Wednesday, May 27 2015

CH > Kosmetische Klitorisamputationen an Intersex-Kindern: Kinderspital Zürich beginnt Aufarbeitung von IGM-Praktiken

>>> Pressemitteilung 01.06.2015: Intersex-Aufarbeitung – Kispi-Ball-Protest ausgesetzt


1. Zwitterdemo vor dem Kinderspital Zürich, 06.07.2008
>>>
Tagesschau-Video  >>> Transkript  >>> Demo-Bericht

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Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Intersex: Ohne Aufarbeitung, Keine Aussöhnung

Am 27.05.2015 erschien ein >>> NZZ-Artikel von Alan Niederer (Redaktion Wissenschaft) über einen vom Kispi in Auftrag gegebenen Bericht "Historische Evaluation der Behandlung von Patienten und Patientinnen mit Besonderheiten der Geschlechtsentwicklung", beruhend auf archivierten Krankenakten von betroffenen Kindern mit Diagnose AGS/CAH.

Dieser >>> Kispi-Bericht (PDF) (welcher der Öffentlichkeit und auch diesem Blog bisher nicht vorlag) bestätigt offiziell, was Zwischengeschlecht.org und dieser Blog seit 2012 anhand verschiedener Fachpublikationen aus dem Kispi wiederholt belegten: Kosmetische Klitorisamputationen an Zwitterkindern waren im Kispi ZH (wie auch sonst in Uni-Kinderkliniken nicht nur in der Schweiz) jahrzehntelang unhinterfragte Praxis.

Soweit, so sensationell – doch es kommt noch besser: Beim besagten Bericht handelt es sich lediglich um einen ersten Schritt für eine grundlegende historische Aufarbeitung von IGM-Praktiken, bei der künftig auch Betroffene und ihre Organisationen miteinbezogen werden sollen. Dem Vernehmen nach seien dazu beim Kispi bereits konkrete Pläne auch zur Weiterfinanzierung in der Pipeline.

Dieser Blog gratuliert dem Kispi und allen vor und hinter den Kulissen Beteiligten ganz herzlich zu diesem konstruktiven Schritt in eine bessere Zukunft!

Mit der angekündigten öffentlichen Aufarbeitung, in welchem Umfang und bis wann Klitorisamputationen und weitere medizinisch nicht notwendige Eingriffe mit "psychosozialer Indikation" (NEK-CNE) an Kindern mit Varianten der Geschlechtsanatomie praktiziert wurden, setzt das Kinderspital Zürich einen wichtigen Meilenstein.

Es wäre wünschenswert, dass nun auch der Kanton Zürich und die Universität Zürich diesbezüglich ihre Mitverantwortung endlich wahrnehmen – und dass diese historische Pioniertat des Kispi ZH künftig weiteren betroffenen Universitätskliniken und verantwortlichen Behörden als Beispiel dient ...

Gleichzeitig wollen wir heute daran erinnern, dass auch diese positive Entwicklung einmal mehr nicht "vom Himmel fiel", sondern vielmehr das Resultat von entschiedener und hartnäckiger Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit von Betroffenen und ihren Unterstützer_innen war.

Deshalb nachfolgend ein kurzer Rückblick auf 7 Jahre Kampf um Aufarbeitung von IGM-Praktiken im Kinderspital Zürich:

>>> Aktion & Offener Brief Kinderspital Zürich, 6.7.08   (Bild: Dominik Huber>>> Video

Am 6. Juli 2008 organisierte Zwischengeschlecht.org zum ersten Mal einen friedlichen Protest vor dem Kispi, um auf das gesellschaftliche Tabu zu Intersex und IGM-Praktiken aufmerksam zu machen. In einem Offenen Brief wurde auf die Unhaltbarkeit und Menschenrechtswidrigkeit aller Intersex-"Genitakorrekturen" hingewiesen. Das Medienecho war erfreulich: Die Tageschau berichtete in der Hauptausgabe (Video), weiter der Landbote, der Tages-Anzeiger, 20 Minuten, Tachles und die NZZ am Sonntag.

Als Reaktion auf den Offenen Brief kam es zu mehreren konstruktiven Gesprächen zwischen Kispi-ÄrztInnen, Zwischengeschlecht.org und der Eltern-Selbsthilfe. Daraus resultierte wiederum eine weltweit beachtete explorative Studie u.a. von Yvonne Cavicchia-Balmer und Jürg Streuli zum Thema Auswirkungen von medikalisierender Elternberatung durch MedizinerInnen mit verblüffenden Resultaten (vgl. nachfolgende Grafik, mehr dazu englisch | deutsch).

Streuli JC, Vayena E, Cavicchia-Balmer Y, and Huber J. Shaping parents: Impact of contrasting professional counseling on parents' decision making for children with disorders of sex development. J Sex Med 2013;10:1953–1960.

Zum Intersex Awareness Day 2009 initiierte Zwischengeschlecht.org eine historische Anfrage im Kantonsrat Zürich zum Thema IGM-Praktiken im Kispi, inkl. Medienecho u.a. im Tages-Anzeiger:

(Diesem ersten politischen Vorstoss zum Thema Intersex und IGM-Praktiken in der Schweiz überhaupt folgten 2010 drei weitere kantonale Anfragen meist aufgrund von gewaltfreien Intersex-Protesten (Bern / Luzern / Basel Stadt), sowie 2011 zwei im Nationalrat. Aufgrund letzterer erfolgte der Auftrag des Bundesrats an die Nationale Ethikkommission (NEK-CNE), welche 2012 ihre weltweit beachtete Stellungnahme ablieferte.)

Friedlicher Protest + Offener Brief 10.05.2012    >>> 10vor10-Video zu den Protesten

Am 10. Mai 2012 doppelte Zwischengeschlecht.org anlässlich einer Aktion zu einer Kinderurologenkonferenz in Zürich mit einem erneuten Offenen Brief an das Kispi, die Universität Zürich und die kantonale Bildungsdirektorin nach, worin erstmals Klitorisamputationen im Kispi nachgewiesen wurden, und explizit eine historische Aufarbeitung eingefordert wurde. Zwar erhielten wir nie eine offizielle Antwort, doch aus informellen Gesprächen wurde deutlich, dass die historischen Tatsachen im Kispi bisher kaum bekannt waren und ÄrztInnen zum Teil betroffen machten. 2013 bekräftigten wir diese Forderung nach Aufarbeitung anlässlich von 2 Veranstaltungen u.a. an der Uni im Zusammenhang mit den NEK-Empfehlungen (die ebenfalls Aufarbeitung fordern).

>>> "Club"-Video    >>> Hochdt. Untertitel .srt    >>> Video-Download (386 MB)

Am 22. Mai 2012 kam es im Zusammenhang mit dem Intersex-CH-Tatort "Skalpell" zu einer denkwürdigen "Club"-TV-Diskussion zu Intersex und IGM-Praktiken. Im Studio waren u.a. Daniela "Nella" Truffer und Markus Bauer (Zwischengeschlecht.org), Karin Plattner (Elternselbsthilfe SI-Global) und auf ÄrztInnenseite Kinderchirurgin Rita Gobet (Kispi ZH) und der Pädiater Christian Kind (damaliger Chef CH-Pädiatergesellschaft, SAMW-Ethikkommission und des Ostschweizer Kinderspitals). Vor allem Nellas "durchschlagende" Diskussionsbeiträge (ab der 13. Sendungsminute) dürften nicht unwesentlich dazu beigetragen haben, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Aufarbeitung im Kispi weiter zunahm ...

Kosmetische Klitorisamputationen an Kindern im Kispi Zürich und Insel Bern, z.B. Andrea Prader, Max Grob, Marcel Bettex, von Zwischengeschlecht.org

2013 veröffentlichte Zwischengeschlecht.org eine Dokumentation zu "Kosmetische Klitorisamputationen" (PDF) in Kispi Zürich und Insel Bern – mit Belegen aus Fachpublikationen, die jahrzehntelange, systematische Klitorisamputationen an wehrlosen Kindern aufzeigen – und wie beteiligte Institutionen im In- und Ausland sich bisher vor jeglicher Verantwortung drücken.

Anlässlich eines Interviews mit Daniela Truffer für Al Jazeera kam es am 31.10.2013 zu einem weiteren friedlichen Intersex-Protest vor dem Universitäts-Kinderspital Zürich:

"Alle Jahre wieder": Friedlicher Protest vor dem Kispi ZH, 31.10.2013

Dabei wurde ein Flugblatt (PDF) verteilt, das einmal mehr eine historische Aufarbeitung von kosmetischen Klitorisamputationen und weiteren IGM-Praktiken einforderte:

Als Kispi-Direktor Markus Malagoli bei einem Augenschein realisierte, dass es sich um einen Intersex-Protest handelte, kommentierte er trocken: "Alle Jahre wieder." Trotzdem schien auch er nicht ganz unbeindruckt von unserem Flugblatt resp. Anliegen:

Am 4. Februar 2015 kritisierte schliesslich der UN-Kinderrechtsausschuss CRC aufgrund eines Schattenberichts u.a von Zwischengeschlecht.org die Schweiz wegen Intersex-Genitalverstümmelungen, welche der Auschuss unter Verweis u.a. auf die Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission (NEK-CNE) explizit als "schädliche Praxis" und "Gewalt an Kindern" klassifizierte.

20min-Report zum UN-Kinderrechtsausschuss - Vergrössern: reinklicken!

Dieser historische Beschluss des UN-Kinderrechtsausschusses verpflichtet die Schweiz, nicht nur endlich gesetzgeberische Massnahmen gegen IGM-Praktiken an die Hand zu nehmen, sondern auch eine ganzheitige Strategie zu ihrer Eliminierung, einschliesslich Datenerfassung, Monitoring, Aufarbeitung, öffentliche Entschuldigung sowie angemessene Entschädigung aller Überlebenden, unter Einbezug der betroffenen Kliniken, medizinischer Standesorganisationen und des Staates, der seine Schutzpflicht gegenüber betroffenen Kindern viel zu lange auf die leichte Schulter nahm, und heute noch nimmt.

Wie weit sich dies alles wie vom Kispi in der heutigen NZZ angekündigt mit einem auf Februar 2016 angesetzten Abschlussbericht bewältigen lässt, scheint eher fraglich. Das Bewusstsein, dass IGM-Praktiken eine Menschenrechtsverletzung und insbesondere eine schädliche Praxis darstellen, und was dies konkret bedeutet, steckt vielerorts noch immer in den Kinderschuhen. Fortsetzung folgt ...

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen

NGO Report an das UN-Kinderrechtskomitee
Belegt 17 gebräuchliche IGM-Formen und NS-Verbrechen in CH, D, A

Intersex Genital Mutilations
Human Rights Violations Of Children With Variations Of Sex Anatomy
>>> Download PDF (3.65 MB)     >>> Table of Contents

IGM as a Harmful Practice: 2015 UN-CRC Briefing
• IGM: A Survivor's Perspective • Intersex Movement History
• What are IGM Practices? • What are Variations of Sex Anatomy?
• IGM and Human Rights • Conclusion: IGM as a Harmful Practice
>>> Download PDF (3.14 MB)     >>> Table of Contents

Wednesday, May 20 2015

Gedenken an 1. Intersex-Prozess: "Internationale Demo zum Worldwide Day of Genital Autonomy in Köln" - hpd, 18.05.2015

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LG Köln, 07.05.2015: Tafeln m. Bildern v. "1. Zwitter-Schadenersatzprozess" 12.12.07  © hpd

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>>> Bericht auf Humanistischer Pressedienst über die Demonstration zum Weltweiten der genitalen Selbstbestimmung von Eva Matthes (Text) und Meike Beier (Fotos), der auch den Intersex-Redebeitrag von Markus Bauer (Zwischengeschlecht.org) zu Erinnerung an den weltweit allerersten "Zwitterprozess" von Christiane Völling am gleichen Kölner Landgericht (von dem auch die Welttag-Demo ihren traditionellen Anfang nahm, und an dessen folgenreiches Urteil in Sachen Kabenbeschneidung vom 07.05.2012 auch das Austragungsdatum erinnert):

Christiane Völling, eine Überlebende von genitalen Intersex-Zwangsoperationen ohne Einwilligung (u.a. Zwangskastration und Gebärmutter-Entfernung), erstritt bekanntlich 2007-2008 in Köln durch alle Instanzen erfolgreich 100'000 Euro Schadenersatz von ihrem ehemaligen Verstümmler-Chirurgen Prof. L. Und: Tag und Monat (12.12.2007) von Christianes 1. Prozesstag sind die gleichen, an denen der Bundestag mit einem Schnellgesetz das Kölner Beschneidungsurteil stürzte (12.12.2012).

Trotz dieser denkwürdigen Übereinstimmungen war Christiane Völlings (für die Intersex-Bewegung heute noch zukunftsweisender) "Zwitterprozess" praktisch allen Intaktivist_innen am "Worldwide Day of Genital Autonomy" bisher gänzlich unbekannt gewesen. Auch, dass aktuell 2 weitere Intersex-Schadenersatzprozesse in Deutschland laufen (in Nürnberg und München), sowie ein weiterer in den USA, wurde jedoch mit großem Interesse aufgenommen – ebenso am 2-tägigen Symposium "Genital Autonomy 2015" die Beiträge zu Intersex und IGM-Praktiken

Dank an alle, die das möglich machten – besonders an David Smith für das standhafte Halten des Transpis trotz böiger Brise!

Der "Kölner Zwitterprozess 2007-2008" von Christiane Völling auf diesem Blog:
- Christiane Völlings Geschichte in ihren eigenen Worten (2007)
- 1. Pressemitteilung (10.07)
- Demoaufruf 1. Prozesstag (17.11.07)
- Bericht 1. Prozesstag (12.12.07)
- Pressespiegel 1. Prozesstag (13.12.07)
- Warum Christiane Völling zur Transsexuellen gemacht werden soll (28.01.08)
- Wegen Zwitterprozess: Druck auf Ärzte wächst (05.02.08)
- Bericht und Pressespiegel 2. Prozesstag (06.02.07)
- Bericht provisorischer Entscheid OLG (30.06.08)
- Bericht definitiver Entscheid OLG (03.09.08)
- Pressespiegel definitiver Sieg vor OLG (10.09.08)

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen

NGO Report an das UN-Kinderrechtskomitee
Belegt 17 gebräuchliche IGM-Formen und NS-Verbrechen in CH, D, A

Intersex Genital Mutilations
Human Rights Violations Of Children With Variations Of Sex Anatomy
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Monday, May 18 2015

Small Luk ist eine Intersex-Aktivistin aus Hongkong

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... und kämpft für ein Verbot von unnötigen Genitaloperationen an Intersex-Kindern, und dass Intersex-Menschen in der Öffentlichkeit nicht mehr mit Transsexuellen vermischt werden. Danke, Small Luk, dass du für Intersex-Menschenrechte kämpfst! (Video mit englischen Untertiteln.)

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen

Saturday, May 16 2015

Zwitter und progressive LGBTs gegen Intersex-Vereinnahmung

'Bild: Intersex Proteste gegen den "4. Weltkongress der Kinderchirurgie WOFAPS", Berlin 14.10.2013

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[ Reloaded zum IDAHOT* 2015 ]

Solidarität mit Zwittern statt VereinnahmungDie ungefragte politische Adoption von Zwittern als Unterabteilung von "sexuelle Identität", "Sexualität(en)", "(Trans-)Gender" usw. trägt bei zur Unsichtbarmachung der realen, zwangsoperierten Zwitter und ihrer spezifischen Anliegen in der öffentlichen Wahrnehmung.

Die Geschichte der Kritik an dieser Vereinnahmung inkl. Aufforderungen zur Selbstreflexion ist wohl so alt und vielfältig wie der Kampf der Zwitter gegen genitale Verstümmelung und für "Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!" 

Wird 2015 das Jahr, in dem diese begründete Kritik von organiserten LGBTs endlich überall umgesetzt wird? 

Vertreter_innen englischsprachiger Zwitterorganisationen kritisieren seit langen Jahren Vereinnahmung ("appropriation") durch LGBT-Interessen:

Raven Kaldera:
"Dangerous Intersections: Intersex and Transgender Differences" (2001)
>>> http://www.ravenkaldera.org/gender-archive/intersection/dangerous-intersections.html

Chris Somers:
"The appropriation of the Intersexed" (2002) --> S. 20 im PDF
>>> http://www.aissga.org.au/daisy/dAISy%20Sept02.pdf

Caitlin Petrakis Childs (-> Blog) in Kommentaren auf "Queers United" (ab 14.7.2009 2:27pm):
>>> http://queersunited.blogspot.com/2009/07/word-of-gay-intersex-surgery.html

Nicky (-> Blog) in einem Thread auf "A Room of our Own" (2009):
>>> http://web.archive.org/web/20090915181354/http://aroomofourown.wordpress.com/2009/03/26/in-support-of-intersexed-classifiedraised-as-female/#comment-2525

Aidan Dunn:
Excerpt from a reading @ "For Lack of a Better Word" (2007) (5 min video clip)
>>> http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=bbG43uUHjwo

Ebensolange kritisieren Zwitter-Aktivist_innen den Missbrauch von zwangsoperierten Zwittern als "Daten- und Rohmaterial" im Rahmen von Gender Studies – und fordern stattdessen aktive Solidarität:

"Die Ergebnisse dieser Pilotstudie bestätigten unsere Vermutung, dass Intersex Hauptsächlich als Forschungsobjekt verstanden wird, um den Begriff der Zweigeschlechtlichkeit (und des Sexismus, sowie der Homophobie) zu dekonstruieren, und nicht als ein Thema gesehen wird, das in der realen Welt Implikationen für reale Leute hat."

"Auch wenn die Lehrenden die besten Absichten hegen, untergraben fehlendes Bewusstsein für und die fehlende Beachtung der Realitäten von Intersexuellen die adäquate Darstellung des Themas. Dabei werden unbeabsichtigt die Nicht-Sichtbarkeit und die Objektivierung der Intersexuellen perpetuiert." 

Emi Koyama (-> Homepage) / Lisa Weasel:

"Von der sozialen Konstruktion zu sozialer Gerechtigkeit. Wie wir unsere Lehre zu Intersex verändern."
 (2002)    >>> PDF (1.47 MB) 
In: Die Philosophin. Forum für feministische Theorie und Philosophie. 14. Jahrgang, Heft 28, Dezember 2003: "Intersex und Geschlechterstudien". Tübingen: Edition Diskord, 2003, S. 79-89.
Die englische Originalversion ist auch in dieser Online-Broschüre enthalten:
Emi Koyama (-> Homepage) / Lisa Weasel / Alice Dreger:
"Teaching Intersex Issues. A Guide for Teachers in Women's, Gender and Queer Studies. Second Edition" (2003)
>>> http://www.ipdx.org/publications/pdf/teaching-intersex.pdf

Vereinzelt beginnt dieses Unrecht bei den Kritisierten wenigstens theoretisch reflektiert zu werden. So kommt eine kritische Untersuchung von 4 exemplarischen Texten der Gendertheorie zum Schluss:

Die politischen Forderungen nach körperlicher Selbstbestimmung einer breit angelegten Medizinkritik oder einer Kritik der Zweigeschlechtlichkeit, welche die Individuen nicht aus dem Fokus verliert, finden sich ich den von mir gewählten gendertheoretischen Texten nicht wieder. Im Gegenteil lässt sich durchaus sagen, dass Intersexualität nur als abstrakt bleibende Widerlegung des Prinzips Zweigeschlechtlichkeit Eingang in die von mir kritisierten Texte findet. [...]

Eine theoretische Behandlung von Intersexualität, welche die Forderungen von Aktivist_innen nicht mitdenkt, schafft eine textuelle Wirklichkeit, in der eine «Gruppe» eine andere repräsentieren kann und Individuen bestimmte Kriterien erfüllen müssen, um an Diskursen teilnehmen zu können.

Joke Janssen:
"Theoretisch intersexuell. Wie intersexuelle Menschen zwischen den Zeilen bleiben." (2006/2009)
In: AG Queer Studies (Hrsg.): "Verqueerte Verhältnisse. Intersektionale, ökonomiekritische und strategische Interventionen" Hamburg, Männerschwarm Verlag, 2009, S. 165-184
>>> Relevante Auszüge sowie die ursprüngliche Fassung von 2006 als PDF

Progressive Feministinnen kritisieren seit über 10 Jahren die teils rassistischen Hintergründe des Umstands, dass Genitalverstümmelungen an Zwittern nicht auf der gleichen Stufe bekämpft werden wie Genitalverstümmelungen an Frauen:

"Deutlich ist jedenfalls, dass sich feministische Medien für Genitalverstümmelungen als alltäglicher medizinischer Praxis in modernen westlichen Gesellschaften nicht interessieren, während - häufig rassistisch gefärbte - Beiträge über "unzivilisierte" Praktiken der Klitorisbeschneidung und Verstümmelung in einigen afrikanischen Staaten durchaus zum bewährten Repertoire zählen."

Antke Engel:
"Ene mene meck und du bist weg. Über die gewaltsame Herstellung der Zweigeschlechtlichkeit" (1997)
Hamburger Frauen Zeitung, No. 53, Herbst 1997, S. 26-28
>>> https://blog.zwischengeschlecht.info/pages/Antke-Engel:-Ene-mene-meck-Hamburger-Frauenzeitung-53-1997

"Western feminism has represented African genital cutting as primitive, irrational, harmful, and deserving of condemnation. The Western medical community has represented its genital cutting as modern, scientific, healing, and above reproach. When will Western feminists realize that their failure to examine either of these claims “others” African women and allows the violent medical oppression of intersex people to continue unimpeded?"

Nancy Ehrenreich / Mark Barr:
 "Intersex Surgery, Female Genital Cutting, and the Selective Condemnation of 'Cultural Practices'" (2005)
Harvard Civil Rights-Civil Liberties Law Review Vol. 40 (Winter 2005), S. 71.
>>> http://www.law.harvard.edu/students/orgs/crcl/vol40_1/ehrenreich.pdf  

"Vor allem darf nicht der Eindruck entstehen, »der Westen« wolle in anderen Teilen der Welt etwas durchsetzen, was er selbst nicht beachtet. Ich denke dabei an etwas, das in der westlichen Kultur seinen Ursprung hat und seit Ende der fünfziger Jahre praktiziert wird, nämlich die Genitalverstümmelung intersexuell geborener Kinder, deren mehrdeutige Geschlechtsorgane mit dem Skalpell manipuliert werden, damit sie einem nur von den Erwachsenen angenommenen Idealbild weiblicher oder männlicher Genitalien entsprechen. Nur wenn »zu Hause« dieselben Maßstäbe gelten wie andernorts, ist der Einsatz für die Menschenrechte glaubhaft."

Konstanze Plett:
"Die Macht der Tabus" (2008)
amnesty journal 03/08
>>> http://schattenblick.net/infopool/buerger/amnesty/bagru265.html

Gar Ansätze zu einer kritischen Aufarbeitung der feministischen (Ideen-)Geschichte und ihrer Verwicklungen in der Durchsetzung der genitalen Zwangsoperationen im Namen von "Gender" wurden schon geleistet:

"Ohne sich der Quelle bewusst zu sein oder darauf zu reflektieren, 'umarmte' die zweite amerikanische Frauenbewegung den nützlichen Begriff Gender und begründete mit ihm den Ursprung einer neuen wissenschaftlichen Spezies (Disziplin), die Gender Studies."

"Vonnöten ist allerdings nicht nur ein Bewusstsein der Gender Studies gegenüber der Real-Existenz von Intersexualität und den traumatisierenden Effekten des gegenwärtigen Gender Normalisierungsregimes, sondern es ist ebenso zentral, die Genealogie der Kategorie Gender erneut zu durchschreiten und die Geschichte ihrer Operationalisierung mit der Tatsache zu konfrontieren, dass sie sozusagen in ihrer Ursprungsszene schon 'operativ' war."

Gabriele Dietze:

"The Cutting Edge of Gender Studies. Die Geburt der Kategorie Gender aus dem Geist des Skalpells"
 a.k.a "Schnittpunkte. Gender Studies und Hermaphroditismus"
 (2006)
>>> In: Dietze / Hark (Hg.): "Gender kontrovers. Genealogie und Grenzen einer Kategorie." Königstein/Taunus: Ulrike Helmer Verlag, 2006, S. 46-68.

Auch progressive Schwule kritisieren seit Jahr und Tag die unreflektierte Vereinnahmung von Zwittern:

"Dass sich gerade [Transsexuelle sowie Lesben und Schwule] dieses Themas annehmen, liegt an einem Überschuss von Projektion. Sie sehen nicht, dass ihre Problematik, d. h. die Problematik von Coming-out und gesellschaftlicher Anerkennung, nicht die von Hermaphroditen ist. Sie sehen nicht, dass die ungefragte Adoption von Hermaphroditen durch die Lesben-, Schwulen- und Trans[*]bewegung einer Überrumpelung und Kolonialisierung gleichkommt und moralisch unzulässig ist, weil sie das eigentliche Anliegen von Menschen mit medizinischer Gewalterfahrung überdeckt."

Georg Klauda:
"Über die Verstümmelung von Hermaphroditen" a.k.a. "Fürsorgliche Belagerung" (2002)
>>> Relevante Auszüge   >>> Vortragsfassung kpl   >>> Druckfassung kpl | PDF

Vereinzelt wird diese Vereinnahmung durch "ungefragte Adopition" (Georg Klauda, siehe oben) durch LGB(T)-Organisationen sogar zumindest schon konkret konstatiert, wie hier in einer Dissertation am Beispiel von ILGA:

"Diese Befürchtung [von ‹Transsexuellen› und ‹Transgendern› instrumentalisiert zu werden und in ihrem Diskurs unterzugehen] ist mit Blick auf die inflationäre Verwendung von LGTBQI, wenn eigentlich vor allem LGB gemeint ist, nachvollziehbar. (41)
(41) So zeigt zum Beispiel ein aktuell erschienener Bericht der International Lesbian Gay and Bisexual Association (ILGA) [sic! korrekt: International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association (ILGA)] über die weltweite Homophobie (Ottoson 2009) inklusive einer Übersichtskarte Lesbian and Gay Rights (ILGA 2009), dass Intersex abgesehen von der Namensgebung (allerdings fließt das ‹I› noch nicht mal ins Kürzel ein) kein Thema ihrer Arbeit ist und es eigentlich um die Legalität homosexueller Praktiken und Lebensweisen geht. Im Bericht kommt Intersex als Begriff denn auch nur zweimal in Form von Aufzählungen vor."

Kathrin Zehnder:
"Zwitter bein Namen nennen. Intersexualität zwischen Pathologie, Selbstbestimmung und leiblicher Erfahrung." (2010)
>>> Bielefeld: transcript Verlag, 2010, S. 268
 

Seit 2009: Beendigung der menschenrechtswidrigen Genitalverstümmelungen an Zwittern als realpolitische Forderung

Als erste grosse LGBT-Organisation hat 2009 der Lesben- und Schwulenverband Deutschland (LSVD) die Anliegen der Zwitter endlich ernst genommen. U.a. in einem sensationellen erstmaligen Wahlprüfstein Nr. 9 "Menschenrechtsverletzungen an Intersexuellen bekämpfen!" kritisiert der LSVD die genitalen Zwangsoperationen, Zwangskastrationen und Zwangshormontherapien an Zwittern ausdrücklich als "erheblichen Verstoß gegen das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde" und fordert konkrete Massnahmen.

Mit dieser Formulierung bezog sich LSVD direkt auf die Forderungsliste des Dachverbandes der Selbsthilfegruppen Intersexuelle Menschen e.V. vom Juni 2008, die in der Präambel ebendiese Rechte explizit einfordert, sowie an erster Stelle die Beendigung der Zwangseingriffe. Auch OII Deutschland / IVIM fordert seit Frühjahr 2009 an erster Stelle "Das Recht auf körperliche Unversehrtheit" (gefolgt von "2. Das Recht auf Schutz vor medizinischer und/oder psychologischer Misshandlung, Bevormundung und Zwang"). Dieser Blog und die daraus hervorgegangene Menschenrechtssgruppe Zwischengeschlecht.org fordern bekanntlich seit jeher "Schluss mit genitalen Zwangsoperationen!" und "Menschenrechte auch für Zwitter!", insbesondere das Menschenrecht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung

Diese Solidarität des LSVD mit dem Kampf der Zwitter gegen Genitalverstümmelungen zeigte bereits erste Wirkung: 4 von 5 Bundestagsfraktionen bezogen darauf Stellung gegen genitale Zwangsoperationen!

(Die einzige Partei, die unbeirrbar an den Genitalverstümmelungen an Zwittern festhält, nämlich die CDU/CSU, verwechselte bezeichnenderweise in ihrem Statement "Intersexualität" einmal mehr mit "sexueller Orientierung" a.k.a "sexueller Identität" – und befindet sich damit leider in 'bester Gesellschaft' u.a. mit Bündnis 90/Die Grünen und Amnesty Schweiz ...)

Nachtrag 2010: Aktuell scheint leider auch der LSVD gemeinsam mit SPD/Grüne/Linke wieder zurückzukrebsen, noch dazu deutlich hinter die Startlinie – schade, schade, schade!

Nachtrag 2010: Auch im Bundestag erreicht die Vereinnahmung ein noch nie dagewesenes Ausmaß. In den 7 Monaten vom 26.11.09-30.6.10 wurde der Begiff "Intersex" in 29 offiziellen Dokumenten benutzt – genauer gesagt missbraucht: KEIN EINZIGES Mal ging es dabei um die Beendigung der Genitalverstümmelungen oder sonst um spezifische Zwitterforderungen, sondern ausnahmslos um LGB(T)-Eigeninteressen.

2009 forderte Terre des Femmes Schweiz anlässlich einer Vernehmlassung zu einem Gesetzesvorschlag gegen weibliche Genitalverstümmelung ausdrücklich auch ein Verbot von genitalen "Zwangsoperationen von Zwischengeschlechtliche Betroffenen" und bedauerte, dass diese nicht auch in den Gesetzesentwurf eingeschlossen wurden. Auch die Grünen Schweiz hatten eine entprechende Vernehmlassungs-Stellungnahme abgegeben. Amnesty Schweiz bedauerte in ihrer Vernehmlassung ebenfalls, dass "Genitalverstümmelungen an Intersexuellen (besser bekannt als Hermaphroditen) nicht angesprochen wurde[n]" – leider mit der altbekannten vereinnahmenden "Begründung", die Zwangsoperationen würden "Verletzungen der sexuellen Identität dieser Menschen [...] darstellen", und zeigt sich der verantwortliche LGBT-Flügel von Amnesty Schweiz / "queeramnesty" zunächst uneinsichtig.

Nachtrag 2010: In einer einstimmig verabschiedeten, historischen Motion hat Amnesty Schweiz inzwischen die Zwangsoperationen politisch sinnvoll ins Zentrum gestellt und explizit gerügt als "schweres Verbrechen, das gegen die Menschenrechte auf körperliche Unversehrtheit, Selbstbestimmung und Würde verstösst", gefolgt von Amnesty Deutschland

Nachtrag 2011: Der UN-Ausschuss gegen Folter fordert gesetzgeberische Maßnahmen gegen IGM und zur Sicherstellung des Rchtszugangs für Überlebende.

Nachtrag 2012: Die schweizerische Nationale Ethikkomission (NEK-CNE) fordert in ihrer Intersex-Stellungnahme explizit gesetzgeberische Überprüfung von Intersex-Verstümmelungen, sowohl zivil- wie auch strafrechtlich, und inkl. Verjährungsfristen – das 1. Mal überhaupt, dass eine staatliche Stelle Klartext redet, weshalb die Stellungnahme auch von Intersex-Organsiationen in der ganzen Welt hervorgehoben wird. – Der Deutsche Ethikrat hatte demgegenüber eine klar verstümmlerInnenfreundliche Stellungnahme abgegeben, die einzig betreffend Personenstand konkrete gesetzgeberische Forderungen stellt, es bezüglich IGM-Praktiken bei unverbindlichem Blabla belassen – mit umgehenden Folgen:

Nachtrag 2013: 3 Anträge von SPD, Linke und Grüne fordern ein gesetzliches Verbot von Genitalverstümmelungen – alle Anträge werden jedoch schlussendlich mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt. Parallel zu diesem Freipass für Intersex-VerstümmlerInnen verabschiedete der Bundestag (ohne Konsultation der Betroffenen und ihren Organsiationen) eine stigmatisierenden Intersex-Personenstandsmurks, der von Intersex-Menschen und ihren Organsiationen rund um den Globus kritisiert wird. Im gleichen Jahr forderten demgegenüber der UN-Sonderberichterstatter gegen Folter und der Europarat gesetzgeberische Maßnahmen zur Beendigung der Intersex-Genitalverstümmelungen.

Nachtrag 2014: WHO, UNICEF und 5 weitere UN-Gremien fordern gesetzgeberische Maßnahmen gegen IGM-Praktiken, sowie Datenerfassung, Monitoring, Aufarbeitng und Wiedergutmachung.

Nachtrag 2015: Der UN-Kinderrechtsauschuss klassifiziert Intersex-Genitalverstümmelungen als schädliche Praxis – und Malta verbietet als erstes Land IGM-Praktiken, wenn auch vorerst nur zivilrechtlich, ohne Anpassung der Verjährungsfristen und ohne Gewährleistung des Zugangs zur Justiz für Überlebende. Die ILGA Rainbow Map listet neu auch explizit "Prohibition of medical intervention without informed consent (intersex)" ("Verbot medizinischer Eingriffe ohne informierte Einwilligung (Intersex)") als Kriterium.

Fazit: Während der Kampf gegen die Zwangsoperationen als LGBT-Gender-Identität-Sexualität-usw.-Forderung politisch chancenlos ist, ist die Beendigung der medizinischen Verbrechen an Zwittern als eigenständige Menschenrechtsforderung mehrheitsfähig und kurzfristig durchsetzbar.

Zwischengeschlecht.org ruft alle fortschrittlichen LGBTQs und ihre Organisationen dazu auf,

  • ihre diesbezüglichen Positionen und Praktiken kritisch zu reflektieren 
  • den Jahrzehnte langen Kampf der Zwitter gegen Genitalverstümmelungen als eigenständigen Kampf um "das Recht intersexueller Kinder auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit" zu respektieren
  • die Zwitter in ihrem Kampf gegen Genitalverstümmelungen nach Kräften solidarisch zu unterstützen, NICHT die Leiden der Zwitter bloss als Aufhänger oder 'Material' für die eigenen Forderungen und Kämpfe zu benutzen!   

Die Durchsetzung der Beendigung der Genitalverstümmelungen an Zwittern wird am Sockel des Zweigeschlechtersystems möglicherweise mehr rütteln als 1000 Gendertheorien ...

>>> IDAHOT* 2015: Lasst uns über Intersex-Vereinnahmung reden ...
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen

NGO Report an das UN-Kinderrechtskomitee
Belegt 17 gebräuchliche IGM-Formen und NS-Verbrechen in CH, D, A

Intersex Genital Mutilations
Human Rights Violations Of Children With Variations Of Sex Anatomy
>>> Download PDF (3.65 MB)     >>> Table of Contents

Siehe auch:
- Mit der Hoffnung im Herzen 
- Du sollst nicht die Leiden der Zwitter als Aufhänger und 'Material' für deine eigenen Forderungen und Kämpfe benutzen! 
- Genitale Zwangsoperationen an Zwittern vergleichbar mit weiblicher Genitalverstümmelung (Lightfoot-Klein: "Der Beschneidungsskandal")
- CSD Konstanz & Kreuzlingen fordert Selbstbestimmung für Zwitter! 
- Bundestag: Zwitter als Kanonenfutter für "sexuelle Identität" 
- LSVD und Zwittersolidarität: 1 Schritt vor, 3 Schritte zurück?
- "Zwitter-Neid": Zwischengeschlechtliche als (fiktives) Ideal 
-
- Gender Studies und Zwitterkampf  
- "Genitalverstümmelung ein afrikanisches Problem?"   
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: "Du sollst den Begriff 'intersexuell' nicht unnütz gebrauchen!" 
- GPGF Basel 10.-12.09.09: Stop Vereinnahmung des Zwittersymbols im Namen von "Gender" und "Psychiatrie"! 
- Zwitter und Patriarchat aus feministischer Perspektive 
- Warum Zwitterforderungen, worin zu oberst nicht die schnellstmögliche Beendigung der Zwangsoperationen steht, keine Zwitterforderungen sind, sondern Vereinnahmung
- Amnesty International zum x-ten Mal zur Unterstützung aufgefordert
- Warum Zwitterforderungen, worin es um "sexuelle Identität" geht statt um "Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung", keine Zwitterforderungen sind, sondern Vereinnahmung
- Zwitter als Kanonenfutter für die Transgenderagenda 
- Etwas Solidarität mit Intersexuellen, bitte ...
- Wie Dr. Magnus Hirschfeld einen Zwitter zwangsoperiert, um mit dem Erlös das "Institut für Sexualwissenschaft" zu finanzieren
- Erneute Anfrage um Unterstützung an Deutschen Ethikrat
- Zwitter-Vereinnahmung im Bundestag: Business as usual (II)
- Merkel & Co: Einladung zum Zwitterprozess!   

Thursday, May 14 2015

"Europarat rügt Zwangsoperationen von Intersexuellen" - AFP-Agenturmeldung, 13.5.15

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Bild: Agenturfoto des Intersex-Protests zum "Nürnberger Zwitterprozess", Landgericht Nürnberg-Fürth 26.02.2015

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Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> AFP-Agenturmeldung (mit Foto vom 1. Prozesstag im "Nürnberger Zwitterprozess") zur Veröffentlichung des hervorragenden, vom Menschenrechtskommissar des Europarates (COE) herausgegebenen "Issue Paper 'Human rights and intersex people'" (im Gegensatz zum gleichentags veröffentlichten, Zwitter-vereinnahmenden "Fokuspapier" der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) – dieser Blog berichtete). Danke!

>>> Nürnberger Zwitterprozess: "Schluss mit straflos verstümmeln!"
>>> Wegen Zwitterprozess: Bayern zensiert parlamentarische Anfrage zu IGM-Praktiken!
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen

"Für genitale Selbstbestimmung" - Allgemeine Zeitung 7.5.15

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Bild: Gruppenfoto mit TeilnehmerInnen und ReferentInnen der "Genital Autonomy 2015"

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Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

STOP Intersex Genital Mutilation!

>>> Vorabbericht der "Allgemeinen Zeitung" zur "Genital Autonomy 2015"-Konferenz (dieser Blog berichtete), mit Interviews mit Viola Schäfer (Vorstand Intaktiv) und Shemuel Garber, der ein Referat hielt über die Verflechtungen von kulrurellen, religiösen und medizinischen Rechtfertigungen für Vorhautentfernungen bei Knaben. Auch die Beiträge zum Thema Intersex von Markus Bauer (Zwischengeschlecht.org) und Simon Zobel werden erwähnt. Danke!

>>> Welttag der Genitalen Selbstbestimmung + Symposium "Genital Autonomy 2015"
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen

Tuesday, May 12 2015

IDAHIT* 2015: Lasst uns über Intersex-Vereinnahmung reden ...

Bild: Friedlicher Protest vor der Ethikrat-Pressekonferenz, Berlin 23.02.2012 

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Solidarität mit Zwittern statt Vereinnahmung

Zwischengeschlecht.org on FacebookZuerst die guten Nachrichten: Nachdem Leipzig 2013 voranging, Intersex nicht mehr bloß "mitzumeinen", sondern den Betroffenen gerecht zu werden einerseits mit dem neuen Akronym IDAHIT* und andrerseits mit inhaltlichen Veranstaltungen sowie mit der expliziten Forderung nach einem Verbot der andauernden Intersex-Genitalverstümmelungen, zogen 2014 Halle (Saale) und 2015 nun auch Jena nach! Danke!!

Trotzdem werden auch 2015 Intersexe allzuoft nur "mitgemeint" – oder gar schamlos von Dritten vereinnahmt! Wie so oft wird dabei Intersex primär als eine Frage von (Geschlechts-)Identität, Personenstand und Diskriminierung "verkauft", während gleichzeitig Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM), das durch sie verursachte Leid und konkrete Maßnahmen zu ihrer schnellstmöglichen Beendigung einmal mehr unterschlagen, verharmlost, verniedlicht, auf die lange Bank geschoben und unter den Tisch gekehrt werden.

Ein besonders typischer Fall: Das "Fokuspapier 'The fundamental rights situation of intersex people'" der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA),
>>> Pressemitteilung FRA    >>> Focus paper (englisch, PDF)
das heute am "IDAHO-Forum 2015" in Montenegro vorgestellt wird:

  • Als einzige konkrete gesetzgeberische Maßnahme wird darin gefordert – 3x dürft ihr raten –, Personenstandsgesetze zu überarbeiten, sprich "Geschlechtsangaben in Ausweispapieren und Geburtsregistern" abzuschaffen oder auszusetzen, "um Intersexuelle [angeblich] besser zu schützen".
  • Kein Wort dagegen zum Thema Schäden und Beeinträchtigungen durch Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM) – und statt konkreter, griffiger Forderungen zu ihrer Beendigung (wie sie z.B. CAT, NEK-CNE, CRC, WHO, UNICEF etc. auf Anraten Betroffener formulierten) einmal mehr bloß unverbindliches, verstümmlerInnenfreundliches Wischi-Waschi.

Um wessen Interessen und Prioritäten es in diesem angeblichen "Intersex-Fokuspapier" (für welches Intersex-Menschen und ihre Organisationen offensichtlich einmal mehr höchstens alibimäßig konsultiert wurden) tatsächlich geht, unterstreicht weiter, wie häufig welche Schlagworte im ganzen Text vorkommen (und welche eben nicht):

gender: 42
certificate/certification/registration (d.h. Geschl.eintrag in Geburtsurkunde): 33
discrimination/discriminated/discriminatory: 30
identity: 28
orientation (d.h. sexuelle Orientierung): 9

vs.

surgery (d.h. OPs): 14
integrity (d.h. Unversehrtheit): 8
[intersex] mutilation: 2

harm [done by IGM] (d.h. Schäden durch IGM): 0
sexual sensitivity/sensation (d.h. sexuelle Empfindungsfähigkeit): 0
trauma: 0

redress (d.h. Zugang zu Rechtsmitteln und Entschädigung): 0
statutes of limitation (d.h. Verjährungsfristen): 0
data collection (d.h. Datenerfassung): 0
monitoring: 0

Fazit: Intersex-Vereinnahmung – Bingo! Einmal mehr müssen Überlebende von Intersex-Genitalverstümmelungen am "IDAHO-Forum 2015" dazu herhalten, um (Gender-)Identitäts- und Personenstandspolitik auf ihrem Buckel zu betreiben – während gleichzeitig täglich weitere wehrlose Kinder irreversibel verstümmelt werden – wie lange noch?! Pfui!! Würde stattdessen zur Abwechslungmal den Vereinnahmer_innen was an ihren eigenen Genitalien ungefragt rumgeschnibbelt, hätten sie wohl ziemlich schnell ziemlich andere Prioritäten – wetten?!

PS: Dass es auch anders geht, zeigt das ebenfalls am "IDAHO-Forum 2015" vorgestellte, vom Menschenrechtskommissar des Europarates herausgegebene und von Silvan Agius verfasste "Issue Paper 'Human rights and intersex people'" >>> PDF-Downloadseite (englisch), das  (mit Ausnahme von "Verjährungsfristen" und "Monitoring") alle im FRA-"Fokuspapier" fehlenden Stichworte enthält, und auch sonst meist Klartext bringt. Danke!! (Ausnahmen: Leider wird im "Issue Paper" einmal mehr fälschlicherweise John Money als der "Erfinder" der systematischen IGM-Praktiken dargestellt, und bei der Kinderrechtskonvention – ausgerechnet – der betreffend IGM zentrale, auch vom UN-Kinderrechtsausschuss besonders hervorgehobene Art. 24 ("Schädliche Praktiken") unterschlagen – schade!)

>>> Zwitter und progressive LGBTs gegen Vereinnahmung
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Wednesday, May 6 2015

Köln-FFM, 6.-9.5. > Welttag der Genitalen Selbstbestimmung + Symposium "Genital Autonomy 2015"

Bild: Friedliche Mahnwache gegen "23rd ESPU 2012", Zürich 09.05.2012  >>> Video

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Zwischengeschlecht.org on FacebookMarkus Bauer (Zwischengeschlecht.org/StopIGM.org) wird am "Genital Autonomy 2015" Symposium in Frankfurt a.M. (8.-9.5.) über Intersex und Soziale Bewegungen präsentieren. Zusammen mit Intersex-Aktivist Simon Zobel wird Markus das Thema an der GA 2015 vertreten.

Im Anschluss an die jährliche Demonstration zum Welttag der Genitalen Selbstbestimmung am Do 7.5. in Köln (Beginn 11h vor dem Landgericht) behandelt das 2-tägige Symposium in Frankfurt (Main) rechtliche und medizinische Aspekte der Beschneidung von Kindern – egal ob Mädchen, Jungen oder Intersex-Kinder.

"Genital Autonomy" wurde 1989 ins Leben gerufen als ein ursprünglich alle 2 Jahre stattfindendes, internationales (englischsprachiges) Symposium für Kinderrechte. Am letztjährigen Symposium in Boulder (USA) (abstracts englisch, PDF) war Markus u.a. mit der US-Intersex-Aktivistin Hida Viloria (OII) vertreten. 2012 (abstracts, PDF) referierten Julius Kaggwa (SIPD, Uganda) und Mika Venhola (youtube-interview) zu Intersex und IGM-Praktiken, und das Symposium verabschiedete die "Helsinki Deklaration des Rechts auf Genitale Selbstbestimmung 2012" (dieser Blog berichtete). Nachfolgend das deutsche Abstract von Markus' diesjähriger Präsentation:

Markus Bauer: "2015: Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM) von UN als ‘Schädliche Praxis’ eingestuft –– Soziale Intersex-Bewegungs-Strategien in Aktion"

Im Februar 2015 stufte der UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes (CRC) Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM) als “Schädliche Praxis” ein – ein mächtiges Konzept, das nicht nur gesetzgeberische Maßnahmen einfordert mit dem Ziel, schädliche Praktiken zu eliminieren, sondern auch praktische Anwendung, Monitoring, Vollstreckung und Zugang zur Justiz für Überlebende betont. Ich betrachte diese und weitere jüngste Errungenschaften der Intersex-Bewegung im Kontext ihres mittlerweile über 20-jährigen Kampfes zur Beendigung von IGM-Praktiken, unter Einsatz von Strategien sozialer Graswurzelbewegungen, einschließlich koordiniertem Einsatz gewaltfreier Aktionen, Teilnahme an Menschenrechtsmechanismen und Schmerzensgeldklagen gegen TäterInnen.

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Thursday, April 30 2015

CH > Amnesty beschliesst Intersex-Menschenrechtsverletzungen vermehrt zu bekämpfen

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STOP Intersex Genital Mutilation!Zwischengeschlecht.org on FacebookHipp, hipp! An der diesjährigen Generalversammlung beschloss Amnesty Schweiz am 26. April auf Antrag von Queeramnesty einstimmig, die "Arbeit zum Thema Intersexualität und Menschenrechte auf nationaler und internationaler Ebene zu intensivieren", und dabei Betroffene vermehrt einzubeziehen.
Dafür von diesem Blog ein ganz herzliches DANKESCHÖN!
>>> Bericht bei Queeramnesty       >>> Bericht auf Queer.ch

Die CH-Sektion hat in Sachen Intersex-Menschenrechte innerhalb von Amnesty bis heute eine wichtige Vorläuferrolle: Bereits 2009 setzte sie sich explizit für ein Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen ein. 2010 folgte eine Motion an die Dachorganisation, sich mehr für die Menschenrechte von Intersex-Menschen stark zu machen (ebenso im gleichen Jahr auch die Deutsche Sektion) .

Bisher leider aber nur mit bedingtem Erfolg. Zwar erarbeitete die Londoner Zentrale als Reaktion darauf immerhin 3 Jahre später ein internationales Positionspapier, das Staaten aufforderte, IGM-Praktiken zu stoppen. Dieses Posititionspapier und alles weitere dazu bleibt jedoch bis auf den heutigen Tag "geheim", und (aus Intersex-Aktivist_innenperspektive wenig überraschend) in der Folge "bis heute ohne jede konkrete Folgen", wie in der aktuellen Mitteilung nun auch queeramnesty.ch einräumt.

Umso erfreulicher, dass die nun verabschiedete Motion u.a. explizit auch ein Ende der Geheimniskrämerei einfordert:

Der Forderungskatalog umfasst drei Punkte:

  • Der Vorstand der Schweizer Sektion bemüht sich, die Arbeit zum Thema Intersexualität und Menschenrechte zu aktivieren.
  • Der Vorstand setzt sich auf internationaler Ebene dafür ein, mittels Berichten, Hintergrundinformationen und Einzelfällen sowie Vorschläge für die Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit das Thema breiter bekannt zu machen.
  • Betroffene von intersex-spezifischen Menschenrechtsverletzungen sollen dafür im Direktkontakt einbezogen werden.

Bleibt zu hoffen, dass Entsprechendes z.B. auch aus Deutschland sekundiert wird – gefolgt von (auch öffentlichkeitswirksamen) Aktionen auch aus der Londoner Zentrale! 

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
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Wednesday, April 29 2015

"Niemand von uns ist frei, bis wir alle frei sind"

"None of us is free until all of us are free" (Plaki Bildmitte) Baltimore, 28.04.2015 >>> Quelle

Siehe auch:
- "Was wollt ihr?" - "Gerechtigkeit!" - "Wann wollt ihr sie?" - "Jetzt!"
- Von der Frauenbewegung lernen (1): "Vom Nutzen unseres Ärgers"  
- Menschenrechtsverbrechen: Wer schweigt, macht sich mitschuldig  
- Alle Posts zu "Blick über den eigenen Tellerrand hinaus"  

Friday, April 17 2015

D > UN Behindertenrechtsausschuss kritisiert Intersex-Genitalverstümmelungen, fordert u.a. Untersuchung, gesetzgeberische Maßnahmen, Zugang zu Justiz und Entschädigung

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'STOP Intersex Genital Mutilation!' - UNHRC Geneva 20.10.2012 Zwischengeschlecht.org on FacebookHipp, hipp! Zum Ende seiner 13. Sitzung veröffentlichte der UN-Ausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (CRPD) heute zum 1. Mal Empfehlungen zum Thema Intersex (>>> PDF englisch --> S. 6–7, Abs. 37-38), nachdem er zuvor in Genf die Deutsche Staatenvertretung dazu befragt hatte (dieser Blog berichtete).

In seinen verbindlichen Empfehlungen rügt der Ausschuss unter "Schutz der Unversehrtheit der Person (Art. 17)" ausdrücklich die Untätigkeit der Bundesregierung bei den in der BRD immer noch weit verbreiteten IGM-Praktiken, und erinnert Deutschland daran, die diesbezüglichen Forderungen des UN-Ausschusses gegen Folter (CAT) aus dem Jahre 2011 endlich umzusetzen. Dabei macht sich der Behindertenrechtsausschuss die CAT-Empfehlungen zu eigen.

Der UN-Ausschuss gegen Folter hatte 2011 verbindlich empfohlen (CAT/C/DEU/CO/5), u.a.

"Vorfälle, in denen intersexuelle Menschen ohne wirksame Einverständniserklärung chirurgisch oder anderweitig medizinisch behandelt wurden, zu untersuchen, und Rechtsvorschriften zu erlassen, die den Opfern solcher Behandlungen Rechtsschutzmöglichkeiten, einschließlich angemessener Entschädigungen, gewähren".

Nachfolgend eine inoffizielle Deutsche Übersetzung der Empfehlungen des UN-Behindertenrechtsausschusses an Deutschland betreffend Intersex:
(CRPD/C/DEU/CO/1 >>> PDF Deutsch | DOC englisch --> Abs. 37-38)

Schutz der Unversehrtheit der Person (Art. 17)

37. Der Ausschuss ist besorgt über: [...] c) die fehlende Umsetzung der Empfehlungen CAT/C/DEU/CO/5, Abs. 20 von 2011, betreffend Aufrechterhaltung der körperlichen Unversehrtheit von Intersex-Kindern.

38. Der Ausschuss empfiehlt, dass der Vertragsstaat notwendige Schritte unternimmt, einschließlich gesetzgeberischer Art, um:

[...]

(d) Alle Empfehlungen von CAT/C/DEU/CO/5, Abs. 20 betreffend Intersex-Kinder umzusetzen.

Meine 2 Cent: Zwar blieb der Ausschuss mit dieser Empfehlung wohl hinter den (hohen) Erwartungen der meisten Betroffenen zurück. Insbesondere, dass nicht (wie bereits zuvor in den Fragen der List of Issues (LoI)) explizit auch betreffend Datenerfassung und Statistik zusätzlich Druck gemacht wurde, ist zu bedauern, ebenso betreffend des andauernden Skandals der Verweigerung lebenswichtiger Medikamente für Betroffene mit AGS/CAH mit Salzverlust.

Trotzdem ist es ein schöner Erfolg, dass sich der Behindertenrechtsausschuss die CAT-Empfehlungen ausdrücklich zu eigen macht:

Dadurch wird sich der Druck nochmals deutlich erhöhen – sowohl auf die unbelehrbaren GenitalabschneiderInnen, wie auch auf ihre HelfershelferInnen in der Politik! DANKE!

Der thematische Intersex-NGO-Bericht 2015 v. Zwischengeschlecht.org an den UN-Behindertenrechtsausschuss dokumentiert relevante Menschenrechtsverletzungen an Intersex-Menschen in Deutschland:
>>> "Intersex-Menschen in Deutschland und die BRK" 
>>> "IGM-Statistiken: 20 Jahre Lügen und Leugnen der Bundesregierung" 
>>> "Faktische Straflosigkeit von IGM-Praktiken, kein Zugang zu Justiz"
>>> "Verweigerung lebenswichtiger Medikamente"

>>> Live-Bericht aus der BRD-Staatenprüfung in Genf, 26.03.2015
>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 25.03.2015

>>>
Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Typische Diagnosen und Eingriffe
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Thursday, April 16 2015

Nürnberger Zwitterprozess: Nächste Verhandlung am 22. Oktober!

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Bild: Großes Medieninteresse zum 1. Prozesstag am 26. Januar 2015, LG Nürnberg-Fürth

Zwischengeschlecht.org on Facebook

Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Das Landgericht Nürnberg hat entschieden: Der nächste Verhandlungstag im Schmerzensgeldprozess von Michaela "Micha" Raab gegen die Uniklinik Erlangen und den Operateur Prof. S. um über 250'000 Euro ist angesetzt auf Donnerstag, den 22. Oktober, dann sollen 2 Zeugen angehört werden.
Medienberichte
auf >>> nordbayern.de von Clara Grau (16.4.)
>>> dpa-Agenturmeldung (16.4.)   >>> dpa-Vorankündigung (15.4.)
Wir sehn uns, wo die Action ist!

>>> Mehr Medienberichte zum 1. Prozesstag
>>>
Nürnberger Zwitterprozess: "Schluss mit straflos verstümmeln!"
>>> Wegen Zwitterprozess: Bayern zensiert parlamentarische Anfrage zu IGM-Praktiken!
>>> "Verweigerung von Zugang zu Justiz für Überlebende von IGM-Praktiken"

Monday, April 6 2015

Basel > Intersex-Vortrag 16.04.2015, 12:30h: "Die Rechtslage bei geschlechtszuweisenden Eingriffen bei Kleinkindern" - Dr. iur. Mirjam Werlen

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Menschenrechte auch für Zwitter! Zwischengeschlecht.org on Facebook>>> Interessanter Vortrag in Basel (Flyer PDF) zum Thema Strafbarkeit von IGM-Praktiken von Dr. iur. Mirjam Werlen, die u.a. bereits im Sammelband "Intersex – Geschlechtsanpassung zum Wohl des Kindes?" einen Aufsatz zum Thema beitrug, und 2014 eine thematische Dissertation im rennommierten Wissenschaftsverlag Stämpfli publizierte. Aus dem Klappentext:

Diese Berner Dissertation unternimmt eine vertiefte rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit der bisherigen medizinischen Praxis betreffend Kinder mit einer angeborenen Variante der biologischen Geschlechtsentwicklung (DSD/VSD); der Begriff der Intersexualität sollte vermieden werden. Dabei geht es um operativ-hormonell geschlechtszuweisende Eingriffe am Kleinkind. Vor einem chirurgischen und damit irreversiblen Eingriff in die Persönlichkeit des Kindes stellen sich mehrere Fragen - nicht allein den DSD-Kontext betreffend.Die Arbeit strebt eine interdisziplinäre Darstellung an, insbesondere zur medizinisch-wissenschaftlichen Beurteilung der Integritätseingriffe, und es werden die rechtlichen Grundlagen zum Persönlichkeitsschutz des Kindes und seiner gesetzlichen Vertretung sowie geltende Regelungen im medizinrechtlichen Kontext (z.B. HFG) besprochen.

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
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Friday, April 3 2015

Nach (gerichtlichen) Beschwerden und Intersex-Schattenbericht: Barmer GEK zahlt für "Florinef"

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Menschenrechte auch für Zwitter! Zwischengeschlecht.org on FacebookFür Intersex-Menschen mit AGS/CAH mit Salzverlust, wie auch für Menschen mit Morbus Addison, ist die tägliche Einnahme eines Fludrocortison-Präparates lebenswichtig. Umso größer war die Bestürzung, als Merck Serono, die Herstellerin des einzigen in Deutschland zugelassenen Präparates "Astonin H", Ende 2014 bekannt gab, die Produktion "auf unbestimmte Zeit" einzustellen, angeblich wegen eines "Lieferengpasses". Betroffenen wurde empfohlen, auf unsichere Privat-Importe des nicht-zugelassenen Fludrocortisonacetat-Präparates "Florinef" auszuweichen, das ständig gekühlt gelagert werden muss, und dessen Kostenübernahme von der Kulanz der Kranken abhängt (dieser Blog berichtete).

Nach mehreren Beschwerden u.a. von Etekar (u.a. beim Sozialgericht Hamburg) und Kritik im Schattenbericht von Zwischengeschlecht.org an den UN-Behindertenrechtsausschuss CRPD hat sich nun die Barmer GEK als erste Krankenkasse zur raschen Kostenübernahme öffentlich bereiterklärt:

Die BARMER GEK übernimmt während der Zeit des Lieferengpasses die Kosten für das Ausweichpräparat Florinef (enthält den Wirkstoff Fludrocortisonacetat).

Für Betroffene kann der Arzt/ die Ärztin Florinef auf einem rosa Kassenrezept verordnen. Die Apotheke wird dann in der Regel einen Antrag auf Kostenübernahme bei der BARMER GEK stellen, da das Arzneimittel aus dem Ausland importiert werden muss. Die BARMER GEK wird diese Anträge umgehend bewilligen. Anschließend kann die Apotheke Florinef aus dem Ausland bestellen.

Meine 2 Cent: Das ist für betroffene Menschen erstmal eine gute Nachricht.Bleibt zu hoffen, dass alle Krankenkassen sich dem anschießen!

Trotzdem bleiben im unwürdigen Gerangel auf Kosten der Betroffenen noch mehrere Fragen offen: Wie konnte es geschehen, dass Merck Serono offenbar aus letztlich finanziellen Gründen mit einem für Betroffene lebenswichtigen Medikament (das auf der WHO-Liste der unentbehrlichen Arzneimitel steht!) derart verantwortungslos umgehen kann, noch dazu offenbar mit der Billigung der verantwortlichen Behörden? Was wird nun unternommen, um Betroffenen solches in Zukunft zu ersparen? (Dreimal dürft ihr raten ...)

Auch betreffend dem (mangelhaften) Ersatzmittel "Florinef" bleiben die bekannten Probleme, namentlich der notwendigen Kühlung und des nicht-geprüften, offenbar minderwertigen Wirkstoffes. Noch dazu sind Importe laut §73 Abs. 3 AMG lediglich "in geringer Menge" erlaubt, und sämtlicher Schutz Betroffener durch das Arzneimittelgesetz (AMG) entfällt, da dieses bei Privat-Importen nicht-zugelassener Produkte ausgehebelt wird.

Und dies alles, während MedizynerInnen und PolitkerInnen sich laufend öffentlich brüsten, wie sie angeblich alles zur Verbesserung der Lebenssituation der Betroffenen tun (oder eben nicht!). Wie lange noch?!

>>> "Verweigerung lebenswichtiger Medikamente f. Betroffene m. AGS m. Salzverlust"
>>> UN-Staatenprüfung BRK: Fragen + Antworten zu Intersex 26.03.2015

>>>
Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 25.03.2015

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Saturday, March 28 2015

D > UN-Staatenprüfung: "Intersex: Verweigerung lebenswichtiger Medikamente für Betroffene mit AGS/CAH mit Salzverlust"

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>>> UN-Staatenprüfung BRK: Fragen + Antworten zu Intersex 26.03.2015
>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 25.03.2015 

Katrin Ann Kunze, Landgericht Köln (2007): 'Wir fordern umfassende Information gegen Manipulation!'Protest von Zwischengeschlecht.org, "Weltkongress der Kinderchirurgie", Berlin 14.10.2013

Zwischengeschlecht.org on FacebookDo 26. - Fr 27. März: Der  UN-Behindertenrechtsausschuss (CRPD) prüft Deutschland – IGM-Praktiken sind als Thema gesetzt!

Ein thematischer NGO-Bericht von Zwischengeschlecht.org dokumentiert Menschenrechtsverletzungen an Intersex-Menschen in Deutschland. Nachfolgend Kapitel E.2. zu "Verweigerung lebenswichtiger Medikamente" in Deutscher Übersetzung.
>>> "C. "Intersex & BRK"   >>> "D.1. IGM-Statistiken: 20 Jahre Lügen"
>>> "D.2. IGM: faktische Straflosigkeit, fehlender Zugang zu Justiz für Überlebende"

D. In der List of Issues (LoI) nicht erwähnte Sachverhalte (Forts.)

2. Verweigerung benötigter medizinischer Versorgung (Art. 25)

Wie oben unter (C.) erwähnt, gibt es lediglich eine spezifische und relativ seltene Intersex-Variante, nämlich das sog. “Adrenogenitale Syndrom (AGS)” mit Salzverlust, die mit einer vitalen (stoffwechselbedingten) medizinischen Behandlungsnotwendigkeit einhergeht (d.h. tägliche Substitution fehlenden Kortisols – jedoch konstituiert dies KEINE Notwendigkeit für Genitaloperationen! Nichtsdestrotz instrumentalisieren MedizinerInnen diese Ausnahme andauernd als vorgebliche Rechtfertigung für die Aufzwingung von IGM-Praktiken für ALLE Menschen mit Varianten der Geschlechtsanatomie104).

Vorausgesetzt, eine passende Substitution in angemessener Dosis und Verabreichungsform ist jederzeit verfügbar, ist auch AGS mit Salzverlust per se keine Einschränkung etwa im Arbeitsleben oder beim Sport (jedoch wurden und werden die meisten Menschen mit der Diagnose AGS mit Salzverlust bereits als Kinder massiven “verweiblichenden Genitalkorrekturen” unterworfen, mit allen daraus folgenden gesundheitlichen Problemen). Nichtsdestotrotz, für betroffene Menschen bedeutet ein Fehlen angemessener Susbstitutionspräparate ein unmittelbares, tödliches Risiko.

In Deutschland ist das herkömmliche Susbtsitutionsmittel Fludrocortison (auch bekannt als 9-fluorocortisol oder 9α-fluorohydrocortison), ein synthetisches Kortikosteroid, das auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) steht, eine Liste der wichtigsten Arzneimittel, die für die medizinische Grundversorgung unverzichtbar sind. Fludrocortison wird gewöhnlich in Tablettenform oral eingenommen. Unter besonderen Umständen, z.B. wenn eine schnellere Aufnahme erforderlich ist, oder wenn wegen Erbrechen orale Einnahme nicht möglich ist, sind Zäpfchen mit Prednison in angemessener Dosierung für Betroffene die bevorzugte Arznei.

Die Bundesregierung wie auch pädiatrische Fachgesellschaften haben in den letzten zehn Jahren wiederholt geltend gemacht, mehrere Millionen Euro und beträchtliche Bemühungen in die Verbesserung der Lebensumstände von Intersex-Menschen investiert zu haben. Nichtsdestotrotz steht für betroffene Intersex-Menschen im Jahr 2015 die Erhältlichkeit lebenswichtiger Fludrocortison-Präparate und Prednison-Zäpfchen in geeigneter Dosierung auf dem Spiel, oder die Medikamente sind bereits nicht mehr erhältlich, während die Bundesregierung sich weigert, zu gewährleisten, dass Betroffene diese lebenswichtigen Medikamente jederzeit nach Bedarf beziehen können, und dass entsprechende Bezüge auch von der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckt werden:

  • Ende 2014 wurden Kliniken, ÄrztInnen und Betroffene von der Arzneimittelherstellerin Merck Serono, der Herstellerin von “Astonin H,” des einzigen in Deutschland zugelassenen Fludrocortison-Präparates, darauf afmerksam gemacht, dass wegen eines “Lieferungsengpasses” von Fludrocortison “Astonin H” auf unbestimmte nicht mehr lieferbar sein wird.105 Ende Januar 2015 waren z.B. in Hamburg 50er-Packungen von “Astonin H” bereits vollständig ausverkauft, und 100er-Packungen nur noch als Re-Import begrenzt lieferbar, ohne Aussicht auf Nachlieferung. Betroffene wurden angewiesen, auf Privat-Importe von “Florinef” auszuweichen (produziert von E.R. Squibb & Sons Ltd.).106 Jedoch führen solche Privat-Importe von in Deutschland nicht zugelassenen “Off-label”-Präparaten für Betroffene zu beträchtlichen bürokratischen Umtrieben und finanziellen Risiken, das Krankenversicherer sich gewöhnlich auf den Standpunkt stellen, die Rückerstattung nicht-zugelassener Produkte sei ihnen verwehrt (vgl. dazu auch unten “Rectodelt”), und gemäß §73 Abs. 3 AMG ist lediglich der Bezug “in geringer Menge” erlaubt.107 Zusätzlich sind, im Gegensatz zu “Astonin H”, “Florinef”-Tabletten lediglich gekühlt haltbar ( 2–8°C), was die Mobilitiät z.B. bei Reisen einschränkt, und es erschwert, Notfallrationen z.B. am Arbeitsplatz verfügbar zu haben.

  • 2004 wurden “Rectodelt”-Zäpfchen mit Prednison in der Dosierung von 30 mg (sowie in den Dosierungen von 5 und 10 mg) vom Markt genommen. Lediglich Zäpfchen in der Dosierung von 100 mg sind noch erhältlich, welche jedoch als Notfallmedikament für AGS/CAH mit Salzverlust nicht geeignet sind. Auf Nachfrage wurden Betroffene informiert, die Herstellerin Trommsdorff Arzneimittel sei gezwungen gewesen, die niedrigeren Dosierungen vom Markt zu nehmen, weil die Gebühren für weitere Zulassung die zu erwartenden Gewinne überstiegen. Als eine Betroffene deshalb als Ersatz auf in einer Apotheke für sie individuell zubereitete 30 mg Zäpfchen auswich, weigerte sich der Krankenversicherer Barmer GEK, die Kosten dafür zu übernehmen mit der Begründung, es sei verboten für nicht-zugelassene “Off-Label”-Präparate aufzukommen.

Wir möchten deshalb die Anliegen und Empfehlungen der BRK-Allianz (S. 9), die Lebenssituation der bislang betroffenen Personen nachhaltig zu verbessern, bekräftigen und wie folgt präzisieren:

Empfehlung 3

Die Bundesregierung muss in enger Zusammenarbeit mit den Betroffenen und ihren Organisationen die Erhältlichkeit, Zulassung und Kostenübernahme durch die Krankenkassen für benötigte Medikamente für Betroffene, im Besonderen für Menschen mit AGS/CAH mit Salzverlust, und allgemein die Lebenssituation der bislang betroffenen Personen nachhaltig verbesern.

Innerhalb eines Jahres muss die Bundesregierung dem Ausschuss einen Zwischenbericht abliefern.

104 Diese vorgeschobene “Rechtfertigung” konstituiert auch die historische Wurzel für die systematische Aufzwingung unnötiger frühkindlicher Operationen, vgl. 2014 CRC NGO Report, S. 54–56

105 Deutsches Ärzteblatt, Jg. 111, Heft 51–52, 22.12.2014, S. A 2287

106 ebd.

Der gesamte 33-seitige thematische NGO-Bericht liegt vorerst nur auf Englisch vor:

>>> PDF (2.13 MB)   >>> HTML (1 MB)   >>> DOC (1.06 MB)   >>> DOCX (1 MB)

>>> UN-Staatenprüfung BRK: Fragen + Antworten zu Intersex 26.03.2015
>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 25.03.2015

>>> Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben

Thursday, March 26 2015

LIVE > Genf > UN-Staatenprüfung von Deutschland zur BRK: Fragen zu Intersex, IGM und Kastrationen - Ausweichende Antworten der BRD

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Ana Peláez Narváez stellt Frage zu IGM und Kastrationen, 26.03.2015 (treatybodywebcast)

Menschenrechte auch für Zwitter!

Zwischengeschlecht.org on FacebookDer UN-Behindertenrechtsausschuss (CRPD) prüft Deutschland – IGM-Praktiken sind als Thema gesetzt!

Nach einem thematischen Intersex-Briefing und Thematiserung von IGM-Praktiken auch im Länder-Briefing startete heute Nachmittag im Rahmen der 13. CRPD-Session der erste von zwei jeweils 3-stündigen Blöcke des Dialogs des Ausschusses mit der Staatendelegation.

Diane Kingston, die Berichterstatterin des Ausschusses zu Deutschland, erwähnte Intersex in ihrem Eingangsvotum im Zusammenhang mit der (aus Sicht von Betroffenenorganisationen wenig befriedigenden) Antworten der Bundesregierung zur List of Issues (LoI).

Ana Peláez Narváez sprach die CEDAW-Staatenüberprüfung Deutschlands von 2009 an, und fragte in diesem Zusammenhang nach Genitalverstümmelungen und Kastrationen an Intersex-Kindern (vgl. dazu auch CAT-Überprüfung 2011).

Die Antworten der Staatendelegation nach der Pause folgte (nicht wirklich überraschend) den bekannten Mustern des Schönredens und Ausweichens:

Ein Mitglied der Staatendelegation, das seinen Namen nicht offen legte, schwärmte zunächst von der (von Betroffenenorganisationen Zwischengeschlecht.org, Intersexuelle Menschen e.V. und IVIM dezidiert kritisierten) Stellungnahme des Deutschen Ethikrates und stilisierte diese zum angeblich großen Durchbruch in Sachen Awareness-Raising und gegen Stigmatisierung von Intersex-Menschen hoch. Plus gleich nochmals dasselbe mit dem (von Betroffenenorganisationen ebenfalls dezidiert kritisierten) Personenstand-Murks.

Mitglied der Staatendelegation Dr. Kathrin Brunozzi doppelte nach mit der altbewährten VerstümmlerInnen-These, ein "pauschales Verbot" von menschenrechtswidrigen IGM-Praktiken sei keinesfalls notwendig, da heute schon "im Gegensatz zu vor 20 Jahren eine viel größere Zurückhaltung der Medizin bei irreversiblen Operationen" zu beobachten sei, vielmehr soll ein "gesellschaftlicher Rahmen" geschaffen werden, um in ganz "individueller Betrachtung" jeweils abzuklären, ob nicht fallweise mal auf Grundrechte wie dasjenige auf körperliche Unversehrtheit verzichtet werden könne (vgl. wiederum Ethikrat), dies wäre letzlich geradezu "im Interesse der großen Bandbreite von D$D-Betroffenen" ...

Meine 2 Cent: Bleibt zu hoffen, dass sich der Behindertenrechtsausschuss von solch "schönen Worten" nicht hinters Licht führen lässt!

PS: Eine Zusammenfassung der ganzen Sitzung mit allen Fragen und Antworten auf Englisch soll demnächst auf der CRPD-Webseite veröffentlicht werden.

Auf Deutsch übersetzte Kapitel des thematischen Intersex-Schattenberichts:
>>> "Intersex-Menschen in Deutschland und die Behindertenrechtskonvention (BRK)" 

>>> "IGM-Statistiken: 20 Jahre Lügen und Leugnen der Bundesregierung" 
>>> "Faktische Straflosigkeit von IGM-Praktiken, kein Zugang zu Justiz f. Betroffene"
>>> "Verweigerung lebenswichtiger Medikamente f. Betroffene m. AGS m. Salzverlust"
Der gesamte 33-seitige thematische NGO-Bericht liegt vorerst nur auf Englisch vor:
>>> PDF (2.13 MB)   >>> HTML (1 MB)   >>> DOC (1.06 MB)   >>> DOCX (1 MB)

>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 25.03.2015
>>>
Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben

D > UN-Staatenprüfung BRK: "Faktische Straflosigkeit von IGM-Praktiken und Verweigerung von Zugang zu Wiedergutmachung und Justiz für Überlebende"

FrançaisEnglishVerein Zwischengeschlecht.orgSpendenMitglied werdenAktivitäten

>>> UN-Staatenprüfung BRK: Fragen + Antworten zu Intersex 26.03.2015
>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 25.03.2015 

Friedlicher Protest vor der Ethikrat-Pressekonferenz, 23.2.12 (Bild: © dapd)

Zwischengeschlecht.org on FacebookDo 26. - Fr 27. März: Der  UN-Behindertenrechtsausschuss (CRPD) prüft Deutschland – IGM-Praktiken sind als Thema gesetzt!

Ein thematischer NGO-Bericht von Zwischengeschlecht.org dokumentiert Menschenrechtsverletzungen an Intersex-Menschen in Deutschland. Nachfolgend Kapitel D.2. und E.1. zu "Straflosigkeit und fehlender Zugang zu Justiz" in Deutscher Übersetzung.
>>> "C. "Intersex & BRK"   >>> "D.1. IGM-Statistiken: 20 Jahre Lügen"

D. In der List of Issues (LoI) erwähnte Sachverhalte (Forts.)

2. Gesetzgeberische Maßnahmen zur Beendigung von IGM-Praktiken (Art. 16, LoI issue 12 / Art. 4, 7, 15, 17)

Die ausweichende Antwort des Vertragsstaates (Abs. 74–78) verrät die bekannte Verweigerungshaltung der Bundesregierung, IGM-Praktiken in Deutschland zu stoppen, wie auch die Beflissenheit sowohl der Bundesregierung wie auch der Länder, IGM-Praktiken zu verteidigen, unter Verweis auf dasselbe “Kindeswohl” nach § 1627 BGB wie in ihrer gegenwärtigen Antwort (Abs. 77), was sich in verschiedenen Antworten auf palamentarische Anfragen ohne weiteres nachweisen lässt:

  • 1996 erklärte die Bundesregierung: “Die Behandlung der betroffenen Kinder erfolgt individuell nach den spezifischen Gegebenheiten des einzelnen Krankheitsbildes und den besonderen Umständen des betroffenen Kindes. Um psychische Auswirkungen zu vermeiden, wird eine notwendige Geschlechtskorrektur in der Regel vor Vollendung des zweiten Lebensjahres vorgenommen. [...] Die rechtliche Grundlage ist der medizinische Behandlungsvertrag, der im Wissen um das Schicksal nicht behandelter an diesen Krankheiten Leidender mit den Eltern abgeschlossen wird.”80

  • 2001 wurde die Bundesregierung nach ihrer Position zu einem generellen Verbot von IGM-Praktiken an Minderjährigen gefragt, ignorierte jedoch die Frage einfach. Weiter weigerte sich die Bundesregierung entschieden, Klagen Betroffener, “Genitalkorrekturen” würden grausame, unmenschliche, erniedrigende Behandlung oder Folter (CIDT) darstellen, überhaupt zur Kenntnis zu nemen, sondern wies solche pauschal zurück mit der Begründung: “Die Bundesregierung hält es auch im Interesse einer notwendigen sachlichen und fachkompetenten Debatte um die Behandlung von Intersexuellenfür wenig hilfreich solche Vergleiche anzustellen.” Weiter behauptete die Bundesregierung, “Intersex-Genitalkorrekturen” seien – im Gegensatz zu “genitalverstümmelnden Maßnahmen, wie sie in einigen Kulturen Afrikas an Mädchen und Frauen praktiziert werden”“medizinisch-therapeutische Eingriffe” und deshalb kompatibel mit dem Wohl der betroffenen Kinder nach § 1627 BGB.81

  • 2007 wurde die Bundesregierung erneut nach ihrer Position zu einem generellen Verbot von IGM-Praktiken an Minderjährigen gefragt, und verwies einfach auf ihre oben angeführte (Nicht-)Antwort von 2001, unter erneutem explizitem Verweis auf § 1627 BGB.82

  • 2009 verwies die Bundesregierung erneut einfach auf ihre oben angeführte (Nicht-)Antwort von 2001.83

  • 2013 behauptete der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg: “Die Verbindung dieser Eingriffe mit 'kosmetischen Genitaloperationen', 'genital-normalisierenden Zwangsoperationen'84 oder gar 'Genitalverstümmelungen' ist unzutreffend.”85

Im Gegensatz dazu forderte 2011 der UN-Ausschuss gegen Folter (CAT) Deutschland explizit auf, “Rechtsvorschriften zu erlassen, die den Opfern solcher Behandlungen Rechtsschutzmöglichkeiten, einschließlich angemessener Entschädigungen, gewähren”.86 2013 unterstützten der UN-Sonderberichterstatter über Folter87 und der Europarat (COE)88 diese Forderung nach gesetzgeberischen Maßnahmen. Nichtsdestotrotz weigert sich die Bundesregierung bis heute, konkrete Schritte zu unternehmen.

Zusätzlich lehnte der Bundestag 2013 auf Antrag und mit den Stimmen der damaligen wie heutigen führenden Koalitionspartei 3 Anträge ab, die eine gesetzgeberische Überprüfung von IGM-Praktiken verlangten.89

Im Gegensatz dazu forderte 2014 die 24. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und minister, -senatorinnen und -senatoren (GFMK) explizit ein gesetzliches “Verbot von medizinisch nicht indizierten Eingriffen und medikamentösen Behandlungen [...] bei nicht einwilligungsfähigen intersexuellen Minderjährigen,” unter ausdrücklichem Verweis auf die Notwendigkeit, Intersex-Kindern vergleichbaren Schutz vor Zwangssterilisierung (§ 1631c BGB) und weiblicher Genitalverstümmelung (§ 226a StGB) zu gewähren, wie ihn die meisten Kinder bereits genießen.90

Zusätzlich hielt das Sozialgericht Bayreuth in einem Urteil fest, ein Anspruch auf Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) stehe Überlebenden von IGM-Praktiken beim gegenwärtigen gesetzgeberischen Stand ausdrücklich nicht zu: “Fehlerhafte ärztliche Eingriffe zur Behandlung von Intersexualität könnten aber allenfalls dann als "feindselig" gegenüber einem Patienten sein [und damit anspruchsberechtigt], wenn es entsprechende Gesetze gebe. Die gibt es aber noch nicht.”91 (vgl. auch unten E.1.) – wiederum im krassen Gegensatz zu den Behauptungen der Bundesregierung, IGM-Praktiken seien bereits heute verboten, sowie zur erwähnten Zielvorgabe der Interministeriellen Arbeitsgruppe [IMAG], einmal mehr (wie lange noch?) darüber zu “diskutieren [...] ob weitere Maßnahmen zur Ergänzung bestehender Vorschriften im Deutschen Recht nötig sind, um intersexuelle Kinder vor irreversiblen chirurgischen Eingriffen zu schützen, die weder medizinisch notwendig noch im Interesse des Kindeswohls sind?” (para 78)

Wir möchten deshalb die Anliegen und Empfehlungen der BRK-Allianz (S. 9) bekräftigen und wie folgt präzisieren, um endlich angemessene gesetzgeberische Maßnahmen gegen IGM-Praktiken und zum Schutz von Betroffenen vor künftigem Schaden zu gewährleisten, sowie zusätzlich Zugang zu Wiedergutmachung und Gerechtigkeit für Überlebende:

Empfehlung 2

Die Bundesregierung muss in enger Zusammenarbeit mit den Betroffenen und ihren Organisationen umgehend gesetzgeberische Maßnahmen einleiten, um IGM-Praktiken zu unterbinden, und Zugang zu Wiedergutmachung und Justiz zu gewährleisten, einschließlich angemessene Reformen von

  • Strafrecht
  • Zivilrechtliche Haftung
  • Opferentschädigungsgesetz (OEG)
  • Verjährungsfristen.

Innerhalb eines Jahres muss die Bundesregierung dem Ausschuss einen Zwischenbericht abliefern.

 

E. In der List of Issues (LoI) nicht erwähnte Sachverhalte

1. Mangelnder Zugang zu Wiedergutmachung und Justiz (Art. 12, 13)

Der Mangel an Zugang zu Wiedergutmachung und Justiz für Überlebende von IGM-Praktiken in Deutschland ist bestens bekannt und nahezu vollständig:

a) Strafrecht

  • Kein_e Überlebende_r von IGM-Praktiken schaffte es bisher, erfolgreich Strafklage einzureichen.

  • Im Fall der üblichen frühen Eingriffe nach AWMF-Leitlinien (“in den ersten zwei Lebensjahren”) sind sämtliche Verjährungsfristen ausgelaufen, bevor Überlebende die Volljährigkeit erreichen.

  • Bis zum heutigen Tag haben Betroffene und ihre Organisationen vergeblich zu einer gesetzgeberischen Überprüfung der Verjährungsfristen im Zusammenhang mit IGM-Praktiken aufgerufen, unter Verweis auf gegenwärtige und kürzliche gesetzgeberische Überprüfungen betreffend Aussetzung oder Aufhebung von Verjährungsfristen in Fällen von sexualisierter Gewalt an Kindern (“Kindesmissbrauch”) (§§ 176 ff. StGB) und weibliche Genitalverstümmelung (§ 226a StGB).

  • Wie bereits oben erwähnt (D.2.), forderte 2014 die 24. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und minister, -senatorinnen und -senatoren (GFMK) explizit ein gesetzliches “Verbot von medizinisch nicht indizierten Eingriffen und medikamentösen Behandlungen [...] bei nicht einwilligungsfähigen intersexuellen Minderjährigen,” unter ausdrücklichem Verweis auf die Notwendigkeit, Intersex-Kindern vergleichbaren Schutz vor Zwangssterilisierung (§ 1631c BGB) und weiblicher Genitalverstümmelung (§ 226a StGB) zu gewähren, wie ihn die meisten Kinder bereits genießen.92

b) Zivilrecht

  • Kein_e Überlebende_r von IGM-Praktiken im Kindesalter schaffte es bisher, erfolgreich Zivilklage einzureichen.

  • Lediglich 3 Überlebenden von IGM-Praktiken gelang es bisher, erfolgreich Zivilklagen einzureichen – in allen Fällen lediglich für Eingriffe, denen sie als Volljährige mit 18 Jahren oder später unterworfen wurden. Das erste Verfahren in Köln 2007–2009 endete mit der Verurteilung eines Chirurgen zur Zahlung von 100'000 Euro Schmerzensgeld.93 94 Zwei weitere Klagen wurden 2011 in Nürnberg95 und 2012 in München96 eingereicht, die Verfahren nehmen gegenwärtig (langsam) ihren Lauf.

  • Alle anderen Überlebenden von IGM-Praktiken scheiterten bisher an den Verjährungsfristen.

  • Bereits 2009 an einer Intersex-Anhörung der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg hielt der spezialisierte örtliche Rechtsanwalt Dr. Oliver Tolmein fest: “Interessant ist, dass zu uns in die Kanzlei beispielsweise sehr viele [Intersex-]Menschen kommen, die Schadensersatzprozesse führen möchten gegen ihre Ärztinnen und Ärzte, die behandelnden, und zwar nicht in erster Linie, um reich und glücklich zu werden, sondern damit anerkannt wird, dass das, was damals an ihnen praktiziert worden ist, was sie durchlitten und durchlebt haben, dass das eben keine Standardbehandlung, keine medizinischen Heileingriffe waren, sondern dass das eben genau das war: Medizinversuche [jedoch scheiterten bisher alle an der Verjährung]”.97

c) Opferentschädigungsgesetz (OEG)

  • Kein_e Überlebende_r von IGM-Praktiken schaffte es bisher, Entschädigung zu erhalten.

Fall 1:98 Überlebende_r von IGM-Praktiken mit anerkannter Schwerbehinderung, erwerbsunfähig. Anspruch auf Entschädigung vom Gericht verneint wegen fehlender “feindseliger Absicht” der verantwortlichen Ärzte, unter Verweis, dass “eigene finanzielle Interessen des behandelnden medizinischen Personals nicht vorlagen”.99

Fall 2: Überlebende_r von IGM-Praktiken mit anerkannter Schwerbehinderung (GdB 80%), erwerbsunfähig. Anspruch auf Entschädigung vom Gericht verneint wegen fehlender “feindseliger Absicht” der verantwortlichen Ärzte. Wie bereits oben angeführt (D.2.), hielt das Gericht zusätzlich fest, ein Anspruch auf Opferentschädigung bestünde erst, “wenn es entsprechende Gesetze [gegen IGM-Praktiken] gebe. Die gibt es aber noch nicht.”100

Fall 3: Überlebende von IGM-Praktiken mit anerkannter Schwerbehinderung (GdB 60%), erwerbsunfähig. Anspruch auf Entschädigung vom Gericht verneint wegen fehlender “feindseliger Absicht” der verantwortlichen Ärzte.101

Fall 4: Überlebende von IGM-Praktiken mit anerkannter Schwerbehinderung (GdB 50%), erwerbsunfähig. Anspruch auf Entschädigung von der Behörde verneint wegen fehlender “feindseliger Absicht” der verantwortlichen Ärzte. Weiter hielt die Behörde fest, die eingeklagten Verletzungen, einschließlich nicht-eingewilligte Klitorisamputation, Aufzwingung von “Androcur” und Humanexperimente, würden keine strafbaren kriminellen Handlungen darstellen.102

  • Ein Working Paper No. 5 (2014) “Entschädigungsansprüche von Intergeschlechtlichen” der Humboldt Law Clinic Menschenrechte (HLCMR) der Humboldt Universität Berlin kam zum Schluss, ohne eine Revision des OEG, oder wenigstens eine Änderung der “Auslegung des Tatbestandsmerkmals der feindlichen Willensrichtung im Sinne des Gesamtunrechts der medizinischen Behandlungspraxis” werden Überlebende von IGM-Praktiken nie eine Chance haben, Entschädigung zugesprochen zu erhalten, trotz des offensichtlichen Widerspruchs zum erklärten Zweck des OEG “in den Fällen einen finanziellen Ausgleich [zu] schaffen, in denen der Staat seinem Verbrechensverhütungsauftrag nicht nachgekommen ist. Die Zuerkennung eines Anspruchs nach dem OEG könnte somit auch so gelesen werden, dass der Staat anerkennt, dass ein rechtsfeindliches Vergehen gegen die betroffene Person vorliegt und dieses grundsätzlich vom Staat sanktioniert sein müsste.” Und trotz deutlichem Widerspruch zu Art. 3 EMRK und den Abschließenden Bemerkungen des UN-Ausschusses gegen Folter (CAT/C/DEU/CO/5). Weiter behandelt das Working Paper ähnliche Schranken und Widersprüche in Bezug auf Überlebende von IGM-Praktiken in weiteren Haftungsrechtsvorschriften, namentlich Amtshaftung (§ 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG) und Allgemeiner Aufopferungsanspruch (Gewohnheitsrecht).103

Empfehlung:

(Siehe oben Empfehlung 2, worin Abhilfe betreffend mangelnden Zugang zu Wiedergutmachung und Justiz, wie sie in diesem Abschnitt dokumentiert sind, bereits enthalten sind.

81 14/5627, S. 10–11, 11, 11–12, 13 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/14/056/1405627.pdf

84 d.h. genau die Definition des UN-Sonderberichterstatters über Folter A/HRC/22/53, Abs. 88, auf die explizit in der Anfrage verwiesen wurde.

86 CAT/C/DEU/CO/5, Abs. 22 (b)

87 A/HRC/22/53, Abs. 77, 76, 88

88 Resolution 1952 (2013) “Children’s right to physical integrity”, Abs. 2, 6, 7

91 Urteil vom 01.08.2012, Az. S 4 VG 5/11 (unveröffentlicht); vgl. auch relevantes Zitat in Nürnberger Nachrichten (04.11.2013)
https://web.archive.org/web/20131114044728/http://www.nordbayern.de/nuernberger-nachrichten/region-bayern/schmerzliche-suche-nach-dem-eigenen-geschlecht-1.3257295

95 LG Nürnberg-Fürth, Az. 4 O 7000/11. Der 1. Prozesstermin war am 26.02.2015.

96 LG München, Az. 9 O 27981/12. Der 1. Prozesstermin ist noch nicht absehbar.

98 Die betreffende Person den BerichterstatterInnen persönlich bekannt. Die Details zum Fall stammen aus: Franziska Brachthäuser, Theresa Richarz (2014): Zwischen Norm und Geschlecht – Erste Entwürfe möglicher nationaler Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche intersexueller Menschen gegen die Bundesrepublik Deutschland, Humboldt Law Clinic Menschenrechte (HLCMR) Working Paper Nr. 5, S. 9, 11 (d.h. 6, 8 gemäß Paginierung innerhalb des Dokuments) http://hlcmr.de/wp-content/uploads/2015/01/Working_Paper_Nr.5.pdf (Alle anderen Fallberichte basieren auf persönlichen Interviews.)

99 SG Trier, 07.02.2012 Az. S 6 VG 10/ 11 Tr. (unveröffentlicht)

100 SG Bayreuth, 01.08.2012, Az. S 4 VG 5/11 (unveröffentlicht); vgl. auch relevantes Zitat in Nürnberger Nachrichten (04.11.2013) https://web.archive.org/web/20131114044728/http://www.nordbayern.de/nuernberger-nachrichten/region-bayern/schmerzliche-suche-nach-dem-eigenen-geschlecht-1.3257295

101 SG Nürnberg, 16.07.2014, Az. S 15 VG 9/12 (unveröffentlicht)

102 Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) Hamburg, 14.10.2014, Az. FS 5222- AI-Nr. 17770/10#1 (unveröffentlicht)

103 Franziska Brachthäuser, Theresa Richarz (2014): Zwischen Norm und Geschlecht – Erste Entwürfe möglicher nationaler Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche intersexueller Menschen gegen die Bundesrepublik Deutschland, Humboldt Law Clinic Menschenrechte (HLCMR) Working Paper Nr. 5, S. 22–24 (d.h. 19–21 gemäß Paginierung innerhalb des Dokuments) http://hlcmr.de/wp-content/uploads/2015/01/Working_Paper_Nr.5.pdf

Der gesamte 33-seitige thematische NGO-Bericht liegt vorerst nur auf Englisch vor:

>>> PDF (2.13 MB)   >>> HTML (1 MB)   >>> DOC (1.06 MB)   >>> DOCX (1 MB)

>>> UN-Staatenprüfung BRK: Fragen + Antworten zu Intersex 26.03.2015
>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 25.03.2015

>>> Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben

Wednesday, March 25 2015

D > UN-Staatenprüfung: "Datenerfassung & Statistiken zu Intersex & IGM-Praktiken: 20 Jahre Lügen und Leugnen der Bundesregierung"

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>>> UN-Staatenprüfung BRK: Fragen + Antworten zu Intersex 26.03.2015
>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 25.03.2015 

Rechte für ZwitterBild: Aktion von Intersexuelle Menschen e.V. zum Intersex Awareness Day in Berlin (ARD)

Zwischengeschlecht.org on FacebookDo 26. - Fr 27. März: Der  UN-Behindertenrechtsausschuss (CRPD) prüft Deutschland – IGM-Praktiken sind als Thema gesetzt!

Ein thematischer NGO-Bericht von Zwischengeschlecht.org dokumentiert Menschenrechtsverletzungen an Intersex-Menschen in Deutschland. Nachfolgend Kapitel D.1. "Datenerfassung und Statistik" in Deutscher Übersetzung.
>>> "C. "Intersex & BRK"    >>> "D.2. IGM: faktische Straflosigkeit"

D. In der List of Issues (LoI) erwähnte Sachverhalte

1. Datenerfassung und Statistik (Art. 16, LoI issue 12 / Art. 31)

Während die Antwort des Vertragsstaates (Abs. 73), “Die Bundesregierung verfügt über keine Statistiken über die in der Frage erwähnten chirurgischen Eingriffe” faktisch nicht unzutreffend ist, ist sie trotzdem von der ganzen Wahrheit weit entfernt, da sie bequemerweise die anhaltenden Klagen der Betroffenen außen vor lässt, dass die Deutsche Bundesregierung sich seit fast zwei Jahrzehnten aktiv weigert, Daten zu IGM-Praktiken zu erfassen und entsprechende Statistiken zugänglich zu machen, obwohl sie wiederholt im Bundestag dazu aufgefordert wurde, und obwohl sie Datenerfassung und Statistiken seit langer Zeit ankündigte:

  • 1996 wurde die Bundesregierung nach Statistiken gefragt, ignorierte jedoch die Frage einfach.71

  • 2001 kündigte die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine erneute Frage nach Statistiken an, Datenerfassung würde bald möglich sein: “Im Rahmen der Krankenhausdiagnosestatistik des Statistischen Bundesamtes werden Angaben zur Intersexualität noch nicht erfasst. Das Statistische Bundesamt wird voraussichtlich ab 2002 die Krankenhausdiagnosestatistik auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten ICD 10 führen.” Dann würde Datenerfassung von “Intersex-Diagnosen” möglich.72

  • 2007 wurde die Bundesregierung erneut nach Statistiken gefragt. In ihrer Antwort fiel die Bundesregierung auf die Position zurück: “Der Bundesregierung liegen keine bundesweit einheitlichen Erfassungen und Statistiken vor”, und verwies deshalb auf “Erkenntnisse von Fachgesellschaften”, wonach die “Gesamtzahl der Betroffenen mit schwerwiegenderen Abweichungen der Geschlechtsentwicklung [...] in Deutschland bei etwa 8 000 bis 10 000 [liegt]”, unter gleichzeitiger Verweigerung der Offenlegung einer Gesamtzahl aller relevanten Fälle.73

  • 2009 wiederholte die Bundesregierung präzisierend: “Bundesweit einheitliche Erfassungen und Statistiken hierzu liegen der Bundesregierung nicht vor und sind auch derzeit nicht geplant.”74

  • 2009 behauptete der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg: “Da keine eindeutige Definition des Begriffs 'intersexuell' als Diagnose existiert, ist eine Antwort auf diese Fragen nicht möglich.” Deshalb würden “[d]ie erfragten Daten [...] statistisch nicht erfasst,” unter weiterem Verweis auf “Gründe[] der Schweigepflicht und des Datenschutzes”.75

  • 2010, behauptete der Senat von Berlin: “Dem Senat liegen keine Erkenntnisse über konkrete Fälle mit derartigen Eingriffen oder Therapien vor. Eine rechtliche Beurteilung ist somit nicht möglich.” Und fügte hinzu: Auch gibt es keine Erkenntnisse darüber, ob und welche Krankenhäuser in Berlin solche Behandlungen an Kindern vorgenommen haben.”76

  • 2012 behauptete die Stadtverwaltung München: “Fallzahlen werden nicht systematisch erhoben. Auch wie häufig DSD auftritt, ist nicht genau bekannt.” Sowie betreffend Statistiken für IGM-Praktiken in Münchner Kliniken: “Hierzu liegen [...] keine Daten vor. Hier können ohne eine differenzierte Befragung aller in Frage kommenden Kliniken keine Angaben gemacht werden. Dies würde aber den Rahmen der Anfrage übersteigen.”77

  • 2014 zensierte die Bayerische Staatsregierung eine Frage nach IGM-Statiskiken, während sie nicht-öffentlich erklärte, Daten wären zwar erhältlich, aber “Daten über die o.a. Operationen sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der [meist staatlich kontrollierten] Krankenhäuser”. Statistiken seien somit “geheim zu halten” bzw. “dürfen daher [nach Art. 30 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG)] nicht veröffentlicht werden”, unter weiterem Verweis auf “datenschutzrechtliche[] Gründe[]”.78

Andererseits bewies der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg79 2013 in einer Antwort auf eine Schriftliche Kleine Anfrage als die Regel bestätigende Ausnahme, dass es sehr wohl möglich ist, Daten sowohl zu erfassen wie auch relevante Statistiken rechtmäßig zu veröffentlichen.

Wir möchten deshalb die Anliegen und Empfehlungen der BRK-Allianz (S. 9) bekräftigen und wie folgt präzisieren, um endlich Datenerfassung und Statistiken zu gewährleisten:

Empfehlung 1

Die Bundesregierung muss konkrete Schritte unternehmen, um Datenerfassung und regelmäßige Verbreitung von Statistiken über die Anzahl aller Formen von IGM-Praktiken an Kindern mit Varianten der Geschlechtsanatomie in Deutschen Kliniken zu gewährleisten, einschließlich einer Aufschlüsselung nach Art der Eingriffe, Altersgruppen und Kliniken, sowie in enger Zusammenarbeit mit den Betroffenen, ihren Organisationen und der Nationalen Monitoring-Stelle (Deutsches Institut für Menschenrechte).

Innerhalb eines Jahres muss die Bundesregierung erste Statistiken veröffentlichen und dem Ausschuss einen Zwischenbericht abliefern.

78 17/3884 [Geleakte unzensierte Version der Antwort auf die ursprüngliche Frage 3, S. 1 – in der offiziellen Antwort wurde die relevante Original-Frage 3 samt dazugehöriger Antwort klammheimlich unterschlagen, vgl. S. 2] https://blog.zwischengeschlecht.info/public/Bayern_2014_Anfrage_17-3884_Intersex_IGM_Zensur_web.pdf

Der gesamte 33-seitige thematische NGO-Bericht liegt vorerst nur auf Englisch vor:

>>> PDF (2.13 MB)   >>> HTML (1 MB)   >>> DOC (1.06 MB)   >>> DOCX (1 MB)

>>> UN-Staatenprüfung BRK: Fragen + Antworten zu Intersex 26.03.2015
>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 25.03.2015

>>> Intersex-Genitalverstümmelungen (IGM): Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> IGM – eine Genealogie der TäterInnen
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben

Tuesday, March 24 2015

D > UN-Staatenprüfung in Genf: "Intersex-Menschen in Deutschland und die Behindertenrechtskonvention (BRK)"

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>>> UN-Staatenprüfung BRK: Fragen + Antworten zu Intersex 26.03.2015
>>> Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 25.03.2015

Zwischengeschlecht.org on FacebookDo 26. - Fr 27. März: Der  UN-Behindertenrechtsausschuss (CRPD) prüft Deutschland – IGM-Praktiken sind als Thema gesetzt!

Ein thematischer NGO-Bericht von Zwischengeschlecht.org dokumentiert Menschenrechtsverletzungen an Intersex-Menschen in Deutschland. Nachfolgend Kapitel C. "Intersex-Menschen in Deutschland und die BRK" in Deutscher Übersetzung.
>>> "D.1. IGM-Statistiken: 20 Jahre Lügen der Bundesregierung" 
>>>
"D.2. IGM: faktische Straflosigkeit, fehlender Zugang zu Justiz für Überlebende"  
>>> "E. Verweigerung lebenswichtiger Medikamente"

“Orgasmusfähigkeit leidet durch Klitorisentfernung nicht.”
Prof. Dr. Jürgen W. Bierich

Bierich german: Plastische Operationen an den Genitalien Die operative Korrektur (s. S. 476 ff.) der vermännlichten Genitalien beim kongenitalen adrenogenitalen Syndrom des Mädchens ist aus mehreren Gründen indiziert, 1. um eine regelrechte Funktion der Vagina zu ermöglichen, 2. um die unangenehmen Klitoriserektionen zu verhindern, 3. um seelische Konflikte zu vermeiden, die den Mädchen aus dem Vorhandensein männlicher Attribute erwachsen können. Nach Möglichkeit soll die Operation schon vor dem vierten Lebensjahr durchgeführt werden. Bei leichteren Fällen ist lediglich die Entfernung der Klitoris erforderlich. Das Organ soll dabei exstirpiert und nicht amputiert werden, da sich sonst lästige Erektionen des zurückgebliebenen Stumpfes einstellen können. Wie HAMPSON (1956) bei einer größeren Reihe operierter Frauen festgestellt hat, leidet die Orgasmusfähigkeit durch die Klitorisentfernung nicht. Ist das Genitale stark vermännlicht, so muß darüberhinaus die Eröffnung des Sinus urogenitalis vorgenommen werden.    Bierich english: Plastic Operations on the Genitalia The surgical correction (see p. 474 et seq.) of the masculinized genitalia of girls with the congenital adrenogenital syndrome is desirable for several reasons: (1) in order to make the vagina a functional organ; (2) in order to prevent troublesome erections of the clitoris; (3) in order to prevent psychological conflicts, which are particularly liable to occur in girls with male characteristics. Whenever possible surgery should be carried out before the children reach four years of age. In mild cases removal of the clitoris is all that is necessary. The clitoris should be totally removed and not just amputated, otherwise troublesome erections of the remaining stump may occur. As Hampson (1956) was able to show in a large series of women subjected to operation, removal of the clitoris does not interfere with the ability to achieve orgasm. If masculinization of the genitalia is more extreme further surgery may be required to open and enlarge the urogenital sinus.

Quelle: Overzier (Hrsg.): “Intersexualität” (1961, S. 387) / “Intersexuality” (1962, S. 379)

Bis zum heutigen Tag verleiht die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) jedes Jahr stolz ihren “Bierich Preis” – weigert sich jedoch, ihre Beteiligung an früheren und heutigen IGM-Praktiken aufzuarbeiten ...

Und die “größere Reihe operierter Frauen” , auf welche Bierich oben verweist, um angeblich zu beweisen, dass “die Orgasmusfähigkeit durch die Klitorisentfernung nicht [leidet]”, bestand aus gerade mal 6 Personen (vgl: Katrina Karkazis (2008), Fixing Sex. Intersex, Medical Authority, and Lived Experience, S. 149).

C. Intersex-Menschen in Deutschland und die BRK

Es ist wichtig festzuhalten, dass Intersex-Menschen per se nicht behindert sind, und dass lediglich eine spezifische und relativ seltene Intersex-Variante (AGS mit Salzverlust) mit einer vitalen (stoffwechselbedingten) medizinischen Behandlungsnotwendigkeit einhergeht (d.h. tägliche Substitution fehlenden Kortisols – jedoch konstituiert dies KEINE Notwendigkeit für Genitaloperationen!). Nichtsdestotrotz benutzen ÄrztInnen andauernd diese einzige Ausnahme als eine vorgebliche Rechtfertigung, um ALLEN Intersex-Menschen unnötige Genitaloperationen und weitere unnötige Behandlungen aufzuzwingen.65 Im allgemeinen betrachten sich Intersex-Meschen deshalb nicht als Menschen mit einer Behinderung. Nichtsdestotrotz beschreiben (und “behandeln”) ÄrztInnen Intersex-Varianten gewöhnlich als eine Form von Behinderung per se, meist mit rassistischen, eugenischen und nationalsozialistischen Untertönen.66 67 68 69

Als Folge von IGM-Praktiken haben andrerseits viele Intersex-Menschen tatsächliche körperliche und seelische Beeinträchtigungen und/oder bedürfen medizinischer Behandlungen (chronische Schmerzen, Verlust des sexuellen Empfindungsvermögens, lebenslängliche psychologische Traumata, Stoffwechselprobleme und Bedarf für tägliche Hormonsubstitutionen nach Kastration, etc.), sind erwerbsunfähig und leben in Armut. In Deutschland haben deshalb viele Überlebende erfolgreich Anerkennung einer Schwerbehinderung beantragt, mit anerkanntem Grad der Behinderung (GdB) bis zu 90%.

Abgesehen vom konkreten Risiko, IGM-Praktiken unterworfen zu werden, sehen sich Intersex-Menschen auf einer weiteren Ebene konfrontiert mit (Angst vor) Stigmatisierung, Ausgrenzung und Ablehnung in der Gesellschaft wegen ihrem “ungewöhnlichen Erscheinungsbild”, verstärkt durch das unablässige Heraufbeschwören eines “psychosozialen Notfalls” als angebliche Folge der Geburt eines Intersex-Kindes durch die Medizin.70 Unter zusätzlicher Betrachtung der tatsächlichen Beeinträchtigungen als Folge von IGM-Praktiken (angeblich zur Abwendung von Stigma und Ausgrenzung) sowie von (tatsächlichen und/oder wahrgenommenen) Barrieren zu einer vollständigen Teilhabe am Leben und in der Gesellschaft durch die Einstufung und (medizinische) Behandlung als “Andersartige” wenden viele Intersex-Menschen und ihre Organsiationen das soziale Modell von Behinderung an, um Strategien zu entwerfen in ihrem Kampf um körperliche Unversehrtheit und Autonomie und für gesellschaftliche Anerkennung, und viele arbeiten (offiziell oder inoffiziell) mit Behindertenorgansationen zusammen.

65 Diese Rechtfertigung stellt auch die historische Wurzel für die systematische Aufzwingung von medizinisch nicht notwendigen, frühen Genitaloperationen dar, vgl. 2014 CRC NGO Report, S. 54–56 http://intersex.shadowreport.org/public/2014-CRC-Swiss-NGO-Zwischengeschlecht-Intersex-IGM_v2.pdf

66 2014 CRC NGO Report, S. 52, 69, 84

67 Im WHO “World Atlas of Birth Defects (2nd Edition)” werden mehrere Intersex-Formen aufgeführt, einschließlich “indeterminate sex” und “hypospadias” http://www.prenatal.tv/lecturas/world%20atlas%20of%20birth%20defects.pdf

68 “The Racist Roots of Intersex Genital Mutilations” https://stopigm.org/post/Racist-Roots-of-Intersex-Genital-Mutilations-IGM

69 “Nazi-‘Erbkrankheiten’: Intersex, Rassenmischung, Hypospadie, Scheinzwittertum, Epispadie, D$D (Baur, Fischer, Lenz)” https://blog.zwischengeschlecht.info/post/2014/10/08/Rassenmischung-Intersex-Hypospadie-Scheinzwittertum-Epispadie-DSD-Baur-Fischer-LenzErblehre-Rassenhygiene

70 vgl. z.B. die letzten Deutschen Intersex-Leitlinien, AWMF 027/022 “Störungen der Geschlechtsentwicklung”, S. 5

Der gesamte 33-seitige thematische NGO-Bericht liegt vorerst nur auf Englisch vor:

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Tuesday, March 17 2015

"Zwitter-Prozess: Klinik soll 250 000 Schadenersatz zahlen" - Nürnberger Nachrichten, 27.02.2015

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Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

>>> Gelungener Artikel auf S. 13 (PDF) von Ulrike Löw zum 1. Prozesstag in Nürnberg von Michaela "Micha" Raab gegen die Uni-Klinik Erlangen und Prof. S. wegen Intersex-Genitalverstümmelung –  DANKE!
(Auch wenn die altbekannte Falschmeldung "seit November 2013 können Eltern die „männlich“/„weiblich“-Angabe im Geburtenregister offen lassen" durch nochmaliges Wiederholen auch nicht wahrer wird ...)

>>> Mehr Medienberichte
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Nürnberger Zwitterprozess: "Schluss mit straflos verstümmeln!"
>>> Wegen Zwitterprozess: Bayern zensiert parlamentarische Anfrage zu IGM-Praktiken!

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