszu-
richten (§ 1627 BGB). Deshalb dürfen die Menschenwürde und die Rechte des
Kindes auch durch eine Einwilligung der Eltern in medizinische Eingriffe nicht
verletzt werden. Eine solche Verletzung ist aber nicht anzunehmen, wenn ein
Eingriff medizinisch indiziert ist.
[Fettschreibung durch zwischengeschlecht.info]

Anmerkung 1: Kosmetische Operationen an den "uneindeutigen" Genitalien kleiner Kinder sind etwa so "medizinisch notwendig" wie eine Nasenverkleinerung für sagen wir mal Elefanten. Wetten: Würde "der Bundesregierung" nur einmal auf solche Weise ungefragt ein wenig zwischen den Beinen herumgeschnippelt (oder nur schon an der Nase) – "die Bundesregierung" würde plötzlich einiges ziemlich anders sehen ...


Anmerkung 2: Argumentationen, welchem angeblichen oder tatsächlichen gesellschaftlichen "Zweck" diese kosmetischen Zwangsoperationen von welchem Standpunkt aus gesehen jeweils dienen (z.B. "geschlechtliche Polarisierung" vs. "stabile Geschlechtsidentität", "Herstellung von Normalität", "Aufrechterhaltung des Zweigeschlechtersystems" usw.), sind wenig hilfreich zur realpolitischen Durchsetzung des Kernarguments "Beendigung der genitalen Zwangsoperationen innert nützlicher Frist".

Schluss mit Genitalverstümmelungen an Kindern! Menschenrechte auch für Zwitter!

>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Fakten und Zahlen
>>>
150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>>
Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter

Schlussmit genitalen Zwangsoperationen!

Anhang:

"Recht auf körperliche Unversehrtheit" in der Verfassung in Deutschland, Österreich und in der Schweiz


Deutschland: >>> Grundgesetz Artikel 2 (Vgl. auch Art. 1.1, 2.1 und 2.3)

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Schweiz: >>> Bundesverfassung Artikel 10 (Vgl. auch Art 10.3)

(2) Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit.

Österreich:

In Österreich ist das Recht auf körperliche Unversehrtheit zwar "anerkanntes höchstrangiges öffentliches Interesse", aber "kein explizites Grundrecht". (Quelle)

Siehe auch:
- Amnesty D: Zwangsoperationen "fundamentaler Verstoß" gegen körperliche Unversehrtheit
- Schweiz: Amnesty International und Terre des Femmes fordern Strafbarkeit von Genitalverstümmelung auch bei Zwittern
- "Intersexualität und Recht" in Österreich - Eva Matt
- Faule Eier für "die Bundesregierung"! 
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- Genitalverstümmelung in Kinderkliniken: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Thursday, August 13 2009

CSD Konstanz & Kreuzlingen fordert Selbstbestimmung für Zwitter

Gratuliere, es ist sein Zwitter!

Nach dem sensationellen Wahlprüfstein >>> "Menschenrechtsverletzungen an Intersexuellen bekämpfen!" und einer ebenfalls einstimmig angenommenen Resolution des Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) legte der internationale Christopher Street Day 2009 Konstanz & Kreuzlingen nach ...

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Monday, August 10 2009

Schmerzensgeld im „Zwitterprozess“ - dpa-Meldung 10.8.09

Christiane im LG Köln, 20.5.09. Rechts ihr Anwalt Georg Groth. (Bild: Melanie Jilg)

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Heute erschien eine >>> gelungene dpa-Vorausmeldung zum kommenden Urteil betreffend der Höhe von Christiane Völlings Schmerzensgeld mit dem vollständigen Titel: "Urteil erwartet: Schmerzengeld im 'Zwitterprozess'" (siehe u.a. auch Ruhr NachrichtenMünstersche Zeitung usw.). Die Meldung spricht im ersten Abschnitt von der "intersexuelle[n] Klägerin", erwähnt korrekt das vorherige "Grundsatzurteil" des Landgerichts gegen Christianes Zwangsoperateur "vom Februar 2008 wegen seines 'rechtswidrigen Eingriffs'" sowie das Oberlandesgerichtsurteil vom September 2008, "der Chirurg habe die Klägerin mit der OP 'schuldhaft in ihrer Gesundheit und ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt'". Und weiter:

Christiane V. fühlt sich als Frau, war aber mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen als Zwitter geboren und als Junge „Thomas“ großgezogen worden. [...] Der Anwalt der Klägerin, Georg Groth, zeigte sich am Montag optimistisch. Er sehe gute Chancen für seine Mandantin, ihre Forderung durchzusetzen sagte er der dpa. Möglich sei auch eine lebenslange Schmerzensgeld-Rente. Das von Christiane V. angestrengte Verfahren war als Präzedenzfall und Musterprozess bewertet worden.

Laut dpa wurde das Urteil heute gefällt – in der Verhandlung hatte es aber seinerzeit geheissen, dies werde erst am kommenden Mittwoch, den 12. August 2009, der Fall sein. Fortsetzung folgt ...

(Gefunden via Intersex-Feed)

Christianes Prozess auf diesem Blog:
- Christiane Völlings Geschichte
- 1. Pressemitteilung
- Demoaufruf 1. Prozesstag
- Bericht 1. Prozesstag
- Pressespiegel 1. Prozesstag
- Warum Christiane Völling zur Transsexuellen gemacht werden soll
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst
- Bericht und Pressespiegel 2. Prozesstag
- Christiane: Der Kampf geht weiter
- Bericht provisorischer Entscheid OLG
- Bericht definitiver Entscheid OLG
- Pressespiegel definitiver Sieg vor OLG
- Zwitterprozess: Verurteilter Chirurg will nicht zahlen!  
- Merkel & Co: Einladung zum Zwitterprozess!
- Zwitterprozess: Verurteilter Chirurg als Gutachter für Behandlungsfehler   
- "Schmerzensgeld-Prozess" - Sat1 NRW 19.5.09
- 3. Prozesstag 20.5.09: "Netzwerk DSD" fällt Chirurgen in den Rücken
> Pressemeldungen zum "Zwitterprozess"
> Internationale Artikelübersicht auf OII

Thursday, August 6 2009

Bundestagswahl 2009: 4 von 5 Bundestagsparteien fordern Selbstbestimmungsrecht für Zwitter!

Menschenrechte auch für Zwitter!
INHALT
1. Hintergrund
2. Überblick Theorie und Praxis aller Fraktionen
3. Die einzelnen Statements im Wortlaut
4. Statement LSVD


1. Hintergrund

In einem erstmaligen Wahlprüfstein Nr. 9 "Menschenrechtsverletzungen an Intersexuellen bekämpfen!" für die kommende Bundestagswahl 2009 monierte der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) den "erheblichen Verstoß gegen das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde" der Zwitter durch die heute noch gängigen genitalen Zwangsoperationen, Zwangskastrationen und Zwangshormontherapien. Und fragte alle Bundestagsparteien, ob und wie sie bereit seien, "sich dafür einzusetzen", diese "Zwangsbehandlungen" zu stoppen, damit "in Zukunft chirurgische und/oder medikamentöse bzw. hormonelle Eingriffe nur mit der informierten Einwilligung der betroffenen Menschen erfolgen dürfen"

13 Jahre nach Gründung der "Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie (AGGP)" (inkl. ebensolanger Kritik an LGBT-Vereinnahmung und "Kolonialisierungskaskaden") waren damit zentrale Forderungen der Zwitterbewegung bei den organisierten Schwulen und Lesben wirklich angekommen! Der Wahlprüfstein griff nicht zuletzt zurück auf Grundsatztexte von Zwischengeschlecht.org und Intersexuelle Menschen e.V., aus Pressemitteilungen, der Forderungsliste und dem CEDAW-Schattenbericht.


2. Überblick Theorie und Praxis der einzelnen Fraktionen

Mittlerweile liegen nun die Antworten der Bundestagsparteien vor. Und siehe da:

Mit Ausnahme der CDU/CSU geloben im Wahljahr 2009 alle Fraktionen mehr oder minder deutlich, das Selbstbestimmungsrecht der Zwitter hochzuhalten und die Zwitterbewegung in ihrem jahrzehntelangen Kampf um ihre Menschenrechte zu unterstützen!

Die konkrete Bilanz ihrer Taten im Bundestag während der letzten vier Wahlperioden ist in krassem Gegensatz dazu bisher gleich Null – mit einer einzigen Ausnahme ...

Nachfolgend ein Überblick zu Theorie und Praxis der einzelnen Fraktionen, gefolgt von sämtlichen Statements im Wortlaut sowie einem Statement dazu des LSVD:

Rang 1: Am explizitesten lehnt DIE LINKE "frühkindliche Eingriffe ab" und fordert, "dass es erst zu medizinischen Eingriffen für geschlechtsangleichende Maßnahmen kommen darf, wenn die Menschen einwilligungsfähig sind". Und kann als einzige Fraktion darauf verweisen, dass auch in ihrem offiziellen Wahlkampfprogramm die konkrete Forderung steht: "fremdbestimmte operative Eingriffe bei Intersexuellen unterbinden". Einziger Wermutstropfen: Die Forderung eines zusätzlichen, eigenen Geschlechtseintrags für Transgender mit Zwitterforderungen im selben Topf ist für Zwitter klar kontraproduktiv. DIE LINKE ist bisher die einzige Fraktion, die im Bundestag in den letzten 13 Jahren immer wieder konkrete Vorstösse unternommen hat zu Gunsten der Urforderung dieses Blogs "Menschenrechte auch für Zwitter!", siehe z.B. hier, hier und hier. >>> PDF-Download

Rang 2: Die FDP hat ihre Hausaugaben auf dem Papier umfassend und gut gemacht, "begrüßt, dass die Situation von intersexuellen Menschen in den vergangenen Jahren zunehmend Gegenstand öffentlicher Diskussionen geworden ist", fordert Selbstbestimmung für Intersexuelle und "schließt [...] Zwangsbehandlungen aus". Im Bundestag hat die FDP zu Gunsten der Zwitter bisher konkret nix unternommen. >>> PDF-Download

Rang 3: Die SPD findet wiederholt alles "äußerst schwierig", führt "konkurrierend[e] Rechtsgüter" ins Feld und kann sich zum Schluss grad noch knapp dazu durchringen, das "Selbstbestimmungsrecht des Kindes" sei "eines der herausragenden Menschenrechte". Im Bundestag hat die SPD zu Gunsten der Zwitter bisher konkret nix unternommen. >>> PDF-Download

Rang 4: Die Grünen haben das kürzeste Statement – und lassen doch kein Fettnäpfchen aus. Im ersten Satz fordern sie immerhin vollmundig: "Die Menschenrechte intersexueller Menschen müssen in vollem Umfang gewährleistet werden." Die weiteren 2 Sätze sind dann das übliche Transgender-Vereinnahmungs-Einmaleins: Zuerst mit dem Schrecken der genitalen Zwangsoperationen winken, bzw. wie die Grünen es nennen, "medizinisch unnötigen Operationen zur Geschlechtsanpassung unterworfen werden", um anschliessend – schwupps! – auf die eigenen Anliegen umzuschwenken, in diesem Falle ein drittes Geschlecht nicht etwa für Zwitter, sondern für alle, "die nicht als weiblich oder männlich leben wollen", sprich für alle Transgender! Zudem wollen die Grünen rein gar nix begriffen haben: Die Wendung "medizinisch unnötige Operationen zur Geschlechtsanpassung" suggeriert, es gäbe auch medizinisch notwendige – gibt es aber NICHT – OPs "zur Geschlechtsanpassung" an Zwitterkindern sind definitionsgemäss IMMER rein kosmetisch und medizinisch NIE indiziert! Im Bundestag haben die Grünen zu Gunsten der Zwitter bisher konkret nix unternommen – ausser Blablabla, Vereinnahmung, mehr Vereinnahmung, noch mehr Vereinnahmung und Schützenhilfe für unverbesserliche Zwangsoperateure. >>> PDF-Download

Rang 5: Die CDU/CSU ist die einzige Fraktion, die ihre Hausaufgaben nach wie vor nicht einmal ansatzweise gemacht hat. Unbeirrt propagiert sie weiterhin genitale Zwangsoperationen an Zwittern. Bezeichnenderweise sind Zwitter für CDU/CSU ein "Gender-Thema": es geht AUSSCHLIESSLICH um "das Merkmal 'sexuelle Identität'" und NIE um Selbstbestimmung oder körperliche Unversehrtheit. Im Bundestag hat die CDU/CSU zu Gunsten der Zwitter bisher konkret nix unternommen – ausser "Intersexualität" mit "sexueller Orientierung" zu verwechseln (und befindet sich damit in bester Gesellschaft mit vereinnahmenden LGBTs und Transgendern). >>> PDF-Download


3. Die einzelnen Statements im Wortlaut

Statement DIE LINKE: >>> PDF-Download

Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, dass in Zukunft chirurgische und/oder medikamentöse bzw. hormonelle Eingriffe nur mit der informierten Einwilligung der betroffenen Menschen erfolgen dürfen? 
Was werden Sie dafür tun, um Sorge zu tragen, dass Menschen mit einer Besonderheit der geschlechtlichen Entwicklung ein Recht auf freie Entfaltung und Selbstbestimmung gewährleistet wird?

DIE LINKE setzt sich für die Rechte von Intersexuellen Menschen ein. Wir fordern, dass es erst zu medizinischen Eingriffen für geschlechtsangleichende Maßnahmen kommen darf, wenn die Menschen einwilligungsfähig sind. Deshalb lehnen wir frühkindliche Eingriffe ab, da sie zu schweren physischen und psychischen Folgen führen können.
Im Bundestagswahlkampfprogramm heißt es hierzu:
„Die LINKE fordert: Selbstbestimmungsrecht von inter‐ und transsexuellen Menschen ohne Einschränkung sichern: Personenstandsgesetz und das Vornamensrecht in diesem Sinne ändern; fremdbestimmte operative Eingriffe bei Intersexuellen unterbinden“.
DIE LINKE im Bundestag hat der Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode hierzu vier Anfragen zum Intersexualität gestellt. (DS 4322, 4786, 13269, 13270)
Im Antrag (DS 16/12893, s.o.) fordern wir, dass  beim Personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag neben den Eintragungen „weiblich“ und „männlich“ auch der Eintrag „inter sexuell“ oder „transgender“ möglich sein soll und der Eintrag „intersexuell“ und „transgender“ auf Antrag vom Eintrag im Reisepass abweichen kann.

Statement FDP: >>> PDF-Download

Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, dass in Zukunft chirurgische und/oder medikamentöse bzw. hormonelle Eingriffe nur mit der informierten Einwilligung der betroffenen Menschen erfolgen dürfen? 
Was werden Sie dafür tun, um Sorge zu tragen, dass Menschen mit einer Besonderheit der geschlechtlichen Entwicklung ein Recht auf freie Entfaltung und Selbstbestimmung gewährleistet wird?

Die FDP begrüßt, dass die Situation von intersexuellen Menschen in den vergangenen Jahren zunehmend Gegenstand öffentlicher Diskussionen geworden ist. Damit wird ein Bewusstsein geschaffen für die spezifischen Probleme und Lebenssituationen der Betroffenen. Für intersexuelle Menschen muss sichergestellt werden, dass sie ihr Leben frei und selbstbestimmt leben können. Folgerichtig schließt dies die Vornahme von Zwangsbehandlungen aus. menschen, bei denen im Kindesalter ein operativer Eingriff zur eindeutigen Zuordnung des Geschlechts vorgenommen wurde und die diese Zuordnung später ablehnen, bedürfen der Unterstützung. Die FDP begrüßt daher die ehrenamtliche Arbeit von Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen zur Unterstützung und Begleitung von intersexuellen Menschen. Notwendig sind wissenschaftliche Untersuchungen über die Situation von Intersexuellen, um auf einer gesicherten Datengrundlage mögliche gesetzliche oder administrative Maßnahmen zu prüfen. Eine grundlegende Evaluation der sozialen und rechtlichen Situation intersexueller Menschen in Deutschland wäre darüber hinaus wünschenwert.

Statement SPD: >>> PDF-Download

Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, dass in Zukunft chirurgische und/oder medikamentöse bzw. hormonelle Eingriffe nur mit der informierten Einwilligung der betroffenen Menschen erfolgen dürfen? 
Was werden Sie dafür tun, um Sorge zu tragen, dass Menschen mit einer Besonderheit der geschlechtlichen Entwicklung ein Recht auf freie Entfaltung und Selbstbestimmung gewährleistet wird?

Die Frage ist äußerst schwierig, da hier verschiedene Rechtsgüter - das Sorgerecht der Eltern über ihre zum Zeitpunkt des Eingriffs oft nicht rechtsfähigen Kinder, das Selbstbestimmungsrecht des Kindes etc - miteinander konkurrieren können. Auch die Lebenssituation von intersexuellen Kindern kann äußerst schwierig sein, da die Umwelt eben in der Regel erwartet, kein Geschlecht eindeutig zuordnen zu können. Mangelndes Wissen auf Seiten der Ärzte kann ein Übriges tun. Selbst die Sprache kann hier eine Barriere bilden. Für die betroffenen Kinder ist ihre Intersexualität wohl leider in jedem Fall nicht problemlos. Grundsätzlich ist die SPD aber dazu bereit, sich für eine adäquate Lösung zu engagieren. Das Selbstbestimmungsrecht ist eines der herausragenden Menschenrechte.

Statement Bündnis 90 / die Grünen: >>> PDF-Download

Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, dass in Zukunft chirurgische und/oder medikamentöse bzw. hormonelle Eingriffe nur mit der informierten Einwilligung der betroffenen Menschen erfolgen dürfen? 
Was werden Sie dafür tun, um Sorge zu tragen, dass Menschen mit einer Besonderheit der geschlechtlichen Entwicklung ein Recht auf freie Entfaltung und Selbstbestimmung gewährleistet wird?

Die Menschenrechte intersexueller Menschen müssen in vollem Umfang gewährleistet werden. Intersexuelle Menschen, die mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren werden, dürfen keinen medizinisch unnötigen Operationen zur Geschlechtsanpassung unterworfen werden. Deshalb setzen wir uns dafür ein, geschlechtliche Uneindeutigkeit zuzulassen, und fordern für Menschen, die nicht als weiblich oder männlich leben wollen, die Möglichkeit, sich unter einem dritten Geschlecht eintragen zu lassen. 

Statement CDU/CSU: >>> PDF-Download

Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, dass in Zukunft chirurgische und/oder medikamentöse bzw. hormonelle Eingriffe nur mit der informierten Einwilligung der betroffenen Menschen erfolgen dürfen? 
Was werden Sie dafür tun, um Sorge zu tragen, dass Menschen mit einer Besonderheit der geschlechtlichen Entwicklung ein Recht auf freie Entfaltung und Selbstbestimmung gewährleistet wird?

Durch eine geschlechtsspezifische Zuordnung bei intersexuellen Säuglingen und Kleinkindern wird aus sexualmedizinischer wie psychiatrischer Sicht eine ungestörte psychische Identitätsentwicklung gefördert. Die Behandlung von Intersexuellen muss denselben Voraussetzungen wie alle therapeutischen Maßnahmen unterliegen. So muss die medizinische Notwendigkeit ebenso vorliegen wie die rechtlich wirksame Einwilligung der Betroffenen bzw. ihrer rechtlichen Vertreter nach einer umfassenden Aufklärung. Die Diagnose, Behandlung und Rehabilitation muss nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgen. Therapeutische Maßnahmen müssen sich immer am Einzelfall orientieren. 
Der Schutz intersexueller Menschen vor Diskriminierung  wird durch die Rechtsordnung gewährleistet. Intersexualität ist vom Schutzbereich des Merkmals „sexuelle Identität“ mit umfasst, wie in der Begründung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz ausdrücklich festgestellt ist.


4. Statement LSVD >>> PDF-Download

9. Menschenrechtsverletzungen an Intersexuellen bekämpfen!

Sind Sie bereit, sich dafür einzusetzen, dass in Zukunft chirurgische und/oder medikamentöse bzw. hormonelle Eingriffe nur mit der informierten Einwilligung der betroffenen Menschen erfolgen dürfen? 
Was werden Sie dafür tun, um Sorge zu tragen, dass Menschen mit einer Besonderheit der geschlechtlichen Entwicklung ein Recht auf freie Entfaltung und Selbstbestimmung gewährleistet wird?

CDU/CSU halten eine geschlechtsspezifische Zuordnung bei intersexuellen Säuglingen und Kleinkindern im Hinblick auf „eine ungestörte psychische Identitätsentwicklung“ für richtig, Voraussetzungen „für die Behandlung von Intersexuellen“ seien „die medizinische Notwendigkeit“ und „die rechtlich wirksame Einwilligung der Betroffenen bzw. ihrer rechtlichen Vertreter“. Diskriminierungsschutz werde durch das AGG abgedeckt. 
Die SPD ist grundsätzlich bereit, sich für eine adäquate Lösung im Sinne des Selbstbestimmungsrechts zu engagieren, auch wenn das Sorgerecht der Eltern mit dem Selbstbestimmungsrecht der Kinder konkurrieren kann. 
Für die FDP schließt das Selbstbestimmungsrecht die Vornahme von Zwangsbehandlungen aus. Sie fordert wissenschaftliche Untersuchungen über die Situation von Intersexuellen, um auf gesicherter Datenbasis gesetzliche oder administrative Maßnahmen zu prüfen. 
Die Linke fordert, dass es „erst zu medizinischen Eingriffen für geschlechtsangleichende Maßnahmen kommen darf, wenn die Menschen einwilligungsfähig sind.“ Sie lehnt frühkindliche Eingriffe ab, „da sie zu schweren physischen und psychischen Folgen führen können“ und setzt sich für die Möglichkeit des personenstandsrechtlichen Eintrags „intersexuell“ ein. 
Bündnis 90/Die Grünen fordern, dass intersexuelle Menschen, die mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen geboren werden, keinen medizinisch unnötigen Operationen zur Geschlechtsanpassung unterworfen werden. Geschlechtliche Uneindeutigkeit solle zugelassen und die Möglichkeit, sich unter einem dritten Geschlecht eintragen zu lassen, geschaffen werden.

Bundestags-Suchmaschine zu "Intersexualität":
http://suche.bundestag.de/searchAction.do?queryAll=&queryOne=intersexuell+intersexuelle+intersex

Siehe auch:
- CEDAW im Bundestag: Nach bekanntem Muster
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen!  
- Lesben- und Schwulenverband Deutschland fordert Menschenrechte für Zwitter! 
- LSVD: Menschenrechte für Zwitter als Wahlprüfstein! 
- Bundestagswahl 2009: 4 von 5 Bundestagsparteien fordern Selbstbestimmungsrecht für Zwitter! 
- CSD Konstanz & Kreuzlingen fordert Selbstbestimmung für Zwitter  

Thursday, June 25 2009

"Netzwerk DSD"/"Euro DSD": Ethik-Empfehlungen als Feigenblatt für Zwangsoperateure

Die (auch von diesem Blog) oft kritisierte vorherige AMWF-Leitlinie "Störungen der sexuellen Differenzierung" (2003-2008) ("Entwicklungsstufe 1") der Urologenvereinigung DGU ist inzwischen auf dem Netz offiziell nicht mehr einsehbar, als hätte sie nie existiert.

In der >>> neuen AWMF-Leitlinie "Störungen der Geschlechtsentwicklung" ("Entwicklungsstufe 1 + IDA") vertritt nun ein "multidisziplinäres" Konglomerat unter Federführung der "Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (DGKJ)" den aktuellen Branchenkonsens der GenitalverstümmlerInnen.

Zum ersten Mal überhaupt sind in der neuen AWMF-Leitlinie auch 2 Selbsthilfegruppen kommentierend mitbeteiligt und erwähnt, nämlich die "XY-Elterngruppe" und die "AGS-Eltern-und Patienteninitiative e.V."

Auf den ersten Blick liest sich die neue "Leitlinie" tatsächlich einiges freundlicher als die alte, die Kommentare der Selbsthilfegruppen stellen Verbesserungen dar, auch die "Ethische[n] Grundsätze und Empfehlungen bei DSD" der "Arbeitsgruppe Ethik" werden mehrfach gewürdigt.

Unter dem Strich werden jedoch wehrlosen Zwitterkindern "letztlich" (!!!) einmal mehr jegliche (Menschen-)Rechte abgesprochen.

Als Beleg für die juristische Rechtlosigkeit der Kinder wird – Überraschung! – ausgerechnet die "Grundsätze und Empfehlungen" der "Arbeitsgruppe Ethik" des "Netzwerks DSD/Intersexualiät" [110] namentlich herausgestrichen (meine Hervorhebung):

Ein uneindeutiges Genitale kann eine erhebliche psychosoziale Belastung der Eltern und der Familie bedeuten [23, 84, 110]

Rechtlich steht letztlich den Eltern die Entscheidung zu (aus: Ethische Grundsätze und Empfehlungen zum therapeutischen Umgang mit Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung (DSD) / Intersexualität bei Kindern und Jugendlichen) [110]

Fazit: Schnipp, schnipp!! Es wird munter weiter widerrechtlich genitalverstümmelt und zwnagsoperiert wie eh und je – einfach neu unter Berufung auf das Netzwerk-Ethikpapier! Erst Recht unter dem neuen Label der Netzwerk-Nachfolgeorganisation "EuroDSD"!

Als AutorInnen der aktuellen "Leitlinie" firmieren:

P.M. Holterhus, B. Köhler, E. Korsch, A. Richter-Unruh.

Nebst der DGKJ mitbeteiligt waren:

Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Endokrinologie (APE) als Sektion der
der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin (DGKJ)
sowie der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE)
Arbeitsgruppe Disorders of Sex Development (DSD) der APE

Untenstehend in chronologischer Reihenfolge alle Ausschnitte, in denen sich die "Leitlinie" auf das Ethikpapier beruft, gefolgt von der Quellenfussnote:

Ein uneindeutiges Genitale kann eine erhebliche psychosoziale Belastung der Eltern und der Familie bedeuten [23, 84, 110]

Die Geschlechtszuordnung soll dabei auf der Grundlage einer Diagnostik und unter Einbeziehung von Experten, nach Möglichkeit in einem Zentrum mit einem erfahrenen multidisziplinären Team (mit erfahrenen Kinderendokrinologen, Kinderchirurgen oder Kinderurologen, klinischen Psychologen oder Kinder- und Jugendpsychiater, Gynäkologen, Genetiker, Neonatologen, Sozialarbeiter, Pflegenden und Ethikern) und nach offener Darlegung und mit Beteiligung der Eltern und deren Beratern erfolgen [105, 106, 107, 110, 111]

Genitale Korrekturoperationen jeglicher Art werden zur Zeit kontrovers diskutiert, da kontrollierte Studien dazu nicht vorliegen und Untersuchungen zum Outcome unbefriedigend sind [15, 44, 67, 76, 89, 110]

Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung sind nicht per se aus rein kosmetischen Gründen korrekturbedürftig und stellen bei einem Neugeborenen keinen chirurgischen, jedoch in der Regel einen psychosozialen Notfall dar. Jede Therapieentscheidung, die nicht eine unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit des Kindes abwenden soll, muss unter Vermeidung von Zeitdruck und unter hinreichender Abwägung unterschiedlicher Optionen im Gespräch mit Vertretern des therapeutischen Teams und den Eltern sorgfältig geprüft werden. Das therapeutische Team muss die Eltern von Anfang an und umfassend in die Entscheidungsfindung und Therapieplanung einbeziehen und sich davon überzeugen, dass sie die geplanten Maßnahmen, deren Bedeutung und Tragweite verstanden haben. Rechtlich steht letztlich den Eltern die Entscheidung zu (aus: Ethische Grundsätze und Empfehlungen zum therapeutischen Umgang mit Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung (DSD) / Intersexualität bei Kindern und Jugendlichen) [110].

110.  Wiesmann C, Dörries A, Hampel E, Janssen-Schmidchen G, Korsch E, Kraus-Kinsky E, Leriche C, Loeser E, Müller L, Reutter H, Rothärmel S, Sinnecker G, Ude-Koeller S, Werner-Rosen K, Zöller G, eine weitere Person aus der Gruppe der Betroffenen. Arbeitsgruppe Ethik im Netzwerk Intersexualität „Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung“ Ethische Grundsätze und Empfehlungen bei DSD. Therapeutischer Umgang mit Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung/Intersexualität bei Kindern und Jugendlichen. Monatschr Kinderheilk 156: 241-245, 2008

>>> AMWF-Leitlinie "Störungen der Geschlechtsentwicklung"

>>> "Ethische Grundsätze und Empfehlungen bei DSD" (PDF-Download)

Siehe auch:
- "Ethische Grundsätze und Empfehlungen bei DSD": Zwangsoperationen klar unzulässig (Dr.med. Jörg Woweries)
- Wie das "Netzwerk DSD"/"Euro DSD" die "Lübecker Studie" frisiert 
- "Euro-DSD"-Zwangsoperateure: transsexuell = intersexuell??!
- "Ethik als Feigenblatt?" - Zwischengeschlecht.org zum "Forum Bioethik", Deutscher Ethikrat 23.6.10

Saturday, May 23 2009

Zwangskastrationen an Zwittern: "Wir wollen doch keine Mutanten züchten"

Die Zwitter Medien Offensive™ war schon da!

Christiane Völling bezeichnet sich öffentlich als "Zwangskastrierte Intersexuelle". Zwangskastrationen an Zwittern wurden und werden (nicht nur) in Deutschland systematisch durchgeführt.

Die "Logik" dahinter: Da "das Geschlecht" eines Kleinkindes laut John Moneys Pseudo"standard" beliebig formbar ist, ist es nicht so wichtig, welches Geschlecht einem Zwitter zwangszugewiesen wird – Hauptsache, "uneindeutige" (neudeutsch: "gestörte") Geschlechtsorgane werden früh genug zwangsoperiert (Medizynerdeutsch: "vereindeutigt" bzw. "korrigiert"), sowie anschliessend eisern an der Zuweisung feshalten und der "Patient" über seine wahre Diagnose im Unklaren gelassen. Die zwangszugewiesene Pubertät wird nach Möglichkeit künstlich durch äussere Hormone eingeleitet. Gonaden, die dem zugewiesenen Geschlecht nicht entsprechen ("unerwünschte Hormonwirkung" / "unerwünschter Effekt"), werden umgehend entfernt unter dem Vorwand, sie seien "missgebildet" und "entartet". Tausende und Abertausende Zwitter wurden und werden nach diesem Schema unnötig zwangskastriert ("rechtzeitig gonadektomiert").

Wie weit Moneys Theorie dabei konkret (auch) von eugenischen Herrenrasse-Prinzipien geprägt war, entzieht sich meiner Kenntnis. Was ich hingegen weiss, ist, dass Christiane lange nicht die erste war, die versuchte, einen zwangskastrierenden Chirurgen vor Gericht zu bringen. Sowie, dass einzelne (nicht nur) deutsche Medizyner auch im 21. Jahrhundert nach wie vor ungebrochen mit peinlichsten Nazisprüchen operieren. Beides beweist u.a. folgendes Interview aus der Sendung "Eindeutig Zweideutig" von Ilka Franzmann (Arte, 4.7.2003), hier zitiert nach dem Transkript im Buch "Intersexualität. Menschen zwischen den Geschlechtern" von Claudia Lang (S. 247):

Mutter: »[...] Nach dem operativen Befund befand sich in der linken Seite ein Ovar mit Tube und uterusähnlichem Gebilde. Das bedeutete ganz einfach, dass da ein Eierstock existiert mit einem Eileiter und einer Gebärmutter. Dies wurde operativ komplett entfernt. Die Geschlechtszuordnung ist [...] somit erfolgt – also als männlich. Es wurde innerhalb einer ganz normalen U-Untersuchung festgestellt, es fehlt ein Hoden, und das müsse man beobachten. Das wurde auch gemacht. Bis ungefähr, als Wesley 8 Monate alt war, dann hieß es, man müsse eine OP machen, um nachzugucken, ob der Hoden sich in der Bauchhöhle befindet. Da das für uns ganz normal war, haben wir dem auch zugestimmt und haben die Operation machen lassen. Der Wesley kam aus der Operation raus, wurde in ein separates Zimmer gefahren, ganz normales Krankenzimmer und der Arzt sagte dann auch ganz direkt, völlig klar und kalt, emotionslos heraus, die OP wäre gut verlaufen, man hätte allerdings einen Eierstock gefunden und ein uterusähnliches Gebilde. Das hätte man entfernt, weil das gehörte nicht in den Körper eines Jungen. Dann ist er gegangen.«

Vater: »Man wusste auch nicht, ob man jetzt heulen oder lachen sollte, weil man hat sich angeguckt: Ja, was kommt jetzt?«

Mutter: «[...] Als ich herausfinden wollte, was genau mit Wesley passiert ist, habe ich eine Ärztin um Hilfe gebeten und diese Ärztin hat es so begründet, dass man in Deutschland keine Mutanten züchten wolle, deswegen hätte man so gehandelt.«

Die Eltern haben versucht, gegen die behandelnden Ärzte zu klagen, haben dann aber ihre Klage zurückgezogen, weil kein Medizinrechtler sie unterstützte.

Siehe auch:
- Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen
- Weiße Kittel mit braunen Krägen, reloaded
-
- "Intersex Infant - Surgical Abuse" - Video
- Von Zwangsoperateur "schuldhaft in Selbstbestimmungsrecht verletzt" - Zwitterprozess OLG 4.9.08
- Hiort, Holterhus, Sinnecker, Kruse (Ärzteblatt 1999):
   Aufzählung, bei welchen "Syndromen" / Zuweisungen wann zwangskastriert werden muss
 

Monday, April 27 2009

Erneute Aufforderung um Unterstützung an Amnesty International

Mindestens seit 1996 wird Amnesty International von Zwitterorganisationen um Hilfe angegangen.

Eine ähnliche Aufforderung wie die nachfolgende vom April 2009 ging am 15.8.09 zusätzlich auch an die Schweizer Sektion von Amnesty – einmal mehr hiess es in der Absage: "Amnesty International hat bisher [...] keine offizielle Position zu Intersex und Zwangsoperationen erarbeitet."

2010 haben nun Amnesty Schweiz sowie Amnesty Deutschland an ihren Jahresversammlungen Beschlüsse verabschiedet, wonach beide Sektionen sich beim Dachverband dafür einsetzen, dass Amnesty International endlich eine offizielle Position erarbeiten soll. Danke!

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Subject:       Massivste Menschenrechtsverletzungen an Zwittern
From:
       presse_at_zwischengeschlecht.info
Date:
       Mon, April 27, 2009 14:34
To: 
      [...]@mersi-amnesty.de
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Lieber [...]

ich beziehe mich auf Ihre Antworten auf die Anfragen von Michaela R. und Lucie Veith von Intersexuelle Menschen e.V. vom Dezember letzten Jahres zum Thema, insbesondere auf Ihren Wunsch nach weiterführenden konkreten Informationen, dem ich im folgenden nachkommen möchte:

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INHALT

1. Einleitung

2. Studien des Netzwerks Intersexualität/DSD widerlegen Bundesregierung
a) Bundesregierung ignoriert Menschenrechtsverletzungen und propagiert genitale Zwangsoperationen
b) Aktuelle Forschungsergebnisse des "Netzwerk Intersexualität/DSD" beweisen massive Menschenrechtsverletzungen
c) Einige Auszüge aus den beiden Studien
d) Literatur und Quellen

3. Schattenbericht CEDAW 2008, Rügen an Bundesregierung
a) Auflistung der menschenrechtswidrigen Zwangseingriffe (Deutsch)
b) List of non-consented, forced treatments violating the human rights of the victims (english)
c) UNO rügt Bundesregierung wegen mangelndem Schutz der Menschenrechte von Zwittern

4. Forderungsliste betroffener Menschen

5. Urteile LG und OLG Köln: Zwangsoperierte "schuldhaft in Selbstbestimmungsrecht verletzt"

6. Juristische Probleme und Diskriminierungen
a) Das Problem der frühzeitigen Verjährung der genitalen Zwangsoperationen
b) Diskrimierung gegenüber Knaben- und Mädchenbeschneidung
c) Diskriminierung Sterilisations- und Kastrationsverbot
d ) Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen

7. Wir bitten um Ihre Unterstützung!


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1. Einleitung

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Bis heute werden Menschen, die mit "uneindeutigen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen geboren werden, ohne ihre Einwilligung meist im frühen Kindesalter zwangskastriert, an ihren "uneindeutigen" Genitalien zwangsoperiert und Zwangshormontherapien unterzogen, um ihr "uneindeutiges" Geschlecht zu "vereinheitlichen". Diese Zwangseingriffe sind medizinisch nicht notwendig, sondern rein "kosmetisch".

Die meisten Opfer dieser unmenschlichen Praxis leiden ein Leben lang unter den massiven psychischen und physischen Folgen der Zwangsbehandlungen (Traumatisierungen, Verlust des sexuellen Empfindens, Schmerzen im Genitalbereich, gesundheitliche Schäden durch erzwungene, inadäquate sogenannte "Hormonersatztherapien (HETs)", sehr hohe Selbstmordrate Zwangsoperierter, usw.).

Allein in Deutschland leben schätzungsweise 80’000 bis 100’000 sogenannte Zwischengeschlechtliche, Intersexuelle, Zwitter oder Hermaphroditen.

Juristisch, politisch und sozial werden sie nach wie vor unsichtbar gemacht und ihrer (Menschen-)Rechte beraubt.

Siehe auch: Präambel Forderungsliste Intersexuelle Menschen e.V.:
http://intersex.schattenbericht.org/pages/Forderungen-Intersexuelle-Menschen-eV

Diese massiven Menschenrechtsverletzungen an Zwittern geschehen aufgrund ihres sogenannt "uneindeutigen" körperlichen Geschlechts.

Das Problem der genitalen Zwangsoperationen ist KEIN "Gender Issue"; es handelt sich auch NICHT um ein Problem der blossen Diskriminierung aufgrund sexueller Identität bzw. Orientierung, sondern es handelt sich um massive körperliche Schädigungen (vgl. unten 3a), deren Folgen von den Opfern nicht von ungefähr mit den Folgen von Folter, sexuellem Kindesmissbrauch oder medizinischen Experimenten während der Nazizeit verglichen werden!

Die hohe Zahl der Opfer, die Schwere und das Ausmass der an ihnen in den letzten 60 Jahren systematisch begangenen Menschenrechtsverletzungen machen die Zwangsoperationen an Zwittern zur wohl gravierendsten Menschenrechtsverletzung in den westlichen Demokratien seit dem 2. Weltkrieg.


Siehe auch: Auflistung von Berichten Betroffener (2.  Medizinische Verbrechen an Zwittern / Persönliche Berichte):
https://blog.zwischengeschlecht.info/pages/Unterstutzt-den-Kampf-der-Zwitter-um-Selbstbestimmung-und-gegen-genitale-Zwangsoperationen

Erhebungen betroffener Menschen in Deutschland in der 1990er-Jahren ergaben, dass 80% der Zwangsoperierten Selbstmordversuche unternehmen, sowie eine effektive Selbstmordrate von 20%!
Vgl. Flugblatt der AGGPG [1997]: http://www2.iisg.nl/id/Systematik.asp?cat=3&id=83

Trotzdem werden diese massiven Menschenrechtsverletzungen bisher weitgehendst ignoriert, obwohl die Geschädigten seit nunmehr 13 Jahren Gerechtigkeit fordern. Offiziell gibt es noch nicht einmal Statistiken zur Häufigkeit von Zwittern, geschweige denn zur Problematik der genitalen Zwangsoperationen und sonstigen nicht-eingewilligten Zwangseingriffe an Zwittern.


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2. Studien des Netzwerks Intersexualität/DSD widerlegen Bundesregierung

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a) Bundesregierung ignoriert Menschenrechtsverletzungen und propagiert genitale Zwangsoperationen

Bis heute schaut die Bundesregierung weg und negiert diese systematischen Menschenrechtsverletzungen an Intersexuellen, obwohl sie in den letzten zwölf Jahren mehrmals dazu aufgefordert wurde, zur Situation der intersexuellen Menschen in Deutschland, der medizinischen Praxis und den rechtlichen Implikationen Stellung zu nehmen.

Stattdessen propagiert die Bundesregierung die Zwangseingriffe aktiv mit tatsachenwidrigen Behauptungen:

- Der Bundesregierung sei nicht bekannt, „dass eine Vielzahl von Intersexuellen im Erwachsenenalter die an ihnen vorgenommenen Eingriffe kritisiert“ (14/5627).
- Die Zwangsoperationen seien ausnahmslos "medizinisch indiziert" und dienten deshalb dem "Kindeswohl [...] (§ 1627 BGB)" (14/5627).
- "[G]rößer angelegte Nachuntersuchungen als auch die klinische Praxis" würden laut Bundesregierung gar beweisen, "dass die Mehrzahl der betroffenen Patienten rückblickend (d. h. im Erwachsenenalter) die bei ihnen in der Kindheit vorgenommene operative Vereindeutigung ihres Genitalbefundes für richtig befinden" – allerdings vermochte die Bundesregierung dafür keine Belege anzuführen (16/4786).

Ausführlicher: Die Bundesregierung vs. Zwitter:
http://de.indymedia.org/2008/11/233955.shtml

b) Aktuelle Forschungsergebnisse des "Netzwerk Intersexualität/DSD" beweisen massive Menschenrechtsverletzungen

- Die meisten Opfer der menschenrechtswidrigen Zwangsbehandlungen tragen massive psychische und physische Schäden davon, unter denen sie ihr Leben lang leiden.
- Nicht zwangsoperierte Zwitter haben im Vergleich eine deutlich höhere Lebensqualität.
- Trotzdem werden nach wie vor über 80% aller Zwitter meist mehrfach zwangsoperiert.

Aktuelle Studienergebnisse in Deutschland: Ausführlicher hier:
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/12/04/Weltweit-grosste-Zwitter-Studie-straft-Bundesregierung-Lugen

c) Einige Auszüge aus den beiden Studien

Schon 2007 bekräftigte die "Hamburger Studie": Die "Behandlungsunzufriedenheit von Intersexuellen ist eklatant hoch".

Denselben Tatbestand untermauert nun auch eine erste Vorveröffentlichung der "Lübecker Studie", mit 439 ProbandInnen die weltweit bisher größte Untersuchung der Folgen von Zwangsbehandlungen:

Die Behandlungszufriedenheit ist bei intersexuellen Erwachsenen und auch Eltern intersexueller Kinder "gering" (S. 18). Vor allem erwachsene Intersexuelle sind "mit der medizinischen Behandlung sehr unzufrieden" (S. 37), insbesondere diejenigen, die keine psychologische Beratung erhalten haben (S. 19). (Obwohl Betroffenenorganisationen seit 15 Jahren psychologische Beratung als Muss fordern, ist sie immer noch die Ausnahme.)

Die Beratungszufriedenheit auch der Eltern ist signifikant geringer als bei "anderen chronischen Erkrankungen" (S. 18).

Eltern sowie Kinder und Jugendliche berichten von "Beeinträchtigungen ihrer Lebensqualität" (S. 21). Sowohl das körperliche als auch das psychische Wohlbefinden ist "deutlich niedriger" als bei Nicht-Intersexuellen (S. 21). Die gesundheitsbezogene Lebensqualität ist auch bei erwachsenen Intersexuellen deutlich niedriger als bei Nicht-Intersexuellen (S. 22).

Je mehr Zwangsoperationen durchgeführt wurden, desto stärker leidet die Lebensqualität besonders "im Bereich körperliche Schmerzen" (S. 22). "25 Prozent aller operierten StudienteilnehmerInnen" berichten von Komplikationen "im Anschluss an die Operationen" (S. 17).

Insbesondere bei operativ und hormonell dem weiblichen Geschlecht "angeglichenen" Intersexuellen sind "in den Bereichen allgemeine Lebensqualität, psychische und körperliche Gesundheit deutliche Unterschiede zur Vergleichsgruppe" (S. 22) zu finden.

Insgesamt leiden 45 Prozent der Erwachsenen unter psychischen Problemen, die "insbesondere die Arbeit und den Alltag" beeinträchtigen (S. 37).

Auch im Bereich "Sexualität und Partnerschaft" offenbart die Studie ein erschreckendes Bild:

Während bei nicht-intersexuellen Jugendlichen und Erwachsenen nur eine Minderheit keine Beziehungen und sexuelle Kontakte haben, sind die Verhältnisse bei Intersexuellen genau umgekehrt (S. 30-31).

Fast die Hälfte der Erwachsenen berichten "über eine Vielzahl von Problemen im Zusammenhang mit der Sexualität" wie "sexuelle Lustlosigkeit" oder "Schmerzen", zwei Drittel sehen "einen Zusammenhang zwischen diesen sexuellen Problemen und [...] den [...] medizinischen und chirurgischen Maßnahmen" (S. 31).

Die Studienergebnisse bestätigen überdies, je häufiger Intersexuelle Zwangsoperationen unterworfen werden, desto seltener leben sie in einer festen Partnerschaft – und umgekehrt (S. 31).

d) Literatur und Quellen

"Hamburger Studie"
http://www.springer.com/medicine/thema?SGWID=1-10092-2-513709-0

Vorabbericht der "Lübecker Studie"
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/12/04/Weltweit-grosste-Zwitter-Studie-straft-Bundesregierung-Lugen

CEDAW-Schattenbericht Intersexuelle Menschen e.V.
http://intersex.schattenbericht.org


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3. Schattenbericht CEDAW 2008, Rügen an Bundesregierung

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Am 21. Juli 2008 reichte eine Delegation von Intersexuelle Menschen e.V. in New York vor dem UN-Komitee CEDAW einen ersten Schattenbericht zu den Menschenrechtsverstössen an intersexuellen Menschen in Deutschland ein. Bestandteil des Schattenberichts ist die Forderungsliste des Vereins Intersexuelle Menschen e.V., die am 20. Juli 2008 präsentiert wurde.

Darin sind verschiedene Menschenrechtsverletzungen, denen intersexuelle Menschen regelmässig ausgesetzt sind, detailliert dokumentiert.

CEDAW-Schattenbericht (Deutsch):
http://intersex.schattenbericht.org

CEDAW Shadow Report (english):
http://intersex.shadowreport.org
Leider ist die Übersetzung, die im Auftrag des Instituts für Menschenrechte (Berlin) vorgenommen wurde, teilweise irreführend, da z.B. wiederholt von "gender" die Rede ist, wo im deutschen Text eindeutig körperliches Geschlecht ("sex") gemeint ist.

a) Auflistung der menschenrechtswidrigen Zwangseingriffe (Deutsch)

http://intersex.schattenbericht.org/post/2008/07/21/32-Auflistung-der-Menschenrechtsverletzungen-infolge-der-Behandlung-nach-den-Standards-entwickelt-von-Prof-Dr-John-Money

3.2.1  Gonadenentnahme (Kastration)   S. 13
3.2.2  Genitalamputation   S. 13
3.2.3  Wirksamer Rechtsschutz    S. 13
3.2.4  Behandlungsdokumentation    S. 14
3.2.5  Irreversible genitalchirurgische Eingriffe bei Unmündigen und Erwachsenen   S. 14
3.2.6  Off-Label-Use von Medikamenten   S. 14
3.2.7  Behandlungskonsequenzen im Handlungsspielraum
           der medizinischen Definition   S. 15

b) List of non-consented, forced treatments which violate the human rights of the victims (english)

Shadow Report (PDF): http://intersex.shadowreport.org/public/Association_of_Intersexed_People-Shadow_Report_CEDAW_2008.pdf

3.3.1  Removal of Gonads (Castration)   13
3.3.2  Genital Amputation   14
3.3.3  Effective Protection of Rights   14
3.3.4  Documentation of Treatment   15
3.3.5  Irreversible Genital Surgery of Minors and Adults   15
3.3.6  Off–Label Use of Pharmaceuticals   15
3.3.7  Consequences of Treatment in Scope of Medical Definition   16

c) UNO rügt Bundesregierung wegen mangelndem Schutz der Menschenrechte von Zwittern

Im mündlichen Examen des 6. CEDAW-Staatenberichts der Bundesrepublik mahnte das CEDAW-Komitee am 2.2.2009:

- Es sei der Wille des Ausschusses, dass auch Zwitter "die vollen Menschenrechte erhalten".
- Auch Zwitter hätten "immer" das Recht auf "volle informierte Zustimmung".
- Weiter rügte der Ausschuss die Nicht-Beantwortung einer vorgängigen schriftlichen Frage des Ausschusses durch die Bundesregierung und rügte die Bundesregierung weiter ebenfalls überraschend deutlich dafür, dass sie bisher jegliche Kommunikation mit den Interessenverbänden der Zwitter stets verweigert hatte.

Ausführlicher: https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2009/02/05/Genf%3A-UNO-mahnt-Bundesregierung

In den schriftlichen Concluding Observations (CEDAW/C/DEU/CO/6) rügte das Komitee die Bundesregierung wie folgt (Fettschreibung im Original):

61. [...]  Der Ausschuss bedauert jedoch, dass die Forderung nach einem Dialog, die von Nichtregierungsorganisationen von intersexuellen [...] Menschen erhoben wurde, vom Vertragsstaat nicht positiv aufgegriffen worden ist.

62. Der Ausschuss fordert den Vertragsstaat auf, in einen Dialog mit Nichtregierungsorganisationen von intersexuellen [...] Menschen einzutreten, um ein besseres Verständnis für deren Anliegen zu erlangen und wirksame Maßnahmen zum Schutz ihrer Menschenrechte zu ergreifen.


Ausführlicher, mit Links zu den Concluding Observations deustch und englisch:
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2009/02/13/CEDAW%3A-Schriftliche-Empfehlungen-an-die-Bundesregierung


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4. Forderungsliste betroffener Menschen

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Dem CEDAW-Schattenbericht beigefügt war auch die Forderungsliste von Intersexuelle Menschen e.V.

http://intersex.schattenbericht.org/pages/Forderungen-Intersexuelle-Menschen-eV


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5. Urteile LG und OLG Köln: Zwangsoperierte "schuldhaft in Selbstbestimmungsrecht verletzt"

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Am 12.12.2007 fand am Landgericht in Köln ein Prozess statt, der auf ein grosses Medienecho stiess und für zwischengeschlechtliche Menschen einen Meilenstein im Kampf für ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit und Würde darstellte. Mit von der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org organisierten Kundgebungen vor dem Landgericht drückten Zwischengeschlechtliche und sympathisierende Frauen und Männer ihre Solidarität mit Christiane Völling aus und forderten: Menschenrechte auch für Zwitter! Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!

Das erste Urteil erfolgte am 6.2.2008 am Landesgericht Köln: Christiane Völling gewann den Prozess gegen Ihren ehemaligen Operateur in erster Instanz! Richter Dietmar Reiprich hielt gleich zu Beginn fest: "Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt."

Vollständiges Gerichtsurteil LG:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/lgs/koeln/lg_koeln/j2008/25_O_179_07grundurteil20080206.html)

Prozessbericht und Pressespiegel:
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/02/07/Sieg-fur-Christiane-Volling

Am 3.9.2008 lehnte das Oberlandesgericht Köln die Berufung des Chirurgen einstimmig definitiv ab: "Der Chirurg hat die Patientin vor der Operation nicht hinreichend aufgeklärt und sie daher mangels wirksamer Einwilligung schuldhaft in ihrer Gesundheit und ihrem Selbstbestimmungsrecht verletzt."

Das Verfahren ging ans Landgericht zurück, wo bis heute über die Höhe des Schmerzensgeldes entschieden wird. Gefordert sind mindestens 100'000 Euro.

Vollständiges Urteil OLG:
http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/koeln/j2008/5_U_51_08beschluss20080903.html

Pressespiegel:
https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2008/09/10/Von-Zwangsoperateur-schuldhaft-in-Selbstbestimmungsrecht-verletzt-Zwitterprozess-Pressespiegel-OLG-4608


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6. Juristische Probleme und Diskriminierungen

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a) Das Problem der frühzeitigen Verjährung der genitalen Zwangsoperationen

Christiane Völling (siehe oben 5.) gelang es nur buchstäblich in letzter Minute, ihre erfolgreiche Anzeige gegen ihren Zwangsoperateur einzureichen; die Verjährung wäre ihr um ein Haar zuvor gekommen. Viele weitere Betroffene haben keine Möglichkeit zur Klage, da die herkömmlichen Verjährungsbestimmungen und die durch die Zwangsbehandlungen resultierenden Traumata eine rechtzeitige Klage verunmöglichen (ähnlich wie bei sexuellem Kindsmissbrauch).

b) Diskrimierung gegenüber Knaben- und Mädchenbeschneidung

Bei Knabenbeschneidungen handelt es sich in der Regel ebenfalls nicht um eingewilligte, medizinisch nicht indizierte Operationen, zu welcher auch die Erziehungsberechtigten keine Einwilligungserlaubnis haben. Die hat inzwischen auch das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. festgehalten:
http://web2.justiz.hessen.de/migration/rechtsp.nsf/92FC95DE06E27651C125734C0031B366/$file/04w01207.pdf
Auch bei Phimose wird deshalb inzwischen von Knabenbeschneidungen im Kleinkindalter abgeraten:
http://www.aerztezeitung.de/medizin/fachbereiche/paediatrie/default.aspx?sid=305805

Mittlerweile setzt sich gar die Auffassung durch, Beschneidungen an Knaben ohne Einwilligung der Betroffenen seien generell widerrechtlich:
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=61273

Die Mädchenbeschneidung ist in Deutschland unbestrittenermassen prinzipiell strafrechtlich geächtet.

Obwohl juristisch wie auch betreffend der Folgen für die Opfer in vielfacher Hinsicht mit Knaben- und Mädchenbeschneidung vergleichbar, werden uneingewilligte genitale Zwangsoperationen ohne medizinische Indikation an jungen Intersexuellen nach wie vor systematisch praktiziert und zwischengeschlechtliche Kinder somit gegenüber Knaben und Mädchen aufgrund ihres körperlichen Geschlechts massiv diskriminiert.

c) Diskriminierung betreffend Sterilisations- und Kastrationsverbot

In Deutschland sind Eltern zur Einwilligung von Kastration oder Sterilisation bei ihren Mündeln unbestrittenermassen nicht befugt nach  § 1631c BGB (Verbot der Sterilisation eines Kindes). Trotzdem werden an intersexuellen Kindern systematisch Zwangskastrationen durchgeführt. Wiederum werden zwischengeschlechtliche Kinder somit gegenüber Knaben und Mädchen aufgrund ihres körperlichen Geschlechts massiv diskriminiert.

Siehe dazu folgende Ausführungen der Rechtsprofessorin Konstanze Plett:
http://www.lobby-fuer-menschenrechte.de/Intersexualitaet02.php

d ) Zwangskastrierte Zwitter müssen Ersatzhormone selber bezahlen

Viele Zwitter werden nicht nur genital zwangsoperiert, sondern zusätzlich zwangskastriert und benötigen deshalb für den Rest ihres Lebens eine so genannte "Hormonersatztherapie (HET)". Da die meisten dieser Zwangskastrierten "zu Mädchen gemacht" werden, besteht die HET prinzipiell aus Östrogen – obwohl viele Zwitterkörper "von Haus aus" Testosteron produzieren (und dieses je nach Bedarf in körpereiges Östrogen umwandeln – Zwitter mit so genanntem "Androgen-Insuffizienz-Syndom (AIS)").

Diese Östrogen-HETs wurden nie klinisch getestet, den Zwangsoperierten werden Präparate aufgezwungen, die eigentlich nur für Frauen in der Menopause zugelassen sind, d.h. sie erfolgen experimentell als "Off Label-Use". Obwohl negative Folgen seit längerem auch in der medizinischen Literatur bekannt sind (unter anderem Depressionen, Adipositas, Stoffwechsel- und Kreislaufstörungen, Osteoporose, Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten und Libidoverlust), weigern sich die Mediziner bis heute, zwangskastrierten Zwittern eine HET nach Bedarf und Wunsch zuzugestehen.

Mehrere Betroffene begannen schliesslich, auf eigene Faust Testosteron zu nehmen, viele davon mit positiven Resultaten. Auch in Deutschland weigern sich die Mediziner jedoch, für Testosteron Rezepte auszustellen, die von der Kasse übernommen werden – bezeichnenderweise gerne mit der Ausrede, eine HET mit Testosteron sei "Off Label-Use" ... Sprich, die Zwangskastrierten müssen eine adäquate HET noch aus der eigenen Tasche bezahlen!

Ausführlicher:
http://de.indymedia.org/2009/04/248071.shtml


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7. Wir bitten um Ihre Unterstützung!

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Zwischengeschlechtliche Menschen werden systematisch medizinisch nicht notwendigen, traumatisierenden Zwangsbehandlungen unterworfen. Diese stellen einen erheblichen Verstoß gegen ihr Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde dar.

Zwischengeschlecht.org fordert die vollständige Umsetzung und Anwendung der Menschenrechte auch für Intersexuelle. Unsere Anliegen dürfen nicht mehr länger ignoriert werden. Menschen mit einer Besonderheit der geschlechtlichen Entwicklung sind ein Teil unserer Gesellschaft und haben als gleichberechtigte Bürger ein Recht auf freie Entfaltung und Entwicklung.

Wir bitten Amnesty International, sich mit unserer Situation ernsthaft auseinander zu setzen, insbesondere mit der ausserordentlichen Schwere der an Zwittern systematisch verübten Menschenrechtsverletzungen, welche dringendes Handeln erfordert, und fordern dazu auf, einen konkreten Beitrag zu leisten, damit diese massivsten Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen gegen intersexuelle Menschen endlich ein Ende haben.

Jeder Tag, an dem die genitalen Zwangsoperationen nicht endlich gestoppt werden, macht aus wehrlosen Kindern neue, irreparabel geschädigte Opfer!

Ich hoffe, es ist mir gelungen, Ihnen vom Umfang, Ausmass und von der Dringlichkeit des Problems eine Vorstellung vermittelt zu haben, und bitte Sie dringend um Vorschläge, wie die Dringlichkeit unseres Anliegens innerhalb ihrer Organisation am besten vermittelt werden kann.

Dies umso mehr, da diese Menschenrechtsverletzungen keinesfalls auf Deutschland beschränkt sind. (Weltweit hat bisher Kolumbien als einziges Land damit begonnen, diese systematischen Menschenrechtsverletzungen an Zwittern unter Strafe zu stellen.)

Bei eventuellen weiteren Fragen oder Anliegen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Freundliche Grüsse

n e l l a
Daniela Truffer
presse_at_zwischengeschlecht.info
+41 (0)76 398 06 50
http://zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Schweizerische Selbsthilfe intersex.ch
Mitglied XY-Frauen
Mitglied Intersexuelle Menschen e.V.

Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info

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