Friday, May 31 2013

Intersex, Recht und Ethik - 2 Veranstaltungen zeigen Handlungsbedarf

Aktion + Offener Brief Kinderspital Zürich, 06.07.2008 (Bild: Ärger)

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)

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Gestern fanden in Zürich 2 öffentliche Intersex-Veranstaltungen statt, morgens an der juristischen Fakultät der Uni sowie abends eine Podiumsdiskussion der Paulus-Akademie. Anlass für beide war die weltweit viel gelobte >>> Stellungnahme "Varianten der Geschlechtsentwicklung" der Nationalen Ethikkommission (NEK-CNE). Zwischengeschlecht.org sorgte an beiden Versanstaltungen dafür, dass nicht vergessen wurde, dass kosmetische Genitaloperationen an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen heute noch gemacht werden, und dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht.

Die 1. Veranstaltung "Öffentlicher Workshop: Intersexualität" im "Kompetenzzentrum Medizin - Ethik - Recht Helvetiae (MERH)" der Uni Zürich war ist auf deren >>> Homepage transparent dokumentiert: Alle Präsentationen konnten können dort heruntergeladen werden. [Dieser Blog stellt die Präsentationen deshalb zu Doumentationszwecken untenstehend zum Download bereit.] Zum drängendsten Problem der andauernden Genitalverstümmelungen war in der Ankündigung immerhin festgehalten, Betroffene müssten "vor medizinischen Fehlentwicklungen und Diskriminierung in der Gesellschaft geschützt" werden. Organisiert wurde das Ganze von Prof. Dr. Brigitte Tag (Mitglied NEK-CNE und der dortigen Arbeitsgruppe "Varianten der Geschlechtsentwicklung"). Als Ergänzung zu den Referate-Downloads nachfolgend einige Highlights auch aus der Diskussion anhand des >>> Veranstaltungs-Protokolls von Nella (PDF):

• Prof. Dr. Ulrich Meyer (Bundesrichter, Präsident der sozialrechtlichen Abteilung) >>> Präsentation (PDF): In der Schweiz werden Intersex-Behandlungen über die Invalidenversicherung (IV) abgerechnet (dieser Blog berichtete / Relevante Ziffern in der "Liste der Geburtsgebrechen"). Dies stellt einen höheren Versicherungsanspruch dar als bei den Krankenversicherungen (unbedingter Anspruch auf direkte Übernahme der Behandlungskosten, keinerlei Selbstbehalt). Die IV übernimmt aber nur Behandlungen bis zum vollendeten 20. Lebensjahr (Ausnahme: Komplikationen durch frühere Behandlungen). Auf Hinweis von Zwischengeschlecht.org hatte die NEK-CNE deshalb angeregt, die Versorgung auch darüberhinaus sicherzustellen, um kontraproduktiven Druck auf Betroffene und Eltern zu verhindern und gleichzeitig sicherzustellen, dass einwilligungsfähige Betroffene, die Operationen wollen, diese auch umstandslos bezahlt kriegen. Laut Meyer sei eine entsprechende Gesetzesänderung nicht ohne weiteres möglich (obwohl, worauf aus dem Publikum Dr. Monika Gsell hinwies, die IV dadurch insgesamt Kosten sparen könnte!), weshalb Meyer riet, gleichzeitig flankierende Massnahmen beim Leistungskatalog der Krankenkassen anzustreben. Weiter demontierte Meyer im Vorbeigehen den beliebten Mythos, die sog. "interdisziplinären Behandlungsteams" (inkl. psychosozialer Unterstützung auch für die Eltern) seien heute schon üblich: Aktuell sei nämlich kontinuierliche Beratung und Unterstützung der Eltern via Invalidenversicherung NICHT gedeckt, es bestehe hier versicherungstechnisch eine Leistungslücke, die evtl. in der IV durch die Rechtsfigur der Austauschbefugnis angegangen werden könne, jedoch nicht bei der Krankenversicherung, hier bestehe Handlungsbedarf.

Prof. Dr Michelle Cottier (Uni Basel, Rechtssoziologie / Zivilgesetz)>>> Präsentation (PDF): Stützte sich auf ihre Stellungnahme z.Hd. NEK-CNE (zusammen mit Prof. Dr. Andrea Büchler, Uni Zürich). Eltern hätten kein Recht, für ihre Kinder in medizinisch nicht notwendige Behandlungen einzuwilligen, dies sei vielmehr das höchstpersönliche Recht der Betroffenen selbst, und aus privatrechtlicher Sicht eine Persönlichkeitsverletzung. Das Recht des Kindes auf Sebstbestimmung über den eigenen Körper überwiegt immer das Interesse der Eltern an einem äusserlich „unauffälligen“ Kind. Hier bestehe gesetzgeberischer Handlungsbedarf zum Schutze des Wohls der betroffener Kinder, aber auch zur Entlastung von Ärzten und Eltern. Zwar gebe es heute schon die Möglichkeit der Intervention der Kindesschutzbehörde, aber nur auf Anzeige hin und höchstens in Einzelfällen. Auf meine Fragen hin räumte Cottier in der Diskussion weiter ein, in der Schweiz sei die juristische Diskussion betr. Anwendung des Sterilisationsgesetzes auf Intersex-GenitalOPs noch ganz am Anfang, ebenso, ab wann ein Kind eine informierte Entscheidung treffen könne über einen Eingriff, der das Risko der Verminderung oder des Verlusts der sexuellen Empfindungsfähigkeit mit sich bringt.

Prof. Dr. med. Anna Lauber-Biason (Endokrinologin, Freiburg)>>> Präsentation (PDF): Gab eine Überblick aus medizinischer Sicht, inkl. den übliche Diagrammen und Diagnosen. Peer Support war leider in ihrem "multidisziplinären Team" noch kein Bestandteil. Immerhin verwies Lauber-Biason darauf, dass (mit wenigen Ausnahmen, z.B. Cortisol-Substitution bei "AGS-CAH" mit Salzverlust) kein medizinischer Notfall vorliegt, und dass es immer noch "keine evidenzbasierten allgemeine Leitlinien" gibt. Wohl wegen unserer Anwesenheit verwies sie auf die Internetpräsenz von Zwischengeschlecht.org, diese sei zwar "parteiisch, aber informiert sehr gut". In der Diskussion betonte sie noch einmal, es gebe keine physischen oder medizinischen Gründe, Genitaloperationen nicht solange zu verschieben, bis die Betroffenen selbst entscheiden können.

Dr. Judith Pók Lundquist (Gynäkologin Unispital Zürich, Mitglied NEK-CNE, Vorsitzende der Arbeitsgruppe "Varianten der Geschlechtsentwicklung")>>> Präsentation (PDF): Hob eingangs hervor, dass von Seiten der Mediziner-Akademie SAMW der Handlungsbedarf verkannt wurde (dieser Blog berichtete, vgl. auch Eingabe an NEK-CNE) und räumte in einem bewegenden Statement ein, auch sie selbst habe erst während der Anhörungen der NEK-CNE zum ersten Mal begriffen, was für grosses Leid den Betroffenen angetan wurde, weil einfach so über sie verfügt wurde, und dass es nicht darum geht, ob sie das "richtige Geschlecht" haben oder nicht, sondern dass über ihre Körper verfügt wurde, dass sie nicht selber entscheiden durften, mit Folgen für das ganze Leben (vgl. Statement von Daniela "Nella" Truffer). Pók plädierte, die SAMW solle spezielle und verbindliche Leitlinien erstellen.

Erfreulich war weiter, dass während der Diskussionen mehrfach auch aus dem Publikum (u.a. Dr. Kathrin Zehnder) darauf hingewiesen wurde, dass das Unrecht der Zwangsbehandlungen beendet werden muss. Als quasi inoffizielles Schlusswort wies ich nochmals darauf hin, dass auch die Aufarbeitung des begangenen Unrechts nach wie vor ganz am Anfang steht, und verwies dazu auf unseren (nach wie vor unbeantworteten) >>> Offenen Brief an Unispital und Universität Zürich, den wir zusammen mit der >>> Dokumentation "Intersex Genital Mutilations" [WARNUNG!!!] eingangs verteilt hatten.

Die 2. Veranstaltung "Weder Bub noch Mädchen - Varianten der Geschlechtsentwicklung" war organisiert von der Paulus Akademie Zürich und ebenfalls gut besucht. Der Arzt und Medizinethiker Dr. Jürg Streuli ("Schweizer Netzwerk für Intersex und Varianten der Geschlechtsentwicklung SNIV" – eines der raren nicht-pathologisierenden Projekte, das zudem Peer Support und Betroffene ernst nimmt) gab ein Einführungsreferat zum Thema inkl. interessanten Einblicken in seine aktuelles Forschungsprojekt "Interdisziplinäre Betreuung von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (DSD / Intersexualität)", u.a. dazu, wie sich pathologisierende vs. nicht pathologisierende Beratung von Eltern auswirkt auf deren Bereitschaft, kosmetische GenitalOPs an ihren Kindern durchführen zu lassen (rot) oder nicht (blau):

(Abb. aus der lesenswerten Psychologie-Bachelorarbeit von Yvonne Cavicchia-Balmer "Information, Aufklärung und Entscheidungsfindung von Eltern bei der Geburt eines Kindes mit uneindeutigem Geschlecht" (November 2010),
einem Bestandteil des Forschungsprojekts; die zugrunde liegende Fokusgruppe kam zustande im Anschluss an
eine viel beachtete Aktion von Zwischengeschlecht.org vor dem Kinderspital Zürich.)

Weiter auf dem Podium: Dr. Susanne Brauer (Paulusakademie, vormals NEK-CNE) als Gesprächsleiterin, Dr. Judith Pók Lundquist (Gynäkologin Unispital Zürich, Mitglied NEK-CNE, Vorsitzende der Arbeitsgruppe "Varianten der Geschlechtsentwicklung", siehe auch oben), Karin Plattner (Elternselbsthilfe, Mutter eines betroffenen Kindes) und Dr. Kathrin Zehnder (Ethnologin Uni Zürich, Dissertation "Zwitter beim Namen nennen", Co-Herausgeberin und -Autorin "Intersex – Geschlechtsanpassung zum Wohl des Kindes?").

Betroffene waren auf dem Podium nicht vorgesehen, und auch die Medizyner-Märchen-Formulierung auf dem Flyer "Bis vor kurzem wies man ihnen durch Operation und Hormongaben ein Geschlecht zu. Diese Praxis hat sich geändert" bot ebenfalls Anlass zu Besorgnis. Letztlich kam es trotzdem gut: Immerhin hatte es mehrere Betroffene und Verbündete im Publikum, und wie ihr euch vielleicht vorstellen könnt, liessen Nella und your's truly keine Zweifel daran aufkommen, dass die menschenrechtswidrigen Zwangsoperationen leider heute noch andauern, und dass es deshalb nebst echtem "multidisziplinärem" Unterstützungsangebot für Eltern und Betroffene weiter gesetzgeberische Leitplanken, verbindliche Leitlinien und Aufarbeitung braucht – was auch vom Podium herab durchaus bestätigt und bekräftigt wurde.

>>> Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-"Genitalkorrekturen": Typische Diagnosen und Eingriffe

>>> Das Medizyner-Märchen von den "früheren Behandlungsmaßstäben" 
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen – eine Genealogie der TäterInnen

Wednesday, May 29 2013

Österreich, Ort von Intersex-Genitalverstümmelungen - SPÖ und SoHo: Lieb reden mit Kastratoren und Verstümmlern

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Intersex-Genitalverstümmelungen stoppen!

Laut einer heutigen >>> SPÖ-Pressemitteilung von Andrea Mautz (SPÖ-Bundesfrauengeschäfts- führerin) und Peter Traschkowitsch, (Bundes- und Wiener Landesvorsitzender der SoHo Sozialdemokratische Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender und Intersexuellen Organisation) ein "Positionspapier Intersexualität - Leben zwischen den Geschlechtern" präsentiert (von dem aber bisher bloss die Zusammenfassung innerhalb der Pressmitteilung öffentlich einsehbar ist).

Die gute Nachricht: "Recht auf körperliche Unversehrtheit" und (in altbekannt sexologisch verbrämter Manier) Intersex-Genitalverstümmelungen sind darin immerhin erwähnt bzw. angedeutet! Hipp, hipp!

Der Rest: Die GenossInnen wollen weiter zuwarten und (statt die Verstümmelungen endlich konkret anzugehen) erst mal noch noch paar Runden "sensibilisieren" und "fachlich-gesellschaftspolitisch" diskutieren (ist ja sooo ein interessaaantes Thema!), wie Verstümmelungen, pardon: "geschlechtszuweisende medizinische Maßnahmen" eventuell später irgendwann irgendwie "verhindert" werden könnten – unmittelbaren gesetzgeberischen Handlungsbedarf wollen sie nicht erkennen, sofern es "nur" um verstümmelte äußere und innere Kindergenitalien geht (da ist dann "Personenstandsrecht" für sie doch noch einen Tick interessanter – ein Schelm, wer Böses dabei denkt).

Offenbar vermochte Lucie Veith mit ihrem Vortrag (nach Adenauer-Stiftung) auch SPÖ und SoHo nicht vom dringenden gesetzgeberischen Handlungsbedarf zu überzeugen  – obwohl in Österreich wöchentlich mindestens 1 wehrloses betroffenes Kind medizinisch nicht notwendigen Kastrationen und weiteren kosmetischen Genitaloperationen zum Opfer fällt!

Innsbruck, Wien, Linz – Orte von Intersex-Genitalverstümmelungen

Fakt: Die TäterInnen in den Universitäten und Kinderkliniken, die reden nicht lieb und schwurbeln vor sich her.

Sondern bilden knallhart die nächsten Generationen von VerstümmlerInnen ausauch in Österreich!

Zum Beispiel aktuell im >>> "Pädiatrie Modul 3.03" (PDF 11MB) [WARNUNG!!!] der VerstümmlerInnenhochburg Medizinische Universität Innsbruck, das schlankweg erzwungene Kastrationen (inkl. Lüge vom "Krebsrisiko"), kosmetische "Klitorisreduktionen" und weitere medizinisch nicht notwendige "Genitalkorrekturen" als (für Kliniken lukrative) "Therapien" verkauft: 

(S. 28 innerhalb PDF / S. 23 laut Seitennummerierung)

(S. 31 innerhalb PDF / S. 26 laut Seitennummerierung)

(S. 32 innerhalb PDF / S. 27 laut Seitennummerierung)

Wer nachher sagt, man habe das nicht wissen können, macht sich zur MittäterIn!  

>>> Intersex-"Genitalkorrekturen": Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> Das Medizyner-Märchen von den "früheren Behandlungsmaßstäben" 
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen – eine Genealogie der TäterInnen
>>> Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben 

Tuesday, May 28 2013

Intersex-Genitalverstümmelungen: "Früher war es schlimm, aber heute wird nicht mehr operiert" - Ein Mythos feiert Auferstehung

Protest gegen Genitalabschneider-Kongress "APE-AGPD 2010", Augsburg 5.11.

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Genitalverstümmelungen stoppen!

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Zum Beispiel neulich an der "Fachkonferenz zum Thema Intersexualität" der Konrad-Adenauer-Stiftung:

- Prof. Dr. Gernot Sinnecker behauptete rundheraus, heute werde nirgends mehr operiert (obwohl seine eigene Kinderklinik Wolfsburg immer noch das ganze Spektrum kosmetischer "Genitalkorrekturen" im Internet anbietet).

- Laut Dr. Birgit Köhler (Publikumsmeldung) würden in der Charité mittlerweile keine "(XY-)Intersexuellen" mehr operiert (obwohl auch die Charité immer noch das ganze Spektrum anbietet, und Dr. Köhler selbst "Klitorisreduktionen" empfiehlt, dito ihr Kollege PD Dr. Heiko Krude, der Charité-Chirurg Prof. Dr. Ricardo González, usw.; auch in einer Ethikrat-Sachverständigen-Stellungnahme von Dr. Ulrike Klöppel wurde festgehalten: "[Es] werden bei AGS weiterhin Klitorisreduktionen und Introitusplastiken im Kindesalter durchgeführt, so z.B. an der Berliner Charité").

- Prof. Dr. Hertha Richter-Appelt ist unter Betroffenen bekannt als eifrige Verbreiterin des Behandler-Märchens "Ja, früher war es vielleicht schlimm – aber heute ist alles gaaanz anders, sind wir ja alle sooo tolerant und es wird lääängst nicht mehr operiert."  (Obwohl auch Richter-Appelts Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) und dessen angegliedertes Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK) ("Ein Unternehmen des UKE") ebenfalls die ganze Bandbreite von kosmetischen "Genitalkorrekturen" öffentlich anbieten – und (mit "saisonalen Schwankungen") erwiesenermaßen heute noch serienmäßig durchführen.)

Demgegenüber war Lucie Veith als einzige Betroffenenvertreter_in auf dem Podium offenbar nicht in der Lage, dieser Medizyner-Märchenstunde wirksam Paroli zu bieten [1] – obwohl entsprechende Tatsachen und Argumente zur Entlarvung solcher TäterInnen-Schutzbehauptungen hinlänglich bekannt sind:

- Praktisch alle Kliniken mit kinderchirurgischen/kinderurologischen Abteilungen bieten das gesamte Spektrum kosmetischer "Genitalkorrekturen" unverändert öffentlich an (vgl. Beispiele oben).

- Alle einschlägigen AWMF-Leitlinien (z.B. 006/026 "Hypospadie" und 027/047 "Adrenogenitales Syndrom") empfehlen frühzeitige kosmetische "Genitalkorrekturen". Sogar wo Verstümmler-Leitlinien aktuell überarbeitet werden (z.B. 027/022 „Störungen der Geschlechtsentwicklung“) ist keine Änderung in Sicht: Federführend bei der Überarbeitung sind einmal mehr ausschließlich notorische VerstümmlerInnen, nämlich Prof. Dr. Susanne Krege (Krefeld), Prof. Dr. Felicitas Eckoldt (Jena)PD Dr. Richter-Unruh (Bochum).

- Noch die obige Aussage von Dr. Birgit Köhler (Charité) impliziert, dass die beiden größten Betroffenengruppen, nämlich Betroffene mit "Hypospadie" oder "AGS/CAH", nach wie vor verstümmelt werden – wie das Köhler und Charité-KollegInnen auch in Publikationen offen einräumen (vgl. oben).

Aber soweit informieren sich verantwortliche PolitikerInnen offenbar lieber gar nicht erst:

Stattdessen fordert aktuell z.B. der CDU/CSU-Intersex-Berichterstatter Dr. Peter Tauber öffentlich, bevor endlich kronkret über ein Verbot der kosmetischen Genitalverstümmelungen diskutiert werden könne, müsse zuerst nochmal ausgiebig abgeklärt werden, ob es ein solches überhaupt noch brauche. Begründung: Die Adenauer-Fachkonferenz lege nahe, dass "die Ärzte heute weiter und ein präventives Verbot obsolet" sei ...

Fazit: Und wenn sie nicht gestorben sind, so verstümmeln und fachkonferenzen sie noch heute ...

[1] Nachtrag 30.5.13: Wie Lucie Veith mitteilt, habe sie "bereits auf der Veranstaltung protestiert und auch schriftlich meinen Widerspruch eingelegt". Worin dieser Protest bestand und was im Widerspruch drinsteht, wurde bisher nicht bekannt.

>>> "Fachkonferenz" der Adenauer-Stiftung – Zahlen, Fakten, Zitate 
>>> Das Medizyner-Märchen von den "früheren Behandlungsmaßstäben" 
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen – eine Genealogie der TäterInnen
>>> Zwangsoperierte über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe 

Friday, May 24 2013

Deutsche Ges. f. Gynäkologie 1933: Intersex-Genitalamputation "geradezu prädestiniert für quantitative Bestimmungen der sog. 'weiblichen' und 'männlichen' Sexualhormone" (Hans Naujoks)

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Intersex: Ohne Aufarbeitung, Keine Aussöhnung

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Ein Jahr bevor Prof. Dr. Hans Christian Naujoks (1892-1959, DGGG-Präsident 1951) in Köln zum ordentlicher Professor aufstieg, stellte er in Berlin an der 23. Jahresversammlung der "Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie" (die heutige DGGG) vom 11.-14. Oktober 1933 einmal mehr seinen sensationellen Fall "Über echte Zwitterbildung beim Menschen und ihre therapeutische Beeinflussung" ("Zeitschrift für Geburtshülfe und Gynäkologie" Nr. 109/2 1934, S. 135-161 >>> PDF 5 MB) vor.

Die Zuhörer waren angetan; Kollege Siebke aus Kiel fasste in der Diskussion zusammen:

"Der von Herrn Naujoks so sorgfältig beobachtete und erfolgreich operierte Fall erschien geradezu prädestiniert für quantitative Bestimmungen der sog. „weiblichen“ und „männlichen“ Sexualhormone: ein Zwitter, der bei ausgesprochen weiblicher Psyche zunächst eine männliche und eine weibliche Gonade hatte, dem später die männliche Gonade entfernt wurde, und der schließlich nach Follikelhormontherapie sogar noch eine Menstruation zeigte!" ("Archiv für Gynäkologie" Nr. 1156/1-2, 1934, S. 11-99, hier S. 99 >>> PDF 3 MB)

Da haben wir's mal wieder: Intersex-Genitalverstümmelungen als Treibstoff für "wissenschaftlichen Fortschritt und Karriere" – sogar "echten" Hermaphrodit ganz elegant und spurlos aus der Welt geschafft – Tausendsassa Prof. Dr. Naujoks in bester Gesellschaft: von James Marion Sims über Josef Mengele bis John Money, EuroD$D, Judith Butler usw.

>>> NS-Diagnose "Intersexuelle Konstitution"
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen – eine Genealogie der TäterInnen
>>> Dokumentation "Intersex Genital Mutilations" (PDF, 2.4 MB)   [ TRIGGER!!! ]
>>> Köln 1949-66: Zwitter für Forschung von "Kindereuthanasie"-Prof. verstümmelt u. seziert

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe

>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen 

Thursday, May 23 2013

Köln: NS-Diagnose "Intersex-Typus" - 1949-66: 30% Patienten-sterblichkeit - seziert für "Kindereuthanasie"-Prof. Bennholdt-Thomsen

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>>> NS-Diagnose "Intersexuelle Konstitution"
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen – eine Genealogie der TäterInnen
>>> Naujoks 1933: "Intersex-Genitalamputation prädestiniert für Hormon-Forschung"
>>> Dokumentation "Intersex Genital Mutilations" (PDF, 2.4 MB)   [ TRIGGER!!! ]
>>>
Öffentliche Veranstaltungen heute in Köln (Flyer PDF)

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Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 23.05.2013:

Intersex: Ohne Aufarbeitung, Keine AussöhnungDass heute über konkrete Verflechtungen
zwischen NS-Medizin und Intersex- "Genitalkorrekturen" in Kölner Kliniken mehr bekannt ist als z.B. über solche in Berlin, liegt nicht zuletzt an der Fülle der 2011 im "Online-Diskurs" des Deutschen Ethikrates öffentlich gemachten relevanten Namen, Fakten und Auszügen aus Publikationen.

ETEKAR, eine Betroffene von kosmetischen "Genitalkorrekturen" im Kindesalter, hatte die Früchte jahrelanger Recherchen beigetragen:

• Zum Beispiel Carl Bennholdt-Thomsen (1903–1971), DGKJ-Präsident 1963 und Leiter der Kölner Universitäts-Kinderklinik:

"Woran starb Elvira Fr.?" Ein besonders verstörendes Kölner Beispiel betrifft eine Dissertation von 1966 unter der Leitung von Bennholdt-Thomsen, laut welcher 1949-1966 ein Drittel aller mit der Intersex-Diagnose "AGS/CAH" in Köln behandelten Kinder verstarben und z.T. anschließend für die Dissertation seziert wurden, obwohl AGS mit Salzverlust seit spätestens 1950 bekannterweise therapierbar ist.

Bennholdt-Thomsen war ein Meister im Vertuschen medizinischer Verbrechen: Erst lange nach seinem Tod wurde 2002 öffentlich bekannt, dass er in der "Kindereuthanasie" in "Böhmen und Mähren" eine zentrale Rolle inne hatte (vgl. Michal Simunek: „Getarnt – Verwischt – Vergessen. Die Lebensgänge von Prof. Dr. Franz Xaver Lucksch und von Prof. Dr. med. Carl Gottlieb Bennholdt-Thomsen im Kontext der auf dem Gebiet des Protektorates Böhmen und Mähren durchgeführten NS-Euthanasie.“ In: Bayer / Sparong / Woelk (Hrsg.): Universitäten und Hochschulen im Nationalsozialismus und in der frühen Nachkriegszeit, 2004, S. 125–146, hier S. 142-145)

Dem Deutschen Ethikrat war das Thema zu heiß: In einer Nacht- und Nebelaktion wurden praktisch alle Beiträge mit Quellen zum Thema gelöscht. O-Ton Ethikrat: Die "von besagtem Nutzer [ETEKAR] gezogene Verbindungslinie" von NS-Verbrechen an Zwittern "zur heute gängigen Praxis" sei "unzulässig". Weitere Kommentare wurden gar nicht mehr freigeschaltet, die Betroffene wurde faktisch gesperrt. >>> Alle gelöschten Kommentare sind seither auf Zwischengeschlecht.info dokumentiert.

“Der Intersex-Typus  ( M a n n w e i b ,  S c h i z o i d )  (Abb. 863) ist körperlich und psychisch ausgedrückt. Es kommen auch sexuelle Zwischenstufen vor, wobei feminine Zeichen nur schwach ausgebildet sind. Die Behaarung ist übermäßig und atypisch, die Züge sind männlich, die Stimme ist tief. Die Pubertät tritt verzögert auf, es besteht Frigidität und eine herabgesetzte Fruchtbarkeit bei Hypoplasie der Keimdrüsen und Hyperfunktion der Hypophyse, manchmal ein eunuchoider Hochwuchs, ferner Störungen in der Funktion der Thyreoidea. Häufig wird Dysmenorrhöe beobachtet” 
(Quelle: Gelöschter Kommentar auf Ethikrat-"Onlinediskurs", 24.6.11)

Die >>> NS-Diagnose "Intersexuelle Konstitution" definiert Zwitter als "minderwertige Spezies" infolge von "Rassenvermischung", die unter "Juden" besonders häufig sei und mit "Geisteskrankheiten" korreliere, Betroffene müssten "vom Fortpflanzungsbetrieb sicher und endgültig ausgeschlossen" werden.

Vom Ethikrat zensierte Kommentare verweisen u.a. auf Quellen von Wilhelm Weibel (1876-1945), Josef Mengele (1911-1971), Otto Flößner (1895-1948), Fritz Lenz (1887-1976), Otmar Freiherr von Verschuer (1896-1969), Paul Mathes (1871-1923), Robert Stigler (1878-1975), Walther Stoeckel (1871-1961), Lothar Gottlieb Tirala (1866-1974), Adolf Butenandt (1903-1995), Otfried Butenandt und Luise Kimm.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org freut sich sehr, dass – entgegen der Absicht des Deutschen Ethikrates – heute in Köln das Thema "NS-Medizin und Intersex-Genitalverstümmelungen" öffentlich zur Debatte steht an mehreren Veranstaltungen u.a. in Zusammenarbeit mit dem NS-Dokumentationszentrum und der Heinrich-Böll-Stiftung NRW

Ebenso, dass Intersexuelle Menschen e.V., welche die Zensur-Aktion des Ethikrates tatenlos und schweigend hinnahmen, das Thema heute ebenfalls als relevant und wichtig erachtet.

Und hofft, dass zusätzlich zu den bereits bekannten Namen und Fakten heute weitere öffentlich aufgearbeitet werden.

• Zum Beispiel >>> Hans Christian Naujoks (1892-1959), DGGG-Präsident 1951, Leiter der Kölner Universitäts-Frauenklinik 1934-1945:

"Fortpflanzung dieses Wesens nicht allzu wünschenswert ... In die Vollwertigkeit dieser Nachkommenschaft müssen doch einige Zweifel gesetzt werden" (H. Naujoks: "Über echte Zwitterbildung beim Menschen und ihre Beeinflussung", 1934 >>> PDF (5 MB)

Naujoks' kosmetische "Klitorisamputation mit Stumpfbildung" (Dominik Leitsch) sowie "Hodenentfernung" an einem "Zwitterwesen" mit "besonders interessantem Genitalbefund" in Verbindung mit hormoneller "verweiblichender" Fertilisierungsbehandlung, letztere aus "eugenischen" Gründen rein zu Forschungszwecken, wurde noch 1996 ehrend erwähnt in der Kölner kinderchirurgischen Dissertation von Dominik Leitsch: "Die Intersexualität, Diagnostik und Therapie aus kinderchirurgischer Sicht".

Naujoks berief sich 1934 auf "die Lehre von der Intersexualität" und propagierte "Korrekturen am äußeren und inneren Genitale" mit "funktionalen" Ansprüchen und Begründungen, wie sie laut Ethikrat-Expertin Hertha Richter-Appelt angeblich erst 1955 in Baltimore "erfunden" wurden.

In Köln war Naujoks 1934-1945 als Leiter der Universitäts-Frauenklinik an über 1'000 Zwangssterilisationen beteiligt. Er setzte aktiv ein für die "eugenische Indikation" zum Schwangerschaftsabbruch bei "erbkranken" Patientinnen. Als die Deutsche Ärztekammer 1972 Feten mit "Gefahr intersexueller Mißbildungen (Virilisierungen, Pseudohermaphroditismus)" bei "AGS/CAH" offiziell zur selektiven Spätabtreibung freigab (heute noch in Kraft), würdigte der Leitfaden ausdrücklich Naujoks' Vorarbeit vor und nach 1945.

Die internationale Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

Freundliche Grüße

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org

Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse_at_zwischengeschlecht.info

http://zwischengeschlecht.org
Regelmäßige Updates: http://zwischengeschlecht.info

>>> Solidarischer Post auf DasEndeDesSex. Danke!
>>> DGGG 1933: Intersex-Genitalamputation "prädestiniert für Forschung" (Hans Naujoks)

Nachtrag: Der einzige Pressebericht zur Veranstaltung auf >>> report-k.de getraute sich nicht einmal, Namen zu nennen, sondern verschwieg die Identität der Täter. Die einzige abschließende Erwähnung der konkreten Verbrechen verbleibt bei allgemeinen Andeutungen über "Umgang mit und die Verbrechen an Intersexuellen durch Ärzte während des NS-Regimes. Die Opfer hätten dafür nach Ende der NS-Zeit keine Entschädigung erhalten. Auch wurde der Werdegang einiger regimenaher Ärzte nach Kriegsende aufgezeigt."

>>> "Intersex"-Chronologie Deutscher Ethikrat 2008-2013

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> 150 Jahre Menschenversuche ohne Ethik und Gewissen
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> UN-Sonderberichterstatter über Folter verurteilt "genitale Zwangsoperationen"
 

Wednesday, May 22 2013

22.05.2013: Adenauer-Stiftung und Intersex-Genitalverstümmelungen – Zahlen, Fakten, Zitate [UPDATE2]

1. Zwitterdemo vor dem Landgericht Köln, 12.12.2007

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>>> Nachtrag: Ministerin Schröder: "Akzeptanz ja – Unversehrtheit kein Thema"
>>>
Bericht von Peter Tauber (CDU/CSU): "präventives Verbot obsolet?" 

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STOP Genitalverstümmelung in Kinderkliniken!INHALT
1.  Betroffene von "Genitalkorrekturen" im Kindesalter nicht vertreten
2.  Intersex-Fachkonferenz der Adenauer-Stiftung in Zahlen
3.  Standpunkte, Fakten und Zitate geladener ExpertInnen
       a) Prof. Dr. Gernot Sinnecker: "Medizinisch nicht notwendig"
       b) Lucie Veith: "Verbot kosmetischer Genital-OPs bis 16 Jahre"
       c) Prof. Dr. Hertha Richer-Appelt: "Hypospadie = Krankheit"
       d) Dr. Michael Wunder: "Kosmetische Genitalkorrekturen O.K."

1.  Betroffene von "Genitalkorrekturen" im Kindesalter nicht vertreten

Die Konrad-Adenauer-Stiftung lädt heute ab 11 Uhr einer "Fachkonferenz zum Thema Intersexualität" mit dem scheinbar obligaten Titel "Leben zwischen den Geschlechtern".

Das Hauptthema der Betroffenen, kosmetische "Genitalkorrekturen" im Kindes- und Jugendalter, handelt die offizielle Ankündigung ausschließlich in Vergangenheitsform ab – die Hauptkritikpunkte der Betroffenen (Verlust der sexuellen Empfindungsfähigkeit, Verstoß gegen körperliche Unversehrtheit, Folgeschäden, Traumatisierungen) werden nicht oder höchstens indirekt erwähnt:

"So wurden Kinder mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen häufig ohne Einwilligung der Eltern frühzeitig operiert, in der Annahme, das Geschlecht sei sozial konstruiert und man könne vermeintlichen gesellschaftlichen Komplikationen vorbeugen, was zu schwerwiegenden Komplikationen und Identitätskrisen führte." (Flyertext)

Betroffene von kosmetischen "Genitalkorrekturen" im Kindesalter sind einmal mehr nicht vertreten – MenschenrechtsexpertInnen ebenfalls nicht.

Ob Intersex-Genitalverstümmelungen unter diesen Vorzeichen angemessen angesprochen werden, oder mal wieder höchstens einige wenige und bevorzugt vergleichsweise seltene kosmetische Eingriffe konkret thematisiert werden, z.B. Kastrationen an "XY-Frauen"), wird sich zeigen – ebenso,  wie transparent anschließend von der Stiftung über den Anlass informiert wird (oder eben nicht).

Anlass dazu bestünde nicht zuletzt durch der letzte Woche einstimmig überwiesenen Intersex-Anträge im Bundestag, die einmütig ein gesetzliches Verbot von kosmetischen "Genitalkorrekturen" im Kindesalter sowie historische Aufarbeitung einfordern.
 

2.  Intersex-Fachkonferenz der Adenauer-Stiftung in Zahlen

6 PolitikerInnen und Ministerialbeamtinnen "verschiedener Fachbereiche und über Parteigrenzen hinweg"  (4 CDU/CSU, 1 FDP, 1 Grüne, 0 SPD, 0 Linke)
1 Mitglied des Deutschen Ethikrates, das "geschlechtsverdeutlichende" kosmetische "Genitalkorrekturen" an Kindern propagiert: Dr. Michael Wunder (Leiter der Ethikrat-AG "Intersexualität")  
1 Pädiater (Chefarzt) einer Kinderklinik, die bis heute alle gängigen kosmetischen "Genitalkorrekturen" an Kindern anbietet und durchführt (siehe unten 3a): Prof. Dr. Gernot H.G. Sinnecker (Wolfsburg)
1 Sexologin aus einer Universitätsklinik, die bis heute alle gängigen kosmetischen "Genitalkorrekturen" an Kindern anbietet und durchführt: Prof. Dr. Hertha Richter-Appelt (Hamburg-Eppendorf)
1 Betroffene einer kosmetischen "Genitalkorrektur" (Kastration) im Erwachsenenalter: Lucie Veith (XY-Frauen, Intersexuelle Menschen e.V.) (siehe unten 3b)
1 Mutter eines betroffenen Kindes (genitaloperiert): Julia Marie Kriegler (XY-Frauen Eltengruppe)
0 Betroffene von kosmetischen "Genitalkorrekturen" im Kindesalter
0 Betroffene von kosmetischen "Genitalkorrekturen" im Jugendalter
0 Eltern eines unversehrten betroffenen Kindes
0 Sachverständige mit Kernkompetenz Menschenrechte

Total:
3 VertreterInnen von Institutionen, die kosmetischen "Genitalkorrekturen" an Kindern propagieren und/oder durchführen bzw. durchführen lassen (Michael Wunder, Hertha Richter-Appelt, Georg Sinnecker)
1 "Alibi"-Vertreterin von Betroffenen von kosmetischen "Genitalkorrekturen" (Lucie Veith)
 

3.  Standpunkte, Fakten und Zitate geladener ExpertInnen

a) Prof. Dr. Gernot Sinnecker (Chefarzt Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Wolfsburg): "Medizinisch nicht notwendig, nicht evidenzbasiert, psychosozial indiziert wegen der Eltern, trotzdem weit verbreiteter Standard" - Heute angeblich keine kosmetischen Eingriffe mehr - Fakt: Sinneckers Klinik bietet ganze Bandbreite an

- Medizinisch nicht notwendig: „Klitorisreduktionsplastik“, „Neovagina“, Hodenentfernung [Kastration] (ausser Gonadendysgenesie bei Y-Chromosom)

"Eine verstümmelnde, also mit der Entfernung von Gewebe einhergehende Operation, z.B. „Klitorisreduktionsplastik“ oder z.B. die operative Bildung einer „Neovagina“ beim Säugling oder Kleinkind sind nicht medizinisch indiziert. Die häufig geäußerte Sorge, das Kind könnte z.B. von anderen Kindern gehänselt werden und dadurch psychischen Schaden nehmen ist wissenschaftlich nicht bewiesen und wäre meiner eigenen Einschätzung nach selbst dann kein hinreichender Grund, sich über das Selbstbestimmungsrecht des Kindes hinwegzusetzen und seine körperliche Integrität zu beschädigen." (Stellungnahme Ethikrat, S. 2)

- Nicht evidenzbasiert: "operative Korrektur einer Hypospadie"

"Weitgehend unstrittig ist die operative Korrektur einer Hypospadie (Harnröhre endet an Penisunterseite oder am Damm oberhalb des Hodensacks) durch Verlängerung der Harnröhre bis zur Penisspitze. Im Allgemeinen wird dieser Eingriff gegen Ende des ersten Lebensjahres durchgeführt. Dies gilt als weit verbreiteter Standard, ist aber nicht evidenzbasiert. Letztlich ist dieser frühe Operationszeitpunkt auf die Vorstellung zurückzuführen, Kinder könnten in diesem Alter operative Eingriffe am Genitale psychisch besser verkraften als später, wenn sie den Eingriff bewusster erleben und „Kastrationsängste“ entwickeln könnten (nicht evidenzbasiert).
Tatsächlich ist die operative Technik aufgrund der kleinen Verhältnisse in diesem Alter eher schwieriger, narbige Verengungen der neugebildeten Harnröhren machen gelegentlich wiederholte Bougierungen (apparative Aufdehnungen) erforderlich, die langfristig zu einer narbigen, starren Harnröhre führen können mit entsprechenden Problemen im Erwachsenenalter. Es spricht daher viel dafür, diese Operationen erst dann durchzuführen, wenn der Penis größer geworden ist und die Betroffenen selbst entscheiden können, ob sie eine operative Korrektur wünschen."
(Stellungnahme Ethikrat, S. 3)

- Heute angeblich keine kosmetischen "Genitalkorrekturen" mehr

"„Wir haben als Ärzte einen Lernprozess durchgemacht.“ Vor 20, 25 Jahren sei das gängige Therapieverfahren gewesen, Kleinkinder und Babys mit uneindeutigen Geschlechtssmerkmalen schnellstmöglich zu operieren, so der Professor. […]  „Heute“, sagt Sinnecker, „steht die Selbstbestimmung des Kindes an oberster Stelle.“ […] „Jede Operation, die vermeidbar ist, wird verschoben auf den Zeitpunkt, an dem Betroffene selbst entscheiden können.“ Lediglich medizinisch notwendige Eingriffe würden vorgenommen." (Potsdamer Neueste Nachrichten)

- Fakt: Sinneckers Kinderklinik (u.v.a.m.) bieten nach wie vor ganzes Spektrum kosmetischer "Genitalkorrekturen" an 

Es gibt konkrete Zeugnisse, wonach Sinnecker tatsächlich nicht zu "Genitalkorrekturen" drängte, was auch seiner Klinik für Kinder- und Jugendmedizin Wolfsburg gut ansteht. Leider ist das bundesweit alles andere als die Regel. Es ist Sinnecker hoch anzurechnen, dass er dazu Klartext bringt: "Hypospadie-Korrekturen" an Kleinkindern SIND "weit verbreiteter Standard", und nicht alle Kollegen haben genug Skrupel, eine „Klitorisreduktionsplastik“ oder z.B. die operative Bildung einer „Neovagina“ an einem Kleinkind NICHT durchzuführen. Wo Sinnecker jedoch aus politischen Gründen öffentlich rundheraus (ond ohne Belege) behauptet, es würden seit "20, 25 Jahren" nirgends mehr Kinder "genitalkorrigiert", macht er sich zum Täter. Enstprechend leider auch das Online-Angebot von Sinneckers Kinderklinik Wolfsburg:

"Kinder- und Jugendgynäkologie
    •    Diagnostik und Therapie von Genitalfehlbildungen und anderen Erkrankungen des Genitales
    •    In Zusammenarbeit mit der Frauenklinik und der Klinik für Urologie"

(Kinder- und Jugendklinik – Schwerpunkte)

"Rekonstruktive und plastische Operationen
    •    Behebung von angeborenen Fehlbildungen ([…]Hypospadien und Penisdeviation)"

(Klinik für Urologie – Schwerpunkte und Ausstattung)

 
b) Lucie Veith
(Intersexuelle Menschen e.V., XY-Frauen):

 

- "Genitaloperationen müssen verboten werden" - " Verstümmelung muss aufhören" (Tagesschau)

 

- "Verbot kosmetischer Genital OPs bis zum 16. Lebensjahr" (Hermaphroditforum)

- "Menschenrechtsverletzungen ziehen sich durch die ganze Gruppe der intersexuellen Menschen und reichen von Menschen mit AGS bis zum echten Hermaphroditen, von Klinefelter-Menschen bis zur Hypospadie" (Stellungnahme Familienausschuss, S. 14)

- "Kein Recht der Eltern in solche Verstümmelungen einzuwilligen" - "Kastration und Genitalbeschneidung verletzen körperliche und seelische Unversehrtheit" (Bayerische Staatszeitung)
 

c) Prof. Dr. Hertha Richter-Appelt (Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf UKE): "unzureichende wissenschaftliche Evidenz" - "Traumatisierungen erwiesen" - "Hypospadie eine Krankheit, chirurgische Korrekturen in jedem Fall medizinisch notwendig" - "Klitorisreduktionen bei XX-Chromosomensatz zur Behebung von Auffälligkeiten – bei Operierten mit XY Chromosomensatz Verminderung der sexuellen Sensibilität" - "Geschlechtszuweisung" vs. Geschlechtsangleichung" - Fakt: Recht auf Körperliche Unversehrtheit gilt für alle Kinder, unabhängig vom "Chromosomensatz" oder "Geschlecht" - "Früher war's schlimm, aber heute wird nicht mehr operiert" - Fakt: UKE und AKK bieten ganze Bandbreite an, praktizieren weiter kosmetische "Genitalkorrekturen"

- "Unzureichende Evidenz, aber trotzdem behandeln" 

"Einleitend sei gesagt, dass für die meisten Behandlungsmaßnahmen nur unzureichende wissenschaftliche Evidenz vorliegt, was aber nicht bedeuten soll, dass man Personen mit Intersexualität nicht behandeln darf." (Stellungnahme Ethikrat, S. 1)

- "Traumatisierungen erwiesen"

 

"Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass körperliche Eingriffe im Säuglingsalter keine negativen Auswirkungen auf die psychische Entwicklung des Kindes haben können. Dem zu Grunde lag die Annahme, dass es in dieser frühen Zeit keine Traumatisierungen gebe. Diese Auffassung ist jedoch durch die Traumaforschung der letzten Jahre widerlegt und wir wissen, dass bereits in der Embryonalzeit Stressbelastungen der Mutter sich auf die Entwicklung des Kindes auswirken können. V.a. gilt dies auch für die Konstruktion einer Neovagina, die regelmäßig gedehnt werden muss, um funktionsfähig zu bleiben. Gerade diese Erfahrung wurde wiederholt von betroffenen Personen als besonders belastend geschildert." (Stellungnahme Ethikrat, S. 1)

 

- "Hypospadie eine Krankheit, chirurgische Korrektur in jedem Fall medizinisch indiziert" 

"Es gibt aber im Zusammenhang mit der Behandlung von Personen mit Intersexualität eine Reihe unterschiedlicher chirurgischer Maßnahmen, von denen bei einigen die medizinische Indikation in jedem Fall gegeben ist, da sonst eine funktionelle Beeinträchtigung besteht (z.B. bei Vorliegen einer Hypospadie), und/oder die gesundheitsgefährdend sein könnten." (Stellungnahme Ethikrat, S. 2)

- Fakt: "Hypospadie-Korrekturen" sind praktisch immer kosmetisch und werden aus "psychosozialen Gründen" an Kindern durchgeführt.

Eine medizinische Notwendigkeit besteht nur in sehr seltenen Fällen, wenn der Harnabfluss unoperiert behindert oder blockiert ist, oder bei Schmerzen. Ansonsten bestehen KEINE medizinischen Gründe, "Hypospadie-Korrekturen" uneingewilligt im Kindesalter aufzuzwingen – aber gute Gründe, damit zuzuwarten (was viele Ärzte auch offen zugeben, vgl. z.B. oben 3a) Gernot Sinnecker: "Nicht evidenzbasiert").

Sogar die aktuelle AWMF-Leitlinie 006/026 "Hypospadie" (Evidenzstufe 1 = niedrigste) spricht ausdrücklich von Indikationen "auch aus ästhetisch-psychologischen Gründen".

Auch in den Kinderkliniken UKE und AKK von Richter-Appelts Universität Hamburg wird kein Hehl daraus gemacht, dass frühe "Hypospadie-Korrekturen" NICHT aus medizinische Gründen gemacht werden, sondern aus "psychologischen":

"Die Operation sollte zwischen dem 9. und 15. Lebensmonat oder zwischen dem 3. und 6. Lebensjahr durchgeführt werden („Psychologisches Fenster“)." (Prof. Dr. med. Margit Fisch und Dr. med. Silke Riechardt)

Ebenso z.B. das Universitätsklinikums Jena und die Asklepios-Kinderklinik St. Augustin unisono:

"Beschwerden liegen [im "unkorrigierten" Zustand] fast nie vor, auch die Harnentleerung bereitet nur in Ausnahmefällen Probleme" - Nichtsdestotrotz empfohlene "Therapie": "Korrektur zwischen dem 12. und 24. Lebensmonat." - "Begründung": "Bei späteren Eingriffen kann bereits das Selbstwertgefühl der Männer leiden." (Homepages der Klinken)

- "Klitorisreduktionen bei XX-Chromosomensatz zur Behebung von Auffälligkeiten – bei Operierten mit XY-Chromosomensatz Verminderung der sexuellen Sensibilität"

"Davon unterschieden werden müssen Operationen, bei denen es entweder um die Angleichung an das eine oder andere Geschlecht geht (dabei wird eine Entscheidung ob männlicher oder weiblicher Körper getroffen), oder um Operationen, die Auffälligkeiten im Rahmen einer Geschlechtszugehörigkeiten beheben sollen (d.h. Klitorisreduktion bei AGS mit einem weiblichen Chromosomensatz ist nicht gleichzusetzen mit „Klitoris“reduktion bei Personen mit einem XY Chromosomensatz im Rahmen einer Zuweisung zum weiblichen Geschlecht, da man in diesem Fall eigentlich von einer an das weibliche Geschlecht anpassende Verkleinerung des Mikro-Penis sprechen müsste)." (Stellungnahme Ethikrat, S. 3)

"Es geht hier nicht nur um eine schwerwiegende Gefahr sondern z.B. auch um die sexuelle Sensibilität, die unter den chirurgischen Eingriffen leiden kann. Nicht wenige erwachsene Personen mit einem XY Chromosomensatz, die einem weiblichem Körper zugewiesen wurden, leiden im Erwachsenenalter unter sexuellen Problemen. Die sexuelle Erregbarkeit, darf nicht ästhetischen Gesichtspunkten hinten angestellt werden." (Stellungnahme Ethikrat, S. 4)

- Fakt: Das Recht auf Körperliche Unversehrtheit gilt für alle Kinder, unabhängig von "Chromosomensatz" und "Geschlechtszugehörigkeit"! - Auch die Unterscheidung zwischen "geschlechtszuweisenden" vs. "geschlechtsangleichenden" kosmetischen "Genitalkorrekturen" (die der Deutschen Ethikrat ebenfalls propagiert, vgl. unten 3d) widerspricht sämtlichen Menschenrechten:

"Die internationalen Gremien arbeiteten nicht mit der Unterscheidung zwischen geschlechtszuweisenden und geschlechtsangleichenden Operationen. Sie stellten auf die Auswirkungen für die betroffene Person, nämlich auf die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, ab."
(Prof. Dr. Beate Rudolf, Deutsches Institut für Menschenrechte, vor dem Bundestags-Familienausschuss, 24.10.2012)

- Heute angeblich keine kosmetischen "Genitalkorrekturen" mehr: Richter-Appelt ist unter Betroffenen bekannt als eifrige Verbreiterin des Behandler-Märchens "Ja, früher war es vielleicht schlimm – aber heute ist alles gaaanz anders, sind wir ja alle sooo tolerant und es wird lääängst nicht mehr operiert." 

- Fakt: Kinderkliniken von Richter-Appelts Uni (u.v.a.m.) propagieren und praktizieren (fast) alle gängigen "Genitalkorrekturen"

Richter-Appelt hat für einzelne Betroffenen(unter)gruppen punktuell viel getan, namentlich für "XY-Frauen" (einer ihrer Lieblingsbegriffe – passt auch so schön durch ihre frühere Brille als "Transsexuellen-Expertin" >>> Kritik im von Betroffenen im Hermaphroditforum  >>> Kritik von Betroffenen in Kommentaren hier). Unzweifelhaft kommt Richter-Appelt hier ein entsprechender Verdienst zu, speziell betreffend künftiger Vermeidung medizinisch nicht notwendiger Kastrationen bei (XY-)CAIS-Menschen und in geringerem Masse auch betreffend "Klitorisreduktionen" bei (XY-)AIS.

Andrerseits gibt Richter-Appelt unzweifelhaft die ganz große Mehrzahl aller Übrigen von kosmetischen "Genitalkorrekturen" Gefährdeten (u.a. "Hypospadie", "AGS/CAH") ungerührt zum Abschuss frei (siehe oben); ebenso ist deren Teilhabe am "Dialog" nicht vorgesehen, folglich werden sie von Richter-Appelt konsequent mit salbungsvollen Sprüchen ausgegrenzt (>>> Kritik 1 >>> Kritik 2) – fast ein bisschen wie beim Deutschen Ethikrat und bei der Konrad-Adenauer-Stiftung ...

Entsprechend bieten auch die Kinderkliniken UKE und AKK von Richter-Appelts Universität Hamburg die ganze Bandbreite von kosmetischen "Genitalkorrekturen" nach wie vor öffentlich an – und führen erwiesenermaßen heute noch serienmäßig kosmetische "Genitalkorrekturen" durch. 
  

d) Dr. Michael Wunder (Deutscher Ethikrat, Sprecher "AG Intersexualität"):

- "geschlechtsverdeutlichende kosmetische Genitalkorrekturen an Kleinkindern zulässig"  

- Fakt: Menschenrechte sind nicht teilbar, Recht auf körperliche Unversehrtheit gilt für alle betroffenen Kinder, "Unterscheidung" zwischen "geschlechtszuweisenden" vs. "geschlechtsangleichenden" kosmetischen "Genitalkorrekturen" verstößt gegen Grund- und Menschenrechte:

"Die internationalen Gremien arbeiteten nicht mit der Unterscheidung zwischen geschlechtszuweisenden und geschlechtsangleichenden Operationen. Sie stellten auf die Auswirkungen für die betroffene Person, nämlich auf die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, ab." (Prof. Dr. Beate Rudolf, Deutsches Institut für Menschenrechte, vor dem Bundestags-Familienausschuss, 24.10.2012

Weshalb der Deutsche Ethikrat und seine Stellungnahme vom 23.2.2012 auch einhellig von ALLEN Betroffenenorganisationen unmissverständlich kritisiert wurde:
- Zwischengeschlecht.org 29.07.2011 "Betroffene ausgegrenzt und zensiert"
- Intersexuelle Menschen e.V. 23.02.2012 "Genitaloperationen verbieten"
- OII Deutschland (IVIM) 23.02.2012 "Nicht lebensnotwendige Eingriffe unterbinden" 

- Kosmetisch "genitalkorrigiertes" Kind als "wünschenswerten Regelfall" und "Beispiel für tolerable Erziehung" 

- Fakten:
    1. Kosmetische "Genitalkorrekturen" sind unmenschlich (UN-SRT)
    2. Betroffene mundtot machen um unliebsame Themen auszublenden auch
    3. Politische Vereinnahmung von Betroffenen ist unfair!
  

Intersex: Ohne Aufarbeitung, Keine Aussöhnung

 
Nachtrag 1: Bundesfamilienministerin Schröder: "Akzeptanz Ja" - Körperliche Unversehrtheit kein Thema - sieht "Betroffene" doppelt

Laut einer >>> Meldung der Konrad-Adenauer-Stiftung hat Familienministerin Dr. Kristina Schröder (CDU/CSU) an der Tagung "für eine größere Akzeptanz von intersexuellen Menschen und deren Recht auf Selbstbestimmung geworben."

Worunter Schröder offenbar ausschließlich Personenstandspolitik ("Geschlechtszuweisung") und Diskriminierung versteht ("Anrede"). Körperliche Unversehrtheit und Beendigung kosmetischer "Genitalkorrekturen" an Kindern erwähnt sie dagegen nicht einmal. Behauptet stattdessen, es seien mehrere "Betroffene" an der Tagung vertreten gewesen.

Fakt: Wie oben unter "2. Zahlen" aufgeschlüsselt, war in Berlin tatsächlich nur 1 "Alibi"-Betroffene vertreten (Lucie Veith) – dagegen 3 VertreterInnen von Institutionen, die kosmetischen "Genitalkorrekturen" an Kindern propagieren und/oder durchführen bzw. durchführen lassen (Michael Wunder, Hertha Richter-Appelt, Georg Sinnecker).  

>>> Tagungs-Bericht von Peter Tauber (CDU/CSU): "präventives Verbot obsolet?" 
>>>
Thread zu Schröders Statement auf crossdresser-forum.de Danke!
>>>
Solidarischer Post und Kommentare auf queer.de Danke!

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe

>>> UN-Sonderberichterstatter über Folter verurteilt "genitale Zwangsoperationen"
 

"[Inter]Sexualität - wir alle sind Zwitter" - WDR Leonardo, 3.6.13

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Kann ein Zwitter Sünde sein?

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>>> Interessante Sendung zum jetzt schon online vorhören – die allerdings trotz positiver Aspekte mal wieder hemmungslos körperliches Geschlecht, Geschlechtsidentität, sexuelle Orientierung, "Sexualität" usw. in bekannt vereinnahmender Manier wild vermischt.

Dies beginnt schon beim Titel: "Wir alle waren ursprünglich Zwitter - nämlich die ersten 7 Wochen im Mutterleib – danach die meisten von uns nicht mehr" müsste es korrekt heissen.

Weiter huldigt die Sendung kritiklos und unhinterfragt dem altbekannten Medizyner-Märchen "Ja, früher war es vielleicht schlimm – aber heute ist längst alles gaaanz anders, sind wir ja alle sooo tolerant."

Wozu also z.B. noch erwähnen, dass heute noch 90% aller Betroffenen ohne medizinische Notwendigkeit im Kindesalter genitalverstümmelt werden, und dass ohne ein gesetzliches Verbot der Verstümmelungen aller schönen Worte zum Trotz einfach weiteroperiert wird – Hauptsache Sand in die Augen und Schwamm drüber ...

Schade, schade, schade ...

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe

Monday, May 20 2013

Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) zur Bundestagsdebatte über ein Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen

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Intersex-Genitalverstümmelungen stoppen! - Aktion DGE 7.3.2012Als Reaktion auf die Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org im Vorfeld der Bundestagsdebatte über ein Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen publizierte die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) einen
>>> Blogpost "Deutscher Bundestag debattiert als weltweit erstes Parlament über Verbot von Genitaloperationen bei Intersexualität".

Dieser Post bringt nicht nur unsere Pressemitteilung "allen seinen Mitgliedern und Interessierten zur Kenntnis", sondern nimmt darüber hinaus Bezug auf unseren letztjährigen Protest zur "DGE 2012" in Mannheim und den dabei überreichten Offenen Brief (PDF) sowie auf eine daraus resultierende öffentliche Auseinandersetzung der DGE mit der Stellungnahme des Deutschen Ethikrates. Danke!

Weiter wird darin festgehalten: "Der Beratung dieses äußert schwierigen, komplexen Themas durch die deutschen Volksvertreter sieht auch die deutsche Ärzteschaft mit größtem Interesse entgegen."

Aus der seinerzeitigen Auseinandersetzung mit der Ethikrat-Stellungnahme zitiert der Post folgendes:

Medizinische Behandlung bei Intersexualität

Beratung nur in interdisziplinären Kompetenzzentren
Regelmäßige Betreuung in unabhängigen Betreuungsstellen
Irreversible Maßnahmen sind Eingriffe in das Recht körperlicher Unversehrtheit:
- Höchstpersönliche Entscheidung daher grundsätzlich nur von entscheidungsfähigen Betroffenen
- Sonst nur nach unabweisbaren Gründen für das Kindeswohl, z.B. konkrete schwerwiegende Gefahr (erhöhtes Tumorrisiko)
Entscheidung für die Unterlassung von Eingriffen: Gleich hohe Anforderungen
Familiengericht einschalten bei widersprüchlichen Auffassungen

Pikantes Detail: In der DGE-Folien-Präsentation zur Ethikrat-Stellungnahme (PDF), auf die sich sowohl der aktuelle Post wie auch der vorherige im Anschluss an die DGE-Proteste letztlich beziehen, steht zuunterst nach einem Trennstrich weiter folgendes:

AGS-Betroffene: Geschlechtsangleichende Operationen nach Kindeswohl.
Bei Zweifel Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen abwarten.

Sprich, die Interpretation der Ethikratstellungnahme als Lizenz zum "gendergerechten" ungehemmten Weiterverstümmeln in den allermeisten Fällen, wie sie u.a. von Ethikrat-Intersex-Sprecher Dr. Michael Wunder stets öffentlich propagiert wird, und auch von Intersex-Genitalverstümmlerinnen wiederholt dankbar aufgegriffen wurde, z.B. von Prof. Dr. Dagmar L'Allemand-Jander oder Prof. Dr. Wieland Kiess.

Und zwar, obwohl eine solche auf die "Geschlechtsidentität" und sonstige "geschlechtertheoretische" Thesen fixierte Betrachtungsweise bekanntlich sämtlichen Gund- und Menschenrechten spottet, worauf Zwischengeschlecht.org und andere Betroffenenorganisationen seit langem hinweisen. Und was neulich in einer Anhörung vor dem Bundestags-Familienausschuss auch >>> Prof. Dr. Beate Rudolf (Deutsches Institut für Menschenrechte) erneut unmissverständlich klarstellte:

"Die internationalen Gremien arbeiteten nicht mit der Unterscheidung zwischen geschlechtszuweisenden und geschlechtsangleichenden Operationen. Sie stellten auf die Auswirkungen für die betroffene Person, nämlich auf die Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit, ab."

Und auch die (im Gegensatz zu derjenigen des Deutschen Ethikrates) von Betroffenenorganisationen weltweit ausdrücklich begrüsste und unterstützte (und auch in den aktuellen Bundestag-Anträgen angeführte) >>> Stellungnahme der Nationalen Ethikkommission (NEK-CNE) stellte bekanntlich allein darauf ab, ob ein Eingriff auch wirklich medizinisch notwendig ist und damit zulässig – oder eben (wie in den allerallermeisten Fällen, was auch die Medizyner selbst oft genug einräumen) stattdessen psychosozial resp. kulturell indiziert und damit ein klarer Verstoss gegen die Menschenrechte der Betroffenen.

Meine 2 Cent: Bleibt zu hoffen, dass die taktische Zitat-Auswahl der DGE im diesjährigen Blogpost darauf schliessen lässt, dass zumindest unter den fortschrittlicheren Standesverbänden langsam ein Umdenken in die Gänge kommt.

Obwohl der Zeitpunkt dieser neuen Auswahl einmal mehr ein deutlicher Hinweis ist, dass die kosmetischen "Genitalkorrekturen" letztlich erst aufhören werden, wenn ein konkretes Verbot durchgesetzt ist – oder zumindest die Aussicht auf ein solches unübersehbar vor der Türe steht. Es ist noch ein weiter Weg ...

(Bild: Intersex-Protest + Offener Brief vor der DGE 2012 in Mannheim, 7.3.2012)

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe

>>> UN-Sonderberichterstatter über Folter verurteilt "genitale Zwangsoperationen"
 

Sunday, May 19 2013

"Intersexuelle Menschen wollen selbst entscheiden" - SPD, 16.5.13

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Zwischengeschlecht.org on FacebookZur Bundestagsdebatte über ein Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen veröffentlichte die SPD-Arbeitsgruppe "Familie, Senioren, Frauen und Jugend" in der Rubrik "Kinder"
>>> eine Meldung (inkl. linksstehendem Bild von der ersten von Zwischengeschlecht.org organisierten Demo zum Auftakt von Christiane Völlings Zwitterprozess). Danke!

Ein Auszug:

In der Regel werden intersexuelle Menschen im Säuglings- und Kindesalter mehrfach Operationen unterzogen, damit sie zum Jungen oder zum Mädchen werden. Viele von ihnen leiden ihr ganzes Leben lang physisch und psychisch unter den Folgen dieser Operationen.

Menschenrechte von intersexuellen Menschen werden verletzt

[...] Intersexuelle Menschen dürfen nicht länger in ihren Menschen- und Bürgerrechten eingeschränkt und gesellschaftlich ausgegrenzt werden. Ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit, auf Selbstbestimmung und Nicht-Diskriminierung darf nicht weiter verletzt werden. [...]

Geschlechtszuweisende Operationen nur wenn Betroffene einwilligen

Zentrale Forderung des Antrages ist ein Verbot geschlechtszuweisender und -anpassender Operationen, wenn die Betroffenen noch nicht einwilligungsfähig sind. Danach soll eine stellvertetende Einwilligung der Eltern in irreversible, geschlechtszuweisende Eingriffe nur noch in lebensbedrohlichen Notlagen oder durch eine medizinische Indikation zulässig sein.

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen & Eingriffe

Positionspapier "Intersexualität" - Die Linke, 15.5.13

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Intersex-Genitalverstümmelungen stoppen! - Aktion Dresden 23.09.2012Zur Bundestagsdebatte über ein Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen hat die Linksfraktion ihr >>> Positionspapier "Intersexualität" aufdatiert. Danke!

Ein Auszug:

Mit dem Bericht des Deutschen Ethikrats im Februar 2012 und einer öffentliche Anhörung im Familienausschuss des Deutschen Bundestags im Juni 2012 wurde nochmals deutlich, dass viele intersexuelle Menschen ohne ihre Einwilligung im Kindealter operiert wurden, um sie einem Geschlecht zuzuordnen. Dies hatte erhebliche physische und psychische Folgen bis hin zu Suiziden. [...]

Die Fraktion DIE LINKE [...] fordert im Wesentlichen:

  • eine umfassende Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzung und eine Entschuldigung des Gesetzgebers für das erlittene Leid
  • ein Verbot geschlechtsangleichender Operationen vor der Einwilligungsfähigkeit der Betroffenen sowie
  • einen unbürokratischen Fonds, um die Betroffenen von frühkindlichen Operation finanziell zu unterstützen.

(Bild: Intersex-Protest + Offener Brief vor der Universitäts-Kinderklinik Dresden, 23.9.2012)

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen & Eingriffe

"Intersex -Kinder gewaltsam einem Geschlecht zugeordnet" - Interview mit Markus Bauer (Zwischengeschlecht.org), rdl 16.5.13

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Die Zwitter Medien Offensive™ geht weiter!

Menschenrechte auch für Zwitter!

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>>> Gespräch mit yours truly im Morgenmagazin von Radio Dreyeckland über den ersten >>> "Welttag der genitalen Selbstbestimmung", die historische >>> US-Klage gegen Intersex-GenitalabschneidererInnen und die >>> Bundestagsdebatte über ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen.

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen & Eingriffe

Thursday, May 16 2013

Do 16.5.2013: Bundestag berät Intersex-Genitalverstümmelungen - CDU/CSU für Verbot - Debatte abgesetzt - Anträge überwiesen!

Die Anträge wurden an unten gelistete Ausschüsse überwiesen! >>> Protokoll + Reden

Bild: Aktion von Zwischengeschlecht.org zur Ethikrat-Pressekonferenz, Berlin 23.02.2012

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>>> Pressemitteilung zum Thema von Zwischengeschlecht.org vom 16.05.2013

STOP Genitalverstümmelung in Kinderkliniken!

Heute Donnerstag ist im Bundestag an der 240. Sitzung die erste Beratung der historischen Anträge von SPD, Grünen und Linke traktandiert >>> TOP 19 a-c.

Dies ist nach 20 Jahren Forderungen und Protesten Betroffener das allererste Mal, dass ein gesetzliches Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen in einem Parlament konkret zur Debatte steht!

Nebst der Hauptforderung nach einem gesetzlichen Verbot der Verstümmelungen nehmen die Anträge auch weitere zentrale Forderungen der Betroffenen auf.

Dass CDU/CSU und FDP bisher keine eigenen Anträge zustande brachten und die Beratung zudem erst auf nach Mitternacht angesetzt ist, liess im Vorfeld befürchten, dass die Regierungsparteien eher auf eine rasche Beerdigung der historischen Vorstösse sowie schlimmstenfalls allgemein der (längst überfälligen) politischen Diskussion um die strafrechtliche Dimension kosmetischer Genitaloperationen an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen abzielen – was nun zum Glück nur teilweise eintraf:

CDU/CSU für Verbot – Diskussion abgesetzt – Anträge überwiesen

Für die 1. Lesung der 3 Anträge war laut Wochenvorschau zunächst insgesamt eine halbe Stunde vorgesehen.

Nach neuester Planung (PDF) ist TOP 19 zwar immer noch auf den frühen Freitagmorgen um 01:10 Uhr angesetzt – findet nun allerdings nur noch virtuell statt: Innert 5 Minuten werden die Redebeiträge zu Protokoll gegeben, und das war's.

Laut Tagesordnung (PDF) ist für alle 3 Anträge Überweisung an folgende Ausschüsse vorgeschlagen:
- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (federführend)
- Innenausschuss
- Rechtsausschuss
- Ausschuss für Gesundheit
- Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
- Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Nachtrag 1: So geschah es dann auch – die Anträge wurden einstimmig an die erwähnten Ausschüsse überwiesen (Video)!

Nachtrag 2: >>> Relevante Protokollauszüge + Reden (PDF, 322 kb) 

Zwischengeschlecht.org hatte die "Intersex-SprecherInnen" aller Fraktionen schriftlich um eine Stellungnahme angefragt (PDF):   >>> CDU/CSU, FDP   >>> SPD, Grüne, Linke 
- Die VertreterInnen von CDU/CSU und FDP warum es von diesen Fragtionen keine eigenen Anträge gab und was ihre Position betreffend eines gesetzlichen Verbots ist sowie betreffend einer umfassenden Aufarbeitung;
- SPD, Grüne und Die Linke wie sie sich ein Verbot konkret vorstellen und was ihre Position betreffend dem ursprünglich auf dem Hermphroditforum andiskutierten und von Zwischengeschlecht.org auch bei der Ethikrat-Anhörung eingebrachten konkreten Vorschlag ist sowie betreffend der Problematik der vorzeitigen Verjährung;
- alle, ob ihnen die bis in die 1980er Jahre in Ost und West übliche Praxis kosmetischer Klitorisamputationen bekannt ist, und ob sie weitere konkrete Vorschläge haben

Stellungnahmen: Peter Tauber (CDU/CSU) und Monika Lazar (Grüne)

Antworten liegen inzwischen von den Angeordneten Peter Tauber (CDU/CSU) und Monika Lazar (Grüne) vor. Die VertreterInnen der übrigen Fraktionen haben Antworten zumindest angekündigt.

- Zwar liess ein Mitarbeiter von Dr. Peter Tauber (CDU/CSU) am Telefon durchblicken, die Fraktion werde die Anträge ablehnen. Trotzdem sei ein Verbot kosmetischer Genitaloperationen letztlich wohl nur noch eine Frage der Zeit. Ähnlich optimistisch äusserte sich auch Peter Tauber selbst in seiner ausführlichen Stellungnahme:

In der Sache gibt es aus meiner Wahrnehmung heraus zwischen den Fraktionen keine Unterschiede in den Auffassungen was ein Verbot nicht notwendiger, kosmetischer Genitaloperationen bei Minderjährigen betrifft. Meine Kollegen und ich haben sich in den Stellungnahmen und den parlamentarischen Reden immer sehr eindeutig geäußert. Die CDU/CSU-Bundestagfraktion lehnt rein kosmetische Operationen an Kindern und Jugendlichen ebenfalls ab. [...]

Eine derart intensive Befassung mit den Problemlagen der intersexuellen Menschen hat es zumindest im Deutschen Bundestag noch nicht gegeben. Das Thema "Verbot geschlechtsdeterminierender Operationen kosmetischer Art" ist aus meiner Sicht das nächste Thema, das wir angehen werden. So hatten wir auch aus meiner Wahrnehmung heraus in der interfraktionellen Arbeitsgruppe diskutiert. (>>> vollständige Stellungnahme als PDF)

- Wie Monika Lazar (Grüne) in ihrer Stellungnahme erläutert, ist über das konkrete Wie eines Verbotes das letzte Wort noch nicht gesprochen:

Die Diskussion in der grünen Bundestagsfraktion ist noch nicht abgeschlossen. Eine mögliche Lösung könnte sein, das elterliche Sorgerecht dahingehend zu ändern, das Eltern in keine kosmetischen Eingriffe einwilligen dürften. [...] Darüber hinaus wollen wir prüfen, welche weiteren bestehenden straf- und zivilrechtlichen Regelungen entsprechend zu verändern sind, um den erklärten Willen des intersexuellen Minderjährigen umzusetzen. (>>> vollständige Stellungnahme als PDF)

Auch die Problematik der Verjährung bzw. die notwendige Aussetzung/Aufhebung der Verjährungsfristen "wurde in unserer Fraktion noch nicht diskutiert". Bereits informiert war sie dafür über die Tatsache der kosmetischen Klitorisamputationen an Intersexen in Ost und West bis in die 1980er-Jahre

Nachtrag: inzwischen liegt auch die Stellungnahme von Sibylle Laurischk (FDP) vor, die erneut ihre hervorragende Rede im Bundestag vom 24.11.2011 bekräftigt:

"Niemand hat das Recht, ohne Erlaubnis, Veränderungen an den Genitalien eines Kindes oder Jugendlichen vorzunehmen. Dies ist auch verboten. Angeblich kosmetische Maßnahmen sollten ausdrücklich verboten werden." (>>> vollständige Stellungnhame als PDF)

Fortsetzung: 23.02.2013: Beratungen in 5 Bundestags-Ausschüssen

Intersex im Bundestag - Was bisher geschah:
- 1996-2009: Bundesregierung verleugnet Betroffene 
- Bundestag 05.03.2009: 1. Erwähnung von "Intersex" während CEDAW-Debatte
- 1. "richtige" Intersex-Bundestags-Debatte 24.11.2011: Protokoll und Videos 
- Öffentl. Anhörung 25.06.2012: Schriftliche Stellungnahmen
- Öffentl. Anhörung 25.06.2012: Protokoll und Video + Medienspiegel
- Fachgespräch 24.10.2012: Beate Rudolf bringt Klartext 
- Bundesregierung 04.01.2013: "Keine Meinung" zu Intersex-Genitalverstümmelungen
- Bundestag 31.01.2013: Fragwürdige Personenstandsnovelle (§ 22 PStG)  
- 23.02.2013: 5 Bundestags-Ausschüsse beraten Verbot von Intersex-Verstümmelungen

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe

>>> UN-Sonderberichterstatter über Folter verurteilt "genitale Zwangsoperationen"

Tuesday, May 14 2013

USA: Historische Klage gegen Intersex-Genitalverstümmelung!

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>>> Pressemitteilung zum Thema von Zwischengeschlecht.org vom 15.05.2013

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)

Am Dienstag, den 14. Mai 2013 reichten in South Carolina die Eltern Mark und Pam Crawford im Namen ihres mittlerweile 8-jährigen Intersex-Adoptivkindes M.C. Klage ein gegen das South Carolina Department of Social Services, das Greenville Hospital System, die Medical University of South Carolina und einzelne MedizynerInnen und SozialarbeiterInnen wegen Durchführung irreversibler und medizinisch nicht notwendiger Genitaloperationen.

Das von den VerstümmlerInnen als "echter Hermaphrodit" klassifizierte Kind M.C. war im Alter von 16 Monaten sog. "feminisierenden Genitalkorrekturen" unterworfen worden, während es sich in staatlicher Pflegeunterbringung befand. Dabei wurde wie üblich gesundes Genitalgewebe ohne medizinische Notwendigkeit weggeschnitten und in den Mülleimer geworfen (Penisentfernung/"Klitorisverkleinerung" plus Entfernung von Hodengewebe). M.C. lebt inzwischen als Knabe.

Die Klage auf Verstoss gegen die US-Verfassung sowie auf Verletzung der medizinischen Berufspflicht wurde gleichzeitig auf Staates- und auf Bundesebene eingereicht.

Die Beklagten haben laut Klage gegen die "Due Process"-Klausel der US-Verfassung verstossen, in dem sie M.C. "einer medizinisch nicht notwendigen Operation unterwarfen, die M.C.s Körper veränderte und und seine Fortpflanzungsfähigkeit dauerhaft verminderte ohne Mitteilung oder einer Anhörung um sicherzustellen, dass die Behandlung in M.C.s bestem Interesse war".

Es sei nicht ordnungsgemäss über die erheblichen Risiken der Operation aufgeklärt worden oder über die Möglichkeit, darauf zu verzichten. Schlimmer noch, es sei "nicht einmal darüber aufgeklärt worden, dass der Eingriff medizinisch gar nicht notwendig war". M.C. sei durch die Operation "möglicherweise sterilisiert worden und seine sexuelle Empfindungsfähigkeit in hohem Masse vermindert, wenn nicht gar gänzlich zerstört worden" .

M.C.s Mutter Pam Crawford: "Indem sie diese nicht notwendige Operation durchführten, sagten der Staat und die Ärzte M.C., so wie er auf die Welt kam, sei er nicht akzeptabel und liebenswert. Sie entstellten ihn, weil sie ihn nicht akzeptieren konnten, wie er war – nicht, weil er Operationen gebraucht hätte. M.C. ist ein liebreizendes, bezauberndes und widerstandsfähiges Kind. Wir werden nicht aufhören, bis wir Gerechtigkeit erlangen für unseren Sohn."

M.C.s Vater Mark Crawford: "Dies war ein fahrlässiges und rücksichtsloses Vorgehen. Indem wir die Verantwortlichen verklagen, hoffen wir andere Ärzte, Kliniken und staatliche Stellen davon in Kenntnis zu setzen, dass sie nicht Kinder verstümmeln können, ohne dafür zur Verantwortung gezogen zu werden."

Die Crawfords werden bei der Klage unterstützt durch die US-Zwitter-Lobbyorganisation Advocates for Informed Choice (AIC), das Southern Poverty Law Center (SPLC) und 2 pro bono arbeitenden privaten Anwaltskanzleien.

Anne Tamar-Mattis (Advocates for Informed Choice): "In diesem Fall geht um Sicherheit für alle Kinder, die keine Stimme haben. Niemand setzte sich ein für M.C.s Rechte, als diese Entscheidung getroffen wurde, während der Staat für seine Sicherheit und sein Wohlbefinden verantwortlich war. Es ist an der Zeit, dass alle Beteiligten für das Leid, das sie M.C. zufügten, geradestehen müssen."

Alesdair H. Ittelson (Southern Poverty Law Center): "Gott schuf M.C. so, wie er ist, aber mit einer unnötigen Operation hat ihn der Staat South Carolina irreparabel geschädigt. Der Staat hat eine Entscheidung getroffen, die ihn ihn seiner Freiheit beraubte, zu entscheiden was mit seinem Körper geschehen soll. Es ist Zeit, dass der Staat und alle übrigen Beteiligten dafür zur Verantwortung gezogen werden."

Dieser Blog wünscht den mutigen Eltern Mark und Pam Crawford und M.C. sowie ihren Unterstützer_innen alles Gute – und den Verklagten einen lehrreichen und hoffentlich teuren Denkzettel!

Möge diese Klage allen sebstherrlichen Intersex-GenitalabschneiderInnen und ihren HelfershelferInnen weltweit, die nach wie vor unbeirrbar täglich weiterverstümmeln, die Freude an ihrem blutigen "Handwerk" gründlichst vermiesen!

Diese Klage ist nach dem "Zwitter-Prozess von Christiane Völling von 2007 und nach dem kommenden Prozess in Erlangen weltweit die 3. Klage gegen Intersex-GenitalverstümmlerInnen. Es ist das 1. Mal, dass nebst individuellen TäterInnen und (wie auch in Erlangen) einer Universitätsklinik gleichzeitig weitere staatliche Stellen belangt werden, und das 1. Mal, dass zusätzlich auf Verfassungsebene geklagt wird.

(Bild: Heidi Walcutt an einer Protestaktion von "Hermaphrodites with Attitude", NYC 1997)

>>> Pressemitteilung Advocates for Informed Choice (AIC) (PDF)
>>> Meldung Southern Poverty Law Center (SPLC)
>>> Video der PK auf wltx.com 
>>> Video der PK auf wsfa.com 
>>> YouTube-Interview mit den Eltern Mark und Pam Crawford
>>> Unterschriftensammlung von AIC
>>> Artikel von Alice Dreger auf theatlantic.com
>>> Artikel auf USA Today 
>>>
Artikel auf Wyff4.com 
>>> Artikel auf U.S. News
>>> Reuters-Agenturmeldung
>>> Blogpost auf Advocates for Informed Choice

Fortsetzung: 25.08.2013: Verfassungsklage nimmt erste Hürde!

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>>
Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> UN-Sonderberichterstatter über Folter verurteilt "genitale Zwangsoperationen"

Genitalabschneider, wir kriegen euch! Zwangsoperateure, passt bloss auf!

Gonade um Gonade, Lustorgan um Lustorgan!

Saturday, May 11 2013

Stadtpfarrer und Kirchenrat Aichach verbieten Lesung aus Krimi um Intersex-Kind als Opfer von sexualisierter Gewalt durch Dorfpfarrer

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Franz Xaver Roths Krimi "Der falsche Mann" dreht sich Inhaltsbeschreibungen nach um ein Intersex-Kind, das in den 1960er Jahren in Bayern als Knabe aufwächst und Opfer von sexualiserter Gewalt durch einen Geistlichen wird. In der Gegenwart kehrt der Hermaphrodit als Frau aus Brasilien zurück und wird ermordet. Gleichzeitig verarbeitet der Roman die Legende der heiligen Kümmernis.

Auf den 8. November 2013 war anlässlich der Aichacher Büchertage eine Autorenlesung aus dem Roman im Aichacher Bürgerzentrum geplant. Wie einem >>> Offenen Brief von Franz Xaver Roth zu entnehmen ist, war das allerdings für den Aichacher Kirchenrat und den Stadtpfarrer offenbar zuviel, weshalb sie die Lesung kurzerhand untersagten:

"Nach Beendigung der Lektüre stellten wir fest, dass das Thema (Hermaphrodit und Missbrauch durch den Dorfpfarrer) hier leider nicht zu vertreten ist. Der Kirchenrat und unser Stadtpfarrer sind mit der Präsentation nicht einverstanden."

Bleibt zu hoffen, dass das Buch durch dieses Verbot vom Streisand-Effekt profitiert und erst recht bekannt wird – und ebenso das sonderbare Verhalten von Kirchenrat und Stadtpfarrer Aichach, das erst recht die Frage aufwirft, weshalb diese sich durch die fiktive Geschichte offenbar persönlich betupft fühlen (wie übrigens seinerzeit auch das Kinderspital Luzern vom letztjährigen, Aufsehen erregenden Intersex-Tatort "Skalpell").

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>>
Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe

Thursday, May 9 2013

Leipzig 17.5.13: Aus IDAHOT* wird IDAHIT* - inkl. Forderung nach Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen! DANKE!

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'STOP Intersex Genital Mutilation!' - UNHRC Geneva 20.10.2012

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Seit 2005 wird am 17. Mai der "Internationale Tag gegen Homophobie" begangen ("IDAHO = International Day Against Homophobia").
Das Datum erinnert an den 17. Mai 1990, den Tag, an dem die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschloss, Homosexualität aus ihrem Diagnoseschlüssel zu streichen.

Im letzten Jahr gingen in Deutschland einige regionale Veranstalter_innen (z.B. in Jena) dazu über, zusätzlich ein T und einen * anzuhängen (IDAHOT*), um explizit sichtbar zu machen, dass auch Transphobie und phobisches Verhalten gegen weitere Gruppen bekämpft werden soll.

Dieses Jahr fällt der 17.5. in Deutschland zufällig auf den Folgetag, nachdem am 16.5. im Bundestag zum allerersten Mal über ein explizites gesetzliches Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen debattiert wird.

Passend dazu macht Leipzig 2013 als erster Veranstaltungsort den bemerkenswerten Schritt, auch Intersexe explizit mit einzubeziehen, und änderte deshalb das Akronym für die diesjährige Veranstaltung zu "IDAHIT*".

Gleichzeitig heisst es auf dem IDAHIT* 2013-Flyer und in der Forderungsliste explizit:

[...] Auch Intergeschlechtlichkeit, also das Aufweisen körperlicher Merkmale beider Geschlechter bzw. eine uneindeutige Geschlechtlichkeit, wird heute noch pathologisiert und von der Medizin als „Sexualdifferenzierungsstörung“ bezeichnet und meist ohne medizinische Notwendigkeit „behandelt“. [...]

Die Pathologisierung von Intergeschlechtlichkeit und damit einhergehend der Zwang zur Zweigeschlechtlichkeit hat zur Folge, dass Kinder mit uneindeutigen Genitalien in der Regel kurze Zeit nach der Geburt geschlechtsangleichenden Operationen (z.B. Kastration, Klitorisverkleinerung, Anlegen einer Neovagina) unterzogen werden, die in vielen Fällen mit Komplikationen verbunden sind und oft lebenslange Hormontherapien nach sich ziehen. Von vielen Betroffenen wird dies im Nachhinein als äußerst traumatisierend beschrieben. [...]

Was wir wollen!

[...] Pathologisierung von [...] Intersexualität sowie Operationen ohne die Einwilligung der Betroffenen an intergeschlechtlichen Menschen müssen aufhören!

 Wir fordern ein gesetzliches Verbot medizinischer Eingriffe sowie den sofortigen Stopp der gängigen medizinischen Praxis an Intersexen. [...]

Dafür von diesem Blog an alle Beteiligten ein ganz herzliches Danke!

Diese explizite Unterstützung im Kampf um die Beendigung der Intersex-Genitalverstümmelung ist umso bemerkenswerter, als auch die Leipziger Universitäts-Kinderklinik immer noch entsprechende kosmetische "Genitalkorrekturen" im Angebot hat, und kürzlich ein Uni-Kinderarzt auf Radio Mephisto "Genitalkorrekturen" rechtfertigte, aber gleichzeitig der Uni-Kinderklinikdirektor in der Öffentlichkeit so tut, als wäre dies alles gar nicht der Fall.

Bezeichnender noch, kürzlich wollte die Universitätsklinik Leipzig (nicht als erste) Zwischengeschlecht.info verbieten, öffentlich darauf hinzuweisen, dass die Universitäts-Kinderklinik solche kosmetische Intersex-"Genitalkorrekturen" auch 2013 unverändert online anbietet, und dass Überlebende diese Eingriffe seit mindestens 17 Jahren explizit als "Genitalverstümmelung" erfahren und kritisieren – und droht dazu einer Überlebenden von Intersex-Genitalverstümmelungen, die für den Blog gar nicht verantwortlich ist, mit einem Prozess ...

>>> Offener Brief an Universitäts-Kinderklinik Leipzig  
>>> Beitrag Radio Mephisto

>>> Intersex-Bericht & Interview im Kreuzer 

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>>
Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> UN-Sonderberichterstatter über Folter verurteilt "genitale Zwangsoperationen" 

Wednesday, May 8 2013

"Wir lassen uns nicht über den runden Tisch ziehen" - vom Mut und dem Gerechtigkeitssinn der Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen lernen (3)

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Ein weiterer "Blick über den eigenen Tellerrand hinaus":

Begonnen hatte es mit einem kritischen Artikel im >>> SonntagsBlick v. 5.5., in welchem der Präsident der von netzwerk-verdingt.ch kein Blatt vor den Mund nahm – unter expliziten Verweis auf den Beschiss beim "Runden Tisch Heimerziehung" in Deutschland (vgl. ebenso >>> tages-anzeiger.ch):

«Wir setzen uns nicht an den runden Tisch», sagt Vereinspräsident [Walter] Zwahlen. Die Gruppe sei zu gross. Er nennt sie ein «untaugliches, parteipolitisch inspiriertes Konstrukt». Es brauche «eine Expertenrunde statt reaktionäre, ewiggestrige Kräfte, Bremser und Profiteure.»

Zwahlen befürchtet ein ähnliches Szenario wie beim runden Tisch für Heimkinder in Deutschland: «Dort wurden die Betroffenen über den Tisch gezogen und mit kläglichen 190 Millionen Euro abgespeist.» Stoisch weigerten sich Bund wie Bauern, die Leistung der Verdingkinder aufzurechnen. «Ist diese Zahl einmal ausgesprochen, lassen sich Reparationszahlungen kaum vermeiden», so Zwahlen.

Der wirtschaftliche Wert der Kinderarbeit ist bekannt. Ein Ökonom der UBS kalkulierte ihn im Herbst 2011 für SonntagsBlick. Demnach hatte die Schweizer Landwirtschaft kostenlose Leistungen von mindestens 20 Milliarden Franken erhalten. Umrechnet auf den heutigen Geldwert entspricht das einem Betrag von 120'000 Franken pro Person.

Bei 10'000 noch lebenden Verdingkindern beträgt die Schuld 1,2 Milliarden Franken. Wobei nur Saläre, nicht aber erlittenes Unrecht berücksichtigt sind. «Total stehen uns vier Milliarden Franken zu», sagt [Hugo Zingg, ehemaliges Verdingkind].

Mitlerweile ist laut >>> Tages-Anzeiger v. 7.5. (Paywall) bereits der 2. designierte Betroffenenvertreter ausgestiegen:

Nach Zwahlen entschied gestern überraschend auch [Sergio Devecchi, ehemaliges Heimkind, half bei der Vorbereitung des Gedenkanlasses vom 11. April], nicht am runden Tisch teilzunehmen. Wie er in einem Mail an [Alt-Ständerat Hansruedi Stadler, Delegierter für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen] sowie alle Mitglieder der Vorbereitungsgruppe für den Gedenkanlass schreibt, stört er sich daran, dass Justizministerin Sommaruga «den entscheidenden Schritt» nicht tun wolle – «nämlich die Trägerschaft, das heisst die volle Verantwortung für den runden Tisch, zu übernehmen». Sie – und nicht der Delegierte des Bundesrats, also Stadler – müsse den runden Tisch «bundesrätlich und offiziell» einrichten und «ihm in Form eines Pflichtenheftes einen klaren Auftrag mit Zeithorizont» erteilen.

Mit "Experten", die am runden Tisch nicht vorgesehen seien, mag netzwerk-verdingt-Vereinspräsident Zwahlen etwa an den ausgewiesenen >>> Historiker Thomas Huonker gedacht haben, Verfasser mehrerer Bücher zu relevanten Theman, darunter das herausragende >>> "Diagnose: 'moralisch defekt'. Kastration, Sterilisation und Rassenhygiene im Dienst der Schweizer Sozialpolitik und Psychiatrie 1890-1970" (PDF, 294 MB).

In einem aktuellen >>> Interview auf tages-anzeiger.ch v. 7.5. diskutiert Huonker die Entschädigungsfrage, verweist dabei auf "übergeordnete rechtliche Grundsätze. Zum Beispiel, dass geschehenes Unrecht gesühnt werden muss" sowie auf das Versagen der Opferhilfe-Organisationen.

Siehe auch:
- Gewalt und Pharma-Experimente in CH-Kinderheimen: Aufarbeitung gefordert (1)
- Opfer von CH-Zwangsmassnahmen: Entschuldigung, aber keine Entschädigung (2)
- Vom Mut und den Erfahrungen der ehemaligen Heimkinder lernen 
- "Runder Tisch Heimerziehung": Betroffene zum 2. Mal gedemütigt und erpresst
- "Als wären wir zur Strafe hier" + "Runder Tisch Heimerziehung" fest in TäterInnenhand
- Alle Posts zu "Blick über den eigenen Tellerrand hinaus"

Tuesday, May 7 2013

Zum heutigen "Welttag der genitalen Selbstbestimmung" – Intersex-Genitalverstümmelungen nicht vergessen!

Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!»Aktion von Zwischengeschlecht.org, 6.2.2011 (Bild: NZZ Format)

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Nachtrag: Wir erhielten umgehend positive Rückmeldungen u.a. von den Veranstaltern des "Welttags" MOGiS e.V., die uns hoffen lassen, nächstes Jahr werde es klappen! Danke! 

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Pressemitteilung von Zwischengeschlecht.org vom 07.05.2013:

'STOP Intersex Genital Mutilation!' - UNHRC Geneva 20.10.2012Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org begrüßt die Einführung des "Welttags der genitalen Selbstbestimmung" ("World Wide Day of Genital Autonomy"), der heute zum ersten Mal begangen wird mit dem erklärten Ziel, "den Schutz aller Kinder weltweit vor jeglicher Verletzung ihrer körperlichen und sexuellen Integrität" voranzutreiben, und unterstützt dieses Ziel ausdrücklich.

Der "Welttag der genitalen Selbstbestimmung" bezieht sich im Namen auf die Organisation "Genital Autonomy", die seit Jahren nebst "Beschneidung" von Mädchen und Jungen explizit auch kosmetische Genitaloperationen an Intersex-Kindern verurteilt, und beruft sich auf die "Helsinki-Deklaration 2012", die mit ihrer bewusst offen gehaltenen Forderung nach "Schutz vor medizinisch nicht notwendiger genitaler Veränderung und vor anderen unumkehrbaren Eingriffen in die Fortpflanzungsorgane" bewusst auch Intersex-Genitalverstümmelungen mit einschließt, wie sie auch in Deutschland heute noch täglich in Kinderkliniken stattfinden.

Leider beschränken sich die konkreten Forderungen der heutigen Demonstration in Köln zum ersten "Welttag" auf medizinisch nicht notwendige "Genitalkorrekturen" an Jungen und Mädchen – Intersex-Genitalverstümmelungen werden nirgends konkret erwähnt, noch wurden Intersex-Betroffenenorganisationen informiert oder eingeladen. 

Zwischengeschlecht.org bedauert dies und ruft die beteiligten Organisationen dazu auf, künftig auch Intersex-Genitalverstümmelungen angemessen zu berücksichtigen, und insbesondere die langjährige Hauptforderung der Betroffenen nach einem gesetzlichen Verbot von medizinisch nicht notwendigen, kosmetischen Genitaloperationen an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen aktiv zu unterstützen!

Umso mehr, als übernächsten Donnerstag 16.05.2013 im Bundestag drei konkrete Anträge beraten werden, die explizit ein Verbot von Intersex-Genitalverstümmelungen fordern und von Zwischengeschlecht.org und weiteren Betroffenenverbänden ausdrücklich befürwortet werden (17/13253, 17/12851 und 17/12859).

Zwischengeschlecht.org möchte deshalb zum heutigen "World Wide Day of Genital Autonomy" öffentlich daran erinnern:

  • Bis in die 1980er-Jahre wurde bei Intersex-Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken tausenden und abertausenden wehrlosen Kindern eine "zu große Klitoris" kurzerhand amputiert oder gar "ausgekernt". Verantwortliche Mediziner behaupteten dazu international bis in die 1990er-Jahre "die Orgasmusfähigkeit leidet unter der Klitorisentfernung nicht" (Prof. Jürgen Bierich), und stellten diese Eingriffe zum Teil selbst explizit in eine Reihe mit "Knabenbeschneidung sowie Beschneidung von Mädchen bei afrikanischen Naturvölkern" (Dissertation Dr. med. Hans Martin Wisseler). 
  • Im März 2013 verurteilte der UN-Sonderberichterstatter über Folter ausdrücklich "genital-normalisierende Zwangsoperationen" und "Sterilisierung" an "Kinder[n], die mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt kommen" und forderte gesetzgeberische Maßnahmen (A/HRC/22/53). Schon das UN-Komitee gegen Folter (CAT) hatte die Bundesrepublik 2012 unmissverständlich dazu aufgefordert, Intersex-Genitalverstümmelungen aufzuarbeiten und Betroffene zu entschädigen.

Gleichzeitig möchten wir im Namen der Überlebenden von Intersex-"Genitalkorrekturen" die zur heutigen Demonstration in Köln aufrufenden Organisationen respektvoll zu kritischer Selbstreflektierung auffordern:

  • Mit dem "Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ)" ist am "Welttag" auch eine MedizinerInnen-Standesorganisation prominent beteiligt, die zwar bezüglich kosmetischen Genitaloperationen an Knaben und Mädchen fortschrittliche Positionen vertritt, jedoch gleichzeitig kosmetische "Genitalkorrekturen" an Kindern mit "atypischen Genitalien" bisher unbeirrt weiterpropagiert und -praktiziert:
    So fordert BVKJ-Mitglied "Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)" z.B. kosmetische "Klitorisverkleinerungen", und "Vaginalerweiterungen" an wehrlosen Kleinkindern "in Deutschland im ersten Lebensjahr" (AWMF-Leitlinie 027/047 "Adrenogenitales Syndrom", vgl. ebenso AWMF-Leitlinie 027/022 "Störungen der Geschlechtsentwicklung").
    Und Mitglieder der beim BVKJ angeschlossenen "Vereinigung Leitender Kinderärzte und Kinderchirurgen Deutschlands (VLKKD)" propagieren und praktizieren komplikationsträchtige kosmetische "Hypospadiekorrekturen" an wehrlosen Kleinkindern explizit "auch aus ästhetisch-psychologischen Gründen" (AWMF-Leitlinie 006/026 "Hypospadie").

Dies in der Hoffnung, dass in Zukunft beim "Welttag der genitalen Selbstbestimmung" auch Betroffene von uneingewilligten Intersex-"Genitalkorrekturen" sich nicht länger nur "mitgemeint" oder gar ausgeschlossen fühlen müssen, und der "Welttag" dadurch seinem Ziel "Schutz aller Kinder weltweit vor jeglicher Verletzung ihrer körperlichen und sexuellen Integrität" noch besser gerecht werden möge. Gerne würde Zwischengeschlecht.org dazu einen praktischen Beitrag leisten.

Die Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org fordert ein Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Kindern und Jugendlichen mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen sowie "Menschenrechte auch für Zwitter!".

Betroffene sollen später selber darüber entscheiden, ob sie Operationen wollen oder nicht, und wenn ja, welche.

Freundliche Grüße

n e l l a
Daniela Truffer
Gründungsmitglied Menschenrechtsgruppe Zwischengeschlecht.org

Mobile +41 (0) 76 398 06 50
presse_at_zwischengeschlecht.info

http://zwischengeschlecht.org
Regelmäßige Updates: http://zwischengeschlecht.info

>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben

>>> Intersex-Genitalverstümmelungen: Typische Diagnosen und Eingriffe
>>> 12.12.2012: Schwarzer Tag für die Kinderrechte 
>>> Unversehrtheit von Kindern: Kosmetische GenitalOPs u. Knabenbeschneidungen
>>> Helsinki-Deklaration des Rechts auf genitale Autonomie 2012 

Thursday, May 2 2013

Vom Mut und der Hartnäckigkeit der Duogynon-Opfer lernen

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Ein weiterer "Blick über den eigenen Tellerrand hinaus":

Hände weg von Kindergenitalien!

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"Duogynon", "Primodos" und "Cumorit" waren Handelnamen der Firma Schering (heute Bayer) für ein wirtschaftlich einträgliches Hormonbomben-Präparat, eine Kombination aus den Sexualhormonen Progesteron und Östradiol, welches u.a. als angeblich "harmloser" Schwangerschaftserkennungstest in Deutschland von 1950-1981 im Handel war, in Afrika, Kolumbien, Mexiko und den Philippinen sogar bis 1987.

Obwohl vermehrtes Auftreten von ernsthaften medizinischen Problemen bei Neugeborenen (u.a. Wasserkopf, fehlende oder verkrüppelte Glieder, Lippen-Kiefer-Gaumenspalte, Herzfehler, offene Rücken, offener Bauch) wie auch "intersexuelles Genitale" nach Verabreichungen von Duogynon etc. den Konzern-Verantwortlichen erwiesenermassen schon in den 1960er Jahren bekannt waren, und bereits 1978 auch das Bundesgesundheitsministerium vor Risiken warnte (vgl. Frontal21-Bericht), mauert Bayer öffentlich bis heute, leugnet jegliche Verantwortung und demütigt stattdessen die Opfer – dank Verjährung gerne auch mit gerichtlicher Unterstützung.

Seit 1978 protestieren Betroffene in Grossbritannien und Deutschland, fordern Gerechtigkeit und Aufarbeitung und lassen sich auch durch wiederholte Rückschläge nicht unterkriegen. Dieser Blog sendet solidarische Grüsse und wünscht weiterhin viel Kraft und Erfolg!

>>> www.dougynonopfer.de 
>>> Westfälischen Rundschau: "Verjährt - aber nicht vergessen" (PDF) 
>>> Tagesspiegel: "Prozess gegen Bayer Wahrheit verjährt nicht" 
>>> Rede von Valerie Williams an der Bayer-Hauptversammlung 2013 (PDF)
>>> Video Frontal21: "Vertuschte Nebenwirkungen? Opfer klagen" 
>>> Video Tagesschau: "Duogynon führte zu schweren Behinderungen bei Kindern"  

>>> Alle Posts zu "Blick über den eigenen Tellerrand hinaus" 

Thursday, April 25 2013

Bundestags-Antrag "Rechte intersexueller Menschen stärken" - SPD nimmt Forderungen der Betroffenen ernst

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Genitalverstümmelungen stoppen!

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Noch einer geht doch! Abgeordnete der SPD haben einen sensationellen >>> Antrag "Rechte von intersexuellen Menschen stärken" (Drucks. 17/13253, PDF) eingereicht, der über weite Strecken mit den viel gelobten, kürzlichen Anträgen von Grünen und die Linke übereinstimmt (und zufällig mit gleichem Datum wie die gestrige Rechtsausschuss-Anhörung zur (weiblichen) Genitalverstümmelung).

Dafür an alle Beteiligten ein ganz herzliches Dankeschön!

Mit enthalten sind auch bei der SPD die zentralen Forderungen der Betroffenen nach einem gesetzlichen Verbot von kosmetischen Genitaloperationen an Betroffenen, unbürokratischem Personenstanswechsel für erwachsene Betroffene und nach historischer Aufarbeitung!

Unterschiede auf den ersten Blick zu den vorherigen Anträgen 17/12851 und 17/12859 ist das Fehlen einer expliziten Forderung nach Entschädigung sowie nach einem zusätzlichen Dritten Personenstandseintrag, neu ist beim SPD-Antrag die zusätzliche Forderung nach umgehender Präzisierung der von Betroffenenverbänden kritisierten Personenstandsneuregelung (§22 PStG).

1. Nachtrag: Ebenso ist beim SPD-Antrag neu, worauf Das Ende des Sex hinweist, dass die Forderung nach einem Verbot der Genitalverstümmelungen expliziter formuliert ist: „Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung daher dazu auf, sicherzustellen, dass geschlechtszuweisende und -anpassende Operationen an minderjährigen intersexuellen Menschen vor deren Einwilligungsfähigkeit verboten werden.“ (Bei den Anträgen von Linke und Grüne hatte es noch abschwächend geheissen: „[...] vor deren Einwilligungsfähigkeit grundsätzlich verboten werden.“)

Meine 2 Cent:

Natürlich ist die Auslassung der Forderung nach Reparationen, wie sie von Betroffenen seit in Deutschland seit mindestens 13 Jahren konkret aufgestelt wird – vgl. Michel Reiter (--> "Ziele organisierter Intersexen") und Georg Klauda (--> "Agenda der KritikerInnen dieser Praxis", 3.) –, schmerzlich. Realpolitisch macht sie in Verbindung mit der expliziteren Formulierung eines Verbots und gleichzeitigem Verzicht auf Personenstandsforderungen durchaus Sinn:

- Ein Verbot ist das wichtigste unmittelbare Ziel, um endlich weitere Verstümmelungen und damit zusätzliches ungeheuerliches und lebenslanges Leid für weitere wehrlose Kinder endlich wirksam zu verhindern. Nicht umsonst ist dies sein 20 Jahren die klare Hauptforderung der Betroffenen, die es als erstes dringend unzusetzen gilt. Je mehr zusätzliche orderungen aber damit in ein Paket geschnürt werden, desto schwieriger kann das werden.

- Ein Verbot ist gleichzeitig das wirklsamste Mittel, ein öffentliches Bewsstsein über das Unrecht der Intersex-Genitalverstümmelungen zu fördern. Die Diskussion um Entschädigung kann zu einem späteren Zeitpunkt gut daran anknüpfen. Die allermeisten erwachsenen Betroffenen stufen es ebenfalls als wichtiger ein, zunächst einmal neues Leid zu verhindern.

- Personenstandsforderungen sind eine andere Bühne und nur für relativ wenige Betroffene ein zentrales Thema. Die wichtigste diesbezügliche Forderung nach unbürokratischem späterer Geschlechtseintragsberichtigung für Betroffene, die sich mit dem ihnen zugewisesenen Geschlecht nicht identifizieren, ist zudem auch im SPD-Antrag enthalten. Weiterführende "Grosse Personsenstadsrevolutionen" wie grundsätzliche "Aufweichung" oder Abchaffug des Personenstands, bei denen es in erster Linie nicht um die Betroffenen geht, und womöglich gar noch auf Kosten der heute und morgen von Verstümmelung akut gefährdeten, mit den unmittelbaren Hauptforderungen der Betroffenen zu veknüpfen ist ist zudem nicht fair. Und kann für Betroffene erst noch negative Folgen haben, wie etwa die unglückselige §22 PStG-Geschichte zeigt. Gut deshalb, dass der SPD-Antrag hierzu pragmatisch Nachbesserung fordert.

>>> Grüne + Linke Anträge "Grundrechte von intersexuellen Menschen wahren"
>>> Zwangsoperierte Zwitter über sich selbst und ihr Leben
>>> Kosmetische Genitaloperationen an Kindern: Typische Diagnosen und Eingriffe

>>> Genitalverstümmelungen in Kinderkliniken – eine Genealogie der Täter 
>>> UN-Sonderberichterstatter über Folter verurteilt "genitale Zwangsoperationen"

Wednesday, April 24 2013

Heute im Bundestag: Genitalverstümmelung inkl. "Intersexualität" im Rechtsausschuss

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Zwischengeschlecht.org «Körperliche Unversehrtheit auch für Zwitter!» (Bild: NZZ Format/SF1)

Zwischengeschlecht.org on FacebookSeit 20 Jahren klagen Betroffene von kosmetischen "Genitalkorrekturen" im Kindesalter diese als "Westliche Form der Genitalverstümmelung" öffentlich an.

FGM-ExpertInnen, HistorikerInnen, JuristInnen, klinische PsychologInnen, ja sogar die GenitalabschneiderInnen selbst bestätigen diese Wahrnehmung.

Die Bundesregierung hat dazu bis heute "noch keine abgeschlossene Meinung".

Dass die "weibliche Genitalverstümmelung in Afrika" fraglos eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung darstellt, streitet mittlerweile keine Fraktion mehr öffentlich ab, ebensowenig die Bundesregierung. Auch die Problematik der vorzeitigen Verjährung sowie fehlende Strafbarkeit von Taten im Ausland sind offiziell längst anerkannt.

Eile scheint bei der "afrikanischen Verstümmelung" trotzdem keine angesagt: Sage und schreibe seit 2010 sitzt der Bundestag auf konkreten Vorschlägen von SPD, Grünen und Bundesrat und schiebt eine Diskussion zum Thema vor sich her.

Heute kommt es nun um 11 Uhr immerhin schon mal zu einer Anhörung im Rechtsausschuss. Dazu sind 9 (soweit namentlich bekannt auschließlich männliche) "Sachverständige" geladen, bei 7 davon sind die Stellungnahmen bereits online.

Diejenige von PD Dr. Edward Schramm (Lehrstuhl für Deutsches und Internationales Straf- und Strafprozessrecht, Friedrich-Schiller-Universität Jena – in deren Universitäts-Kinderklinik bis auf den heutigen Tag regelmäßig wehrlose Kinder verstümmelt werden!) berücksichtigt auf den Seiten 25-26 gar "Intersexualität".

Soweit, so positiv und begrüßenswert. Was Schramm dann inhaltlich zum Begriff absondert, ist leider faktenwidrig bis hoffnungslos verquast.

Einmal mehr werden medizinisch nicht notwendige Genitaloperationen an Kindern mit "atypischen" körperlichen Geschlechtsmerkmalen einzig auf "geschlächztheoretische Doppelsaltos" reduziert betrachtet (der Ethikrat lässt grüßen). Was bei Schramm u.a. in der messerscharfen Behauptung gipfelt, Intersex-Genitalverstümmelungen seien nur welche, wenn dabei das betroffene Kind "in einem Mann umgewandelt" werde – Klitorisamputation oder "die Verwandlung eines doppelgeschlechtlichen Menschen zu einer Person weiblichen Geschlechts, d.h. das Abschneiden des Penis und der Hoden" stelle dagegen juristisch keine Genitalverstümmelung dar, weshalb Eltern hier zur stellvertretenden Einwilligung durchaus berechtigt seien.

Tolmein, Plett, Matt u.v.a.m. waren da schon mal weiter ...

Dass Experte Schramm in seiner Einführung zum Thema einerseits zwar explizit auf die verhängnisvolle westliche Tradition von Klitorisamputationen an Kindern als "Heilmittel" gegen a) Masturbation und b) Hysterie verweist, aber andrerseits die mit Abstand am längsten praktizierte Diagnose c) "zu große Klitoris" kommentarlos auslässt (bzw. unter "andere sog. 'weibliche Störungen'" subsummiert), und sich dabei ausgerechnet auf die Dissertation von Marion Hulverscheidt beruft (die Propagierung und Durchführung von kosmetischen Klitorisamputationen an Kindern mit Diagnose c) klipp und klar nachweist, u.a. durch die Berliner Charité), unterstreicht weiter den weltfremden und praxisfernen Ansatz. Ebenso verräterische Stilblüten von der dreifaltigen "geistig-seelischen-hirnorganischen Geschlechtsidentität" – wäre ja noch schöner, wenn der freie Wille und die freie Entscheidung der Betroffenen mehr als 100 Jahre nach dem Ende des vergleichsweise fortschrittlichen "Zwitterparagraphen" im Allgemeinen Preußischen Landrecht plötzlich  erneut hochgehalten würden ...

Es ist noch ein weiter Weg ...

(Bild: Heidi Walcutt an einer Aktion von "Hermaphrodites with Attitude", 1997)

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