Search

Your search for uneindeutig returned 156 results.

Monday, January 2 2012

"Richtige" Menschen vs. "unfertige" Zwitter (Diamond / Beh: "Die Probleme der Informierten Einwilligung und der genitalen Chirurgie an Kleinkindern")

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1) Eine der fiesesten Ausreden der Medizyner gegenüber überforderten Eltern und einer zunehmend kritischen Öffentlichkeit ist die Behauptung, Zwitterkinder seien "unfertig entwickelte", "unvollständige" (Unter-)Menschen, und die Genitalverstümmelungen würden folglich bloss dazu dienen, diese "unvollständigen" Kinder zu "vervollkommnen" und zu "richtigen" Menschen zu machen – eine "Argumentation", die der infame John Money bereits 1968 popularisierte in seiner Publikation "Sex Errors of the Body" (auf Deutsch 1969 erschienen unter dem Titel "Körperlich-sexuelle Fehlentwicklungen").

Diese "Argumentation" von "richtigen" Menschen vs. "unfertige" bzw. "fehlentwickelte" (Unter-)Menschen a.k.a. "Intersexuelle" liegt auch den Medizyner-Kampfbegriffen von "korrigierenden" und "rekonstruktiven" chirurgischen Genitaleingriffen zugrunde, ebenso der aktuellen Nomenklatur "Störungen der Geschlechtsentwicklung" (ein Kampfbegriff, der unter Medizynern übrigens schon lange vorher gängig war, u.a. findet er sich auch in einem Eintrag in Nellas Krankenakte aus den 1970er Jahren).

Dass es sich bei dieser "Argumentation" in Tat und Wahrheit um eine gravierende Unterlassung der ärztlichen Aufklärungspflicht handelt, hatten Milton Diamond und Hazel Glenn Beh bereits 2000 belegt in ihrem bahnbrechenden Aufsatz "Ein zum Vorschein kommendes ethisches und medizinisches Dilemma: Sollten Ärzte geschlechtsangleichende Operationen an Kleinkindern mit uneindeutigen Genitalien durchführen?". Da dieser wichtige Punkt in diesem längeren Aufsatz mit seinen vielen Themen leicht unterzugehen droht, nachfolgend eine Teilveröffentlichung des entsprechenden Abschnittes, der es auch sonst in sich hat. Die Problematik der Behauptung von der "unfertig entwickelten" Zwitterkindern steht unter "2. Vermittlung unvollständiger Informationen". Der gesamte Aufsatz auf Deutsch findet sich auf intersex.schattenbericht.org. 

INHALT
Die Probleme der Informierten Einwilligung und der genitalen Chirurgie an Kleinkindern
1.  Die Atmosphäre der Eile
2.  Vermittlung unvollständiger Informationen
3.  Die Durchsetzung des Schweigens
4.  Unterlassung der Mitteilung der Ungewißheit des Langzeit-Ergebnisses
5.  Ignorierung des Rechts des Kindes auf eine offene Zukunft
Fussnoten
Anmerkung der Übersetzer

Continue reading...

Sunday, December 18 2011

Daniela "Nella" Truffer: Redebeitrag zur Anhörung der Nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK-CNE), Bern 15.12.11

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

>>> Schweiz: Anhörungen Nationale Ethikkommission (NEK-CEK) 2011-2012  

Daniela Truffer (Bild: NZZ Format, 10.03.2011)

Sehr geehrte Mitglieder der Nationalen Ethikkommission

Mein Name ist Daniela Truffer, ich bin Gründungsmitglied der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org. Ich möchte mich bedanken, dass ich hier im Namen der Betroffenen sprechen darf. Zahllose Betroffene setzen grosse Hoffnung in die Nationale Ethikkommission. Möge die aktuelle Anhörung dazu führen, dass endlich entscheidende Schritte unternommen werden für ein Leben in Unversehrtheit und Würde auch für Menschen mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen.

Ihrem Wunsch entsprechend möchte ich zunächst ein wenig von mir erzählen.

Ich bin 1965 mit einem schweren Herzfehler und uneindeutigem Genitale geboren. Aufgrund meines Herzfehlers wurde ich ein paar Tage nach meiner Geburt notgetauft, da die Mediziner davon ausgingen, dass ich nicht lange überleben würde. Meine Eltern durften mich drei Monate nicht nach Hause nehmen. Mein Vater musste arbeiten, meine Mutter reiste so oft wie möglich aus dem weit entfernten Bergdorf in die Stadt, durfte mich jedoch nur durch eine Glasscheibe anschauen.

Wie die meisten Betroffenen habe ich Bruchstücke der Wahrheit über mein Schicksal erst nach Jahrzehnte langem Nichtwissen und Verdrängen aus meiner Krankenakte erfahren. Wie den meisten Betroffenen wurde auch mir vom zuständigen Spital auf Anfrage zunächst beteuert, es seien keine Akten mehr vorhanden. Erst nach weiterem Insistieren waren dann plötzlich doch noch da vorhanden und ich erhielt schliesslich einige wenige Seiten, weiter sei nichts mehr vorhanden. Erst als ich mit dem Anwalt drohte, erhielt ich einige Tage später ein dickes Paket.

Endlich hatte ich es nun schwarz auf weiss:

Aufgrund meines uneindeutigen Genitales konnten die Ärzte nicht sagen, ob ich ein Mädchen oder ein Junge bin. Später fand man Hoden im Bauchraum und einen männlichen Chromosomensatz XY. Wie 50% aller XY-Intersexuellen habe ich keine genaue Diagnose.

Der Befund meines äusseren Genitales laut Krankenakte:

Prima vista aussehend wie bei AGS. Der Penis ist 2 cm lang, das Scrotum nicht ausgebildet, sondern in Form von zwei Labia majora vorhanden. Kein Sinus urogenitalis, beim Perineum befindet sich die Mündung der Urethra.

Trotz meines lebensbedrohenden Herzfehlers wurde ich Anfang September 1965 im Alter von 2 1/2 Monaten kastriert. Meine Hoden, Nebenhoden und Samenstränge wurden in den Mülleimer geworfen. Zugleich wurde der Sinus urogenitalis zum ersten Mal "eröffnet". Diese Eingriffe wurden laut Krankenakte ohne Einwilligung meiner Eltern vorgenommen und wurden ihnen verschwiegen. Erst später entschieden sich die Ärzte dann doch anders, Zitat Krankenakte:

Entgegen dem früheren Entschluss, den Eltern nichts über die genitale Situation zu sagen, kamen wir nach reiflicher Überlegung überein, den wahren Sachverhalt trotzdem mit den Eltern zu besprechen, [...].

1. Es bestehe ein Herzvitium, welches strengster Kontrolle bedürfe.

2. Ihr Kind sei ein Mädchen und dieses Geschlecht sei ein für allemal festgesetzt.

3. Bei der Operation hatte sich folgender Befund gezeigt: es sei kein Uterus vorhanden gewesen, die Keimdrüsen seien missgebildet gewesen und hätten entfernt werden müssen. Die Vagina sei kurz.

4. Während der Pubertät, d.h. mit etwa 10 – 11 Jahren, müsse das Kind unbedingt strengestens überwacht werden, und es müsse zur rechten Zeit mit einer hormonellen Behandlung eingesetzt werden.

5. Nach der Pubertät müsse eine weitere korrektive Operation (gemeint Vaginalplastik, die Details wurden selbstverständlich nicht mit den Eltern besprochen) durchgeführt werden.

(17. September 1965)

Die Kastration wurde später als Fehler beurteilt, Zitat Krankenakte:

7. Weiteres Procedere: Ich habe den Fall unmittelbar nach der Cystoskopie nochmals mit Herrn Prof. Bettex besprochen. Es liegt seiner Ansicht nach ein männliches Geschlecht mit Hypospadie vor. Obwohl er selbst bei der früheren Beurteilung und vor der Castratio anwesend war, glaubt er retrospektiv doch, dass ein Fehler begangen wurde. Die Situation ist nun jedoch so, dass auf diesem Wege fortgefahren werden muss und aus dem kleinen Patienten ein Mädchen gemacht werden muss. Zur Frage der Vaginalplastik äussert er sich so, dass diese sobald wie möglich durchgeführt werden sollte und nicht erst dann, wenn sich das Kind darüber im Klaren wird.

Auch meine Eltern wurden laut Krankenakte weiterhin belogen und zudem angewiesen, mit niemandem "über die Geschlechtfrage" zu reden. Noch am 3.2.1972 wurden meine Eltern im Glauben gelassen, es seien "missgebildete Ovarien" entfernt worden. Zu einem anderen Zeitpunkt wurde ihnen gesagt, es sei "fraglich", ob "das Mädchen Kinder haben könne". Mir selbst gegenüber wurde noch am 21.8.1979 behauptet, ich hätte eine "Gebärmutter", die allerdings "so klein sei, dass keine Menses zu erwarten seien".

Ich wurde dann doch älter als zunächst prognostiziert. Wegen Voruntersuchungen zur Herzoperation war ich im Alter von 6 1/2 Jahren im Februar 1972 im Krankenhaus. Aufgrund einer Infektion konnten diese Voruntersuchungen jedoch nicht durchgeführt werden. Und da ich schon mal dort war, wurde kurzerhand (Zitat Krankenakte) "die Gelegenheit benutzt, die schon 1965 geplante Genitalkorrektur vorzunehmen". Zugleich erneute "Eröffnung des Sinus urogenitalis".

Aus dem Bericht nach der Operation vom 10.2.1972:

Wichtig für den Wochenenddienstarzt: Falls die Eltern Auskunft über die Kleine wünschen, ist es wichtig zu wissen, was den Eltern über das Mädchen von der "Med. Klinik " gesagt wurde. Es steht in den vorangehenden Seiten unter "Besprechung mit den Eltern".
Post. Op.: Kind zeigt die Zeichen des Schocks.Nachblut. [...]

Starke Hämatome bds. der Clitoris. Rechts bläulich-schwärzliche Verfärbung. Beginn einer Nekrose?

Schwester "Annemarie" war dann für die Wundversorgung und das "nachts beide Hände anbinden" zuständig.

Als ich die Unterlagen zu dieser Operation in meiner Krankenakte fand, dachte ich zuerst an einen Irrtum, meinte, es müsse sich um Unterlagen aus einer anderen Akte handeln. Diese Operation war so traumatisierend, dass ich sie komplett aus meinem Gedächtnis gelöscht hatte. Neben der Erkenntnis, dass ich massiv operiert wurde, hat es mich sehr erschüttert, dass ich das dermassen verdrängt hatte, weil es zu schrecklich war. Ich habe mich dadurch geschützt, hatte mir sogar eine Ersatzerinnerung zurecht gelegt, die darauf beruhte, dass meine Mutter auf mein Nachfragen sagte, dass man mir nur ein bisschen überschüssige Haut entfernt habe, ambulant.

Mit Empörung las ich weiter in der Krankenakte:

Die vorgesehene Clitorisversenkung wurde in Anwesenheit der Eltern mit dem Kinde besprochen. Daniela ist auch mit der Operation einverstanden.

Aufgrund dieser Operation habe ich wiederkehrende Phantomschmerzen, regelmässige Blasenentzündungen sowie ziehende, stechende und pulsierende Schmerzen im Genitalbereich.

Aufgrund der Kastration und der "Hormonersatztherapie" mit körperfremden Östrogenen leide ich unter Stoffwechselproblemen, Hitzewallungen, Müdigkeit, Schwindelgefühlen, und vor einigen Jahren hat man bei mir eine Vorstufe zur Osteoporose diagnostiziert.

Dennoch hatte ich Glück, denn ich habe noch sexuelle Empfindungen, wenngleich oft verbunden mit Überempfindlichkeit oder Schmerzen.
Ich kenne viele Betroffene, die keinerlei sexuelle Empfindungen mehr haben oder andere, die bei sexueller Erregung sehr starke Schmerzen haben. Ich kenne Betroffene, die haben seit Jahren eine offene Wunde zwischen den Beinen, die nicht verheilen kann. Die meisten Betroffenen, die ich kenne, haben keine sexuellen Beziehungen, sind massiv traumatisiert.

Mit achtzehn Jahren wurde bei mir eine Vaginalplastik durchgeführt, in die ich als einzige Operation bewusst einwilligte, da mir gesagt wurde, dass ich "so" nie einen Freund haben könne. Ich habe mir aber geschworen, dass es die letzte sein soll und dass ich danach nie wieder zu einem Arzt gehen würde. Nach dieser Operation hatte ich Jahre lang Alpträume, es sei nicht die letzte gewesen, es stünde mir eine ganz schlimme bevor, in der mein Rumpf vom Unterkörper getrennt werden soll.

Heute habe ich dank einer zehnjährigen Psychoanalyse einen inneren Frieden gefunden, kann wieder vermehrt Nähe und Liebe zulassen. Und dennoch ist es schwierig. Ich fühle mich wie jemand, der nach vierzig Jahren aus dem Koma erwacht ist, seine Hände betrachtet und realisiert, wie die Zeit vergangen ist und wie wenig er vom Leben hatte. Mein körperlicher Urzustand ist unwiederbringlich verloren, meine Würde wurde mir genommen.
Ich werde mein Leben lang unter den Folgen dieser menschenverachtenden Behandlung leiden. Ich bleibe Flickwerk, geschaffen von Medizinern, verletzt, vernarbt. Ich muss mich neu erfinden, wenn ich weiter leben will.

Die prägenden Gefühle aus meiner Kindheit sind Scham, Angst, Ekel, sich verstecken müssen. Die Erwachsenen schienen immer peinlich berührt, meine Eltern waren verunsichert, es wurde einfach nicht darüber geredet.

Ich kenne Betroffene, die haben Jahre lang gedacht, sie seien todkrank, weil offensichtlich etwas war, aber niemand mit ihnen Klartext reden wollte.
Die meisten Betroffenen, die ich kenne, haben ein sehr schlechtes Verhältnis zu ihren Eltern.

Dass ich als Mädchen aufgezogen wurde, war für mich nicht das Problem, ich habe auch nicht das Bedürfnis, jetzt als Mann zu leben. Traumatisierend hingegen waren die Operationen, die Schmerzen, die Angst und die Lügen.

Wäre ich heute erst geboren und in die Fänge der Mediziner geraten, wären Prof. Bettex' seinerzeitige nachträgliche Bedenken wohl von Anfang an zum Tragen gekommen: Statt Kastration und Klitorisverkürzung hätte man wohl eine chirurgische Hodenverlagerung sowie eine Hypospadiekorrektur und Penisaufrichtung durchgeführt und mich zum Jungen gemacht. Sprich: dasselbe in hellblau statt rosarot.

Ich kenne aktuell den Fall eines dreijährigen Kindes, das als Bub aufwächst. Den Eltern wurde gesagt, es brauche nur eine Hypospadieoperation und dann sei alles gut. Jetzt sind es mittlerweile schon drei "Korrekturen". Ich weiss von einer Vielzahl Betroffener, bei denen mehr als ein Dutzend mal "nachgebessert" werden musste. Die ursprünglich keine medizinischen Probleme hatten, mittlerweile aber heftige. Die Mediziner selbst bezeichnen solche Fälle zynischerweise als "Hypospadiekrüppel".

Auch dem obigen Kind wird es wohl wenig nützen, ob es sich nun in der Geschlechterrolle wohl fühlt oder nicht, denn es wird wegen diesen uneingewilligten kosmetischen Eingriffen sein Leben lang psychische und physische Probleme haben.
Auch bei XX-Intersexuellen liegt bei allen mir persönlich bekannten Beispielen die eigentliche Problematik nicht darin, ob sie nun chirurgisch zu Mädchen oder zu Buben gemacht werden, sondern in den psychischen und physischen Folgen dieser uneingewilligten irreversiblen Eingriffe im Kindesalter.

Als problematisch ist in diesem Zusammenhang auch einzustufen, dass in der Schweiz solche Eingriffe über die Invalidenversicherung als Geburtsgebrechen lediglich bis zum 20. Altersjahr übernommen werden, was den Druck der behandelnden Ärzte auf möglichst frühzeitige Operationen zusätzlich erhöht.

Ich selbst bin wohl nur dank Psychotherapie überhaupt noch am Leben und in der Lage, heute hier vor Ihnen zu sprechen. Als besonders stossend empfinde ich dabei, dass für die aus meiner Perspektive verstümmelnden Eingriffe die Kosten stets problemlos übernommen wurden, ich jedoch anschliessend gezwungen war, ein Drittel der Kosten meiner Psychotherapie aus der eigenen Tasche zu bezahlen.

Mir persönlich ist es nicht möglich, auf eine adäquate Hormonersatztherapie mit Testosteron umzusteigen, da dann mein "versenktes" beziehungsweise eingenähtes Genital zu wachsen beginnt, was zu starken Schmerzen führt. Ich kenne jedoch zahlreiche kastrierte XY-Intersexuelle, denen es mit Testosteron viel besser geht als mit Östrogen. Das Testosteron müssen diese jedoch, im Gegensatz zum sie krankmachenden Östrogen, aus der eigenen Tasche bezahlen.

Ich kenne weiter Betroffene, die als Frau leben, denen der Abschluss einer Versicherung zusammen mit dem Partner verweigert wurde, weil herauskam, dass sie chromosomal männlich sind.

Ich kenne eine Betroffene, der kurz vor Abschluss des Adoptionsverfahrens die Adoption eines lang ersehnten Kindes verweigert wurde, weil herauskam, dass sie chromosomal männlich ist.

Denselben Problemen sehen sich umgekehrt auch XX-Intersexuelle ausgesetzt, die als Männer leben.

Allen Lippenbekenntnissen der behandelnden Mediziner zum Trotz werden heute noch 90% aller Kinder und Jugendlichen durchschnittlich mehrfach genitaloperiert, werden die Hälfte der Kinder und 20% der Jugendlichen nach wie vor gar nicht oder unzureichend aufgeklärt. Weiter beurteilen Eltern "die behandelnden Ärzte/Ärztinnen schlechter als Eltern von Kindern mit anderen chronischen Erkrankungen", was unter anderem darauf schliessen lässt, dass auch Eltern heute noch nicht vollumfänglich aufgeklärt werden.

Wie alle mir bekannten Betroffenen hätte auch ich mir komplette Aufklärung gewünscht und keine Operationen ohne meine informierte Zustimmung. Das wäre sicher alles auch nicht einfach gewesen, aber mit dem Gefühl leben zu müssen, dass über einen bestimmt wurde, macht einen kaputt. Und mit den Narben und Schmerzen, mit den psychischen Problemen und mit den gesundheitlichen Folgen. Sofern nicht eine lebensbedrohliche Situation oder sonst eine unmittelbare, zwingende medizinische Indikation vorliegt, dürfen solche schwerwiegenden Entscheide deshalb nur von den Betroffenen selbst gefällt werden.

Mediziner sollen künftig nur für medizinisch notwendige Behandlungen zugezogen werden. Ansonsten sollen spezialisierte Psychologen und Sozialpädagogen Ansprech- und Kontaktpersonen für die Eltern sein. Für den berühmten "psychosozialen Notfall" der Eltern braucht es ein Skalpell am Kind, sondern psychologische und sozialpädagogische Betreuung für die Eltern, und gegebenenfalls später auch für die betroffenen Kinder und Jugendlichen selbst.

Seit bald 20 Jahren klagen Betroffene die Zerstörung der sexuellen Empfindsamkeit und die Missachtung der körperlichen Unversehrtheit öffentlich an und fordern die Beendigung uneingewilligter kosmetischer Eingriffe, das Recht auf vollumfängliche Aufklärung und Selbstbestimmung, die Aufarbeitung eines dunklen Kapitels der Medizingeschichte und eine gesellschaftliche Aussöhnung.

Im Namen der heutigen Betroffenen, vor allem aber im Namen der heute noch Ungeborenen, bitte ich die Nationale Ethikkommission inständig um Hilfe, für ein Leben in Unversehrtheit und Würde auch für uns. Vielen Dank!

>>> Schweiz: Anhörungen Nationale Ethikkommission (NEK-CEK) 2011-2012  

>>> Schriftliche Stellungnahme von Zwischengeschlecht.org (PDF, 460 kb)
>>>
Fehlende Einsicht der Täter - Nationale Ethikkommisson (NEK-CNE)  
>>> Verstoss gegen die Menschenrechte - Nationale Ethikkommisson (NEK-CNE) 

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter  

Tuesday, November 1 2011

Charité-Genitalverstümmler PD Dr. Heiko Krude: "Nicht zu operieren wäre eine Art von Gewalt"

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Kann ein Zwitter Sünde sein? PD Dr. med. Heiko Krude ist stellvertretender Klinikdirektor am "Institut für Experimentelle Pädiatrische Endokrinologie" im "Otto Heubner Centrum für Kinder- und Jugendmedizin" des Campus Virchow-Klinikum der Berliner Charité.

Wie u.a. seine Chefin Prof. Dr. Annette Grüters-Kieslich und der aktuelle Charité-Chefgenitalabschneider Prof. Dr. Martin Westenfelder ist auch Heiko Krude ein offensichtlich unbelehrbarer Propagandist und Profiteur von medizinisch nicht notwendigen, kosmetischen Genitaloperationen an wehrlosen Kindern, der gern öffentlich verkündet, Gewalttäter seien nicht etwa er und seine VerstümmlerkollegInnen – neiiiiin, Gewalt wäre es im Gegenteil, Kinder NICHT zu verstümmeln:

PD Dr. med. Heiko Krude (Charité): “Wenn Sie eine Patientin nicht operieren, etwa ein Mädchen mit Adrenogenitalem Syndrom, von denen wir wissen, dass sie sich als Mädchen entwickeln werden, das wäre eine Art von Gewalt, dieses Kind nicht zu operieren, weil es sonst Jahre einer sehr schwierigen Entwicklung mit einem uneindeutigen Genitale durchmachen muss.” (Deutsche Welle 16.05.2011, Quelle Transkript)

Offensichtlich kümmert es auch Dr. Heiko Krude herzlich wenig, dass die angeblich positive "Wirksamkeit" der Verstümmelungen nie erwiesen werden konnte, sondern die Opfer im Gegenteil seit Jahrzehnten den daraus resultierenden Verlust der sexuellen Empfindsamkeit und Verletzung ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit öffentlich anklagen – und die negativen Folgen der Verstümmelungen bekanntlich auch von Studien der GenitalabschneiderInnen selbst bestätigt werden.

>>> 10.-13.11.11: Proteste gegen Charité-VerstümmlerInnen
>>>
150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter  

Genitalabschneider, wir kriegen euch! Zwangsoperateure, passt bloss auf!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Saturday, October 8 2011

Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: "Immer noch wird so früh wie möglich operiert" - Ernst Bilke

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Ernst Bilke: „Immer noch wird so früh wie möglich operiert. Eltern können mit Uneindeutigkeit nicht leben, also wird gehandelt. Später operieren wäre oft möglich, es wäre auch möglich, die Entwicklung des Kindes abzuwarten. Doch die plastischen Chirurgen genießen ihr Experimentierfeld und sind stolz auf ihre Resultate. Die Argumente älterer Intersexueller werden ignoriert. Die Arbeit der Selbsthilfegruppen sei angeblich nicht hilfreich, weil sie die Eltern verunsichern. ‘Bedauerliche Einzelfälle leidvoller Erfahrung’, sagte man mir, ‘dürfen nicht dazu führen, eine optimale Behandlung zu verhindern und das Vertrauen der Eltern in die Ärzteschaft zu erschüttern.’“

Der Baden-Württemberger Ernst Bilke weiss, wovon er spricht als Betroffener von endlosen „maskulinisierenden Korrekturoperationen“ wegen „Hypospadie“, die erst aufhörten, als er alt genug war, sich weiteren „Nachbesserungen“ erfolgreich zu verweigern – zum Bedauern seines Arztes, der „das Ergebnis gerne vervollkommnet“ hätte.

>>> Ernst Bilke: "Die Wut ist gut versteckt" - Biographie mit "Hypospadie"
>>> Hypospadie: "Kindheit voller Schmerz, Operationen und Isolation" (Tiger Devore)

>>> Kosmetische GenitalOPs: Ausklammerung von "Hypospadie" unethisch
>>> IMeV-Schattenbericht CAT 2011: Häufigste Genitalverstümmelungen ausgeblendet 

Tuesday, October 4 2011

Tiger Howard Devore: "Aufwachsen im chirurgischen Mahlstrom" (1997)

Ich bin inzwischen 40 Jahre alt und habe viel für meinen Heilungsprozess getan. Ich bin als Therapeut zugelassen und habe meine Erfahrung des unnötigen Leidens an der Intersextherapie dazu verwendet, um Mündigkeit von Patienten zu einem wichtigen Aspekt meiner Arbeit zu machen. Meine eigene Heilung ist durch die Zusammenarbeit mit Krebskranken noch ein ganzes Stück vorangeschritten, weil ich Menschen helfen konnte, unnötige medizinische Eingriffe zu vermeiden. Außerdem habe ich mich eingehend mit Sex und Sexualität befasst, was für mich sehr wichtig war, um zu einem Punkt zu kommen, von dem aus ich anderen Menschen helfen konnte, anstatt mich zu fühlen, als wäre ich allein auf der Welt. Dies half mir auch, zu begreifen, dass ich erfolgreiche Beziehungen haben konnte, Sexualität mit inbegriffen. Ein großer Teil der Niedergeschlagenheit und der Depressionen, die ich während meines Heranwachsens verspürte, fiel von mir ab als ich feststellte, dass sich die Ärzte und meine Eltern geirrt hatten. Sie glaubten, ich könne ohne normale Genitalien nicht glücklich sein. Als mir klar wurde, dass das nicht zutraf, änderte sich mein Leben von Grund auf.

Es war Mutters Aufgabe, mich zum Krankenhaus zu fahren und mich wieder abzuholen. Ich bin insgesamt sechzehn mal an meinen Genitalien operiert worden. Bis zum Alter von zehn Jahren schon zehn mal, ziemlich genau einmal pro Jahr. Es ist ziemlich schwierig für einen Vater, wenn sein Sohn von der Sexualnorm abweicht, und meinem fällt es bis heute schwer, darüber zu reden.

Es war schwer für meine Mutter, eine Hausfrau der fünfziger Jahre. Sie war diejenige, die all die Zeit mit den übermächtigen Ärzte-Teams zurechtkommen musste. Sie erzählte mir, wie das war, als ich geboren wurde, wie der Arzt kein Wort sagte und wie sie sich umwandte und die Schwestern zu Boden blickten, um ihr nicht in die Augen sehen zu müssen. Es wurde meinen Eltern nicht erlaubt, mich zu sehen, bis die Ärzte eine Reihe von Tests durchgeführt hatten und sich dazu durchringen konnten, mich als männlich zu klassifizieren.

Meine Kindheit war angefüllt mit Schmerz, Operationen, Hauttransplantationen und Isolation. Ich weiß noch, wie das war, wenn die Schulferien begannen, und die anderen Kinder irgendwo hinfuhren, um Spaß zu haben. Ich musste in den Ferien ins Krankenhaus, damit ich nicht zu viel vom Unterricht versäumte. Wenn die Ferien vorüber waren, kehrte ich in die Schule zurück, oft waren die letzten Operationsnarben noch nicht einmal verheilt. Manchmal hingen mir zu Schulbeginn noch die Schläuche aus dem Körper, man sah die Nähte und Narben, und ich konnte kaum laufen. Sie arrangierten für mich, dass ich die Lehrertoilette benutzen durfte. Keine Ahnung, was sie denen erzählt haben.

Ich kannte keine anderen Kinder, die so waren wie ich. Ich löcherte die Ärzte immer mit Fragen, aber sie antwort[et]en niemals darauf, außer dass ich vorsichtig sein und mich nicht beschweren sollte. Sie haben mir nie erzählt, dass es noch andere Kinder wie mich gab. Andere Kinder fuhren in die Ferien, ich fuhr in die Klinik. Kinder sind natürlich schnell darin, Andersartigkeit zu bemerken, und sie waren sehr grausam zu mir. Ich fühlte mich wie eine Missgeburt, eine Last für die gesamte Familie. Doch sie vermittelten mir, dass ich so zu tun hätte, als sei alles okay. Meine ganz private Hölle war etwas, womit ich allein fertig werden musste, und ich war sehr zurückgezogen und depressiv. Als Jugendlicher war ich nur noch hilflos und selbstmordgefährdet. Ich dachte, das sei ein guter Ausweg. Ein wenig von dem, was in mir vorging, erzählte ich der Mutter eines Freundes, die Psychotherapeutin war. Sie schickte mich zu jemandem in die Sprechstunde, der mich evaluierte und feststellte, dass ich ernsthaft selbstmordgefährdet war.

Schon früh war ich sehr streng davor gewarnt worden, mich jemals anderen Kindern unbekleidet zu zeigen und sollte sie insbesondere nicht auf meine Genitalien schauen lassen. Natürlich hatten die anderen Kinder ziemlich schnell kapiert, dass ich über all die Jahre nicht die gleiche Toilette mit ihnen benutzte oder nach den Ferien nicht laufen konnte. Ich hatte Glück, dass ich in der Grundschule den anderen Kindern meine Genitalien nicht zeigen musste. In der Mittelstufe war mir mein Psychiater dabei behilflich, dass ich zwar am Pflichtunterricht in Sport teilnehmen, aber nicht mit den anderen Jungen duschen musste. Die hätten sicher ganz schön Probleme gehabt mit dem, was sie da zu sehen bekommen hätten. Die Ärzte vertraten zwar die Meinung, man könne ein Kind mit uneindeutigen Genitalien nicht zur Schule schicken, aber die Genitalien, die sie mir dafür geschaffen hatten, sahen auf jeden Fall ziemlich merkwürdig aus.

Jedes Jahr operierten sie mich, und ich konnte zusehen und fühlen, wie die plastische Chirurgie jedes Mal wieder in sich zusammenfiel. Das hätte auch ihnen auffallen müssen – außer Arroganz und Inkompetenz gab es für viele der Eingriffe, die sie an mir ausführten, keinen Grund. Ich verbrachte viele Jahre mit chirurgischen Operationen, deren einziger Sinn darin bestand, aus meiner Penisspitze pinkel zu können ["Hypospadiekorrektur"]. Wenn sie meine Harnröhrenöffnung da gelassen hätten wo sie war: am Penisschaft nahe der Hoden, hätten mir mindestens zwölf Operationen erspart bleiben können. Und es traf nicht nur meine Genitalien. Sie entnahmen mir große Hautstücke von anderen Teilen meines Körpers, um eine Hautröhre zu schaffen, durch die ich pinkeln könnte, und die Stellen vernarbten ebenso.

Die Harnröhre, durch die die meisten Männer pinkeln, ist nicht aus normaler Haut, sondern aus speziellem Endothel, das den Kontakt mit Urin aushält und auch wenn es immer feucht und warm ist, nicht in sich zusammenfällt oder sich ständig entzündet. Die Röhre, die sie mir aus Haut von anderen Körperteilen schufen, löste sich ständig auf und ich bekomme regelmäßig Blasenentzündungen. Und ich muss mich immer noch hinsetzen beim Pinkeln. Ich war niemals ohne Fisteln, diesen Löchern in meinem Penis, wo die Methode versagt hatte. Die gesamte Harnröhre musste zweimal komplett erneuert werden, mit unfangreichen Hauttransplantaten. Wenn sie mich doch nur im Sitzen hätten pinkeln lassen, dann hätten weder ich noch meine Familie all das ertragen müssen – die Kosten, die Schmerzen, die wiederholten Operationen, die Medikamente, die immer wiederkehrenden Transplantatabstoßungen und die Fisteln aus denen der Urin floss. Ich hätte gut damit leben können, aus dem Schaft meines Penis zu pinkeln, statt aus der Spitze, aber dafür nicht in der Empfindsamkeit beeinträchtigt zu sein.

Das Versprechen, dass du im Stehen pinkeln wirst, ist einfach falsch, besonders wenn die Harnröhrenöffnung so weit unten sitzt. So ein langes Hautlappentransplantat heilt bei der starken Durchblutung der Genitalien einfach nicht ein. Ich glaube, sie wissen das längst, aber offensichtlich ist das Versprechen von Normalität und das äußere Erscheinungsbild der Genitalien für junge Eltern wichtiger als ein klares bewusstes Annehmen der Realität.

Quelle: Hanny Lightfoot-Klein: "Der Beschneidungsskandal", Orlanda 2003, S. 55-58
Original:Tiger Howard Devore: "Growing up in the Surgical Maelstrom" (ISNA) 
• In: A. Dreger (Ed): Intersex in the Age of Ethics, p 79-82
• In: Hanny Lightfoot-Klein: Children's Genitals Under the Knife, p 172-175 

>>> Ernst Bilke: "Die Wut ist gut versteckt" - Biographie mit "Hypospadie"
>>> "Sehr taube Eichel": Erfahrungsberichte zu "Hypospadiekorrekturen"
 

Dr. Tiger Howard Devore ist aktiv in der US-Selbsthilfegruppe "Hypospadias & Epispadias Association (HEA)", die sich für das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen stark macht, und spricht sich seit Jahren immer wieder öffentlich gegen kosmetische Genitaloperationen an Kindern aus. Laut John Money war Tiger Devore 1984 der erste Intersexuelle, der sich öffentlich im Fernsehen in einer Sendung mit Oprah Winfrey äusserte. Auf seiner Homepage stellt Dr. Tiger diesen und eine Vielzahl weiterer Clips zur Verfügung. Besonders eindrücklich sind seine kürzlichen Auftritte in "Intersexions" (2011) und "Genital Mutilation: America's Double Standard" (2011).

Tiger Devores autobiografischer Text "Aufwachsen im chirurgischen Mahlstrom" ist eines der eindrücklichsten Zeugnisse über den Unsinn der kosmetischer "Hypospadie KorrekturOPs" an Kindern und das dadurch verursachte, erhebliche und lebenslange Leid.

Der meines Wissens nach bekannteste deutschsprachige Betroffene, der sich zu diesem Thema ebenfalls sehr eindrücklich öffentlich äusserte, ist Ernst Bilke.

"Hypospadie" ist die wohl häufigste Diagnose für kosmetische Genitaloperationen an Kindern. Das aktuelle Medizynerhandbuch "Kinderchirurgie. Basiswissen und Praxis" (2008), Hrsg. v. Martina Heinrich und Kathrin Schäfer, nennt für das Vorkommen von "Hypospadie" für Medizyner lukrative Zahlen von "zwischen 4,7 und 8 auf 1000 männliche Lebendgeburten" (S. 192) – d.h. ein Verhältnis von 1:212 bis 1:125.

"Hypospadiekorrekturen" und andere sog. "vermännlichende genitale Korrekturoperationen" sind somit klar häufiger als kosmetische "FeminierungsOPs" sowie Kastrationen. Zum Vergleich, der aktuell an der Berliner Charité wütende, berüchtigte Kindergenitalverstümmler Prof. Dr. Martin Westenfelder brüstete sich 2010 öffentlich mit folgender Statistik:

“Prof. Martin Westenfelder gehört zu den Genitalchirurgen mit der größten Erfahrung weltweit: knapp 4.000 Hypospadien, über 140 Epispadien und 160 Feminisierungsoperationen bei intersexuellen Differenzierungsstörungen.”

Laut praktisch allen bekanntgewordenen Studien sind die Komplikationsraten bei "Hypospadiekorrekturen" sehr, sehr hoch (vgl. Zahlen von "EuroDSD"-Verstümmler Pierre Mouriquand von typischerweise 42%-57%). Viele, wenn nicht die meisten Patienten haben nach der "Behandlung" zum Teil massive Proble, die klar erst durch die "Korrekturversuche" verursacht wurden. Sogar die Medizyner selber räumen dies indirekt selbst ein durch die offizielle Diagnose "Hypospadias Cripple" für "hoffnungslose Fälle" (dt. "Hypospadie Krüppel" = von Medizynern zum "Krüppel" operiert!!!).

Ein aktuelles Ethikpapier (Karkazis/Tamar-Mattis/Kron, 2010) verdeutlicht zudem in einer bahnbrechenden Checkliste im Anhang, wie die "Hypospadie"-ZwangsbehandlerInnen die Eltern nach den genau gleichen Mustern anlügen und über den Tisch ziehen wie bei "Feminisierungen" und Kastrationen.

Trotz aller katastrophalen Resultate wird "Hypospadie" immer häufiger diagnostiziert und "behandelt", eine mögliche Zunahme des Auftretens wird mit Umweltgiften in Zusammenhang gebracht (Phtalate, Bisphenol A und andere Plastik-Weichmacher und sog. endokrine Disruptoren).

Auch "Hypospadiekorrekturen" führen zu einer Verminderung der sexuellen Empfindungsfähigkeit. US-Zwitterorganisationen und Betroffene kämpfen schon lange für die Beendigung kosmetische Genitaloperationen auch an Kindern mit "Hypospadie" (vgl. Katrina Karkazis: "Fixing Sex", S. 243f.).

Auch  deutschsprachige Zwitterorganisationen wie z.B. die AGGPG setzten sich seit den 1990ern selbstverständlich auch für die Beendigung kosmetischer "Harnröhrenverlegungen" und "Hypospadiekorrekturen" sowie anderer "vermännlichender" kosmetischer Genitaloperationen an Kindern ein.

Die AGGPG-Mitbegründerin --> Heike Bödeker-Spreitzer machte als Betroffene "vermännlichender" Zurichtung auch sonst keine Unterschiede zwischen "Klitoris- rsp. Penisplastiken".

Die UK-Aktivistin --> Sophia Siedlberg (OII) bezeichnet ebenfalls "die ihr aufgezwungenen „Maskulinisierungs“OPs als Genitalverstümmelungen und kämpft dezidiert gegen JEGLICHE Genitalverstümmelungen an Kindern. Insbesondere wehrt sie sich gegen Bagatellisierungen der maskulinisierenden Genitalverstümmelungen im Vergleich zu den feminisierenden, die sie beide als Menschenrechtsverletzungen denunziert." 

>>> IMeV-Schattenbericht CAT 2011: Häufigste Genitalverstümmelungen ausgeblendet

>>> Kosmetische GenitalOPs: Ausklammerung von "Hypospadie" unethisch 
>>> Ernst Bilke: "Die Wut ist gut versteckt" - Biographie mit "Hypospadie"
>>> "Sehr taube Eichel": Erfahrungsberichte zu "Hypospadiekorrekturen"

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>>
150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>>
Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter

Siehe auch:
- Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
- Genitalverstümmler Mouriquand: "keine Garantie für sexuelle Empfindsamkeit"
- Genitalverstümmler in Frankreich: Claire Nihoul-Fékété & Stephen Lortat-Jacob
- "Genitalkorrekturen in Deutschland in der Regel im ersten Lebensjahr" (DGKJ/APE/DGE)
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller Verstümmelungen
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg  
- Göttingen / Lübeck: Direktor und Oberarzt propagieren genitale Zwangsoperationen
- Universitätsklinikum Heidelberg: Genitale Zwangsoperationen im Angebot 
- Lübeck: Klinikdirektor propagiert genitale Zwangsoperationen an Kindern! 
- Deutsche Urologen fordern genitale Zwangsoperationen an Säuglingen! 
- Zürcher Kinderspital propagiert Zwangskastrationen an Kindern 
- Genitalverstümmelungen im Inselspital Bern 
- Genitalverstümmelungen: "Lieber hier durchführen als im Osten" (Prof. Dr. Christian Kind)
- Chefarzt Dr. Marcus Schwöbel: genitale Zwangsoperationen an Kindern der "normale Weg" 
- Genitalverstümmelung im Kinderspital Luzern
- Prof. Dr. Heino Meyer-Bahlburg: John Moneys Erbe 
- Weiße Kittel mit braunen Kragen, reloaded
- Schweiz: Bundesrat will weibliche Genitalverstümmelung verbieten – aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter ...
- Bundestag: "Weibliche Genitalverstümmelung ahnden" - aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter ...
- Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit)
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- "Gott hat uns dieses Kind geschenkt, so wie es ist." (eine Mutter)
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen? 

Wednesday, August 3 2011

Der medizinische Umgang mit Intersexuellen Kindern: Eine Analogie zum sexuellen Kindesmißbrauch - Tamara Alexander (1997)

[ Dokumentation von: http://home.t-online.de/home/aggpg/med_dt2.htm ]

Der medizinische Umgang mit Intersexuellen Kindern

Eine Analogie zum sexuellen Kindesmißbrauch

von Tamara Alexander

(„The Medical Management of Intersexed Children: An Analogue for Childhood Sexual Abuse“, Tamara Alexander and InterVo, 1997, [ http://www.isna.org/articles/analog ] http://www.qis.net/~triea/medical_abuse.htm, aus dem Amerikanischen von Corinna Genschel und Elke Kasimir)

Ausgeliefert! Medizinische Verfahrensweisen wurden schon häufiger als Vergleichsmodell für sexuellen Mißbauch in der Kindheit herangezogen und als Möglichkeit gesehen, die Erinnerungen von Kindern an derartige Erfahrungen in einem naturalistischen Kontext zu beobachten (Money 1987, Goodman 1990, Shopper 1995, Peterson & Bell, im Druck).

Medizinische Traumata haben viele wesentliche Elemente mit kindlichen Mißbrauchserfahrungen gemeinsam, wie etwa Angst, Schmerz, Bestrafung, Kontrollverlust, und sie haben oft ähnliche psychologische Auswirkungen (Nir 1985, Kutz 1988, Shalev 1993, Shopper 1995). Es hat sich jedoch als Schwierigkeit herausgestellt, natürlich vorkommende Traumata zu finden, welche Aspekte beinhalten, die für das Phänomen des Vergessens/Erinnerns wesentlich sind; insbesondere Heimlichkeit, Fehlinformation, Betrug durch eine fürsorgende Person, und dissoziative Prozesse. Desweiteren bestand die Schwierigkeit, medizinische Ereignisse zu finden, die direkten genitalen Kontakt beinhalten und die Familiendynamik einer Mißbrauchssituation angemessen widerspiegeln.

 Eine Studie von Goodman et. al (1990), die Kinder umfaßte, an denen ein Voiding-Cystourethrogram-Test (VCUG) zur Diagnose einer Leber-Fehlfunktion durchgeführt wurde, ist dem Ziel, diejenigen Aspekte zu identifizieren, die bei der Rückerinnerung an sexuellen Mißbrauch in der Kindheit wahrscheinlich eine Rolle spielen, bisher am nächsten gekommen. Goodman's Studie war einzigartig, da sie direkten, schmerzhaften und beschämenden genitalen Kontakt umfaßt, wobei das Kind genitale Penetration und Entleerung in Anwesenheit des medizinischen Person erlebt. Goodman fand heraus, daß zahlreiche Faktoren das Vergessen des Ereignisses unterstützen: Beschämung, das Fehlen des Gesprächs über den Vorgang mit den Eltern, und PTSD-Symptome [posttraumatische-Stress-Symptome bzw. im ursprünglichen Sinne: Stress-nach-Foltererfahrung-Symptome]. Dies entspricht präzise der Dynamik, die wahrscheinlich auch in familiären Mißbrauchssituationen eine Rolle spielt.

 Der medizinische Umgang mit Intersexualität (ein Begriff, der verschiedene Bedingungen umfaßt, unter anderem auch uneindeutige Genitalien und sexuelle Karotypen) wurde bisher noch nicht als Vergleichsmodell für frühkindlichen sexuellen Mißbrauch herangezogen, kann jedoch zusätzliche Einsichten in diejenigen Aspekte ermöglichen, die mit kindlichem Erfahrungsaufzeichnung, -verarbeitung und -erinnerung bei sexuellen Traumatisierungen zu tun haben. Vergleichbar den Opfern kindlichen sexuellen Mißbrauchs werden Kinder mit intersexuellen Merkmalen Opfer wiederholter genitaler Traumata, die sowohl in der Familie wie im kulturellen Umfeld geheimgehalten werden (Money 1986,1987, Kessler 1990). Die Kinder sind verängstigt, beschämt, fehlinformiert und verletzt. Sie erleben ihre Behandlung als eine Form des sexuellen Mißbrauchs (Triea 1994, David 1995-6, Batz 1996, Fraker 1996, Beck 1997) und betrachten ihre Eltern als Personen, von denen sie betrogen wurden und die mit den medizinischen Experten kollaboriert haben (Angier 1996, Batz 1996, Beck 1997). Wie bei sexuellem Mißbrauch umfassen die psychologischen Folgen Depression (Hurtig 1983, Sandberg 1989, Triea 1994, Walcutt 1995-6, Reiner 1996), Suizidversuche (Hurtig 1983, Beck 1997), die Unfähigkeit zu intimen Beziehungen (Hurtig 1983, Sandberg 1989, Homes 1994, Reiner 1996), Störungen des Körperbildes (Hurtig 1983, Sandberg 1989) und dissoziative Muster (Batz 1996. Fraker 1996, Beck 1997). Obwohl viele behandelnde Ärzte und Forscher eine psychologische Beratung für ihre intersexuellen Patienten fordern (Money 1987, 1989, Kessler 1990. Slipjer 1994; Sandberg 1989, 1995-6), erhalten die Patienten nur in Ausnahmefällen psychologische Unterstützung und werden normalerweise in den Akten als „zur Nachbehandlung nicht auffindbar" bezeichnet. Fausto-Sterling (1995-6) bemerkt, daß „unser medizinisches System in Wirklichkeit nicht dafür ausgelegt ist, langfristige und kontinuierliche psychologische Unterstützung zu leisten." (S. 3). Folglich ist das intersexuelle Kind mit der Bewältigung des Traumas einer ausgedehnten medizinischen Behandlung völlig allein.

 In Fällen, in denen das intersexuelle Kind bereits bei der Geburt als solches erkennbar ist, wird er/sie umfassenden körperlichen, genetischen und chirurgischen Tests unterzogen, um das für die Erziehung am besten geignete Geschlecht herauszufinden. Kessler (1990) bemerkt, daß „Ärzte ... voraussetzen, daß nicht die geschlechtliche Identität des Kindes uneindeutig ist, sondern die Genitalien ... Die Botschaft der genannten Beispiele lautet, daß das Problem in den Fähigkeiten des Arztes besteht, das Geschlecht zu erkennen, und nicht das Geschlecht an sich ein Problem ist. Das richtige Geschlecht wird vermutlich im Verlauf der Testverfahren festgelegt/bewiesen, und die ‘bösen’ Genitalien (welche die Situation für alle Beteiligten so kompliziert machen) werden ‘in Ordnung gebracht’.“ (S. 16). Obwohl das Kind im Verlauf der Pubertät wiederholt untersucht wird, werden für diese häufigen Arztbesuche oft keine Begründungen gegeben (Money 1987, 1989, Triea 1994, Sandberg 1995-6, Walcutt 1995-6, Angier 1996, Beck 1997). Da sowohl die Eltern wie auch die Ärzte die Behandlungen als notwendig und im Interesse des Kindes betrachten, wird das kindliche Trauma, daß durch das Erleben dieser Verfahrensweisen ausgelöst wird, oft nicht zur Kenntnis genommen. Dabei ist die zugrundeliegende Annahme, daß Kinder, die ihre Erlebnisse nicht erinnern, durch diese auch nicht negativ berührt werden. Es ist jedoch so, daß die medizinischen Verfahren „vom Kind oder Heranwachsenden als ein Trauma erlebt werden, bei dem das medizinische Personal als mit den Eltern verbündete Täter erlebt werden ... die langfristigen Folgen dieser Ereignisse können ernsthafte und nachteilige Folgen für die zukünftige Entwicklung und Psychopathologie haben" (Shopper, 1995, S. 191).
 
 

Scham und Verlegenheit

Goodman (1994) bemerkt, daß Sexualität in der kindlichen Vorstellung vornehmlich durch Verlegenheit und Angst charakterisiert ist. Kinder können somit auf alle Situationen, die sexuell konnotiert [gefühlsmäßig besetzt] sind, mit Verlegenheit und Angst reagieren. Sie nimmt an, daß „Kinder auf Situationen, die sexuell konnotiert sind, mit Verlegenheit reagieren - ein Schamgefühl, daß ihnen anerzogen wurde, ohne daß sie notwendigerweise verstehen, warum. Wahrscheinlich ist eines der ersten Dinge, die Kinder in Bezug auf sexuelle Schamgefühle lernen, daß sie sich schämen müssen, wenn ihre eigenen Körper anderen ausgesetzt sind" (S. 253-254). Kinder, die mehr als einen VCUG erlebten, äußerten sehr plausibel Angst und Verlegenheit über die gerade zurückliegenden Tests und haben seit Beginn der Durchführung der Tests häufig geweint. Einige wenige leugneten sogar, daß der VCUG bei ihnen durchgeführt worden war.

 Kinder, die andere Formen genitalbezogener medizinischer Verfahren erlebt haben, erleben diese ebenfalls als beschämend, peinlich und beängstigend. Medizinische Photograpien der Genitalien (Money 1987), Untersuchungen an den Genitalien bei verfrühtem Einsetzen der Pubertät und intersexuellen Merkmalen (Money 1987), Kolposkopie [Scheidenspiegelung] und Untersuchungen eines Mädchens, daß DES [Diethylstilbestrol] ausgesetzt war (Shopper 1995), Cystoskopie [Harnröhren- und Blasenspiegelung] und Katheter-Anlagen (Shopper 1995) und Hypospadie-Korrektur (ISNA, 1994) führen zu Symptomen, die mit denen des kindlichen sexuellen Mißbrauchs stark korreliert sind: Dissoziation (Young, 1992, Freyd 1996), negatives Körpererleben (Goodwin 1995, Young 1992), und PTSD-Symptomatik (Goodwin 1985). Einer von Moneys Patienten berichtet: „Ich lag da, nur mit einem Tuch über mir, und ungefähr 10 Ärzte kamen herein, und das Tuch kam weg, und sie fühlten hier und da und diskutierten darüber, wieviel Fortschritte ich gemacht hatte. Ich war vor Angst versteinert. Dann kam das Tuch wieder 'drüber und es kamen ein paar andere Ärzte herein und sie taten dasselbe. Das war unheimlich. Ich hatte Angst. Ich hatte Alpträume davon..." (Money, S. 171)

 Ähnliche Szenarien sind von anderen Intersexuellen berichtet worden (Holmes 1994, Sandberg 1995-6, Batz 1996, Beck 1997). Wie beim kindlichen sexuellen Mißbrauch folgen die wiederholten medizinischen Untersuchungen einem Muster, das Lenore Terr als Typ II Trauma bezeichnet: es sind diejenigen, die durch langandauernde und sich wiederholende Ereignisse hervorgerufen werden. „Das erste solche Erlebnis löst zunächst Erstaunen aus. Aber der sich im folgenden ergebende Schrecken weckt einen Sinn für Antizipation. Massive Versuche, die Psyche zu schützen und das Selbst zu erhalten, werden in Gang gesetzt ... Kinder, die wiederholt Opfer ausgedehnter Perioden von Terror geworden sind, werden lernen, daß die anstrengenden Ereignisse wiederkommen werden" (zitiert in Freyd, 1996, S. 15-16). Freyd (1996) schlägt vor, daß „psychische Qualen, die durch emotional sadistische und invasive Behandlung oder schwerwiegende emotionale Verleugnung verursacht werden, genauso destruktiv sein können wie andere Formen von Mißbrauch" (S. 133). Schooler (im Druck) bemerkte, daß seine Untersuchungspersonen ihren Mißbrauch als beschämend erlebt haben, und vermutet, daß Scham für das Vergessen sexuellen Mißbrauchs ein Schlüsselfaktor ist: „Die mögliche Rolle der Scham bei der Verursachung gestörter Erinnerungen mit unvollständigem Zugriff auf Gedächtnisinhalte ... ist möglicherweise denjenigen, die bei der Verdrängung beteiligt sind, vergleichbar." (S.284). David, ein erwachsener Intersexueller, stellt fest: „Wir sind in außerordentlich schmerzhaften und erschreckenden Weisen sexuell traumatisiert worden und haben aus Scham und Angst gegenüber unseren Familien und der Gesellschaft Schweigen bewahrt." (David, 1995-6). Viele Intersexuelle werden durch Scham und Stigma davon abgehalten, über ihre Situation mit irgendjemandem zu sprechen, selbst gegenüber Angehörigen der eigenen Familie (ISNA, 1995). Dieses erzwungene Schweigen ist wahrscheinlich ebenfalls ein Faktor für die Art und Weise, in der Erinnerungen an die genannten Ereignisse verstanden und kodiert werden.
 
 

Heimlichkeit und Schweigen

Verschiedene Theoretiker haben postuliert, daß Heimlichkeit und Schweigen zur Unfähigkeit des Kindes führen, Mißbrauchserlebnisse zu erinnern. Freyd (1996) vermutet, daß sich die Erinnerung an Ereignisse, über die nie gesprochen wurde, von Erinnerungen, für die dies nicht zutrifft, qualitativ unterscheiden, und Fivush (im Druck) bemerkt, „wenn kein narrativer Rahmen vorhanden ist ..., kann dies sehr wohl das kindliche Verstehen und die kindliche Organisation der Wahrnehmung, und letztendlich ihre Fähigkeit zu einer detaillierten und kohärenten Wiedergabe, verändern." (S.54). Das Schweigen kann zwar die Formierung einer anfänglichen Erinnerung nicht verhindern, aber das nicht stattfindende Sprechen kann zu einem Zerfall der Erinnerung oder der Unfähigkeit führen, die Information in das individuelle autobiographische Wissen von sich selbst aufzunehmen (Nelson, 1993; zitiert in Freyd, 1996).

 Wenn ein Kind ein Trauma erleidet, versuchen viele Eltern, das Kind davon abzuhalten, sich darauf zu konzentrieren, in der Hoffnung, daß dies die Folgen des Ereignisses verringert. Einigen Kindern wird sogar explizit gesagt, daß sie die Verletzungen vergessen sollen; anderen wird einfach keine Gelegenheit gegeben, über die Ereignisse zu sprechen. Diese Dynamik ist in Bezug auf intersexuelle Kinder besonders ausgeprägt (Malin, 1995-6). „ „Macht nichts, denk einfach nicht darüber nach" lautete die Anweisung der wenigen Menschen, mit denen ich darüber gesprochen habe, unter anderem zwei Therapeutinnen“, sagt Cheryl Chase. Das einzige Gespräch ihrer Eltern mit ihr bezüglich ihres intersexuellen Status bestanden darin, daß sie ihr sagten, daß ihre Klitoris vergrößert sei und deshalb entfernt werden mußte. „Jetzt ist alles gut. Aber rede nie mit jemandem darüber“, sagten sie (Chase, 1997). Linda Hunt Anton (1995) bemerkt, daß Eltern „mit dem Problem umgehen, indem sie nicht ‘darüber’ reden, in der Hoffnung, das Trauma des Kindes damit zu vermindern. Das Mädchen wird aus dem Schweigen der Eltern möglicherweise jedoch den Schluß ziehen, daß das Thema tabu ist, zu schlimm, um darüber zu sprechen, weshalb sie darauf verzichtet wird, ihre Gefühle und Bedürfnisse mitzuteilen." (S.2). Sowohl Malmquist (1986) wie auch Shopper nehmen eine ähnliche Sichtweise ein (1995), wenn sie schreiben, daß das Kind das Schweigen der Erwachsenen als eine explizite Aufforderung interpretieren kann, selbst zu schweigen. Slipjer (1994) bemerkt, daß Eltern sich weigerten, ihre intersexuellen Kinder zur ambulanten Untersuchung zu bringen, da das Krankenhaus die Erinnerung an das wieder wachrief, was sie zu vergessen versuchten (S. 15).

 Money (1986) berichtet von Fällen, in denen „das hermaphroditische Kind anders behandelt wurde als das geschlechtlich normale, und zwar auf eine Weise, als sollte signalisiert werden, daß es ungewöhnlich, anders oder abartig wäre - beispielsweise, indem das Kind zu Hause festgehalten wurde und ihm verboten wurde, mit den Nachbarskindern zu reden, um auf diese Weise Gespräche über den hermaphroditischen Status zu unterbinden, und indem das Kind angewiesen wurde, über die Gründe für die langen Reisen zu Besuchen in der Klinik zu lügen." (S. 168).
Die Intersex Society of North America (ISNA), eine Selbshilfe-Organisation und Interessenvertretung für Intersexuelle, bemerkt, daß diese „Verschwörung des Schweigens" ... in Wirklichkeit die Zwangslage des intersexuellen Jugendlichen verschlimmert, welcher weiß, daß er/sie anders ist, dessen Genitalien oft durch „rekonstruktive" Chirurgie verstümmelt worden sind, dessen sexuelle Empfindungsfähigkeit schwer beeinträchtigt ist und dessen medizinische Behandlungsgeschichte offensichtlich macht, daß eine Erwähnung oder Diskussion seiner oder ihrer Intersexualität ein kulturelles und familiäres Tabu verletzt." (ISNA, 1995).

 Benedek (195) bemerkt, daß selbst Therapeuten es manchmal versäumen, nach den traumatischen Ereignissen zu fragen. Das Opfer des Traumas mag dies als eine Aussage des Therapeuten auffassen, daß das Thema kein ungefährlicher Gesprächsgegenstand ist oder daß der Therapeut darüber nichts hören will. Sie schlägt vor, daß das Wiedererzählen und Nacherzählen der Ereignisse für das Opfer eine Möglichkeit sein kann, mit den eigenen Erinnerungen fertig zu werden und sie auf diese Weise zu integrieren.
 
 

Fehlinformation

Auch die Verleugnung der Realität seitens der Täter („Dies ist nur ein Spiel", „Du willst das doch eigentlich", „Ich tue das nur, um dir zu helfen") mag dazu führen, daß das Kind die Ereignisse nicht versteht und den Mißbrauch nicht erinnert. Wie CSA-Opfer werden auch intersexuelle Kinder regelmäßig über ihre Erlebnisse mißinformiert (Kessler 1990, David 1994, 1995-6, Holmes 1994, 1996, Rye 1996, Stuart 1996). Die Eltern werden zuweilen dazu ermuntert, dem Kind seine besonderen Bedingungen zu verschweigen, mit der Begründung, daß „wenn das Kind vor der Pubertät über seine besonderen Bedingungen aufgeklärt wird, dies das Selbstwertgefühl unterminiert" (Slipjer 1992, S. 15). Eltern werden oft über die am Kind durchgeführten Behandlungen und deren mögliche Auswirkungen falsch informiert. Ein medizinischer Experte (Hill, 1977) empfiehlt, „machen sie den Eltern eindringlich klar, daß ihr Kind keine abnormalen sexuellen Bedürfnisse entwickelt, denn gesetzliche Vertreter verwechseln oft Hermaphroditismus und Homosexualität" (S. 813). Im Gegensatz dazu berichtet die ISNA jedoch, daß „eine große Minderheit von Intersexuellen als Erwachsene schwul, lesbisch oder bisexuell leben oder ihr Geschlecht wechseln wollen - unabhängig davon, ob zuvor chirurgische Angleichungen und Neuzuweisungen des Geschlechts vorgenommen worden sind oder nicht" (ISNA 1995).

 Mit 12 Jahren wurde Angela Morena mitgeteilt, daß ihre Eierstöcke aus Gesundheitsgründen entfernt werden müßten, obwohl ihre Eltern über die wahren Gründe ihres Zustands informiert waren. Angela hat das Androgen Insensitivity Syndrome (AIS), ein Zustand, in dem ein Fötus mit XY Chromosomen im Uterus nicht auf Androgen reagiert und mit nach außen hin normal erscheinenden Genitalien geboren wird. In der Pubertät begann der nicht nach außen gewachsene Hoden Testosteron zu produzieren, so daß sich die Klitoris vergrößerte. „Mir wurde nie gesagt, daß sie meine Klitoris amputieren wollten. Ich wachte im Dunst von Demerol auf, fühlte die Gaze, das getrocknete Blut. Ich konnte einfach nicht glauben, daß sie mir das antun würden, ohne es mir zu sagen." (Batz, 1996)

 Max Beck ist jedes Jahr nach New York City zur medizinischen Behandlung gekarrt worden. „Als ich in die Pubertät kam, wurde mir erklärt, daß ich eine Frau sei, daß ich aber noch nicht fertig sei ... Wir fuhren dann wieder nach Hause [nach der Behandlung] und redeten wieder ein Jahr lang nicht darüber, bis wir wieder hin fuhren ... Ich wußte, daß dies meinen FreundInnen nicht passierte" (Fraker, 1996, S. 16). Das mangelnde Verständnis und die mangelnde Erklärung der Ereignisse, die dem Kind geschehen, können dazu führen, daß das Kind seine/ihre Erfahrungen weder versteht noch diese für sich deuten kann. Betonen die Eltern und ÄrztInnen darüber hinaus die Vorteile der medizinischen Verfahren, kann dies zu emotionalen Dissonanzen führen, die die Fähigkeit des Kindes behindert, das Erfahrene zu verarbeiten; das Kind fühlt sich verletzt, gleichzeitig wird ihm/ihr gesagt, daß ihm/ihr geholfen wird.
 
 

Dissoziation und Körperentfremdung

Wenn wir die Erinnerungen der intersexuellen Kindern von den medizinischen Behandlungen in den Blick nehmen, können wir vielleicht die Prozesse erhellen, durch die das Kind die den eigenen Körper betreffenden traumatischen Vorfälle für sich sinnhaft macht. Damit erhalten wir die einzigartige Möglichkeit zu erfassen, was mit der Erinnerung der Ereignisse langfristig geschieht. Da das Kind keine andere Möglichkeit hat, als die körperlichen Grenzübertretungen als zerstörerisch zu interpretieren - unabhängig von dem Ansinnen der Eltern und ÄrztInnenschaft - können wir davon ausgehen, daß genitale Verfahren in der Kindheit die selbe affektive Bedeutung hat wie sexueller Mißbrauch in der Kindheit (CSA).Wie Leslie Young (1992) feststellt, wurzeln die Symptome sexueller Traumatisierung in den Konflikten um die Verhältnisse zum Körper.

 „Die Grenze zwischen dem, was als innerhalb und außerhalb des eigenen Körpers erfahren wird, wird nicht einfach gegen den Willen der Person übertreten, sondern sie wird „zum Verschwinden gebracht“ ... - sie wird nicht einfach ignoriert sondern „dazu-gemacht-niemals-existiert-zu-haben." Meine Grenzen körperlich infragezustellen oder bloßzustellen, bedroht mich als lebendiges Wesen mit Auslöschung; das, was außerhalb von mir ist, ist in mich eingedrungen, hat mich neu geformt und definiert, es hat mich mir gegenüber fremd gemacht, dadurch daß das In-mir und Außerhalb-von-mir keine klaren Unterscheidungen mehr kennt. Dieser Angriff wird notwendigerweise von mir als Haß und Böswilligkeit, als total persönlich erfahren - unabhängig von den Absichten jeglicher in diese Tat involvierten Menschen." (S. 91)

 Diese Vermischung ist wahrscheinlich besonders ausgeprägt bei intersexuellen Kindern, deren Körper im wahrsten Sinne des Wortes durch genitale Operationen und wiederholte medizinische Behandlungen neu geformt und definiert werden.

 Kluft (1984) nennt einige Merkmale, die als Auslöser für Abspaltungsepisoden durch Traumatisierung gelten: „(a) das Kind hat Angst um sein oder ihr Leben, ... (c) ein Gefühl physischer Intaktheit und/oder klarem Bewußtsein ist durchbrochen oder wird verletzt, (d) das Kind fühlt sich in seinen/ihren Ängsten isoliert und (e) das Kind wird systematisch desinformiert, oder wird gar bezüglich seiner/ihrer Situation einer Gehirn wäsche unterzogen." (zitiert nach Goodwin, 1985, S. 160). Alle diese Faktoren spielen zweifellos eine wichtige Rolle in der medizinischen Behandlung intersexueller Kinder; das Kind, dem wenig oder gar nichts über die Begründung der Operationen und medizinischen Untersuchungen erzählt wird, fürchtet um sein/ihr Leben, die chirurgische Entfernung und/oder Veränderung der Genitalien stellen einen klaren Bruch mit dem Gefühl körperlicher Intaktheit dar, das Kind ist in seinen/ihren Ängsten und Fragen, was weiterhin mit seinem/ihrem Körper passieren wird, isoliert und das Kind erhält Informationen, die weder der wahren Natur der Behandlung noch den Details der Verfahrensweisen entsprechen.

 Sowohl Angela Moreno als auch Max Beck berichten über weitreichende Abspaltungsepisoden. Max erinnert sich: „Ich war die meiste Zeit meiner Jugend ein herumlaufender Kopf" (Fraker, 1996. S.16). Moreno sagt daß sie sich erst „nach Jahren therapeutischer Behandlung endlich in ihrem Körper fühlte, ihre Haut ausfüllte und nicht nur umhertrieb." (Batz, 1996). Diese Aussagen ähneln denen von CSA Opfern, die berichten, daß sie sich emotional von ihren Körpern getrennt haben, um den physischen Angriffen Widerstand entgegensetzen zu können. Eine Frau, die wiederholten Kolposkopien unterworfen wurde, gibt an, daß sie „die vaginalen Untersuchungen nur überlebt hat, indem sie sich vollständig von ihrem unteren Körper abgespalten hat - d.h. daß sie unterhalb ihrer Taille taub war, ohne Empfindung und Gefühl“ (Shopper, 1995, S.201). Freyd (1996) begründet Abspaltungen als „eine angemessene Antwort auf eine unangemessene Situation" (S.88). Layton (1995) hält fest, daß eine Fragmentierung eine sehr wahrscheinliche Reaktion auf Erfahrungen wie diese ist: „... wenn der Spiegel der Welt dein Lächeln nicht widerspiegelt, sondern eher in deinem Anlitz zersplittert, wirst du genauso zersplittern" (S. 121). Abspaltungsreaktionen scheinen sowohl als Verteidigung wie auch als Konsequenz sexuellen Mißbrauchs und medizinischer Verfahren zu fungieren.
 
 

Verratstraumata

Jennifer Freyd (1996) vermutet, daß das Vergessen von Erfahrungen insbesondere dann auftritt, wenn das Kind auf die Beziehung mit dem Täter/der Täterin vertraut und diese Beziehung erhalten muß. Das Konzept des Verratstraumata gibt sieben Faktoren an, die eine Amnesie begründen:

 1. Mißbrauch durch die Bezugsperson
2. explizite Drohungen, das Schweigen zu wahren
3. alternierende Realitäten im Umfeld (Mißbrauchskontext ist anders als der Nicht-Mißbrauchs-Kontext)
4. Isolation während des Mißbrauchs
5. junges Alter zur Zeit des Mißbrauchs
6. alternierende Realitätsdefinitionen durch die Bezugsperson
7. Mangelnde Auseinandersetzung über den Mißbrauch. (Freyd, S. 140)

 All diese Faktoren spielen offensichtlich auch beim medizinischen Umgang mit intersexuellen Kindern eine Rolle. Shopper (1995) vermutet, daß die medizinischen Verfahren „den Erfahrungen mit dem sexuellen Mißbrauch ähneln, insofern die Familien die traumatische Realität des Kindes einfach leugnen würden. Aus der Perspektive des Kindes wird die Familie als in stillschweigendem Einverständnis mit den TäterInnen der traumatischen Verfahren (dem medizinischen Personal) wahrgenommen. Diese Wahrnehmung führt mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer starken Wutreaktion gegenüber den Eltern, genauso wie es auch Brüche im Vertrauen in die Fähigkeit der Eltern, das Kind zu schützen und abzufedern, zur Folge haben kann" (293). Umgekehrt muß das Kind aber eben auch diese Wahrnehmung ersticken, um die Beziehung zu den Eltern intakt halten zu können. Freyd (1996) merkt an, daß so „die Realisierung externer Wirklichkeit durch die Notwendigkeit, die Liebe der Vertrauenspersonen zu erhalten, fundamental beeinträchtigt sein kann, besonders wenn es sich um die Eltern oder wichtige Vertrauenspersonen handelt" (26). Sie fügt hinzu, daß abhängig von dem Grad der Abhängigkeit des Kindes von der Bezugsperson - also je mehr Macht der/die TäterIn über das Kind hat - das erlebte Trauma zu einer Form des Verrats wird. „Der Verrat durch eine Vertrauensperson ist der wichtigste Faktor in der Entwicklung von Vergessen (Amnesie)" (63).

 In jedem Fall wird das Verhältnis des Kindes zu seinen Bezugspersonen beschädigt. Das kann im Moment des Traumas passieren, wenn das Kind die Eltern als Verantwortliche dafür sieht, es nicht vor den schmerzhaften Erfahrungen zu beschützen. Es kann aber auch später noch dazu kommen, wenn das Kind sich erholt oder die frühen Erfahrungen anfängt, neu für sich zu deuten. Freyd vermutet, daß einige Personen das wahre Ausmaß erst in dem Moment begreifen, wenn sie den Verrat realisieren, sei es wenn sie ein neues Verständnis der Situation entwickeln oder wenn sie das Ereignis des Verrats 'entdecken' (5). Der wichtigste Teil der Heilung scheint darin zu liegen, die Ereignisse psychisch neu zu bewerten und zu deuten (47). Joy Diane Schaeffer (1995-6) schlägt vor, daß die Eltern intersexueller Kinder vollständig informiert werden sollten, bevor sie einwilligen, d.h. eingeschlossen der Tatsache, daß „es keinerlei Beweis dafür gibt, daß intersexuelle Kinder von der genitalen Operation Vorteile haben. Eltern sollten außerdem routinemäßig davon informiert werden, daß viele interesexuelle Erwachsene, die in der Kindheit genitalen Operationen unterzogen wurden, sich selbst als von den Verfahren Beschädigte begreifen und sich in der Konsequenz von ihren Eltern entfremden" (2).
 
 

Zukünftige Forschungsrichtungen

Kinder, die aufgrund ihrer interesexuellen Zustands innerhalb der medizinischen Institution behandelt werden, erleben ähnliche Typen der Traumatisierung wie diejenigen, die sexuell mißbrauchte Kinder erfahren. Studien, die die Erfahrungen intersexueller Kinder mit den Behandlungen wie auch die Erinnerungsverarbeitung zum Gegenstand machen, würden mit ziemlicher Sicherheit Ähnlichkeiten mit den Erfahrungen sexuell mißbrauchter Kindern herausarbeiten, im Gegensatz zu bislang entwickelten Studien. Dies hat mehrere Gründe: Das medizinische Behandlungsprogramm bei Intersexualität beinhaltet den direkten Kontakt mit den Genitalien des Kindes durch eine Person, die Macht über das Kind ausübt und mit den Eltern kooperiert. Das Verfahren ist schmerzhaft, unverständlich und wiederholend. Auch die Familiendynamik intersexueller Kinder ähnelt der Mißbrauchssituation: die Kinder werden regelmäßig zum Schweigen verpflichtet und falsch ‘aufgeklärt’ über das, was ihnen widerfährt. Die Eltern werden zu Verantwortlichen des an ihnen verübten Unrechts/Schadens. Und schließlich läuft die Erfahrungsverarbeitung in bemerkenswerter Weise auf ähnliche negative psychologische Folgeerscheinungen hinaus: Depression, Zusammenbruch des Körperbilds, Abspaltungsmuster, sexuelle Funktionsuntüchtigkeit, Nähe/Intimitäts-Probleme, Selbstmordversuche und PTSD.

 Ein Forschungsprogramm, daß die Erfahrungen intersexueller Kinder mit den Behandlungen ins Zentrum setzt, hätte spezifische Vorteile für ErinnerungsforscherInnen im Vergleich zu bisherigen Arbeiten. Zentrale Kritik an bisherigen Studien zum sexuellen Mißbrauch war die Schwierigkeit, „objektive Wahrheiten" über die Vorfälle aussagen zu können. Da der Mißbrauch in der Regel versteckt 'passiert' bis das Kind die Aufmerksamkeit von irgendwelchen Autoritäten auf sich zieht, gibt es keine Dokumentationen darüber, was vorgefallen ist. KritikerInnen an retrospektiven Studien weisen deshalb darauf hin, daß es nahezu unmögllich ist, Berichte von Erwachsenen mit tatsächlichen Kindheitsereignissen zu vergleichen (die wichtigste Ausnahme zu dieser Regel sind die Studien von Williams, 1994a, b). Bei der Behandlung von Intersexualität hätte der/die ForscherIn Zugang zu weitreichender medizinischer Dokumentation über medizinische Verfahren und die Reaktion der Kinder, während sie in den Kliniken sind. Intersexuelle Kinder könnten zum Zeitpunkt der Behandlungen interviewt werden. In Langzeitstudien könnte untersucht werden, wie sich ihre Erinnerungen über die Ereignisse im Zuge des Erwachsen-Werdens verändern. Dies würde einen eher prozeßorientierten Ansatz zu den Problemen kindlicher Verarbeitung der traumatischen Erfahrungen ermöglichen (wie verstehen und kodieren die Kinder die Traumata, wenn es keine Unterstützung von außen gibt oder wenn falsche Informationen gegeben werden? Was sind die Auswirkungen subjektiver Befindlichkeit auf die Verarbeitung der Erinnerung? Welche Bedeutung haben die Interaktionen der Eltern?). Genauso würde dieser Ansatz die Untersuchung des Gedächtnisses von Erwachsenen erlauben (Wie verändert sich die Bedeutung/ der Sinn des Traumas? Was sind die Langzeit-Effekte in Bezug auf die soziale und emotionale Entwicklung des Kindes? Was geschieht mit der Familiendynamik, wenn der/die Erwachsene beginnt, seine/ihre medizinische Bedingung zu recherchieren und dabei herausfindet, daß er/sie falsch ‘aufgeklärt’ wurde?). Eine Untersuchung der kindlichen emotionalen und kognitiven Strategien der Verarbeitung medizinischer Behandlungen würde diejenigen Prozesse erhellen, die auch für die Opfer sexuellem Mißbrauchs von Bedeutung sind.

Bemerkung des Herausgebers:

Tamara Alexander ist mit dem ISNA-Mitglied Max Beck seit fast vier Jahren verlobt. Das Paar wohnt in Atlanta, Georgia. Wenn sie gerade nicht schreibt, arbeitet oder das Kind plant, ist Tamara mit vier Katzen, einem Hund und dem Bewußtsein von PsychologiestudentInnen von Emory beschäftigt. PartnerInnen von Intersexuellen sind aufgefordert, sich zwecks gegenseitiger Unterstützung bei ihr zu melden.

Kontakt über e-mail: info_at_isna.org
 
 

Literaturangaben

Angier, Natalie (1996, February 4). Intersexual healing: An anomaly finds a group. The New York Times.
Anton, Linda Hunt (1995). The taboo on talking. ALIAS: Newsletter of the AIS Support Group, 1, 1, 6-7.
Batz, Jeanette (1996, November 27). The fifth sex. Riverfront Times, [On-line] 947. Available: http://www.rftstl.com/features/fifth_sex.html/
Beck, Judy E. (Max) (1997, April 20). Personal communication.
Benedek, Elissa P. (1985). Children and psychic trauma: A brief review of contemporary thinking. In S. Eth and R. S. Pynoos (Eds.), Post-Traumatic Stress Disorder in Children (pp. 1-16). Washington, D.C.: American Psychiatric Press, Inc.
Chase, Cheryl. (1997). Affronting reason [Dt. Übersetzung: Beleidigende Vernunft]. In D. Atkins (Ed.), Looking Queer. Binghamton NY: Haworth Press [1998].
David (1994). I am not alone! from David's personal journal . Hermaphrodites with Attitude [Quarterly Newsletter of the Intersex Society of North America], 1 (1), 5-6.
David (1995-6, Winter). Clinicians: Look to intersexual adults for guidance. Hermaphrodites with Attitude [Quarterly Newsletter of the Intersex Society of North America], 7.
Fausto-Sterling, Anne. (1995-6, Winter). Time to re-examine old treatment paradigms. Hermaphrodites with Attitude [Quarterly Newsletter of the Intersex Society of North America], 3.
Fivush, Robyn, Pipe, Margaret-Ellen, Murachver, Tamar, and Reese, Elaine (In press). Events spoken and unspoken: implication of language and memory development for the recovered memory debate. M. Conway (Ed.), Recovered Memories and False Memories (pp. 34-62). Oxford: Oxford University Press.
Fraker, Debbie (1996, September 19). Hermaphrodites come out fighting: New "intersex" movement challenging need for corrective surgery. Southern Voice, pp. 14-16.
Freyd, Jennifer J. (1996). Betrayal Trauma: The Logic of Forgetting Childhood Abuse. Cambridge: Harvard University Press.
Goodman, G.S., Quas, J.A., Batterman, Faunce, J.F., Riddlesberger, M.M., & Kuhn, J. (1994). Predictors of accurate and inaccurate memories of traumatic events experienced in childhood. In K. Pezdek and W. Banks (Eds.), The Recovered Memory/False Memory Debate (pp. 3-28). NY: Academic Press.
Goodman, Gail S., Rudy, Leslie, Bottoms, Bette L., and Aman, Christine (1990). Children's concerns and memory: issues of ecological validity in the study of children's eyewitness testimony. In R. Fivush & J.A. Hudson (Eds.), Knowing and Remembering in Young Children (pp. 249-294). NY: Cambridge University Press.
Goodwin, Jean. (1985). Post-traumatic symptoms in incest victims. In S. Eth and R. S. Pynoos (Eds.), Post-Traumatic Stress Disorder in Children (pp. 155-168). Washington, D.C.: American Psychiatric Press, Inc.
Hill, Sharon. (1977). The child with ambiguous genitalia. American Journal of Nursing, 810- 814.
Holmes, Morgan (1995-6, Winter). I'm still intersexual. Hermaphrodites with Attitude [Quarterly Newsletter of the Intersex Society of North America], 5-6.
Holmes, Morgan (1996). An interview with Rachael. Attitude from Canada [Newsletter of the Intersex Society in Canada], 1, 1, 2.
Hurtig, Anita L., Radhadrishnan, Jayant, Reyes, Hernan M., and Rosenthal, Ira M. (1983). Psychological evaluation of treated females with virilizing congenital adrenal hyperplasia. Journal of Pediatric Surgery, 18 (6), 887-893.
Intersex Society of North America (ISNA). (1994). Hypospadias: A parent's guide. [Available from the Intersex Society of North America, P.O. Box 31791, San Francisco, CA 94131].
Intersex Society of North America (ISNA). (1995). Recommendations for treatment: intersex infants and children. [Available from the Intersex Society of North America, P.O. Box 31791, San Francisco, CA 94131].
Kessler, Suzanne J. (1990). The medical construction of gender: Case management of intersexed infants. Signs: Journal of Women in Culture and Society, 16, 3-26.
Kutz, Ian, Garb, Ronald, and David, Daniel (1988). Post-traumatic stress disorder following myocardial infarction. General Hospital Psychiatry, 10, 169-176.
Layton, Lynne (1995). Trauma, gender identity, and sexuality: Discourses of fragmentation. American Imago, 52 (1), 107-125.
Malin, H. Marty (1995-6, Winter). Treatment raises serious ethical questions. Hermaphrodites with Attitude [Quarterly Newsletter of the Intersex Society of North America], 8-9.
Malmquist, C.P. (1986). Children who witness parental murder: Posttraumatic aspects. Journal of the American Academy of Child Psychiatry, 25, 320-325.
Money, John, and Lamacz, Margaret (1987). Genital examination and exposure experienced as nosocomial sexual abuse in childhood. The Journal of Nervous and Mental Disease, 175, 713-721.
Money, John, Devore, Howard, and Norman, Bernard F. (1986). Gender identity and gender transposition: Longitudinal outcome study of 32 male hermaphrodites assigned as girls. Journal of Sex & Marital Therapy, 12 (3), 165-181.
Nir, Yehuda (1985). Post-traumatic stress disorder in children with cancer. In S. Eth & R. S. Pynoos (Eds.), Post-Traumatic Stress Disorder in Children (p. 121-132). Washington, D.C.: American Psychiatric Press, Inc.
Peterson, C. & Bell, M. (In press). Children's memory for traumatic injury. Child Development.
Reiner, William G., Gearhart, John, Jeffs, Robert (1996, October). Psychosexual dysfunction in adolescent males with bladder exstrophy. Pediatrics: Abstracts of Scientific Presentations Presented at the 1996 Annual meeting of the American Academy of Pediatrics, 88, 3.
Rye, B.J. (1996). In an AIS family. Attitude from Canada [Newsletter of the Intersex Society in Canada], 1, (1), 3-4.
Sandberg, David (1995-6, Winter). A call for research. Hermaphrodites with Attitude [Quarterly Newsletter of the Intersex Society of North America], 8-9.
Sandberg, David E., Meyer-Bahlberg, Heino F., Aranoff, Gaya S., Sconzo, John M., Hensle, Terry W. (1989). Boys with hypospadias: A survey of behavioral difficulties. Journal of Pediatric Psychology, 14 (4), 491-514.
Schaffer, Joy Diane (1995-6, Winter). Let's have informed consent while awaiting research results. Hermaphrodites with Attitude [Quarterly newsletter of the Intersex Society of North America], 2.
Schooler, J.W., Bendiksen, M., and Ambadar, Z. (In press). Taking the middle line: Can we accommodate both fabricated and recovered memories of sexual abuse? In M. Conway (Ed.), False and Recovered Memories (pp. 251-292). Oxford: Oxford University Press.
Shalev, Arieh Y., Schreiber, Saul, and Galai, Tamar (1993). Post-traumatic stress disorder following medical events. British Journal of Clinical Psychology, 32, 247-253.
Shopper, Moisy (1995). Medical Procedures as a source of trauma. Bulletin of the Meninger Clinic, 59 (2), 191-204. Slijper, F.M., van der Kamp, H.J, Brandenburg, H., de Muinck Keizer-Schrama, S.M.P.F., Drop, S.L.S., and Molenaar, J.C. (1992). Evaluation of psychosexual development of young women with congenital adrenal hyperplasia: A pilot study. Journal of Sex Education and Therapy, 18 (3), 200-207.
Slijper, F.M.E., Drop, S.L.S., Molenaar, J.C., and Scholtmeijer, R.J. (1994). Neonates with abnormal genital development assigned the female sex: Parent counseling. Journal of Sex Education and Therapy, 20 (1), 9-17.
Stuart, Barbara (1996). Unburdened. Attitude from Canada [Newsletter of the Intersex Society in Canada], 1 (1), 3.
Triea, Kira (1994, Winter). The awakening. Hermaphrodites with Attitude [Quarterly Newsletter of the Intersex Society of North America], 1, 6.
Walcutt, Heidi (1995-6, Winter). Physically screwed by cultural myth: The story of a Buffalo Children's Hospital survivor. Hermaphrodites with Attitude [Quarterly Newsletter of the Intersex Society of North America], 10-11.
Williams, Linda Meyer (1994a). Recall of childhood trauma: A prospective study of women's memories of childhood sexual abuse. Journal of Clinical and Consulting Psychology, 62, 1167-1176.
Williams, Linda Meyer (1994b). Recovered memories of abuse in women with documented child sexual victimization histories. Journal of Traumatic Stress, 8, 649-673.
Young, Leslie (1992). Sexual abuse and the problem of embodiment. Child Abuse & Neglect, 16, 89-100

© Copyright Tamara Alexander - 1997
 

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>>
150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>>
Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter

Kann ein Zwitter Sünde sein?

Friday, July 22 2011

"Intersexualität und die Folgen: Nicht einfach wegoperierbar" - taz 22.7.11

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

>>> Typisch vereinnahmender und verharmlosender Artikel über die Ethikrat-Anhörung vom 8.6.11 in der heutigen taz von Ulrike Baureithel, die unverdrossen der TäterInnenspache fröhnt ("chirurgische Korrekturen"), einmal mehr John Money unbelegt und unhinterfragt als "verantwortlichen" Sündenbock anführt und auch sonst hemmungslos von ihrem Privileg Gebrauch macht, offensichtlich noch nie um die Unversehrtheit ihrer eigenen Genitalien gefürchtet haben zu müssen.

Nicht nur werden die heute noch (auch in Berlin) täglich durchgeführten Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken bequemerweise hinwegerklärt, da sie laut taz angeblich entweder seit 30 Jahren gar nicht mehr stattfinden, oder falls evtl. doch noch, dann heute wohl nur noch ganz, ganz selten:

"Bis in die achtziger Jahre wurden uneindeutige genitale, chromosomale oder gonadische Geschlechtsmerkmale meist schon in frühester Kindheit chirurgisch angepasst", heisst es im etwa im dazugehörigen Kasten, sowie "Ärzte heute erheblich zurückhaltender mit chirurgischen Korrekturen" im Artikel selbst. Die GenitalabschneiderInnen u.a. in der Charité (--> Heiko Krude) und ihre GehilfInnen im Senat (--> Drucks. 16 / 14436) freut's ...

Quellenangaben für diese vollmundigen Behauptungen werden wenig überraschend keine geliefert – laut der aktuell weltweit grössten Erhebung der TäterInnen selbst von 2007 werden bekanntlich in Deutschland, Österreich und in der Schweiz heute noch unverändert 90% aller bedrohten Kinder und Jugendlichen durchschnittlich mehrfach genitalverstümmelt.

Statt um solche unpassenden Details geht's in gewohnter taz-Manier hauptsächlich mal wieder stets um das eine, sprich das "Dilemma [...] der bipolaren Geschlechterordnung" und das unvermeidlich daraus resultierende Leiden am "Personenstand". Dass als Beleg für Letzteres dann noch ohne Namensnennung ein Zitat von Daniela "Nella" Truffer hinzugezogen wird ("plötzlich etwas aus der Rolle fällt und von ihren Gefühlen spricht, wenn sie auf ihrem chirurgisch verstümmelten Mikropenis herumrutscht und sich anhören muss, wie man ihren Personenstand rechtlich einholt und ordentlich dokumentiert"), während Nella sich in Tat und Wahrheit im Gegenteil über diese dauernde Vereinnahmung durch privilegierte Nicht-Verstümmelte beschwerte – wen wundert's?

Das ganze Originalzitat lautet übrigens (>>> PDF-Protokoll S. 58):

Daniela Truffer [Zwischengeschlecht.org]: Es geht hier um die Lebensqualität von intersexuellen Menschen. Ich sitze hier auf meinem zerfetzten Mikropenis und was davon übrig geblieben ist, und seit über einer halben Stunde geht es um Eherecht, Homoehe, Frauenfragen, Steuertarife, Aufhebung des Geschlechtseintrags. Das ist alles, was ich zu dem Thema noch sagen möchte. Ich habe keine Lust, noch etwas zum Thema Personenstand zu sagen, wo es doch um das Thema Lebensqualität von Zwittern geht. Genitalverstümmelungen stehen für mich an erster Stelle.

Keine Erwähnung im ganzen Artikel übrigens auch davon, dass an der Ethikrat-Anhörung einmal mehr die TäterInnen & Co. als "ExpertInnen" in eigener Sache mit Abstand am besten vertreten waren ...

Wären nur schon ein paar wenige von diesen ewigen VereinnahmerInnen bei der taz und anderswo zur Abwechslung mal an den eigenen Geschlechtsteilen in einer Kinderklinik etwas genitalverstümmelt worden, hätten sie bestimmt ziemlich schnell andere Perspektiven – wetten?!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

>>> Zitty 14/2013: Heute noch Intersex-Genitalverstümmelungen in der "Charité"  
>>>
Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter

>>> Übersichtsseite zur laufenden Ethikrat-Anhörung 2011

>>> Ein bisschen Zensur auf dem Ethikrat-Online-Diskurs "Intersexualität" (I)
>>> Zensur 2.0 - Ethikrat löscht Kommentar von ETEKAR (II)
>>> Meinungsäusserung à la Ethikrat: Verstümmelungen akzeptieren oder Maul halten (III)
>>> Dokumentation der Zensur auf dem Ethikrat-Online-"Diskurs" (Stand 19.7.11) (IV)

Siehe auch:
- Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Offener Brief an das "3rd EuroDSD Symposium", Lübeck 21.5.2011
- 9. Menschenrechtsbericht: Bundesregierung deckt medizinische Verbrechen 
- Zwitter-Genitalverstümmelungen: Ethikrat gefordert
- "Ethik als Freifahrtschein für operieren auf Teufel komm raus" - Claudia Wiesemann
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen! 
- Zwangsoperationen an Zwittern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag (I)
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- "Medizinische Intervention als Folter" - Michel Reiter 30.6.2000 

Tuesday, July 19 2011

Deutscher Ethikrat diffamiert "jüdische Sexualwissenschaftler" und zensiert Betroffene von Genitalverstümmelung in Kinderkliniken

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!»Aktion von Zwischengeschlecht.org, 6.2.2011 (Bild: NZZ Format)

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

PRESSEMITTEILUNG von Zwischengeschlecht.org vom 19.07.2011:

Der Deutsche Ethikrat führt aktuell im Auftrag der Bundesregierung ein "mehrstufiges Diskursverfahren" zum Thema "Intersexualität" durch. Anlass dazu war eine Rüge der UNO im Zusammenhang mit der auch in Deutschland üblichen Praxis medizinisch nicht notwendiger, kosmetischer Genitaloperationen an Kindern mit "uneindeutigen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen. Als dritter und letzter Teil will der Deutsche Ethikrat in einem noch bis Ende Monat laufenden öffentlichen "Online-Diskurs" eine "solide empirische Basis für seine Stellungnahme schaffen".

Dass nun der Ethikrat aus diesem "Diskurs" ausgerechnet die verwundbarste (und größte) Betroffenengruppe willkürlich ausschließt und zensiert, nämlich diejenigen, die bereits als Kleinkinder genitalverstümmelt wurden, und das, obwohl diese Gruppe im ganzen "Diskursverfahren" von Anfang an stark unterrepräsentiert war, wirft grundsätzliche Fragen auf. Umso mehr, da der Ethikrat als Begründung für diese willkürlichen Ausschlüsse tatsachenwidrige Diffamierungen von "jüdischen Sexualwissenschaftlern" ins Feld führt und auf kritische Fragen dazu jegliche Antwort verweigert.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org protestiert gegen dieses unhaltbare Vorgehen und wird künftig in loser Folge Tatsachen dokumentieren, von welchen der Deutsche Ethikrat nicht will, dass sie öffentlich bekannt und diskutiert werden.

Ein Themenkomplex, den der Deutsche Ethikrat mit besonderem Eifer vom Online-"Diskurs" wegzensurierte, sind Belege und Literaturstellen für Zusammenhänge zwischen NS-Medizinverbrechen und den heutigen Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken.

Abenteuerliche Begründung für diese Zensur: Schuldig an den heutigen Genitalverstümmelungen an "Intersexuellen" seien nicht genitalamputierende NS-Mediziner, sondern wenn schon "jüdische Sexualwissenschaftler" aus dem "Institut für Sexualwissenschaft in Berlin", welche 1931 die "erste vollständige Operation dieser Art" durchgeführt hätten.

Obwohl der Ethikrat danach mehrfach auf die Tatsachenwidrigkeit dieser Behauptung hingewiesen wurde, blieb er auf kritische Fragen dazu bisher jegliche Antwort schuldig.

Stattdessen verlegte sich der Deutsche Ethikrat darauf, kritische Fragesteller_innen zu schikanieren und aus dem Online-"Diskurs" herauszudrängen.

Tatsache bleibt: Die zweifelhafte Ehre, als erste eine "vollständige" Genitalverstümmelung an einem "Intersexuellen" durchgeführt zu haben, steht keinesfalls den vom Ethikrat namentlich erwähnten Medizinern Ludwig Levy-Lenz und Felix Abraham zu. Diese führten nämlich keine uneingewilligten Operationen an "Intersexuellen" durch, sondern eingewilligte Eingriffe an, wie sie es nannten, "Transvestiten".

Zwar sind Sexologen nicht nur aus dem "Institut für Sexualwissenschaft" an der Entstehung der heutigen Praxis der Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken nicht unbeteiligt – und dies notabene unabhängig von religiösen und sonstigen Zugehörigkeiten.

Die "Ehre" der ersten Genitalamputation an einem "Intersexuellen" steht laut der Dissertation von Dominik Leitsch vielmehr dem deutschen Mediziner und NSDAP-Mitglied Hans Naujoks zu, der diese 1934 als Leiter der Kölner Uni-Frauenklinik durchgeführt habe.

Bezeichnenderweise wurde dieser Literaturhinweis von der Ethikrat-Redaktion mittlerweile aus dem Online-"Diskurs" herauszensuriert ...

Mehr dazu im nächsten Teil.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!". Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.
  
Freundliche Grüße

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org
Gründungsmitglied Schweizerische Selbsthilfegruppe Intersex.ch
Mitglied Intersexuelle Menschen e.V.
Mitglied XY-Frauen
Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse_at_zwischengeschlecht.info

http://zwischengeschlecht.org
Regelmässige Updates: http://zwischengeschlecht.info

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Nachtrag 19.7.11: Der Deutsche Ethikrat dementiert

>>> Übersichtsseite zur laufenden Ethikrat-Anhörung 2011

>>> Ein bisschen Zensur auf dem Ethikrat-Online-Diskurs "Intersexualität" (I)
>>>
Zensur 2.0 - Ethikrat löscht Kommentar von ETEKAR (II)
>>>
Meinungsäusserung à la Ethikrat: Verstümmelungen akzeptieren oder Maul halten (III)
>>>
Dokumentation der Zensur auf dem Ethikrat-Online-"Diskurs" (IV)  
>>> Prof. Hans Naujoks – "seit 1934 rassistische Operationen an Intersexuellen" (V)  
>>> Deutscher Ethikrat – Privilegien für Genitalverstümmler, Zensur für Opfer  

>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter
>>>
Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat
>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>>
150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen

>>>
Friedlicher Protest & Offener Brief "3rd EuroDSD" 2011
>>>
Friedlicher Protest & Offener Brief DGE 2011
>>> Friedlicher Protest & Offener Brief DGKJ-DGKCH 2010
>>> Friedlicher Protest & Offener Brief APE-AGPD 2010
>>> Friedlicher Protest & Offener Brief 11th EMBL/EMBO 2010
>>> Aktion & Offener Brief Ostschweizer Kinderspital St. Gallen 2011
>>> Aktion & Offener Brief Kinderspital Luzern 2010
>>> Aktion & Offener Brief Inselspital Bern 2009
>>> Aktion & Offener Brief Kinderspital Zürich 2008

Siehe auch:
- Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- "Die Macht der Tabus" - Konstanze Plett über Genitalverstümmelung
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- Das Medizynermärchen von den "früheren Behandlungsmaßstäben"
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller chirurgischen Genitalverstümmelungen in deutschen Kinderkliniken 
- "Genitalkorrekturen in Deutschland in der Regel im ersten Lebensjahr" (DGKJ/APE/DGE)
- "Netzwerk DSD/Intersexualität": Ethik-Empfehlungen als Feigenblatt für Zwangsoperateure
- Amnesty Deutschland: "fundamentaler Verstoß gegen die Menschenrechte"
- Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung
- Genitale Verstümmelung & Folgeschäden - AGGPG 1998
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg
- Lübeck: Klinikdirektor propagiert genitale Zwangsoperationen an Kindern
- Hamburg, Ort von Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken 
- Göttingen / Lübeck: Direktor und Oberarzt propagieren Genitalverstümmelung
- Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat 2010 
- Zwangsoperationen an Zwittern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2
- Chirurgische Genitalverstümmelungen: UNO mahnt Bundesregierung
- Schweiz: Terre des Femmes und Amnesty gegen Zwangsoperationen an Zwittern
- Die grosse "Intersex"-Statistik-Lüge
- Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Sunday, July 3 2011

Operiertes Kind als Idealfall? - Vereinnahmende Sichtweisen im Ethikrat-Diskurs bei Michael Wunder (I) - Daniela "Nella" Truffer, 3.7.11

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

>>> Mein Kommentar im Ethikrat-Online-Diskurs zum Beitrag von Michael Wunder: "Die Diskussion aus den gesellschaftlichen Höhlen holen":

Zum ersten und zweiten Absatz des Textes von Michael Wunder: Diese Geschichte mit dem Trampolin und dem Kind, das in der Kita auf die Frage “Bist Du ein Junge oder ein Mädchen?” sagt, “Ich bin beides”, gefällt sicher allen Menschen, die das Zweigeschlechtersystem in irgend einer Form in Frage stellen und dafür politisches “Material” brauchen.

Für verstümmelte Zwitter die bittere Ironie dabei: Diese Geschichte und ihre Verwendung stehen exemplarisch für die “Sicht der anderen”. Und dafür, wie Zwitter dazu instrumentalisiert werden:

Das Kind ist, wie die Mutter an der Anhörung ja selber sagte, “operiert” … Und die Art, wie die Mutter dabei um den konkreten Eingriff nur herumredet, gibt Anlass zur Befürchtung, dass es sich dabei NICHT um eine “lebenserhaltende” Operation handelte, sondern um den üblichen Versuch, “Uneindeutigkeit wegzuoperieren”. (Vgl. Simultanmitschrift, S. 11-12)

Ein “operierter” Zwitter als Vorzeigebeispiel und Anschauungsmaterial für Geschlechtertheorie und -politik ist notabene das menschenrechtswidrige Standardmodell der letzten 60 Jahre. Dies als “wünschenswerten Regelfall” zu proklamieren, kann nur einem nicht-operierten Nicht-Zwitter einfallen …

Wohl nichts als folgerichtig, dass im nächsten Absatz bei der Beschreibung unserer “gesellschaftlichen Wirklichkeit” an erster Stelle “Diskriminierung am Arbeitsplatz” genannt wird – und die massiven Eingriffe in unsere körperliche Unversehrtheit erst am Schluss dieser Liste erwähnt werden.

Ebenso, dass die Problematik der “eingreifenden Operationen” (noch so ein beschönigender Ausdruck, der nur von einem nicht-operierten Nicht-Zwitter stammen kann) in den abschließenden Forderungen einmal mehr durch Abwesenheit glänzt. Sondern dafür verwiesen wird auf Anliegen “auch in anderen Bereichen”.

Es gibt Brillen, die sind wohl nur sehr schwer abzulegen.

Georg Klauda hat das schon vor bald 10 Jahren sehr schön beschrieben in seinem Vortrag “Fürsorgliche Belagerung”, gehalten am 31. Oktober 2002 im Berliner “Haus der Demokratie und Menschenrechte”:

“Ich denke, dass Hermaphroditen sich in diesem Szenario nur entfernt wiederfinden, weil es ihnen nicht um ihre Selbstdefinition, sondern um das Ende einer invasiven Medizin geht. Oft sind es daher nicht sie selbst, sondern Transsexuelle sowie Lesben und Schwule, die auf der Bühne diese Rolle für sie übernehmen. Dass sich gerade sie dieses Themas annehmen, liegt an einem Überschuss von Projektion. Sie sehen nicht, dass ihre Problematik, d. h. die Problematik von Coming-out und gesellschaftlicher Anerkennung, nicht die von Hermaphroditen ist. Sie sehen nicht, dass die ungefragte Adoption von Hermaphroditen durch die Lesben-, Schwulen- und Trans[sexuell]enbewegung einer Überrumpelung und Kolonialisierung gleichkommt und moralisch unzulässig ist, weil sie das eigentliche Anliegen von Menschen mit medizinischer Gewalterfahrung überdeckt.”

Nur auf den ersten Blick erstaunlich, dass auch manche Zwitter offenbar selbst nicht sehen können oder wollen, dass hier mal wieder ein operiertes Kind als Idealfall verkauft und somit unsere Lebensrealität negiert wird:

Es gibt Realitäten, die sind nur sehr schwer zu ertragen. Trotzdem oder eben gerade deshalb müssten auch Betroffene vermehrt genau hinschauen und ihre Bedenken anmelden, damit sich diese Realitäten endlich ändern!

Nachtrag 1: Antwort von Dr. Michael Wunder, 4.6.11 
Nachtrag 2: Operiertes Kind als Beispiel für eine "offene und tolerable Erziehung"? (II)

>>> Trauma, Opferrolle, Befreiung  

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter

>>> Übersichtsseite zur laufenden Ethikrat-Anhörung 2011

    
Unzensierte Version: Draufklicken (PDF, 3.3 MB)
>>> Flugblatt zur Anhörung (PDF, 3.3 MB)
         WARNUNG: 2. Seite enthält Operationsfotos!

>>> "Um den heißen Brei geredet" - Video-Statement
>>> Statement Forum 1: "Medizinische Behandlung – Indikation – Einwilligung"
>>> Statement Forum 2: "Lebensqualität Betroffener und Perspektiven"

>>> Aufforderung um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Dezember 2008
>>> Erneute Anfrage um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Mai 2009 
>>> Forum Bioethik des Deutschen Ethikrates zu "Intersexualität" 23.6.2010  
>>> Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat 

Siehe auch:
- Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Offener Brief an das "3rd EuroDSD Symposium", Lübeck 21.5.2011
- 9. Menschenrechtsbericht: Bundesregierung deckt medizinische Verbrechen 
- Zwitter-Genitalverstümmelungen: Ethikrat gefordert
- "Ethik als Freifahrtschein für operieren auf Teufel komm raus" - Claudia Wiesemann
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen! 
- Zwangsoperationen an Zwittern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag (I)
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Tuesday, June 28 2011

"Grausam wäre es, nicht zu operieren" - Tätersprache im Ethikrat-Diskurs (Daniela "Nella" Truffer, 28.6.11)

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

>>> Mein Kommentar im Ethikrat-Online-Diskurs zum Beitrag von Claudia Wiesemann: "Kinder haben Rechte":

Immer wieder dasselbe …

Genährt von der Hoffnung, dass sich endlich mal was ändert, hatte ich zuerst den Eindruck, dass hier jemand die Praxis der “Behandlung” von “intersexuellen Menschen” kritisiert (vor allem weil sich Claudia Wiesemann in der Vergangenheit schon klarer dazu geäußert hat, zum Teil auch am letztjährigen Forum Bioethik des Deutschen Ethikrates).

Aber wenn dann schon zu Beginn vom “Preis” gesprochen wird, der “zu hoch” war, dann suggeriert dies, dass alles besser wäre, wenn man das Ganze nur etwas “günstiger” verkaufen würde.

Dass der “intersexuelle Mensch” dabei in den allermeisten Fällen nicht “Käufer” war, der selbst entscheiden konnte, ob er etwas “kaufen” will, und falls ja, zu welchen Konditionen, wird natürlich nicht explizit erwähnt, sondern es wird durch die schiefe Metapher vielmehr das Gegenteil impliziert.

Was – wen wundert’s – gut zum scheinbar obligaten relativierenden Fazit passt:

“Wir sollten nicht ganz selbstverständlich die Interessen des Kindes zugunsten der Wünsche des späteren Erwachsenen hintanstellen. So wichtig es ist, dem Erwachsenen, der das Kind einmal sein wird, die Verfügungsgewalt über sein Leben zu erhalten, so wichtig ist es auch, die Bedürfnisse des Kindes nicht zu hintergehen. [...] Das Kind braucht – wie die Kinderrechtskonvention betont – seine Familie als Schutzraum seiner Entwicklung; es braucht Verlässlichkeit, Geborgenheit, Zugehörigkeit. Die Menschenrechte des Kindes zu beschneiden, um den Menschenrechten des zukünftigen Erwachsenen Genüge zu tun? Das wäre grausam und kann der Sache nicht dienlich sein.”

Aha: dann stattdessen lieber das Kind selbst “beschneiden”, um – äh, welche nun genau? – Menschenrechte zu wahren … ? Und obendrein noch um “Grausamkeiten” zu vermeiden? Hallo?

Als Betroffene empfinde ich solche vermeintliche Kritik an der “Behandlung” Zwischengeschlechtlicher jedes Mal aufs Neue als betäubenden Schlag ins Gesicht, als Fortführung des mir seit meiner Kindheit angetanen Unrechts.

Schwammige Aussagen und Interpretationen dieser Art, die dann Medizynern postwendend als Rechtfertigung für weitere Verstümmelungen dienen, muss ich mir jedoch ständig anhören oder sie lesen, sobald “wissenschaftliche Experten” bestellt werden und ich mich an einem solchen Diskurs beteiligen will.

Ebenso den rhetorischen Kniff mit dem relativierenden täterfreundlichen Fazit, dieser findet sich zum Beispiel auch in den “Ethischen Grundsätzen und Empfehlungen” der Arbeitsgruppe Ethik des Netzwerk Intersexualität/DSD (Leitung: Claudia Wiesemann, juristische Expertin: Sonja Rothärmel).

In diesen “Ethik-Empfehlungen” heißt es betreffend juristische Rechte der Kinder abschließend kurz und knapp: “Rechtlich steht letztlich den Eltern die Entscheidung zu.”

Was dann die aktuelle AWMF-Leitlinie 027/022 “Störungen der Geschlechtsentwicklung” im Abschnitt “Chirurgische Therapie” prompt ebenfalls abschließend zitiert, und worauf sich seither Medizyner unvermeidlich jedes Mal berufen, sobald Betroffene es wagen sollten, die Rechtmäßigkeit der Kinderverstümmelungen anzuzweifeln.

Ja, ja, “Kinder haben Rechte”, aber “Erwachsene sind oft gefangen in der Ambivalenz der Wünsche” usw., und das muss man doch auch respektieren, denn: “Eltern haben auch Rechte!” (Kinderchirurgin Susanne Krege, Leiterin Kinderurologie Krankenhaus Maria Hilf Krefeld, an einem “Ethik”-Vortrag am UK Aachen 30.05.2011, unter Berufung auf … – genau, die “Netzwerk-Empfehlungen”).

Und tja, wenn die Eltern ein unverstümmeltes Kind halt einfach nicht wollen, dann wäre es in diesem Fall doch unmenschlich, ja “grausam”, dem Kind den “Schutzraum der Familie” und “ein Leben in Normalität” böswillig versagen zu wollen, oder?

Diese unsägliche und für alle Betroffenen schlichtweg unerträgliche Verdrehung, “grausam” (oder gar “Gewalt”) seien in Tat und Wahrheit nicht etwa die Genitalverstümmelungen an Kindern und deren lebenslange Folgen, sondern “grausam” (oder gar “Gewalt”) sei es im Gegenteil, Kinder unverstümmelt aufwachsen zu lassen, und das alles unter Berufung auf Kinderkonvention, “Kindeswohl” und sonstigen “Schutz der Kinder”, das ist leider ebenfalls keine einmalige Entgleisung, sondern seit Jahr und Tag in Diskursen mit Medizynern und “Experten” offensichtlich unvermeidlich.

Stellvertretend nur zwei weitere aktuelle Beispiele:

“Ich stelle mir einen Schulhof vor. Jetzt stellen Sie dort ein Kind hinein, das keine Zuordnung Junge oder Mädchen hat. Dieses Kind setzen Sie einer Situation aus, in der es extrem verletzlich ist. Sie wissen, wie grausam Kinder sein können. [...] Wenn Sie in unserer Gesellschaft nur einen Arm haben, dumm sind oder an einem Herzfehler leiden, dann wird die Gesellschaft das akzeptieren. Wenn Sie aber keine klaren Aussagen über Ihr Geschlecht treffen können, dann wird Ihnen die Gesellschaft übel mitspielen. [...] Und ohne die Möglichkeit, eindeutig wahrgenommen zu werden, ist das Leben extrem grausam und meiner Meinung nach auch nicht zu bewältigen.” (Kinderchirurg Pierre Mouriquand, Referent am diesjährigen “3rd EuroDSD Symposium” in Lübeck, Arte 08.10.2010. – Immerhin gibt Pierre Mouriquand im selben Interview wenigstens zu, dass es “Augenwischerei” wäre, zu behaupten, “dass sich bei einer Klitorisreduktion die Empfindsamkeit nicht verändern würde”.)

“Wenn sie eine Patientin nicht operieren, etwa ein Mädchen mit Adrenogenitalem Syndrom, von denen wir wissen, dass sie sich als Mädchen entwickeln werden, das wäre eine Art von Gewalt, dieses Kind nicht zu operieren, weil es sonst Jahre einer sehr schwierigen Entwicklung mit einem uneindeutigen Genitale durchmachen muss.” (Heiko Krude, stellvertretender Direktor Otto-Heubner-Centrum, Charité Berlin, Deutsche Welle 16.05.2011)

Kein Wunder, haben die meisten Zwangsoperierten wenig Lust und auch nicht die Kraft, sich solchen in mehrerer Beziehung grauenhaften und grausamen Diskursen auszusetzen – obwohl rege Beteiligung gerade deshalb umso nötiger wäre!

>>> Trauma, Opferrolle, Befreiung  

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter

>>> Übersichtsseite zur laufenden Ethikrat-Anhörung 2011

    
Unzensierte Version: Draufklicken (PDF, 3.3 MB)
>>> Flugblatt zur Anhörung (PDF, 3.3 MB)
         WARNUNG: 2. Seite enthält Operationsfotos!

>>> "Um den heißen Brei geredet" - Video-Statement
>>> Statement Forum 1: "Medizinische Behandlung – Indikation – Einwilligung"
>>> Statement Forum 2: "Lebensqualität Betroffener und Perspektiven"

>>> Aufforderung um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Dezember 2008
>>> Erneute Anfrage um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Mai 2009 
>>> Forum Bioethik des Deutschen Ethikrates zu "Intersexualität" 23.6.2010  
>>> Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat 

Siehe auch:
- Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Offener Brief an das "3rd EuroDSD Symposium", Lübeck 21.5.2011
- 9. Menschenrechtsbericht: Bundesregierung deckt medizinische Verbrechen 
- Zwitter-Genitalverstümmelungen: Ethikrat gefordert
- "Ethik als Freifahrtschein für operieren auf Teufel komm raus" - Claudia Wiesemann
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen! 
- Zwangsoperationen an Zwittern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag (I)
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Friday, June 10 2011

Ethikrat Forum 2: "Lebensqualität Betroffener und gesellschaftliche Situation und Perspektiven"

ggg

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

>>> "Um den heißen Brei geredet" - Video-Statement

Statement von Daniela "Nella" Truffer für die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org an der Anhörung des Deutschen Ethikrates, 08.06.2011:

>>> Statement als PDF (ohne Links in Fussnoten, 63 KB)

2. "Lebensqualität Betroffener und gesellschaftliche Situation und Perspektiven"

Seit bald 20 Jahren beklagen überlebende Betroffene öffentlich, dass die medizinisch nicht notwendigen Eingriffe und das Verschweigen ihre Probleme weniger lösen als verschlimmern oder gar erst verursachen und verurteilen sie als westliche Form der Genitalverstümmelung [1]. Eine Einschätzung, die von immer mehr Menschenrechtsorganisationen und FGM-Expertinnen geteilt wird [2].

Trotzdem werden in deutschen Kinderkliniken nach Erhebungen der Behandler selbst immer noch 90% [3] aller Kinder und Jugendlichen durchschnittlich mehrfach verstümmelt; die Hälfte der Kinder [4] und 20% der Jugendlichen [5] werden heute noch gar nicht oder nur unzureichend aufgeklärt.

Dementsprechend muss als erstes ein Verbot aller kosmetischen Genitaloperationen und kosmetischen Hormonbehandlungen an Kindern und Jugendlichen durchgesetzt werden sowie das Recht auf vollumfängliche Aufklärung für alle Betroffenen.

Als zweites muss das Leid der Zwangsbehandelten soweit wie noch möglich gelindert und der verursachte Schaden soweit wie möglich wieder gut gemacht werden:
• Viele Betroffene sind aufgrund der durch die Behandlung verursachten psychischen und physischen Schäden erwerbsunfähig und fristen ein prekäres Dasein.
• Die meisten Zwangsbehandelten sind traumatisiert und benötigen eine Psychotherapie, die sie aber nicht bezahlt bekommen.
• Viele Betroffene erhalten eine adäquate Hormonersatztherapie entsprechend den ihnen entfernten Hormon produzierenden Organen oft nur auf Privatrezept.

Drittens braucht es eine gesellschaftliche Aufarbeitung und Aussöhnung:
• Entschädigung und Rehabilitation geschädigter Betroffener durch einen Hilfs- und Entschädigungsfonds, alimentiert durch den Staat als politisch Verantwortlicher und die konkret verantwortlichen ärztlichen Standesorganisationen.
• Einsetzung einer Wahrheitskommission: das Unrecht der Medizinversuche muss gesellschaftlich anerkannt, ein dunkles Kapitel der Medizingeschichte muss beendet und öffentlich aufgearbeitet werden.

Viertens müssen erwachsene Zwangsbehandelte und künftig hoffentlich unversehrt heranwachsende Betroffene vor Diskriminierungen geschützt und gestärkt werden:
• Die größte Diskriminierung, die zuerst behoben werden muss, ist wie erwähnt die Verweigerung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung. Danach bleiben jedoch noch weitere Diskriminierungen, die bekämpft werden müssen, zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt, bei Versicherungsabschlüssen oder im Sport.
• Fragen des Personenstandsrechts sind für die überwiegende Mehrzahl der Betroffenen klar von zweitrangiger Bedeutung. Gemäß §47 Personenstandsgesetz ist für Betroffene ein gerichtlicher Antrag auf Berichtigung des Geschlechts möglich, auch wenn dies offensichtlich noch nicht bei allen Amtsstellen genügend bekannt ist. Seit 1.1.2009 besteht gemäß §7 PSTV für Betroffene neu keine verbindliche Frist mehr für den Personenstandseintrag. Auf diesen bereits bestehenden Wegen ist behutsam fortzufahren.
Ein Drängen auf Abschaffung des Personenstandseintrages oder auf Einführung eines zwangsweise Personenstandseintrages "unbestimmt" oder ähnlich ist kontraproduktiv: operationswillige Eltern wollen dann erst recht eindeutige Tatsachen schaffen und die "Schande" eines unbestimmten Eintrags vermeiden.
Radikale Personenstandsreformen, wie diese hauptsächlich von dritten Interessensgruppen immer wieder im Namen der Betroffenen gefordert werden, sind zudem im Gegensatz zu körperlicher Unversehrtheit politisch umstritten und kaum mehrheitsfähig. Betroffene kritisieren solche politischen Vereinnahmungen schon lange [6]. Mittelfristig ist jedoch für erwachsene Betroffene ein optionaler Eintrag "intersexuell" oder "zwittrig" durchaus erstrebenswert.
• Nicht zeugungsfähigen Betroffenen werden Adoptionen verwehrt, nur weil sie intersexuell sind, andere werden gezwungen, ihre Intersexualität zu verheimlichen. Der Zugang zur Adoption muss auch für Betroffene ermöglicht und gegebenenfalls erleichtert werden.

Seit dem Forum Bioethik des Deutschen Ethikrates vom letzten Jahr wurden allein in deutschen Kinderkliniken weit über 300 weitere Kinder irreversibel genitalverstümmelt. Zahllose Betroffene setzen seit langem große Hoffnung in den Deutschen Ethikrat. Möge die heutige Anhörung dazu führen, dass endlich entscheidende Schritte unternommen werden für ein Leben in Unversehrtheit und Würde auch für Menschen mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen.

Quellen:

[1] Arbeitsgruppe gegen Gewalt in der Pädiatrie und Gynäkologie (AGGPG): "Genitalverstümmelungen in Deutschland in der Kinder- und Jugendgynäkologie" (1996).

[2] Eine Auflistung von aktuell 13 Quellen siehe: Zwischengeschlecht.org: "Westliche Form der Genitalverstümmelung"

[3] Martina Jürgensen: "Klinische Evaluationsstudie im Netzwerk DSD/Intersexualität: Zentrale Ergebnisse", Vortrag 27.05.2009, Folie 6.

[4] Eva Kleinemeier, Martina Jürgensen: Erste Ergebnisse der Klinischen Evaluationsstudie im Netzwerk Störungen der Geschlechtsentwicklung/Intersexualität in Deutschland, Österreich und Schweiz. Januar 2005 bis Dezember 2007, 2008, S. 32 ("Die Hälfte aller Kinder zwischen 8 und 12 Jahren, bei denen regelmäßige ärztliche Kontrollen durchgeführt werden, ist nicht über die konkreten  Gründe dafür aufgeklärt.")

[5] Eva Kleinemeier, Martina Jürgensen: Erste Ergebnisse der Klinischen Evaluationsstudie im Netzwerk Störungen der Geschlechtsentwicklung/Intersexualität in Deutschland, Österreich und Schweiz. Januar 2005 bis Dezember 2007, 2008, S. 33 ("82% der Jugendlichen kennen die genauen Gründe der regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen und 3/4 der Jugendlichen mit uneindeutigem  Genitalbefund wissen, dass die bei ihnen die Geschlechtsorgane anders aussehen oder ausgesehen haben als es gewöhnlich der Fall ist.")

[6] Eine Auflistung von aktuell 12 Quellen siehe: Zwischengeschlecht.info: "Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung".

>>> "Um den heißen Brei geredet" - Video-Statement
>>> Statement Forum 1: "Medizinische Behandlung – Indikation – Einwilligung"

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter 
>>>
Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen

>>> Ein bisschen Zensur auf dem Ethikrat-Online-Diskurs "Intersexualität" (I)
>>> Zensur 2.0 - Ethikrat löscht Kommentar von ETEKAR (II)  
>>> Meinungsäusserung à la Ethikrat: Verstümmeln akzeptieren oder Maulkorb (III) 
>>> Dokumentation der Zensur auf dem Ethikrat-Online-"Diskurs" (IV) 
>>> Pressemitteilung Zwischengeschlecht.org 19.7.11    >>> Dementi Deutscher Ethikrat
>>> Prof. Hans Naujoks – "seit 1934 rassistische Operationen an Intersexuellen" (V) 
>>> Deutscher Ethikrat: Privilegien für Genitalverstümmler, Zensur für Opfer   

>>> Übersichtsseite zur laufenden Ethikrat-Anhörung 2011

    
Unzensierte Version: Draufklicken (PDF, 3.3 MB)
>>> Flugblatt zur Anhörung (PDF, 3.3 MB)
         WARNUNG: 2. Seite enthält Operationsfotos!

>>> Aufforderung um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Dezember 2008
>>> Erneute Anfrage um Unterstützung an den Deutschen Ethikrat Mai 2009 
>>> Forum Bioethik des Deutschen Ethikrates zu "Intersexualität" 23.6.2010  
>>> Anliegen von Zwischengeschlecht.org an den Deutschen Ethikrat 

Siehe auch:
- Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
- Alice Dreger über EthikerInnen als MittäterInnen
- Offener Brief an das "3rd EuroDSD Symposium", Lübeck 21.5.2011
- 9. Menschenrechtsbericht: Bundesregierung deckt medizinische Verbrechen 
- Zwitter-Genitalverstümmelungen: Ethikrat gefordert
- "Ethik als Freifahrtschein für operieren auf Teufel komm raus" - Claudia Wiesemann
- Weltweit größte Zwitter-Studie straft Bundesregierung Lügen! 
- Zwangsoperationen an Zwittern: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag (I)
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Friday, June 3 2011

Anja Gregor: "Es waren zwei Königskinder ..." - arranca! #43 + mehr (Selbst-)Kritisches gegen Zwittervereinnahmung

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Noch sind (selbst-)kritische und nicht-vereinnahmende, sondern mit der Zwitterbewegung konkret solidarische Äusserungen, Publikationen und Aktionen von LGBTQ-AktivistInnen leider klar die Ausnahme und immer noch nicht die Regel. Trotzdem kommt nun erfreulicherweise in den letzten ein, zwei Jahren da und dort langsam etwas in Bewegung.

Ein weiteres Beispiel dafür ist ein in der >>> arranca! #43 erschienener >>> Artikel von Anja Gregor: "Es waren zwei Königskinder ..." (PDF). (Der Artikel wird ab ca. Sommer auf der arranca-Homepage online sein.) Anja Gregor doktoriert aktuell an der Unversität Jena ebenfalls zum Thema "Intersexualität".

Untenstehend einige zentrale Zitate aus dem Artikel, gefolgt von einigen kritischen Anmerkungen plus Hinweisen auf aktuelle weitere positive Entwicklungen in Leipzig, nämlich die explizit nicht-vereinnahmende Behandlung des Themas durch das heute anlaufende "Paranoid Paradise Queer Film Festival" sowie einen kürzlichen Vortrag von Anja Gregor am Ladyfest Leipzig.

Zitate aus "Es waren zwei Königskinder":

[...] Für ‚Intersexuelle’ steht damit das Recht auf körperliche Unversehrtheit an erster Stelle [...]

‚Intersexualität’ als politisches Moment steht damit zunächst für die Auseinandersetzung mit der Verhinderung von Operationen im Genitalbereich, die die Betroffenen als Verstümmelung ihrer gesunden Körper ansehen. Weiter gedacht steht er damit für die Aufklärung von Eltern ‚intersexueller’ Kinder und Mediziner_innen sowie die Krisenintervention bei Betroffenen. [...]

Es muss also zunächst die Existenzberechtigung ‚intersexueller’ Körper gesichert werden. ‚Intersex’ Politiken beinhalten nicht zwingend auch gleich die Auseinandersetzung mit der Kritik des kulturellen Systems der Zweigeschlechtlichkeit im Allgemeinen. Und damit wären wir bei den Reibungspunkten mit queer Aktivist_innen.

[...] Selten wird dagegen in queeren Texten auf die Forderungen von ‚intersex’ eingegangen. ‚Intersexuellen’ geht es aber zunächst einmal unabhängig von ihrem Verständnis als geschlechtliche Wesen, also unabhängig davon, ob sie sich als geschlechtlich ein- oder mehrdeutig oder als nicht verortbar verstehen, um die Beendigung der Gewalt gegen ihre Körper und ein Aufwachsen ohne traumatisierende Gewalterfahrungen. So kann beim Lesen solcher queer Texte schon einmal der Eindruck entstehen, ‚Intersexuelle’ werden lediglich als Beweis der gewaltvolle Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit angebracht aber nicht als Mitstreiter_innen mit eigenen Forderungen gesehen. [...]

Die Sichtbarmachung traumatisierender medizinischer Behandlungspraxen gegen ‚intersexuelle’ Menschen und die konkrete Forderung der Beendigung genitaler Operationen im Kleinkind- und Jugendalter muss selbstverständlichen Eingang in queer Politiken finden, und zwar unabhängig vom Gender-Verständnis der Betroffenen. [...]

Sich die eigene privilegierte Position bewusst machen und das entsprechende Handeln folgen lassen, das Bewusstsein von der Normierungspraxis der Medizin an ‚intersexuellen’ Körpern und ihren intrinsischen Begründungslogiken, die Suche nach einer gemeinsamen Sprache aufgrund von ähnlichen (jedoch nicht ohne weiteres vergleichbaren) Erfahrungen, indem von Seiten der Queers aktiv der Dialog mit Instanzen des ‚Intersex’-Aktivismus gesucht wird, können Schritte einer geschwisterlichen Zusammenarbeit sein.

Meine 2 Cent: Ein weiterer Text, der die 2002 durch Emi Koyama und Lisa Weasel formulierten Kritikpunkte an Vereinnahmung/Objektivierung der realen Zwitter u.a. durch Gender Studies aufnimmt und weiterentwickelt und daraus folgernd das Recht auf körperliche Unversehrtheit korrekt an erste Stelle stellt (siehe Zitate oben). Dafür ein herzliches Danke!

Nach wie vor liegen jedoch einige Probleme in Details: Nach wie vor dominieren klassische Queer-Anliegen à la "Verunsicherung hegemonialer Geschlechtskonzepte" bzw. Kampf gegen die "ausschließende Zweigeschlechtlichkeit des Grundgesetzes" z.T. unterschwellig den Text, wenn z.B. auf konkrete Grund- und Gesetzesparagraphen einmal mehr nur im Zusammenhang mit Geschlecht und Personenstandsgesetz verwiesen wird, während z.B. GG Art. 2.2 (Recht auf körperliche Unversehrtheit) nicht konkret aufgeführt wird, ebensowenig wie relevante Paragraphen betreffend Körperverletzung etc. Auch das Grundproblem der Nicht-Einklagbarkeit der Verstümmelungen an Kleinkindern aufgrund der Verjährungsfristen wird nicht angesprochen, ebenso weder in diesem Zusammenhang noch sonstwo die Gemeinsamkeiten der Leiden und Kämpfe der verstümmelten Zwitter z.B. mit den Überlebenden von sexualisierter Gewalt an Kindern.

Noch ganz unterhalb des Wahrnehmungsradars bleiben leider die konkreten politischen Probleme einer Zusammenarbeit im Namen von Queer & LGBT, nämlich dass der Kampf gegen die Genitalverstümmelungen in den Kinderkliniken so in der politischen Wahrnehmung schnell mal als "marginales Schwulenanliegen" schubladisiert und abgetan werden, und so konservative/christliche PolitikerInnen (die aktuell in den meisten Parlamenten nach wie vor die Mehrheit stellen) von vornherein auf Ablehnung schalten, noch bevor die Zwitter-Aktivist_innen überhaupt je die Gelegenheit erhalten, zu erklären, worum es überhaupt geht – während umgekehrt bekanntlich auch konservative/christliche PolitikerInnen das Unrecht der Verstümmelungen erkennen und auch entsprechend politisch Stellung beziehen, wenn entsprechende Anliegen/Vorstösse eben NICHT in/aus der LGBTQ-Terminologie/Ecke kommen ...

Deshalb ist es gerade im politischen Kampf (und auch bei Demos) wichtig, dass fortschrittliche LGBTQs sich konkret mit den Zwitterforderungen solidarisieren (bekanntlich gehen nur wenig traumatisierte Zwangsoperierte auf die Strasse), aber eben ausdrücklich als Solidarische und NICHT als "Queer-Aktivisten", bzw. im politische Kampf entsprechend Zurückhaltung üben und entsprechenden Wert darauf legen, dass auch christliche/konservative PolitikerInnen zum Zug kommen – nur so wird die notwendige politische Mehrheit zur Beendigung der Verstümmelungen möglich sein ...

Fazit: Ein wichtiger Anfang ist gemacht, doch der Weg ist noch nicht zu Ende ...

Leipzig 30.6.:
"El último verano de la Boyita" @ "Paranoid Paradise Queer Film Festival"

Am Do 30. Juni läuft in Leipzig der bisher neueste Zwitterfilm aus Argentinien (Regie: Julia Solomonoff). Auf der >>> Homepage des Festivals hat dazu ein Statement, von dem sich noch so manche andere ruhig mal eine Scheibe abschneiden könnten – hört, hört:

Das paranoid:paradise-Team möchte an dieser Stelle seine Solidarität mit den Forderungen nationaler und internationaler Intersex-Verbände und -Aktivist_innen und seine reflektierte und ambitionierte Position bekunden. „Intersex“ wird von uns in diesem Kontext ganz klar NICHT innerhalb von (selbstgewählten) queeren Identitäts- und Lebensentwürfen angesiedelt. Es soll nicht als Abstraktum, Metapher, Mystifizierung oder Idealvorstellung einer Irritation der gesellschaftlichen Zweigeschlechterordnung instrumentalisiert werden, denn die individuelle Lebensrealität intergeschlechtlicher Menschen ist vielmals von erniedrigenden und schmerzlichen, körperlich- materiellen Erfahrungen geprägt und sollte daher nicht in einer (queeren) Homogenität untergehen/vergessen werden. Intersexualität ist vor allem ein medizinisches und gesellschaftliches "Problem" und uneindeutige Genitalien ein ästhetisches "Tabu". Auch wir fordern: "Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!" und rufen alle Interessierten auf, sich z.B. bei folgenden Organisationen über die gegenwärtige Behandlungspraxis an intersexuellen Menschen und deren Konsequenzen kritisch zu informieren.

Anja Gregor @ Ladyfest Leipzig: "Medizinische Macht und Intersexualität - gegenwärtige Praxis und Wege der Emanzipation"

Vortrag vom 19.5.11, mehr dazu hier.

Siehe auch:
- Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung
- Zwitter und Patriarchat aus feministischer Perspektive 
"Westliche Form der Genitalverstümmelung"
- Das Problem der Instrumentalisierung durch LGBTQ
- Wie Dr. Magnus Hirschfeld einen Zwitter zwangsoperiert, um mit dem Erlös das "Institut für Sexualwissenschaft" zu finanzieren
- LSVD und Zwittersolidarität: 1 Schritt vor, 3 Schritte zurück?
- Die Rede von der "psychischen Intersexualität"

Thursday, May 19 2011

"EuroDSD"-Genitalverstümmler Garry L. Warne (Royal Children's Hospital, Melbourne): "Wir operieren Kinder am liebsten 4 bis 6 Wochen nach der Geburt"

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

«A Gonad For A Gonad, A Lust Organ For A Lust Organ» - Garry L. Warne (left) at the main entrance of '3rd EuroDSD Symposium', Lübeck 20.5.11Friedlicher Protest vor dem "3rd EuroDSD Symposium", Lübeck 20.05.2011
(Mitte: Garry L. Warne, Royal Children's Hospital Melbourne)

Zum Auftakt des "3rd EuroDSD Symposium" morgen in Lübeck haben die Lübecker Organisatoren den Australier Endokrinologen Garry L. Warne eingeladen, der zum Thema "Neue Erfolgsaussichten in der DSD-Forschung" referieren wird.

Allerdings nährt ein Blick auf Garry L. Warnes bisherige "Errungenschaften" primär die Befürchtung, dass die "neuen Aussichten" sich – Überraschung! – letztlich als die alten entpuppen werden, inkl. der bekannten Folgen für die überlebenden Opfer – wohl auch der Grund für die Wahl von Warne durch die "EuroDSD"-Verantwortlichen Olaf Hiort und  Lutz Wünsch (Übersetzungen aus dem Englischen durch Zwischengeschlecht.info):

Das Kernteam für die Behandlung von Intersex-Patienten [am Royal Children Hospital (RCH) Melbourne] arbeitet seit über 25 Jahren zusammen [...]. Während dieser Zeitspanne von 25 Jahren blieb es eine Verfechterin früher Genitaloperationen an Kindern mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen, die als Mädchen aufwachsen sollen. Es rät, die Operationen im Alter von vier bis sechs Wochen vorzunehmen. Das Team empfiehlt ebenfalls die frühe Entfernung der Hoden bei Kompletter Androgenresistenz [CAIS] und bei gemischer XY Gonadendysgenesie. ("Intersex, East and West", S. 200)

Entsprechende Verstümmelungsanpreisungen, versetzt mit einigen symbolischen etwas "progressiver" anmutenden Bausteinen, finden sich dann prompt auch in den Eltern-Broschüren von Garry L. Warne zu "Androgenresistenz" und dem "Adrenogenitalen Syndrom (AGS/CAH)":

BEHANDLUNG VON AGS

[...] Mädchen mit AGS benötigen gewöhnlich Operationen, um normal aussehende Genitalien wiederherzustellen. Jungen benötigen dies nicht.

AGS – CHIRURGISCHE BEHANDLUNG

Chirurgische Behandlung für Mädchen mit AGS

Mädchen mit AGS brauchen gewöhnlich Operationen, um die Klitoris auf Normalgrösse zu verkleinern, zur Trennung zusammengewachsener Schamlippen und zur Vergrösserung des Scheideneingangs. Der technische Name für diese Operation ist 'Klitorisreduktion und Vaginoplastie'. Es wird entweder einzeitig oder in zwei Schritten gemacht. Die Klitorisreduktion wird in den ersten Lebensmonaten vorgenommen. Die Vaginoplastie wird gewöhnlich zur selben Zeit gemacht wie die Klitorisreduktion [...]. ("Your Child with Congenital Adrenal Hyperplasia")

OPERATIONEN VON MÄDCHEN MIT AIS

Die Entfernung der Hoden

Die in der Bauchhöhle verbleibenden Hoden [...] neigen zu Krebsentwicklung. Dies tritt bei etwa 9% der Frauen mit AIS auf, doch selten vor der Pubertät. [Anmerkung: bei CAIS beträgt das Krebsrisiko laut Looijenga et. al. 0.8%-2%] Die meisten Experten sind jedoch der Meinung, dass das Krebsrisiko nach der Pubertät zu hoch ist und empfehlen daher die Entfernung der Hoden vor dem 20. Lebensjahr. [...] Die [...] Entfernung der Hoden in der frühen Kindheit [...] wird zum Teil gewählt, um das Krebsrisiko auszuschließen, weil es viele Eltern in Sorge versetzt. Eine andere Überlegung von Eltern und Ärzten ist, dass es für das Mädchen besser ist, nicht an der Entscheidung über die Entfernung der Hoden beteiligt zu werden. Die frühzeitige Entfernung der Hoden ist bei Kleinkindern mit PAIS (im Gegensatz zu CAIS), die als Mädchen erzogen werden, äußerst wichtig, weil die Hoden ansonsten eine fortschreitende männliche Entwicklung bewirken können. Bei diesen Mädchen bieten Ärzte den Eltern auch eine Operation zur Verkleinerung der Klitoris und zur Trennung der verwachsenen Schamlippen an.
("Komplette Androgenresistenz (CAIS)", S. 17; vgl. auch Anmerkung unten bei Quellenangabe betr. Übersetzung, Unterstützung und Propagierung dieser Aufforderung zum Genitalerstümmeln durch XY-Frauen/Intersexuelle Menschen e.V.)

Dieselben Anpreisungen von verstümmelnden Zwangseingriffen an Neugeborenen, wiederum inkl. einigen symbolischen "progressiveren" Einschüben, sowie unterlegt durch anekdotische "Beweise", propagiert Garry L. Warne auch in medizynischen Fachbüchern – unter mehrfacher Betonung der absoluten Verfügungsgewalt von Eltern und Medizynern über die Körper wehrlosen Kleinkinder:

Etwa 1 von 4000 Kindern wird mit uneindeutigen Genitalien geboren [...]. Dieses Ereignis erzeugt bei den Eltern furchtbare Ängste [...]

MEDIZINISCHE BEHANDLUNG

[...]

Psychologische Unterstützung für Eltern 

[...] Beide Eltern sollten zusammen psychologisch beraten werden. Sie werden dankbar sein zu hören, dass es andere Babies mit denselben Befunden gibt und dass es eine Anzahl wohlbekannter und behandelbarer medizinischer Befunde gibt, die dazu führen, dass Genitalien atypisch aussehen. [...] 

Geschlechtszuweisung

[...] Obwohl es vereinzelt Berichte über erfolgreiche psychosexuelle Ergebnisse gibt bei Menschen, die mit uneindeutigen Genitalien gross geworden sind, besteht keine Klarheit über ihre Anzahl, und die Fallgeschichten sind schlecht dokumentiert, und der Berufsstand der Ärzte bleibt unüberzeugt, dass es vernünftig sei, einem Kind zuzumuten mit uneindeutigen Genitalien aufzuwachsen und für sich selbst eine Entscheidung zu treffend bezüglich Operationen, geschweige denn das Beste. Beobachtungen des Autors in Indien und Vietnam (unpubliziert) weisen darauf hin, dass die meisten Kinder, die mit uneindeutigen Genitalien aufwachsen, weil kein Zugang zu Operationen bestand, ein elendes Leben führen und täglich unter Diskriminierung und Beschimpfungen leiden. [...]

Es gibt objektive Gründe, warum Patienten, die heute operiert werden, bessere Resultate erwarten können als Patienten, die vor 20-30 Jahren behandelt wurden. Klitorisoperationen haben sich mit Sicherheit verbessert. [...]

Aus all diesen Gründen plädiert der Autor fürt die Fortführung der Praxis der frühen Operationen, speziell bei AGS-Mädchen im Hinblick auf die Fertilität. [...] Eltern haben das gesetzliche Recht, über Genitaloperationen [für ihre Kinder] zu entscheiden, wenn ihrer Meinung nach und nach der Meinung der verantwortlichen Ärzte die Vorteile einer Operation grösser sind als die Risiken [...]. ("Management of ambiguous genitalia at birth", S. 97, 100, 101)

Dies alles wohlbemerkt, obwohl sogar eine in Melbourne von Warne selber durchgeführte Vergleichsstudie über "psychologische, sexuelle, soziale Langzeitergebnisse" an 50 operierten "Intersex-Patienten" zum (wenig überraschenden) Resultat kam:

Bei der IS-Gruppe war die Wahrscheinlichkeit geringer zu einem Orgasmus zu kommen als bei der kombinierten Vergleichsgruppe (p<0.05), sie tendierte zu mehr Schmerzen während dem Verkehr (p=0.06), und sie hatte mehr Schwierigkeiten mit Penetration (p<0.01). [...] ("Intersex, East and West", S. 202)

Auch der wohl unheilbar selbstgerechte Verstümmler Warne kommt zwar mittlerweile nicht mehr darum herum, zumindest da und dort zu erwähnen, dass unter den "Patienten" die Meinung über das ihnen angetane Unrecht eine andere ist als unter den BehandlerInnen. Wenig überraschend kann Dr. Warne es dabei nicht lassen, diese über ihre Verstümmelungen wenig Erbauten als "Aktivisten" zu verunglimpfen und ihre Anliegen, Pardon: "Behauptungen", mutwillig zu verzerren und nach Möglichkeit lächerlich zu machen:

[...] einige Patienten-Interessegruppen und Kliniker stellen sich gegen frühe Operationen [...]. Die früheren Patienten, die sich gegen frühe Operationen stellen, tun dies, weil sie unglücklich sind mit den Ergebnissen im Anschluss an ihre eigenen Operationen. Einige sind unzufrieden mit dem Geschlecht, das ihnen als Kind zugewiesen wurde, und viele behaupten weiter, wenig oder keine Befriedigung von sexuellen Beziehungen zu erlangen. ("Management of ambiguous genitalia at birth", S. 101)

Die meisten Pädiater und Kinderchirurgen bevorzugen frühe Operationen, doch die meisten Aktivisten sind dagegen. Wir haben eine Pattsituation erreicht. ("Intersex, East and West", S. 202)

Quellenangaben:
• Garry Warne and Vijayalakshmi Bhatia: "Intersex, East and West", in: Sharon E. Sytsma (Ed.): "Intersex and Ethics", Springer 2006, S. 183-205
• G. L. Warne: "Your Child with Congenital Adrenal Hyperplasia [CAH]" >>> Online-Broschüre
• Garry L. Warne: "Komplette Androgenresisten (CAIS)", Elternbroschüre 1997 (Deutsche Übersetzung XY-Frauen, 2004) (>>> PDF, 1.1 MB  [Anmerkung: Die Selbsthilfegruppe XY-Frauen, Bestandteil von Intersexuelle Menschen e.V., die sich sonst beide insbesondere bei CAIS eigentlich stets gegen die in der Broschüre hemmungslos propagierten Kastrationen etc. aussprechen, bezog als offizielle Übersetzerin der Broschüre dazu bis heute nie entsprechend Stellung, sondern empfehlen sie im Gegenteil unverändert kritiklos inkl. Download-Angebot auf xy-frauen.de, sowie Intersexuelle Menschen e.V. auf ihrer Linkseite unter "Aufklärung" [!].]
• Gary L. Warne: "Management of ambiguous genitalia at birth", in: Adam H. Balen/Sarah M. Creighton/Melanie C. Davies/Jane MacDougall/Richard Stanhope (Ed.): "Paediatric and Adolescent Gynaecology. A Multidiscilipnary Approach", Cambridge University Press 2004, S. 97-103.

Meine 2 Cent: "Pattsituation" bei gleichzeitig unveränderten täglichen Genitalverstümmelungen und Gonadektomien durch ethisch gestörte Medizyner von Melbourne bis Lübeck, am Arsch! Sobald es um seine eigenen Genitalien und Gonaden ginge, hätte der saubere Dr. Warne wohl ziemlich schnell eine ziemlich andere Meinung – wetten?!

Genitalabschneider, wir kriegen euch! Zwangsoperateure, passt bloss auf!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>>
Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen

Siehe auch:
- Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
- "Unrecht der Medizinversuche anerkennen" (Oliver Tolmein 2009)
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- "Genitalkorrekturen in Deutschland in der Regel im ersten Lebensjahr" (DGKJ/APE/DGE)
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- Lübeck: Klinikdirektor propagiert genitale Zwangsoperationen an Kindern! 
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg  
- Göttingen / Lübeck: Direktor und Oberarzt propagieren genitale Zwangsoperationen
- Bremen: Genitalverstümmelungen im "Zentrum für Kinderheilkunde"
- Universitätsklinikum Heidelberg: Genitale Zwangsoperationen im Angebot 
- Deutsche Urologen fordern genitale Zwangsoperationen an Säuglingen! 
- Genitalverstümmler Mouriquand: "keine Garantie für sexuelle Empfindsamkeit"
- Prof. Dr. Heino Meyer-Bahlburg: John Moneys Erbe 
- Chefarzt Dr. Marcus Schwöbel: genitale Zwangsoperationen an Kindern der "normale Weg" 
- Genitalverstümmelungen: "Lieber hier durchführen als im Osten" (Prof. Dr. Christian Kind)
- Weiße Kittel mit braunen Kragen, reloaded
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- "Gott hat uns dieses Kind geschenkt, so wie es ist." (eine Mutter)
- Bundestag: "Weibliche Genitalverstümmelung ahnden" - aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter ...
- Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit)
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Sunday, May 1 2011

Video vom friedlichen Protest vor dem Ostschweizer Kinderspital SG

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter! 

>>> Infoseite zum Protest   >>> Pressemitteilung 2.2.11    >>> Der Offene Brief

Witziger Clip von M. Biolley von der >>> Demo vor dem Kispi St. Gallen. Danke! 
Zum abspielen hier oder ins Bild klicken.

Für alle des Schwyzerdütschen nicht Mächtigen untenstehend ein germanisiertes Transkript der Statements von Daniela "Nella" Truffer und yours truly, sowie der Beschwerde von OKS-Oberärztin Dr. Marx-Berger.

Continue reading...

Friday, April 22 2011

"Geschlecht: uneindeutig!" - radio dreyeckland 21.4.11

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> Gelungenes Interview von Konrad mit Daniela "Nella" Truffer von Zwischengeschlecht.org. Herzliches Dankeschön! Nella bringt wie gewohnt souverän Klartext über Genitalverstümmelungen und weitere massive Menschenrechtsverletzungen an wehrlosen Zwitterkindern in "unseren" Kinderkliniken und berichtet vom Kampf der internationalen Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org gegen diese menschenverachtenden Praktiken.

Das Interview kann jetzt auch >>> online nachgehört oder >>> mit Rechtsklick heruntergeladen werden.

Sunday, March 27 2011

Schweiz: Invalidenversicherung (IV) bezahlt Genitalverstümmelungen - 2x Zwitter-Vorstoss im Nationalrat: Von knapp vorbei bis voll daneben

>>> Nachträge 30.3.11 / 4.4.11 / 26.4.11

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!»Aktion vor dem Ostschweizer Kinderspital, St. Gallen 6.2.2011 (Bild: NZZ Format)

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Stellungnahme zur überparteilichen Interpellation 11.3286
>>> Stellungnahme zur Zweit-Interpellation 11.3265

STOP Genitalverstümmelung im Kinderspital!Schweiz: Invalidenversicherung (IV) bezahlt Genitalverstümmelungen

In schweizer Kinderkliniken werden Genitalverstümmelungen nicht über die Krankenkassen abgerechnet, sondern über die Invalidenversicherung (IV), die bis zum vollendeten 20. Lebensjahr für die ganze Bandbreite medizinisch nicht notwendiger, kosmetischer Genitaloperationen aufkommt.

Was von der IV letztlich alles übernommen wird, regelt im Detail eine gut 200 Diagnosegruppen umfassende "Liste der Geburtsgebrechen". Erstellt von der ethisch herausgeforderten CH-VerstümmlerInnenlobby "Schweizerische Akademie der Medizynischen Wissenschaften (SAMW)", dokumentiert diese Liste unter mindestens 12 Ziffern sowohl das weitläufige Tätigkeitsgebiet der lokalen GenitalabschneiderInnenzunft wie auch deren Verbundenheit mit medizynischer Nomenklatur aus der Zeit noch vor dem 2. Weltkrieg ("Pseudohermaphroditismus").

Datenspur der Zwangsoperateure

Da die Invalidenversicherung (IV) dem Bund untersteht, ist es theoretisch möglich, via eine Anfrage im Nationalrat Daten der über die IV abgerechneten menschenrechtswidrigen Genitaloperationen zu erhalten.

Nach 4 überparteilichen Anfragen auf Kantonsebene in den letzten 18 Monaten zu ebensovielen deutschschweizer Genitalabschneiderkliniken (deren Antworten bisher wenig überraschend in erster Linie ihre Unwilligkeit zur Offenlegung konkreter Fallzahlen und Statistiken demonstrierten, jedoch deshalb als Vergleichszahlen noch wichtig sein werden), sah die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org die Zeit gekommen und nahm mit PolitikerInnen Kontakt auf zwecks Einreichung einer überparteilichen Interpellation im Nationalrat.

>>> Übersicht relevante Ziffern in der "Liste der Geburtsgebrechen"
>>> Entwurf für Interpellation 

Nationalrat: 2x Zwitter-Vorstoss – von knapp vorbei bis voll daneben

Am letzten Freitag, den 18. März war es dann schliesslich so weit: Als Krönung monatelanger harter Arbeit sollte im Nationalrat eine überparteiliche Interpellation den Bundesrat zur Herausgabe der Fallzahlen aller relevanten IV-Ziffern auffordern sowie zu einer erstmaligen Stellungnahme zu den kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen.

Nun ja, öhm, ausser, dass an diesem letzten Sitzungstag der Frühjahrssession im Wahljahr 2011 dann plötzlich gleich 2 Anfragen eingereicht wurden.

Von denen letztlich leider weder die eine noch die andere wirklich hielt, was ihre Urheberinnen uns zuvor zugesichert hatten ...

1) Überparteiliche Interpellation "Kosmetische Genitaloperationen bei Kindern mit „uneindeutigen“ körperlichen Geschlechtsmerkmalen"
11.3286
Eingereicht von Ida Glanzmann-Hunkeler (CVP)
Mitunterzeichnet von Maria Roth Bernasconi (SP), Alice Glauser (SVP), Corina Eichenberger (FDP), Yvonne Gilli (Grüne), Elisabeth Schneider Schneiter (CVP)

>>> Stellungnahme Zwischengeschlecht.org vom 20.3.11 
>>> Text der Überparteilichen Interpellation 11.3286 vom 18.3.11
>>> Stellungnahme Zwischengeschlecht.org an die Mitunterzeichnerinnen vom 20.3.11

Meine 2 Cent: Leider knapp vorbei ...

Ein überparteilicher Vorstoss gegen uneingewilligte kosmetische Genitaloperationen in einem Nationalparlament, unterzeichnet von Parlamentarierinnen aus allen 5 "grossen" Parteien – sowas gab es bisher auf der ganzen Welt noch nie!

Umso schmerzhafter, dass im letztlich eingereichten Vorstoss in der 1. Frage – ausgerechnet! – die matchentscheidenden konkreten Ziffern aus der "Liste der Geburtsgebrechen" kurzerhand gestrichen wurden – noch dazu ohne vorherige Rücksprache und entgegen der Zusicherung der Erstunterzeichnenden ...

Nachfolgend die ungekürzte 1. Frage (mit ausgelassenem Text kursiv):

1. Wie viele Behandlungen wurden von der IV übernommen seit Inkrafttreten der Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV), aufgeschlüsselt nach Jahr, Kanton, Alter der Behandelten, den jeweils konkret vorgenommenen Eingriffen (einschliesslich ob Ersteingriffe oder Nachbesserungseingriffe in Folge von Komplikationen) sowie bei Ziffern mit mehreren Diagnosen die genaue Diagnose, von folgenden Ziffern der Liste der Geburtsgebrechen: 113, 350, 352, 355, 357, 358, 359, 453, 462, 465, 466, 486, 488?

Wenig tröstlich weiter, dass die Erstunterzeichnerin auf Anfrage als Begründung für die Kürzung angab, diese hätte aus Platzgründen leider sein müssen – obwohl der Interpellationstext laut automatischer Zeichenzählung auf dem Einreichungsformular auch mit vollständiger Frage 1. inkl. aller Ziffern mit 2349 Zeichen nach wie vor klar unter dem erlaubten Maximum von 2400 Zeichen lag (vgl. Statement).

In der Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org haben viele Menschen, Zwitter wie solidarische Nicht-Zwitter, unzählige Stunden, Tage, Wochen oder gar Monate harter Arbeit investiert, um im Nationalrat einen möglichst wirksamen Vorstoss zu ermöglichen.

Was uns allen mit Abstand am meisten wirklich wehtut, ist die Tatsache, dass es durch die Auslassung der Ziffern und der Frage nach den genauen Diagnosen nun den verantwortlichen PolitikerInnen und MedizynerInnen unnötig leicht gemacht wird, schon wieder bloss die üblichen Täter-Beschönigungen aufzutischen, statt endlich einmal relevante konkrete Zahlen herausrücken zu müssen.

Dadurch wird die Beendigung der Genitalverstümmelungen in schweizer Kinderspitälern ganz konkret mindestens um Monate zurückgeworfen.

Die GenitalabschneiderInnen danken ...

Aktueller Stand 26.3.11: Auf die Bitte um eine Erklärung erhielt Zwischengeschlecht.org von der Erstunterzeichnenden bisher keine Antwort.

Vorläufiges Fazit: Es gibt Dinge, die sind so unglaublich, dass sie nur real sein können ...

2) Zweit-Interpellation "Umgang mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (DSD/Intersexualität) in der Schweiz"
11.3265
Eingereicht von Margret Kiener Nellen (SP)
Mitunterzeichnet von Eichenberger-Walther Corina (FDP), Gilli Yvonne (Grüne), Glanzmann-Hunkeler Ida (CVP), Glauser-Zufferey Alice (SVP), Streiff-Feller Marianne (CVP), Weber-Gobet Marie-Thérèse (CSP)

>>> Stellungnahme Zwischengeschlecht.org vom 20.3.11
>>>
Text der Zweit-Interpellation 11.3265 vom 18.3.11
>>> Stellungnahme Zwischengeschlecht.org vom 16.3.11

Meine 2 Cent: Wortbrüchig, eigennützig ...

Am 26.2.11 hatte die spätere Zweit-Interpellantin auf Nellas Anfrage hin in einem ersten Telefongespräch zugesagt, bei einem überparteilichen Vorstoss mitzumachen. Anschliessend war sie weder per Mail noch telefonisch mehr erreichbar, obwohl sie nach späterem eigenen Bekunden unsere Nachricht sehr wohl ausgerichtet bekommen hatte.

Um dann knapp eine Woche nach Ausstrahlung der NZZ Format Doku am 16.3.11 unverhofft zu verkünden, sie gedenke nunmehr statt wie vereinbart bei einer sachbezogenen überparteilichen Interpellation mitzumachen, lieber eine Eigen-Interpellation einzureichen, in der einmal mehr Anliegen dritter Interessensgruppen mit hereingenommen werden.

... vereinnahmend, bevormundend ...

Als Nella die wortbrüchige Parlamentarierin darauf hinwies, dass dies nicht in Sinne von Zwischengeschlecht.org sei, sondern im Gegenteil für die schnellstmögliche Beendigung der Verstümmelungen politisch massiv schädlich, beschied ihr die Eigen-Interpellantin wiederholt ungerührt, Nella als Betroffene solle "das doch nicht so eng sehen" (!!!), sondern gescheiter dankbar sein, wenn ihr schon mal jemand helfen wolle.

Überhaupt habe sie als Nationalrätin zweifellos mehr Ahnung, was für zwangsoperierte Zwitter politisch "am Besten" sei – und noch weitere "gutgemeinte", verletzende, entmündigende, entwürdigende und (re-)traumatisierende Ekelkotzsprüche mehr – Sprüche, wie sie Zwangsoperierte von Kind an von gewissenlosen GenitalabschneiderInnen und anderen "wohlmeindenden" Besserwisser-"ExpertInnen" am laufenden Band zu hören bekommen – und von Nationalrats-PolitikerInnen in Wahljahren offenbar nicht minder ...

... politisch herausgefordert und voll daneben!

Nachträglich per Mail dann noch das Sahnehäubchen: "Aus menschen- und  grundrechtlicher Sicht muss ich jedoch meinem Gewissen folgend diese Fragen so eingeben."

Tatsache bleibt: In den letzten beiden Jahrzehnten sind leider allgegenwärtige politische Vereinnahmungen der Hauptgrund, weshalb die Verstümmelungen nach wie vor politisch unangefochten weitergeführt werden können!

Denn wie leider auch die vorliegende Interpellation zeigt, kaum kommt (zum allerersten Mal überhaupt!) in einem nationalen Parlament etwas in Bewegung, das überparteilich und ganz konkret auf die Gentalverstümmelungen in den Kinderkliniken rsp. auf ihre Beendigung abzielt, folgt prompt auf dem Fuss der nächste Versuch, in die Diskussion – bevor sie überhaupt in die Gänge kommt! – gleich wieder sachfremde und obendrein politisch chancenlose Themen und Anliegen dritter Interessensgruppen hineinzunehmen, im vorliegenden Fall z.B.  "Geschlechtszugehörigkeit", "(Inter-)Sexualität" und "Lockerung des Geschlechtseintrags" – die GenitalabschneiderInnen danken!

Aktueller Stand 30.3.11: Auf unsere Stellungnahme vom 20.3. erhielt Zwischengeschlecht.org von der Zweit-Interpellantin bisher keine Antwort, dito nach einer nochmaligen Erinnerung sowie Bitte um eine Aussprache vom 28.3.11.

Vorläufiges Fazit: Nun ja, mag vielleicht tatsächlich so sein, dass die betreffende Nationalrätin anscheinend Politik auf Kosten wehrloser genitalverstümmelter Kinder zu betreiben vermag, ohne dabei Gewissensbisse zu empfinden, ja, dass sie sich vielleicht gar gewohnt ist, sowas noch als "Menschenrechtsengagement" auszugeben, und womöglich obendrein noch davon ausgeht, damit unbemerkt durchzukommen. Dieser Blog meint dazu:

Fortsetzung folgt ... 

Nachtrag 4.4.11: "Kampf gegen Genitalverstümmelung - öhm, Geschlechtszwang" - Zentralschweiz am Sonntag, 3.4.11


Nachtrag 26.4.11: Inzwischen kam es am 14.4.11 zu einer positiv verlaufenen Aussprache mit SP-VertreterInnen. >>> Mehr dazu hier.

Zwischengeschlecht.org ist sehr erfreut und erleichtert, dass eine konstruktive Lösung gefunden werden konnte.

Dieser Blog nimmt zudem den pauschalen Vorwurf der Vereinnahmung per sofort zurück, der obige Blogpost und die Titel der dazugehörigen Pages wurden entsprechend überarbeitet, zusätzlich wurden polemische Formulierungen versachlicht.

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Kosmetische Genitaloperationen auf der "Liste der Geburtsgebrechen"  

>>> Das Problem der Instrumentalisierung durch LGBTQ
>>> Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung
>>> Genitalverstümmelungen: "Nebenwiderspruch" des Zweigeschlechtersystems?
>>> "STOP Genitalverstümmelung als 'Rohmaterial' für die Geschlechterforschung!"

Genitalabschneider, wir kriegen euch! Zwangsoperateure, passt bloss auf!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Siehe auch:
- Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
- Genitalverstümmelungen in westlichen Kinderkliniken – eine Genealogie der TäterInnen
- Zürcher Kinderspital propagiert Zwangskastrationen an Kindern 
- Genitalverstümmelungen im Inselspital Bern 
- Genitalverstümmelungen: "Lieber hier durchführen als im Osten" (Prof. Dr. Christian Kind)
- Chefarzt Dr. Marcus Schwöbel: genitale Zwangsoperationen an Kindern der "normale Weg" 
- Genitalverstümmelung im Kinderspital Luzern
- "EuroDSD"-Chef Olaf Hiort: "Intersexuelle" nur ein Bruchteil aller Verstümmelungen
- Kinderkliniken: € 8175,12 Reingewinn pro Genitalverstümmelung
- Genitalverstümmler in Frankreich: Claire Nihoul-Fékété & Stephen Lortat-Jacob
- "Genitalkorrekturen in Deutschland in der Regel im ersten Lebensjahr" (DGKJ/APE/DGE)
- Genitalverstümmler und Zwangsoperateure in Baden-Württemberg  
- Lübeck: Klinikdirektor propagiert genitale Zwangsoperationen an Kindern! 
- Prof. Dr. Heino Meyer-Bahlburg: John Moneys Erbe 
- Weiße Kittel mit braunen Kragen, reloaded
- Schweiz: Bundesrat will weibliche Genitalverstümmelung verbieten – aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter ...
- Bundestag: "Weibliche Genitalverstümmelung ahnden" - aber die Zwitter verstümmelt nur ruhig weiter ...
- Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken: Bundesregierung beugt Grundgesetz Art. 2 (Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit)
- "Weder Evidenz noch medizinische Indikation" (Dr. med. Jörg Woweries)
- "Gott hat uns dieses Kind geschenkt, so wie es ist." (eine Mutter)
- Genitalverstümmelung in Kinderklinik: Wer sind die Täter? Was soll mit ihnen geschehen?

Tuesday, March 22 2011

Stellungnahme zur überparteilichen Interpellation 11.3286, 20.3.11

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!»


       Schweiz: Invalidenversicherung (IV)
       bezahlt Genitalverstümmelungen 


 

Stellungnahme von Zwischengeschlecht.org vom 20.3.2011

zur überparteilichen Interpellation 11.3286 "Kosmetische Genitaloperationen bei Kindern mit „uneindeutigen“ körperlichen Geschlechtsmerkmalen"
von Ida Glanzmann-Hunkeler (CVP), Maria Roth Bernasconi (SP), Alice Glauser (SVP), Corina Eichenberger (FDP), Yvonne Gilli (Grüne), Elisabeth Schneider Schneiter (CVP)
Eingereicht am 18.03.2011


Liebe Frau Glanzmann

Wir freuen uns sehr, dass Sie eine überparteiliche Interpellation zum Thema "Kosmetische Genitaloperationen bei Kindern mit 'uneindeutigen' körperlichen Geschlechtsmerkmalen" eingereicht haben. Dies war uns ein zentrales Anliegen, und dafür möchten wir uns ganz herzlich bedanken.

Wir bedauern jedoch sehr, dass Sie ohne Rücksprache mit uns und gegen Ihre vorherige Zusicherung die von uns erarbeiteten Ziffern der Liste der Geburtsgebrechen aus dem Text entfernt haben, obwohl sie aus unserer Perspektive die raison d'être dieses Vorstosses darstellten und unsere Menschenrechtsgruppe sie mit nicht unerheblichem Aufwand aus der über 200 Ziffern langen Liste termingerecht herausarbeitete.

Ihre Begründung, diese aus Platzgründen weggelassen zu haben, ist für uns zudem nicht nachvollziehbar (Angaben gemäss automatischer Zählung im Interpellations-Formular):

Eingereichter Text ohne Ziffern: 2170 Zeichen
Ausgelassener Satzteil inkl. Ziffern: 179 Zeichen
Eingereichter Text komplettiert inkl. Ziffern: 2349 Zeichen

Für eine Erklärung wären wir dankbar.

Liebe Grüsse

Daniela Truffer / Zwischengeschlecht.org
 

>>> CH: Invalidenversicherung (IV) bezahlt Genitalverstümmelungen

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen

Sunday, March 20 2011

Stellungnahme an überparteiliche Mitunterzeichnerinnen, 20.3.11

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!»


       Schweiz: Invalidenversicherung (IV)
       bezahlt Genitalverstümmelungen


Stellungnahme von Zwischengeschlecht.org vom 20.3.2011

an die Mitunterzeichnerinnen der überparteilichen Interpellation
"Kosmetische Genitaloperationen bei Kindern mit „uneindeutigen“ körperlichen Geschlechtsmerkmalen"

von Ida Glanzmann-Hunkeler (CVP), Maria Roth Bernasconi (SP), Alice Glauser (SVP), Corina Eichenberger (FDP), Yvonne Gilli (Grüne), Elisabeth Schneider Schneiter (CVP)
Eingereicht am 18.03.2011


Liebe [Mitunterzeichnerin]

Wir freuen uns sehr, dass Sie die Interpellation zum Thema "Kosmetische Genitaloperationen bei Kindern mit 'uneindeutigen' körperlichen Geschlechtsmerkmalen" mitunterzeichnet haben. Dafür möchten wir uns ganz herzlich bei Ihnen bedanken. Es war uns ein zentrales Anliegen, dass der Vorstoss überparteilich eingereicht wird. Wir erhoffen uns eine möglichst breite politische Diskussion über diese uneingewilligten Eingriffe, die von Betroffenen seit bald 20 Jahren als westliche Form der Genitalverstümmelung angeklagt werden.

Wir bedauern jedoch sehr, dass ohne Rücksprache mit uns und gegen die vorherige Zusicherung der Erstunterzeichnerin, Frau Ida Glanzmann, bei der schliesslich eingereichten Interpellation die von unserer Menschenrechtsgruppe erarbeiteten Ziffern der Liste der Geburtsgebrechen nicht enthalten waren, obwohl sie aus unserer Perspektive die raison d'être dieses Vorstosses darstellten. [1]

Auch ist die von Frau Glanzmann vorgebrachte Erklärung, die Ziffern hätten aus Platzgründen gekürzt werden müssen, aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, da der Interpellationstext nach automatischer Zählung durch das Interpellations-Formular komplett inkl. der Ziffern insgesamt auf 2349 Zeichen gekommen wäre.

Zu Ihrer Information lasse ich Ihnen als Anhang das von unserer Menschenrechtsgruppe erarbeitete Glossar zu den betreffenden Ziffern in der "Liste der Geburtsgebrechen" zukommen.

Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie sich auch in Zukunft wieder für das Wohl von durch medizinisch nicht notwendigen Eingriffen bedrohten Kindern einsetzen würden.

Falls Sie es wünschen, informieren wir Sie künftig gerne sporadisch über das Thema.

Für eventuelle Fragen oder Anregungen sind wir jederzeit gerne für Sie da.

Vielen Dank und freundliche Grüsse

Daniela Truffer / Zwischengeschlecht.org

[1] Ungekürzter Text der 1. Frage (mit ausgelassenem Text kursiv):
1. Wie viele Behandlungen wurden von der IV übernommen seit Inkrafttreten der Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV), aufgeschlüsselt nach Jahr, Kanton, Alter der Behandelten, den jeweils konkret vorgenommenen Eingriffen (einschliesslich ob Ersteingriffe oder Nachbesserungseingriffe in Folge von Komplikationen) sowie bei Ziffern mit mehreren Diagnosen die genaue Diagnose, von folgenden Ziffern der Liste der Geburtsgebrechen: 113, 350, 352, 355, 357, 358, 359, 453, 462, 465, 466, 486, 488?
 

>>> CH: Invalidenversicherung (IV) bezahlt Genitalverstümmelungen

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen

Friday, March 18 2011

Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Überparteiliche Interpellation Nationalrat 11.3286 vom 18.3.11 / Antwort Bundesrat 6.6.11

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!»


       Schweiz: Invalidenversicherung (IV)
       bezahlt Genitalverstümmelungen   


11.3286 - Überparteiliche Interpellation
"Kosmetische Genitaloperationen bei Kindern mit „uneindeutigen“ körperlichen Geschlechtsmerkmalen"

Eingereicht von Ida Glanzmann-Hunkeler (CVP)
Mitunterzeichnet von Maria Roth Bernasconi (SP), Alice Glauser (SVP), Corina Eichenberger (FDP), Yvonne Gilli (Grüne), Elisabeth Schneider Schneiter (CVP)
Eingereicht am 18.03.2011

Etwa jedes 2000. Neugeborene kommt mit 'uneindeutigen' körperlichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt (Hermaphroditen, Zwitter oder Intersexuelle, der aktuelle medizinische Fachbegriff lautet DSD = Disorders of Sex Development = Störung der Geschlechtsentwicklung).

Diese Kinder sind nicht per se krank. Trotzdem werden sie als 'abnormal' klassifiziert und zum medizinisch-chirurgischen Notfall erklärt. Ohne ihre Einwilligung werden sie meist mehrfach an ihren 'auffälligen' Genitalien operiert. Dabei wird in Kauf genommen, dass ihr sexuelles Empfinden vermindert oder zerstört wird. Diesen Operationen liegen keine medizinischen Indikationen zugrunde, es handelt sich um rein kosmetische Eingriffe. Zusätzlich werden viele ohne ihre Einwilligung kastriert, das heisst, es werden ihnen die in der Regel gesunden, Hormon produzierenden inneren Geschlechtsorgane entfernt, was eine lebenslange Substitution mit körperfremden Hormonen zur Folge hat. Auch diese Kastrationen haben meistens keine medizinische Indikation.

Die betroffenen Menschen und oft auch ihre Eltern werden über die Besonderheit und die an ihnen vorgenommenen Eingriffe schlecht informiert, um ihnen ihr wahres Geschlecht zu verheimlichen.

Die meisten Opfer dieser Praxis tragen massive psychische und physische Schäden davon, unter denen sie ein Leben lang leiden. Dies ist durch mehrere wissenschaftliche Studien erhärtet.


Wir bitten den Bundesrat uns folgende Fragen zu beantworten:

1. Wie viele Behandlungen wurden von der IV übernommen seit Inkrafttreten der Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV), aufgeschlüsselt nach Jahr, Kanton, Alter der Behandelten, den jeweils konkret vorgenommenen Eingriffen (einschliesslich ob Ersteingriffe oder Nachbesserungseingriffe in Folge von Komplikationen).

2. Ist dem Bundesrat bekannt, dass eine Vielzahl von erwachsenen Behandelten die an ihnen im Kindes- und Jugendalter vorgenommenen Eingriffe kritisiert?

3. Wie beurteilt der Bundesrat die Praxis kosmetischer Genitaloperationen, Kastrationen, Hormontherapien und sonstige medizinisch nicht notwendigen Eingriffe an Kindern und Jugendlichen mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen?
   

Stellungnahme des Bundesrates vom 06.06.2011

1. Aufgrund der IV-Statistik werden seit Inkrafttreten der Verordnung über Geburtsgebrechen (1. Januar 1986) jeweils für ein bis drei Kinder pro Jahrgang medizinische Massnahmen für das Gebrechen "Ziffer 359, Hermaphroditismus verus und Pseudohermaphroditismus" zugesprochen. Jedes Jahr werden für rund 30 Kinder medizinische Massnahmen wegen Ziffer 359 vergütet. Eine Aufschlüsselung nach Kantonen und Alter ist bei dieser tiefen Zahl nicht angezeigt. Zudem verfügt die IV-Statistik nicht über Angaben zur Art der medizinischen Leistung (Operation), welche von der Versicherung vergütet wird.

2./3. Die von der Interpellantin aufgeführte Kritik ist dem Bundesrat bekannt. Allerdings ist festzuhalten, dass kosmetische Operationen und Hormontherapien keine zwingenden medizinischen Indikationen darstellen. Solche Eingriffe sollen deshalb nach Ansicht des Bundesrates nur nach Erreichen der Volljährigkeit und mit Einwilligung der betroffenen Person erfolgen.
Anders sieht die Situation aus, wenn eine zwingende medizinische Indikation vorliegt, bei der eine Operation bereits im Säuglings- oder Kleinkindalter angezeigt ist. In Bezug auf die Vornahme von Operationen in diesen Fällen ist zwischen echtem und nichtechtem Transsexualismus zu unterscheiden:

- Echter Transsexualismus [!]: Gemäss heutiger Praxis gelten bei echtem Transsexualismus [!] somatische (z. B. erhöhtes Krebsrisiko) und psychische Indikationen (z. B. Probleme bei der Einschulung eines Kindes) als zwingende medizinische Indikationen. Allerdings kann eine Operation auch bei Vorliegen einer zwingenden medizinischen Indikation nur nach einer umfassenden interdisziplinären Abklärung und mit dem schriftlichen Einverständnis der Eltern erfolgen.

- Nichtechter Transsexualismus [!]: Bei Geburtsgebrechen, bei denen es sich nicht um einen echten Transsexualismus [!] handelt, sind Operationen im Frühkindesalter nur bei solchen Gebrechen angezeigt, welche unbehandelt mit schweren somatischen und psychischen Schäden einhergehen und welche fachärztlich indiziert sind. Zu diesen Gebrechen zählt u. a. der beidseitige Kryptorchismus (Hoden liegen im Leistenkanal oder in der Bauchhöhle), Ziffer 355, der ohne chirurgische Fixation der Hoden bei praktisch allen Männern zur Infertilität führt.

Insgesamt stehen aus Sicht des Bundesrates das Wohl des Kindes, die Wahrung dessen höchstpersönlicher Rechte und der Umgang mit der für alle Beteiligten schwierigen Situation im Zentrum. Dabei ist es wichtig, dass die Eltern in die Entscheidprozesse einbezogen werden, wie dies heute der Fall ist. Die Thematik wirft indes aber auch grundlegende ethische Fragen auf, wie beispielsweise die Frage, in welcher Form die Beratung der Eltern stattfinden soll. Der Bundesrat wird daher die Nationale Ethikkommission (NEK-CNE) beauftragen, sich dieser Thematik anzunehmen.

Dokumentiert durch Zwischengeschlecht.org / 18. März 2011    >>> Quelle

>>> Stellungnahme Zwischengeschlecht.org zur Interpellation 11.3286

>>> CH: Invalidenversicherung (IV) bezahlt Genitalverstümmelungen

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen

Sunday, March 13 2011

Kosmetische Genitaloperationen: Interpellationsentwurf

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!»


       Schweiz: Invalidenversicherung (IV)
       bezahlt Genitalverstümmelungen 



Interpellationsentwurf von Zwischengeschlecht.org, 13.3.11

Kosmetische Genitaloperationen bei Kindern und Jugendlichen
mit „uneindeutigen“ körperlichen Geschlechtsmerkmalen


Einleitung

Etwa jedes 2000. Neugeborene kommt mit „uneindeutigen“ körperlichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt (Hermaphroditen, Zwitter oder Intersexuelle, der aktuelle medizinische Fachbegriff lautet DSD = Disorders of Sex Development = Störung der Geschlechtsentwicklung).
Diese Kinder sind nicht per se krank. Trotzdem werden sie als „abnormal“ klassifiziert und zum medizinisch-chirurgischen Notfall erklärt. Ohne ihre Einwilligung werden sie meist mehrfach an ihren „auffälligen“ Genitalien operiert. Dabei wird in Kauf genommen, dass ihr sexuelles Empfinden vermindert oder zerstört wird. Diesen Operationen liegen keine medizinischen Indikationen zugrunde, es handelt sich um rein kosmetische Eingriffe.
Zusätzlich werden viele ohne ihre Einwilligung kastriert, das heisst, es werden ihnen die in der Regel gesunden, Hormon produzierenden inneren Geschlechtsorgane entfernt, was eine lebenslange Substitution mit körperfremden Hormonen zur Folge hat. Auch diese Kastrationen haben meistens keine medizinische Indikation.
Die betroffenen Menschen und oft auch ihre Eltern werden über ihre Besonderheit und die an ihnen vorgenommenen Eingriffe schlecht informiert, um ihnen ihr wahres Geschlecht zu verheimlichen.
Die meisten Opfer dieser Praxis tragen massive psychische und physische Schäden davon, unter denen sie ein Leben lang leiden. Dies ist durch mehrere wissenschaftliche Studien erhärtet.

Fragen

1. Wie viele Behandlungen wurden von der IV übernommen seit Inkrafttreten der Verordnung über Geburtsgebrechen (GgV), aufgeschlüsselt nach Jahr, Kanton, Alter der Behandelten, den jeweils konkret vorgenommenen Eingriffen (einschliesslich ob Ersteingriffe oder Nachbesserungseingriffe in Folge von Komplikationen) sowie bei Ziffern mit mehreren Diagnosen die genaue Diagnose, von folgenden Ziffern der Liste der Geburtsgebrechen: 113, 350, 352, 355, 357, 358, 359, 453, 462, 465, 466, 486, 488?

2. Ist dem Bundesrat bekannt, dass eine Vielzahl von erwachsenen Behandelten die an ihnen im Kindes- und Jugendalter vorgenommenen Eingriffe kritisiert?

3. Wie beurteilt der Bundesrat die Praxis kosmetischer Genitaloperationen, Kastrationen, Hormontherapien und sonstige medizinisch nicht notwendigen Eingriffe an Kindern und Jugendlichen mit uneindeutigen körperlichen Geschlechtsmerkmalen?

Zwischengeschlecht.org / 13. März 2011
 

>>> CH: Invalidenversicherung (IV) bezahlt Genitalverstümmelungen

>>> Genitalverstümmelungen im Kinderspital: Fakten und Zahlen
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen

- page 4 of 8 -